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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Juni 2001, Zl. 206.185/18-IX/25/01, betreffend Zurückweisung eines Antrages in einer Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: M in T, geboren 1982), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als er den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. März 2001 auch in Bezug auf den Ausspruch, es werde "e contrario zu § 8 AsylG festgestellt, dass eine Abschiebung in die BR Jugoslawien, Provinz Kosovo zulässig ist", abgeändert hat.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger der früheren Bundesrepublik Jugoslawien aus dem Kosovo, stellte am 9. September 1998 einen Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 14. Oktober 1998 gemäß § 7 AsylG abwies; zugleich sprach das Bundesasylamt gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht zulässig sei.
Die vom Mitbeteiligten gegen die Abweisung des Asylantrages erhobene Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat (belangte Behörde) mit Bescheid vom 21. Juli 2000 "gemäß § 7 AsylG abgewiesen" (Spruchteil I.); in Spruchteil II. dieses Berufungsbescheids wurde der - vom Mitbeteiligten in der Berufungsverhandlung gestellte - Antrag auf Gewährung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung "gemäß § 15 AsylG 1997 abgewiesen". Die belangte Behörde begründete den Bescheid damit, dass der Mitbeteiligte laut rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7. April 1999 schuldig befunden worden sei, am 27. Jänner 1999 in Graz das Verbrechen der Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 2 StGB begangen zu haben. Überdies habe sich die Situation im Kosovo seit der Übernahme der Hoheitsgewalt durch UNMIK/KFOR grundlegend verändert, sodass bezüglich des Mitbeteiligten keine Bedrohungssituation mehr feststellbar sei. Auf Grund des Vorliegens des Asylausschlussgrundes gemäß § 13 Abs. 2 AsylG und der (unabhängig von der Verwirklichung eines Asylausschlussgrundes gegebenen) wesentlichen Änderung der Umstände im Kosovo sei die Berufung des Mitbeteiligten gemäß § 7 AsylG abzuweisen gewesen. Die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG sei "wegen Vorliegen des Ausschlussgrundes gemäß § 13 Abs. 2 AsylG nicht vorzunehmen" gewesen. Dieser Bescheid wurde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft.
Am 1. März 2001 stellte der Mitbeteiligte an das Bundesasylamt einen "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 15 Asylgesetz" und begründete diesen damit, dass er "einen positiven Bescheid" des Bundesasylamtes gemäß § 8 AsylG besitze. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 29. März 2001 ab, da dem Mitbeteiligten "eine Ausreise in den Herkunftsstaat BR Jugoslawien zugemutet werden kann". Ergänzend stellte das Bundesasylamt im Spruch dieses Bescheides "e contrario zu § 8 AsylG" fest, dass eine Abschiebung in die "BR Jugoslawien, Provinz Kosovo" zulässig sei. Diesen Bescheid begründete das Bundesasylamt ausschließlich mit dem Hinweis auf die wesentliche Änderung der Situation im Heimatland des Mitbeteiligten und der daraus folgenden Zumutbarkeit seiner Rückkehr.
Über die dagegen erhobene Berufung des Mitbeteiligten entschied die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wie folgt:
"Die Berufung von M.V. vom 10.04.2001 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.03.2001, Zahl: 98 07.789-BAT, wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch des erstinstanzlichen
Bescheides zu lauten hat: 'Der Antrag von M.V. vom 01.03.2001 auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.'"
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
"Mit dem zitierten Bescheid der Berufungsbehörde (vom 21. Juli 2000) wurde neben Spruchteil I., mit welchem der Asylantrag auf Grund der Verwirklichung eines Asylausschlussgrundes (Vergewaltigung) gemäß § 13 Abs. 2 AsylG abgewiesen wurde, im Spruchteil II. der in der Berufungsverhandlung gestellte Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG ebenfalls unter Hinweis auf den vorliegenden Asylausschlussgrund abgewiesen. "
Der meritorischen Behandlung des neuerlichen Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG stehe entgegen, dass sich keine Änderung der Sach- oder Rechtslage im Hinblick auf die Entscheidung vom 21. Juli 2000 ergeben habe, sodass - ohne auf die Frage der Zumutbarkeit der Ausreise in den Herkunftsstaat eingehen zu müssen - mit der Zurückweisung des neuerlichen Anbringens wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG vorzugehen gewesen sei. Der Aufenthalt des Mitbeteiligten sei seit Erlassung des Berufungsbescheides vom 21. Juli 2000, mit welchem der Asylantrag und der Antrag auf Gewährung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen wurden, nicht mehr rechtmäßig. Darüber hinaus habe der Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. März 2001 unzulässigerweise einen Abspruch nach § 8 AsylG enthalten, weil die Zuständigkeit für die amtswegige Wahrnehmung von Sachverhaltsänderungen in Bezug auf Entscheidungen der Asylbehörden, mit denen bei Abweisung eines Asylantrages die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesprochen wurde, nicht bei den Asyl-, sondern bei den Fremdenbehörden liege.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der beschwerdeführende Bundesminister bringt in seiner Beschwerde nichts gegen die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung vor. Er wendet sich jedoch gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass das Bundesasylamt "nicht dazu befugt ist, im Falle einer Abweisung eines § 15-Verlängerungsantrages auch den contrarius actus zur positiven § 8-Entscheidung zu setzen". Damit ist der Beschwerdeführer im Recht.
