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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung einer Bestimmung des Oö Natur- und Landschaftsschutzgesetzes betreffend das Berufungsrecht eines Sachverständigen gegen einen seinem Gutachten widersprechenden Bescheid; Unvereinbarkeit der Stellung eines objektiven Sachverständigen mit jener einer AmtsparteiSpruch
Der zweite Halbsatz des §15 Abs2 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1995, LGBl. Nr. 37/1995, idF LGBl. Nr. 93/1996, 131/1997, 147/1997 und 35/1999, wird gemäß Art140 Abs1 B-VG als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Landeshauptmann von Oberösterreich ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B123/00 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
Der beschwerdeführende Wasserverband Pramtal beantragte gemäß §8 O.ö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1995 (im Folgenden O.ö. NSchG 1995) die naturschutzbehördliche Feststellung, dass bezüglich der von ihm geplanten Ufersicherungsmaßnahmen solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding entsprach mit Bescheid vom 29. Jänner 1998 diesem Begehren.
Gegen diesen Bescheid erhoben der Bezirksbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz (§37 Abs1 Z4 leg. cit.), der im Verfahren erster Instanz als amtlicher Sachverständiger Befund und Gutachten erstattet hatte, sowie die oberösterreichische Umweltanwaltschaft (§4 Abs5 Z1 O.ö. Umweltschutzgesetz 1996, LGBl. Nr. 84/1996) Berufung. Nachdem die belangte Behörde neue Gutachten eingeholt hatte, wies sie mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des beschwerdeführenden Wasserverbandes auf naturschutzbehördliche Feststellung, dass durch die Ausführung der Ufersicherungsmaßnahmen an der Pram im Bereich des Grundstückes Nr. 692, KG Haitzing, Gemeinde Andorf, nach Maßgabe des vorgelegten und gekennzeichneten Projekts solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden, ab.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 29. Juni 2000 gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Halbsatzes des §15 Abs2 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1995, LGBl. Nr. 37/1995, idF LGBl. Nr. 93/1996, 131/1997, 147/1997 und 35/1999, von Amts wegen zu prüfen.
2.1. §15 leg. cit., LGBl. Nr. 37/1995 idF LGBl. Nr. 35/1999 lautet (der in Prüfung gezogene Halbsatz ist hervorgehoben):
"§15
Beiziehung von Sachverständigen; Berufungsrecht
(1) Vor Erlassung von bescheidmäßigen Feststellungen und Bewilligungen auf Grund dieses Landesgesetzes hat die Behörde das Gutachten eines sachverständigen Organes (§37 Abs1 Z. 1 bis 5), vor der Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß §7 Abs1 jedenfalls das Gutachten eines Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz (§37 Abs1 Z. 1) einzuholen.
(2) Dem Sachverständigen ist eine Bescheidausfertigung zuzustellen; er kann gegen den Bescheid Berufung erheben, wenn seinem Gutachten von der Behörde nicht entsprochen worden ist."
2.2. Im Bericht des Ausschusses für volkswirtschaftliche Angelegenheiten betreffend das Landesgesetz, mit dem das Oberösterreichische Natur- und Landschaftsschutzgesetz 1982 geändert wird (L-256/2-XXIII), Beilage 205/1988 zum kurzschriftlichen Bericht des O.ö. Landtages, XXIII. Gesetzgebungsperiode, ist zu ArtI Z8 und 10 ausgeführt:
"Nach der bisherigen Rechtslage steht lediglich einem Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz ein Berufungsrecht gegen solche Bescheide zu, die seinem Gutachten nicht entsprechen. Dieses Berufungsrecht ist überdies auf Verfahren betreffend Eingriffe in Seen und in den besonders geschützten 500 m breiten Seeuferschutzbereich eingeschränkt. Auf Grund der mit diesem Berufungsrecht bisher gewonnenen Erfahrungen scheint es durchaus zweckmäßig, allen Sachverständigen, also neben den Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz auch den Regionsbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz, den zu ihrer Unterstützung bestellten weiteren Amtssachverständigen, den Bezirksbeauftragten und den Vertrauensleuten für Natur- und Landschaftsschutz, ein Berufungsrecht gegen alle jene naturschutzbehördliche Bescheide einzuräumen, die ihren Gutachten nicht entsprechen."
