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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §26 Abs1 idF 1999/I/120;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 11. Juni 2001, Zl. 1-0169/01/K3, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: D in F, Lweg), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 1. Februar 2001 wurde der Mitbeteiligte der Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 lit. d in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend für schuldig befunden, er habe "als Arbeitgeber" am 12. Mai 2000 an einem näher bezeichneten Tatort einem (namentlich näher bezeichneten) Organ des Arbeitsinspektorates Bregenz den Zutritt zu dem Betrieb nicht gewährt, indem er dieses Organ nachdrücklich aus dem Betriebsgelände hinausbeordert habe, sodass die Kontrolle nach dem AuslBG vereitelt bzw. eine ordnungsgemäße Kontrolle nicht sofort durchführbar gewesen sei.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Mitbeteiligten nach (dem zweiten Strafsatz des) § 28 Abs. 1 Z 2 AuslBG eine Geldstrafe in Höhe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 200 Stunden) verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 11. Juni 2001 hat die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren (gegen den Mitbeteiligten) eingestellt.
Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung (in sachverhaltsmäßiger Hinsicht) davon aus, der Mitbeteiligte habe dem Arbeitsinspektor den Zutritt zur Betriebsstätte nicht gewährt. Sie gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, der Mitbeteiligte könne der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung deshalb nicht schuldig erkannt werden, weil er nicht Arbeitgeber sondern Angestellter der "Firma A D" sei. Das Verhalten einer in ihrem Betrieb beschäftigten Person habe diese Einzelunternehmerin A D zu verantworten. Die festgestellte Wegweisung des Arbeitsinspektors sei im Betrieb der A D erfolgt, der Mitbeteiligte sei dabei letztlich für diese Einzelunternehmerin tätig geworden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 28a Abs. 1 AuslBG erhobene Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der beschwerdeführende Bundesminister hält den angefochtenen Bescheid deshalb für (inhaltlich) rechtswidrig, weil der Mitbeteiligte als "beauftragte Person im Sinne des § 26 Abs. 1 AuslBG anzusehen ist". Die Strafbarkeit einer derartigen Person sei in § 26 Abs. 4 AuslBG ausdrücklich vorgesehen. Für die Nichtgewährung des Zutritts zum Betrieb sei "auch die beauftragte Person strafrechtlich verantwortlich". Das Verhalten von beauftragten Personen sei "im Gegensatz zu sonstigen Arbeitnehmern nicht dem Arbeitgeber zuzurechnen". Hinsichtlich der Beauftragung des Mitbeteiligten bzw. seinem Verhältnis zur Betriebsinhaberin sei der Sachverhalt ergänzungsbedürftig.
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des AuslBG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 120/1999) lauten:
"§ 26. (1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, den Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice sowie den Trägern der Krankenversicherung und den Arbeitsinspektoraten auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekanntzugeben. Der Arbeitgeber und die Ausländer sind auf Verlangen verpflichtet, den vorerwähnten Behörden und den Trägern der Krankenversicherung und den Arbeitsinspektoraten die zur Durchführung dieses Bundesgesetzes notwendigen Auskünfte zu erteilen und in die erforderlichen Unterlagen Einsicht zu gewähren. Die Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass bei ihrer Abwesenheit von der Betriebsstätte oder Arbeitsstelle eine dort anwesende Person den genannten Behörden und Rechtsträgern die erforderlichen Auskünfte erteilt und Einsicht in die erforderlichen Unterlagen gewährt.
(2) Die im Abs. 1 genannten Behörden und die Träger der Krankenversicherung sind zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt, die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstellen, die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer sowie bei begründetem Verdacht nicht ortsüblicher Unterbringung auch die vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern beigestellten Wohnräume und Unterkünfte zu betreten.
(3) Die im Abs. 1 genannten Behörden und die Träger der Krankenversicherung haben bei Betreten des Betriebes den Arbeitgeber, in jenen Fällen, in denen der Arbeitgeber Arbeitsleistungen bei einem Auftraggeber erbringen lässt, auch diesen, oder deren Bevollmächtigte und den Betriebsrat von ihrer Anwesenheit zu verständigen; hiedurch darf der Beginn der Betriebskontrolle nicht unnötig verzögert werden. Vor Beginn der Betriebskontrolle ist in Betrieben, die der Aufsicht der Bergbehörden unterliegen, jedenfalls der Bergbauberechtigte oder ein von ihm namhaft gemachter Vertreter zu verständigen. Auf Verlangen haben sich die einschreitenden Organe durch einen Dienstausweis auszuweisen. Dem Arbeitgeber, dessen Auftragsgeber oder deren Bevollmächtigten sowie dem Betriebsrat steht es frei, die einschreitenden Organe bei der Amtshandlung im Betrieb zu begleiten; auf Verlangen der einschreitenden Organe sind der Arbeitgeber, dessen Auftraggeber oder deren Bevollmächtigte hiezu verpflichtet. Die Betriebskontrolle hat tunlichst ohne Störung des Betriebsablaufes zu erfolgen.