1. Auszugehen ist davon, dass der am 16. Mai 2000 in der Berufungsverhandlung vor der nunmehr belangten Behörde gestellte Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung von dieser mit dem - beim Verwaltungsgerichtshof nicht angefochtenen - Bescheid vom 21. Juli 2000 (auf dessen Rechtmäßigkeit, auch hinsichtlich der Zuständigkeit, es hier angesichts seiner Rechtskraft nicht ankommt) abgewiesen wurde. Der vom Mitbeteiligten mit seiner Eingabe vom 1. März 2001 neuerlich gestellte Antrag "auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 15 AsylG" verfolgte das selbe Ziel wie der zuvor erwähnte Antrag. Der neuerlichen (Sach-) Entscheidung des Bundesasylamtes über den Antrag vom 1. März 2001 stand daher - eine nachträgliche Änderung der dem Bescheid zu Grunde liegenden Sach- und Rechtslage hat der Mitbeteiligte nicht behauptet - die rechtskräftige Abweisung des (ersten) Antrages auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung entgegen. Die belangte Behörde hat den Bescheid des Bundesasylamtes daher zutreffend dahin abgeändert, dass der Antrag des Mitbeteiligten gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen war.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde jedoch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides zur Gänze durch die erwähnte Zurückweisung ersetzt und damit auch den Ausspruch des Bundesasylamtes, es werde "e contrario zu § 8 AsylG" festgestellt, dass eine Abschiebung in die "BR Jugoslawien, Provinz Kosovo" zulässig sei, ersatzlos behoben. Dem liegt eine Verkennung der Rechtslage zu Grunde.
Im vorliegenden Fall ist der Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 2000, mit dem der in der Berufungsverhandlung gestellte Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen wurde, in Rechtskraft erwachsen. Dieser Bescheid enthielt keine Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit der Abschiebung. Eine solche war wegen des vom Mitbeteiligten begangenen Deliktes für eine Abweisung des gemäß § 15 AsylG gestellten Antrages auch nicht erforderlich, weil nach § 15 Abs. 1 AsylG (idF vor der AsylG-Novelle 2003) nur solche Fremde, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13 leg. cit.) rechtskräftig abgewiesen wurde, Anspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung haben. Im Falle der Abweisung eines Asylantrages wegen des Vorliegens von Asylausschlussgründen im Sinne des § 13 AsylG - einen solchen hat die belangte Behörde auf Grund der vom Mitbeteiligten begangenen Vergewaltigung angenommen - steht daher ein "positiver" Ausspruch nach § 8 AsylG der Nichterteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht entgegen.
Da der rechtskräftige Bescheid vom 21. Juli 2000 in seinem Spruchteil II. nach dem Gesagten nur über die Nichterteilung der Aufenthaltsberechtigung nach § 15 AsylG absprach, gehörte der im Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Oktober 1998 enthaltene Ausspruch über die Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 8 AsylG somit weiterhin - bis zur Erlassung des (mit dem angefochtenen Bescheid jedoch insoweit wieder behobenen) Bescheides des Bundesasylamtes vom 29. März 2001 - dem Rechtsbestand an. Dieser Ausspruch stünde einem Refoulement des Mitbeteiligten entgegen, obwohl diesem keine (befristete) Aufenthaltsberechtigung zukam. Da eine Abschiebung Fremder, deren Asylantrag rechtskräftig abgewiesen wurde, gemäß § 21 Abs. 3 AsylG (idF vor der AsylG-Novelle 2003) eine Feststellung über die Zulässigkeit dieser Maßnahme durch die Asylbehörde voraussetzt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256), hat das Bundesasylamt somit - bei Zutreffen der unterstellten Lageänderung - richtigerweise "e contrario zu § 8 AsylG" festgestellt, dass eine Abschiebung des Mitbeteiligten in den Kosovo zulässig sei.
Indem die belangte Behörde - ausgehend vom Fehlen einer amtswegigen Änderungsbefugnis hinsichtlich des bescheidmäßig erklärten Refoulement-Schutzes durch die Asylbehörden - den Spruch des Bescheides des Bundesasylamtes vom 29. März 2001 nicht nur hinsichtlich des sich auf die Abweisung des Ansuchens vom 1. März 2001 beziehenden Teiles, sondern zur Gänze abgeändert und damit den erwähnten "e contrario-Ausspruch" wegen vermeintlicher Unzuständigkeit des Bundesasylamtes (und nicht etwa deswegen, weil die Voraussetzungen für die Gewährung des Refoulement-Schutzes weiterhin zu bejahen gewesen wären) ersatzlos behoben hat, hat sie den angefochtenen Bescheid somit auf eine unrichtige Rechtsansicht gestützt. Die belangte Behörde hätte sich vielmehr mit dem - vom Mitbeteiligten in seiner Berufung bestrittenen - Vorliegen der Voraussetzungen des "e contrario-Ausspruches" inhaltlich auseinander setzen müssen.
Der angefochtene Bescheid war daher insofern, als mit ihm der Ausspruch, es werde "e contrario zu § 8 AsylG festgestellt, dass eine Abschiebung in die BR Jugoslawien, Provinz Kosovo zulässig ist", behoben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 29. Juni 2004
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001010313.X00Im RIS seit
13.09.2004