2.3. In seinem Einleitungsbeschluss ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und er bei seiner Entscheidung darüber §15 Abs2 O.ö. NSchG 1995 anzuwenden hätte.
2.4. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken wie folgt dar:
"Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Zuerkennung von Parteirechten nicht in das Belieben des Gesetzgebers gestellt ist. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz unterliegt nämlich auch dem aus dem Gleichheitssatz (Art7 B-VG, Art2 StGG) abzuleitenden Sachlichkeitsgebot (vgl. VfSlg. 8328/1978, 9094/1981, 10.692/1985, 11.934/1988, G73/99, 1. Oktober 1999). Die Verfassung dürfte es an sich nicht verbieten, Amtsparteien, die öffentliche Interessen wahrzunehmen haben, mit einer Rechtsmittelbefugnis auszustatten (vgl. auch die Ermächtigung des Art131 Abs2 B-VG). Der Verfassungsgerichtshof hegt jedoch Bedenken dagegen, durch Gesetz einem Sachverständigen die Stellung einer Amtspartei zur Wahrung von öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes einzuräumen, der in das Verwaltungsverfahren im Rahmen des Sachverständigenbeweises als Gutachter eingebunden war und dem die Entscheidung, ob die öffentlichen Interessen des Naturschutzes einen Feststellungs- oder Bewilligungsbescheid bestimmten Inhalts rechtfertigen, nicht zukommt.
Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass es Aufgabe des gemäß §15 leg. cit. einem Verfahren zur Erlassung von bescheidmäßigen Feststellungen und Bewilligungen auf Grund des O.ö. NSchG 1995 beizuziehenden Sachverständigen ist, in einem Gutachten der Behörde die sachverhaltsmäßigen Grundlagen für die Beurteilung, ob die im Gesetz für Feststellungen und Bewilligungen normierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, an die Hand zu geben.
Da es nicht Aufgabe des Sachverständigen ist, die Rechtsfrage der Erteilung oder Versagung einer Bewilligung oder einer bescheidmäßigen Feststellung zu lösen, dürfte er sein Gutachten - ausschließlich unter Anwendung seines Sachverstandes nach objektiven Gesichtspunkten - ohne Blick auf das Ergebnis eines Feststellungs- oder Bewilligungsbescheides zu erstatten haben. Mit der Stellung eines - im Konflikt zwischen Privatinteressen und Interessen des Naturschutzes - objektiven Sachverständigen dürfte daher die Stellung einer Amtspartei nicht vereinbar sein.
Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 91/10/0086 vom 16. März 1992 aussprach, dass die Einräumung einer Rechtmittelbefugnis den Landesbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz nicht berechtigt, einseitig unter Verletzung der gebotenen Sachlichkeit die Interessen des Naturschutzes zu vertreten (die Erstattung eines falschen Gutachtens unterläge der Strafdrohung des §289 StGB), so dürfte er die Möglichkeit des objektiven Irrtums auf Grund der einmal gefassten Fachmeinung übersehen haben.
Da die Wahrung der öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes in einem naturschutzbehördlichen Verfahren ausschließlich der Naturschutzbehörde auferlegt zu sein scheint, dürfte es unsachlich sein, die Stellung des Amtssachverständigen, der ein objektives Gutachten erstellen soll, mit der Stellung einer Amtspartei zur Durchsetzung öffentlicher Interessen des Naturschutzes zu verquicken."
3. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht verfassungswidrig ist.
Die Oberösterreichische Landesregierung beruft sich einerseits auf die grundsätzliche Freiheit der Ausgestaltung der Parteirechte des einfachen Gesetzgebers und führt andererseits aus, dass der Verfassungsgerichtshof sich stets mit der Frage auseinander gesetzt hat (vgl. Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99), ob der einfache Gesetzgeber den Kreis der Parteien nicht unsachlicherweise zu eng gezogen oder den Parteien zu wenig subjektive öffentliche Rechte eingeräumt habe. Die konkrete Konstruktion des Sachverständigen-Berufungsrechts, die im Prüfungsbeschluss aus rechtstechnischer Sicht problematisiert worden sei, habe einen rechtspolitischen Hintergrund, der die Sachlichkeit der Regelung zeige.
