TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/29 2003/01/0576

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Veröffentlicht am 29.06.2004
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Index

41/03 Personenstandsrecht;
74/01 Kirchen Religionsgemeinschaften;

Norm

AnerkennungsG 1874 §2;
PStG 1983 §24 Abs2 Z1;
PStG 1983 §24;
PStG 1983 §34 Abs1 Z1;
PStG 1983 §34;
RRBG 1998 §11;
RRBG 1998 §2 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde 1. des L K und 2. der A K, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Juli 2002, Zl. MD-VfR - 703/02, betreffend Antrag nach dem Personenstandsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) wurde der Antrag des nunmehr beschwerdeführenden Ehepaares, ihr gemeinsames Religionsbekenntnis "Zeuge Jehovas" in die Heiratsurkunde einzutragen und diese neu auszustellen, abgewiesen, uzw. zusammenfassend deshalb, weil gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 bzw. § 34 Abs. 1 Z 1 Personenstandsgesetz - PStG nur die Zugehörigkeit zu gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften in das Ehebuch bzw. in die Heiratsurkunde einzutragen sei.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser wies die Beschwerde, weil die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden seien, mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2003, B 1408/02-6, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In seinem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof ua. ausgeführt:

"In der Gestaltung der staatlichen Personenstandsbücher und - urkunden ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Keine Verfassungsbestimmung gebietet die Aufnahme eines Hinweises auf das Religionsbekenntnis in einer Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunde. Zwar trifft die These der Beschwerdeführer zu, dass das öffentliche Bekenntnis für die Ausübung einer Religion in der Regel wesentlich und daher auch verfassungsrechtlich mit gewährleistet ist. Ob und in welcher Weise der Staat aber die von ihm ausgestellten Personenstandsurkunden durch die Aufnahme des Religionsbekenntnisses diesem Interesse zumindest im Ergebnis dienstbar macht, ist seine Sache. Seine Entscheidung berührt die durch Art. 9 EMRK gewährleistete Religions- und Bekenntnisfreiheit nicht und ist daher auch nicht unter dem Blickwinkel des (auf die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten bezogenen) Art. 14 EMRK zu beurteilen. Er bleibt dabei freilich an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden und darf nicht durch unsachliche Vorgangsweise einzelne Religionsgemeinschaften anderen gegenüber diskriminieren.

Von einer unsachlichen Diskriminierung nicht gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften kann indessen hier nicht die Rede sein. Es stünde dem Gesetzgeber zwar frei, auch die Eintragung registrierter und daher im Rechtsleben identifizierbarer Bekenntnisgemeinschaften vorzusehen. Doch besteht auch ein Sachzusammenhang zwischen der Einräumung einer öffentlich-rechtlichen Stellung und einer Dokumentation der Zugehörigkeit zu einer der solcherart anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften, die diesen Status für die Bekenner den staatlichen Organen gegenüber sichtbar macht. Es ist daher verfassungsrechtlich auch zulässig, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft nur dann in die öffentlichen Urkunden aufzunehmen, wenn diese einen öffentlich-rechtlichen Status genießt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Ergänzung der Beschwerde und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 PStG sind in das Ehebuch die Familiennamen und die Vornamen der Verlobten, ihr Wohnort, der Tag, der Ort und die Eintragung ihrer Geburt sowie ihre Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft einzutragen. Korrespondierend normiert § 34 Abs. 1 Z 1 PStG, dass die Heiratsurkunde die Familiennamen und die Vornamen der Ehegatten, ihre Familiennamen vor der Eheschließung, ihren Wohnort, den Tag, den Ort und die Eintragung ihrer Geburt sowie die Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft zu enthalten hat.

Die Beschwerdeführer stellen nicht in Frage, dass es sich bei den "Zeugen Jehovas" nicht um eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft handelt. Sie vertreten allerdings die Ansicht, dass die zitierten Bestimmungen des PStG so auszulegen seien, dass auch die Zugehörigkeit zu einer eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft im Sinn des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften, BGBl. I Nr. 19/1998 - dazu gehören die "Zeugen Jehovas" - im Ehebuch einzutragen und in die Heiratsurkunde aufzunehmen sei.

Soweit die Beschwerdeführer ihre Ansicht mit verfassungsrechtlichen Überlegungen begründen wollen, sind sie auf die oben wiedergegebenen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen. Zwar trifft es zu, dass in der Lehre (vgl. etwa Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht (2003), 165) dagegen, dass die Angabe des Religionsbekenntnisses in Personenstandsurkunden auf Angehörige einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft beschränkt ist, verfassungsrechtliche Bedenken geäußert werden, die im Wege der von den Beschwerdeführern begehrten verfassungskonformen Interpretation ausräumbar wären (so sinngemäß Kalb/Potz/Schinkele, aaO., 116, zu § 13a ZDG). Angesichts der dargelegten Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes sieht der Verwaltungsgerichtshof indes keine Veranlassung für eine derartige Interpretation, zumal - was der Vollständigkeit halber erwähnt sei - das Schrifttum entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer keinen einhelligen Standpunkt einnimmt (vgl.  Zeyringer/Weitzenböck/Koutny, Personenstandsrecht2 (41), Demmelbauer, Die religiöse Bekenntnisgemeinschaft vor dem Hintergrund der "Sekten"-Diskussion, ÖStA 1999, 94 ff).

Auch unter einfachgesetzlicher Betrachtungsweise kann dem Standpunkt der Beschwerdeführer nicht Rechnung getragen werden. Wie von der belangten Behörde richtig aufgezeigt, wird in den ErläutRV zum Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (938 BlgNR 20. GP 6) nämlich ausdrücklich auf das Personenstandsrecht Bezug genommen ("Das österreichische Staatskirchenrecht geht vom Bestehen gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften aus. Am Bestehen derartiger Kirchen und Religionsgesellschaften knüpft eine Reihe von Rechtsvorschriften an, wie zB das Abgabenrecht, das Schulrecht (Religionsunterricht, Subventionierung von Privatschulen), das Bundesgesetz über die Aufgaben und Einrichtungen des österreichischen Rundfunks, das Personenstandsrecht."). Diese Bezugnahme zeigt, dass dem Gesetzgeber bei Erlassung des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften die personenstandsrechtliche Problematik nicht verborgen geblieben sein kann. Wenn er trotzdem davon absah, - ua. - die hier maßgeblichen §§ 24 und 34 PStG einer Änderung zu unterwerfen, so verbietet sich die Annahme, "staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaften" (zu dieser Terminologie vgl. § 2 Abs. 6 des Bundesgesetzes über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften) seien im Sinn der genannten Vorschriften als "gesetzlich anerkannte Kirchen oder Religionsgesellschaften" zu betrachten bzw. es liege - mangels Erwähnung der Bekenntnisgemeinschaften - eine durch Analogie zu füllende nachträgliche Gesetzeslücke vor (in diesem Sinn auch schon das in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis zu § 13a Abs. 1 ZDG vom 18. März 2003, Zl. 2002/11/0256, sowie - zu § 24 Abs. 3 WehrG - das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2003, Zl. 2001/11/0361). Davon ausgehend erweist sich der bekämpfte Bescheid als rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Der belangten Behörde konnten jedoch nur die von ihr verzeichneten Kosten zuerkannt werden.

Wien, am 29. Juni 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010576.X00

Im RIS seit

22.07.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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