(4) Der Arbeitgeber, dessen Auftraggeber oder die gemäß Abs. 1 zur Beauskunftung beauftragte Person haben über die Identität von Personen, die sich an einem in Abs. 2 genannten Ort oder in einem dem Arbeitgeber zurechenbaren Fahrzeug aufhalten, Auskunft zu geben, wenn Grund zur Annahme besteht, dass es sich bei den in Frage kommenden Personen offensichtlich um ausländische Arbeitskräfte handelt, die beschäftigt werden oder zu Arbeitsleistungen herangezogen werden sollen. Die einschreitenden Organe der in Abs. 1 genannten Behörden und die Träger der Krankenversicherung sind berechtigt, die Identität dieser Personen zu überprüfen. Der Baustellenkoordinator (§ 2 Abs. 7 des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes - BauKG, BGBl. I Nr. 37/1999) hat im Rahmen seiner Tätigkeit auf der Baustelle an der Identitätsfestsstellung mitzuwirken.
...
§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,
1. wer
...
2. wer
...
c)
seinen Verpflichtungen gemäß § 26 Abs. 1 nicht nachkommt oder
d)
entgegen dem § 26 Abs. 2 den in § 26 Abs. 1 genannten Behörden und Rechtsträgern den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen, Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer, den vom Arbeitgeber den Arbeitnehmer beigestellten Wohnräumen oder Unterkünften nicht gewährt,
e) entgegen dem § 26 Abs. 3 die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt, oder
f) entgegen § 26 Abs. 4 erster Satz als Arbeitgeber oder Auftraggeber seiner Verpflichtung, über die Identität von Personen Auskunft zu geben, nicht nachkommt,
mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 30.000,--, im Fall der
lit. c bis f von S 30.000,-- bis S 50.000,--;
...
§ 34 ...
(20) Die §§ 4b Abs. 1 Z 9, 11 Abs. 2, 18 Abs. 13 Z 2, 26 Abs. 1 und 4, 28 Abs. 1 Z 2 lit. c und f und 28b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 120/1999 treten mit 1. Jänner 2000 in Kraft und sind auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem 31. Dezember 1999 ereignen."
Dem Mitbeteiligten wurde eine Verwaltungsübertretung nach der lit. d des § 28 Abs. 1 Z 2 AuslBG angelastet.
Im Beschwerdefall ist zunächst auf das Beschwerdevorbringen einzugehen, ob der Mitbeteiligte als "beauftragte Person im Sinne des § 26 Abs. 1 AuslBG" eine Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 lit. d AuslBG begehen konnte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1993, Zl. 92/09/0183, vom 30. Juni 1994, Zl. 93/09/0491, und vom 20. November 2001, Zl. 94/09/0113) dargelegt hat, ist aus dem Zusammenhang der Abs. 2, 3 und 4 des § 26 AuslBG abzuleiten, dass es sich bei den in Abs. 2 genannten Objekten um solche des Arbeitgebers bzw. Auftraggebers, bei dem der Arbeitgeber Arbeitsleistungen erbringen lässt, handeln muss. Der zur Duldung der Überwachung verpflichtete Personenkreis - also Arbeitgeber oder Auftraggeber - muss jedoch nicht Eigentümer dieser Objekte sein, die (auf welchem Rechtstitel auch immer beruhende) Innehabung der Objekte ist ausreichend. Nichtgewährung des Zutritts zum "Betriebsgelände" im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 2 lit. d AuslBG muss angenommen werden, wenn zutrittsberechtigte Organe (im Sinne des § 26 Abs. 1 leg. cit.) vom Arbeitgeber aufgefordert werden, die Betriebsstätte zu verlassen. Aus dem Zweck der Betriebskontrolle ist abzuleiten, dass betriebsabwesende Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass an ihrer Stelle eine andere Person für die Kontrollorgane "als Anlaufstelle" zu dienen hat. Trifft ein Arbeitgeber für seine Betriebsabwesenheit keine Vorsorge, sind Kontrollorgane nicht gehalten, bis zur erfolgreichen Verständigung eines (abwesenden) Arbeitgebers mit der Betriebskontrolle zuzuwarten. Für eine Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 28 Abs. 1 Z 2 lit. d AuslBG ist es nicht erforderlich, dass der Zutritt zum Betrieb ausdrücklich durch eine entsprechende Äußerung verweigert wird. Dies kann sich aus einer sonstigen Verhaltensweise ergeben.