Es sei grundsätzlich die Aufgabe des im naturschutzbehördlichen Verfahren beizuziehenden Sachverständigen aufgrund seines Fachwissens und nach Erstellung eines entsprechenden Befundes im Gutachten darzutun, aus welchen Erwägungen seiner Meinung nach bei der Verwirklichung eines beabsichtigten Vorhabens eine nachteilige Wirkung auf die Schutzgüter des Oö. NSchG 1995 herbeigeführt werde. Der Sachverständige beantworte im Verfahren Beweisfragen, die ihm von dem zur Entscheidung berufenen behördlichen Organwalter gestellt würden. Er gebe - weisungsungebunden - ein Urteil über bestimmte Sachverhaltselemente ab. Die Frage, inwieweit ein Vorhaben das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz verletze oder diesem zuwiderlaufe ("Interessenbewertung") habe nicht der Sachverständige sondern die Behörde auf der Grundlage eines umfassenden, fachlich fundierten Gutachtens zu treffen. Der Sachverständige habe sein Gutachten ausschließlich unter Anwendung seines Sachverstands nach objektiven Gesichtspunkten und ohne Blick auf das Ergebnis eines Feststellungs- oder Bewilligungsbescheides zu erstatten. Daraus ergebe sich, dass entgegen der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofs nicht der Sachverständige bei Abgabe des Gutachtens in einem Konflikt zwischen Privatinteressen und Interessen des Naturschutzes sei, sondern ausschließlich die zur Entscheidung berufene Behörde.
Die Aussage des Prüfungsbeschlusses, wonach die Wahrung der öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes in einem naturschutzbehördlichen Verfahren ausschließlich der Naturschutzbehörde auferlegt zu sein scheine, sei missverständlich. Die Naturschutzbehörde habe nicht nur die Interessen des Naturschutzes, sondern sämtliche, allenfalls widerstreitende öffentliche, aber auch private Interessen zu wahren (vgl. etwa §§7 Abs1, 8 Abs2 und 12 Abs1 Z2). Es sei eine unzulässige Interpretation, dass die Naturschutzbehörde quasi als Anwalt der Naturschutzinteressen fungieren könnte.
Das Berufungsrecht des Sachverständigen gegen Bescheide, in denen "seinem Gutachten von der Behörde nicht entsprochen wurde", sei eine typische Aufgabe einer Organpartei; er solle die Möglichkeit haben, die objektive Rechtmäßigkeit des Bescheides mit den Rechten einer Partei sicherzustellen. Diese Sicherstellungsmöglichkeit gewähre eine gewisse "Chancengleichheit" im naturschutzbehördlichen Verfahren, da bei der Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen die Erfassung der für das Vorhaben sprechenden ökonomischen Interessen meist klarer sei und der Projektwerber selbst auch ein Berufungsrecht habe. Die Regelung der Parteistellung verstoße vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Judikatur nicht gegen das Sachlichkeitsprinzip.
Der Sinn der Regelung, dass jener Sachverständige, der bereits im erstinstanzlichen Verfahren die möglichen Auswirkungen des Projekts dargelegt hat, naturschutzfachliche Interessen geltend machen darf, sei in der Verfahrensökonomie gelegen. Denn schließlich könne dieser Sachverständige - bestens vertraut mit dem Sachverhalt - innerhalb kürzerer Zeit die Zweckmäßigkeit einer Berufung beurteilen. Aufgrund mangelnder Ressourcen könne die Oö. Umweltanwaltschaft ihre Parteistellung zum Zweck der umfassenden Vertretung naturschutzfachlicher Interessen nicht in jedem Verfahren im ausreichenden Maße ausfüllen.
Es sei aber nicht zu verhehlen, dass der Amtssachverständige mit der Wahrnehmung seines Berufungsrechtes den Boden der Objektivität verlasse und Partei für die dem Gutachten entsprechende Wertigkeit der Naturschutzinteressen ergreife. Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Aufgaben des Sachverständigen sei eine "Parteinahme zu diesem Zeitpunkt" nicht zu beanstanden, da mit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids seine Mitwirkungstätigkeit beendet sei. Falls im zweitinstanzlichen Verfahren ergänzende Sachverständigenbeweise aufgenommen werden müssten, würde damit jedenfalls ein anderer Gutachter betraut werden. Zum Zeitpunkt der Erstellung seines Gutachtens sei der Sachverständige zur uneingeschränkten Objektivität verpflichtet und mangels Befassung mit widerstreitenden Interessen auch in keinem diesbezüglichen Konflikt.
Die Möglichkeit des objektiven Irrtums des Sachverständigen sei nicht auszuschließen, doch wäre eine darauf gestützte Berufung von der Behörde - sofern diese rechtmäßig handle - ohnehin abzuweisen. Das Risiko, die Oberbehörde "zu Unrecht" zu beschäftigen, sei aber einem auf Gewährleistung einer erhöhten Rechtsrichtigkeit ausgerichteten mehrstufigen Entscheidungssystems geradezu immanent (vgl. Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, in welchem die begründete Gefahr der missbräuchlichen Inanspruchnahme von umfassend ausgestalteten Nachbarrechten nicht als Hindernisgrund für die Einräumung von Parteirechten gesehen worden sei).
Das Berufungsrecht des Sachverständigen habe sich auch in der Verwaltungspraxis bewährt. Er sei einerseits nicht im Übermaß in Anspruch genommen worden, führe aber doch in etwa der Hälfte der Fälle der Berufungen zu aufhebenden Entscheidungen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde §15 Abs2 zweiter Halbsatz Oö NSchG 1995 anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.
2. Auch die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung treffen zu:
Die Annahme im Einleitungsbeschluss, es sei Aufgabe des gemäß §15 leg. cit. einem Verfahren zur Erlassung von bescheidmäßigen Feststellungen und Bewilligungen auf Grund des O.ö. NSchG 1995 beizuziehenden Sachverständigen, in einem Gutachten der Behörde die sachverhaltsmäßigen Grundlagen für die Beurteilung, ob die im Gesetz für Feststellungen und Bewilligungen normierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, an die Hand zu geben, hat sich als zutreffend erwiesen. Es ist nicht Aufgabe des Sachverständigen, die Rechtsfrage der Erteilung oder Versagung einer Bewilligung oder einer bescheidmäßigen Feststellung zu lösen. Daher hat er sein Gutachten - ausschließlich unter Anwendung seines Sachverstandes nach objektiven Gesichtspunkten - ohne Blick auf das Ergebnis eines Feststellungs- oder Bewilligungsbescheides zu erstatten.
Die Landesregierung räumt ein, dass der Amtssachverständige mit der Wahrnehmung seines Berufungsrechtes den Boden der Objektivität verlasse und Partei für die dem Gutachten entsprechende Wertigkeit der Naturschutzinteressen ergreife, meint aber, die "Parteinahme zu diesem Zeitpunkt" sei nicht zu beanstanden, da mit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides seine Mitwirkungstätigkeit beendet sei. Damit übersieht die Landesregierung freilich, dass die Möglichkeit des Sachverständigen, Berufung zu erheben, nicht ohne Vorwirkung auf seine Stellung im Verfahren bleibt. Die dem Amtssachverständigen eingeräumte Befugnis, als Partei ein Berufungsverfahren einzuleiten, kann geeignet sein, das Vertrauen in die Objektivität des Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren und damit die Objektivität des Verfahrens insgesamt zu gefährden. Die Verknüpfung der Stellung des Amtssachverständigen mit der einer Amtspartei erweist sich daher - wie im Prüfungsbeschluss angenommen - als unsachlich.
Der Hinweis auf die Strafdrohung des §289 StGB vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil diese Bestimmung im Fall eines objektiven Irrtums den Amtssachverständigen nicht davon abhalten wird, für die vermeintlichen Interessen des Naturschutzes Partei zu ergreifen.
Mit der Stellung eines - im Konflikt zwischen Privatinteressen und Interessen des Naturschutzes - objektiven Sachverständigen ist daher die Stellung einer Amtspartei nicht vereinbar. Der zweite Halbsatz des §15 Abs2 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1995, LGBl. Nr. 37/1995, idF LGBl. Nr. 93/1996, 131/1997, 147/1997 und 35/1999 war daher wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Oberösterreich zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung ergibt sich aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Naturschutz, Landschaftsschutz, Verwaltungsverfahren, Sachverständige, AmtsparteiEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G88.2000Dokumentnummer
JFT_09998799_00G00088_00