Aus dieser Judikatur ist zu folgern, dass Verwaltungsübertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z 2 lit. d AuslBG (wegen Nichtgewährung des Zutrittes zu Betriebsobjekten) dem Arbeitgeber (Betriebsinhaber) als Inhaber der Betriebsobjekte anzulasten sind und er - etwa im Fall seiner Abwesenheit vom Betrieb - für ihm zurechenbare Verhaltenweisen seiner Arbeitnehmer verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist.
Entgegen der Rechtsansicht des beschwerdeführenden Bundesministers ist die "beauftragte Person im Sinne des § 26 Abs. 1 AuslBG" nicht Adressat der Verpflichtung gemäß § 26 Abs. 2 (iVm § 28 Abs. 1 Z 2 lit. d) AuslBG, weil § 26 Abs. 1 leg. cit. nur eine Auskunftsverpflichtung, nicht aber ein Betretungsrecht normiert.
Insoweit in der Beschwerde ins Treffen geführt wird, der Beschwerdeführer sei als "beauftragte Person im Sinne des § 26 Abs. 1 AuslBG" anzusehen, ist ebenfalls zu erwidern, dass daraus keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung hinsichtlich des § 26 Abs. 2 leg. cit. des Mitbeteiligten abgeleitet werden kann, richtet sich die im § 26 Abs. 1 letzter Satz AuslBG umschriebene Verpflichtung doch an einen von seinem Betrieb abwesenden Arbeitgeber; dieser (der abwesende Arbeitgeber) hat dafür zu sorgen, dass eine Person anwesend ist, die erforderlichen Auskünfte erteilt und Einsicht in Unterlagen gewährt. Dass die "beauftragte Person im Sinne des § 26 Abs. 1 AuslBG" Zutritt zu Betriebsobjekten zu gewähren habe bzw. dafür verantwortlich sei, ist § 26 Abs. 1 AuslBG nicht zu entnehmen.
Auch mit dem Hinweis auf § 26 Abs. 4 AuslBG (eine dagegen gesetzte Tathandlung wäre jedoch nicht nach lit. d, sondern nach lit. f des § 28 Abs. 1 Z 2 AuslBG sanktioniert, wobei zu beachten wäre, dass diese Gesetzesstelle die Strafbarkeit auf den Arbeitgeber und den Auftraggeber einschränkt und die in § 26 Abs. 4 leg. cit. genannte "gemäß Abs. 1 zur Beauskunftung beauftragte Person" nicht erwähnt) vermag die Beschwerde keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Mitbeteiligten bzw. der "beauftragten Person im Sinne des § 26 Abs. 1 AuslBG" für Zutrittsgewährung nachzuweisen, verpflichtet § 26 Abs. 4 AuslBG doch die gemäß Abs. 1 "zur Beauskunftung beauftragte Person" nicht zur Zutrittsgewährung sondern zur Auskunftserteilung über die Identität von Personen. Damit in Einklang steht § 26 Abs. 3 AuslBG, wonach die zur Beauskunftung beauftragte Person weder vom Betreten des Betriebes bzw. dem Beginn der Betriebskontrolle zu verständigen ist, noch zur Teilnahme an dieser verpflichtet werden könnte.
Dennoch ist die Amtsbeschwerde aus folgenden Erwägungen im Ergebnis berechtigt:
Die Strafbestimmungen der Z 2 des § 28 Abs. 1 AuslBG stellen nicht zwingend darauf ab, dass als Täter dieser Verwaltungsübertretungen ausschließlich ein Arbeitgeber (Betriebsinhaber) in Betracht zu ziehen wäre. Eine Verwaltungsübertretung nach der (vorliegend dem Mitbeteiligten angelasteten) lit. d des § 28 Abs. 1 Z 2 AuslBG kann auch eine Person begehen, der innerbetriebliche Verfügungsmacht über Betriebsobjekte eingeräumt wurde und die von daher Kontrollorganen Zutritt gewähren oder nicht gewähren kann.
Die belangte Behörde hat sich - ausgehend von ihrer auf den Arbeitgeber eingeschränkten Rechtsansicht - damit nicht auseinandergesetzt bzw. darüber keine Feststellungen getroffen, ob dem Mitbeteiligten eine derartige Verfügungsmacht eingeräumt wurde, bzw. ob er aufgrund seiner innerbetrieblichen Verfügungsmacht Kontrollorganen den Zutritt hätte gewähren können.
Da die belangte Behörde somit ihren Einstellungsbescheid in Verkennung der Rechtslage mit diesem Feststellungsmangel belastete, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 30. Juni 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001090160.X00Im RIS seit
12.08.2004Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010