TE Vwgh Erkenntnis 2004/6/30 2001/09/0092

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Veröffentlicht am 30.06.2004
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Index

21/01 Handelsrecht;
21/07 Sonstiges Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
EGG §1;
EGG §2 Abs1;
EGG §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerstraße 21, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 16. März 2001, Zl. 10/13117, betreffend Feststellung gemäß § 2 Abs. 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 14. November 2000 an das Arbeitsmarktservice Bekleidung-Druck-Papier Wien folgenden Antrag:

"Betrifft: Antrag auf Befreiung von der Beschäftigungsbewilligung

Feststellungsbescheid

Ich, Herr V, geb. 1947, Handschuhmacher M/Ungarn stelle

hiermit folgende Anträge:

Zur Gründung meiner Kommandit-Erwerbsgesellschaft - V KEG - benötige ich als persönlich haftender Gesellschafter die Aufenthaltsbewilligung, ebenso wie mein beschränkt haftender Gesellschafter, J V geb. 1949, die lediglich die Vermögenseinlage und das für die Gewerbeausübung notwendige Werkzeug zur Verfügung stellt.

Um die Gesellschaft beim Firmenbuch und die Gewerbeaufnahme beim Magistrat anmelden zu können, benötigen die Gesellschafter vorerst den Feststellungsbescheid, der sie von der Erfordernis einer Beschäftigungs-Bewilligung befreit.

Auch die Anmeldung bei der GSVG, beim Finanzamt und die Mietverträge für persönliche Unterkunft und Firma erfordern diesen Bescheid um wirksam zu werden.

Die zum Antrag auf Aufenthaltsbewilligung notwendigen Papiere, wie das Auftragsschreiben/Werkvertrag der österreichischen Firma zum Nachweis des Lebensunterhalts, polizeiliches Führungszeugnis, Mietverträge usw. liegen zu ihrer eventuellen Einsichtnahme vor."

Mit Erledigung (bezeichnet als "Bescheid") vom 16. Februar 2001 hat das Arbeitsmarktservice Bekleidung-Druck-Papier Wien gegenüber dem Bescheidadressaten "Firma V KEG Mplatz, W" wie folgt entschieden:

"Dem Antrag vom 14.11.2000 hinsichtlich des Gesellschafters V, geb. 1947 auf Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG vorliegt, diese jedoch auf Grund des wesentlichen Einflusses des persönlich haftenden Gesellschafters auf die Geschäftsführung der Gesellschaft der sich in Gründung befindlichen "V KEG" in W, Mplatz nicht der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterliegt, wird gem. § 2 Abs. 4 AuslBG BGBl. - Nr. 218/1975 idgF nicht stattgegeben."

Gegen diese erstinstanzliche Erledigung wurde - geschrieben auf Firmenpapier einer "P Wirtschaftsberatung Gesellschaft m.b.H., Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, P, Wgasse" - folgendes Rechtsmittel erhoben:

"Betrifft: V KEG i.Gr., Mplatz, W, Berufung gegen den Bescheid vom 16. Februar 2001.

Namens und auftrags unseres oben bezeichneten Mandanten

erheben wir hiermit das Rechtsmittel

Berufung

gegen den oben bezeichneten Bescheid und beantragen die Aufhebung des Bescheides und Erlassung eines neuen, unserem Ansuchen stattgebenden Bescheides."

In der Rechtsmittelbegründung wurde unter anderem vorgebracht, der Beschwerdeführer beabsichtige eine Kommanditerwerbsgesellschaft zu errichten; der Gesellschaftsvertrag sei unterzeichnet, die Firma sei jedoch noch nicht verbüchert worden. Eine Einreichung zum Firmenbuch sei deshalb noch nicht erfolgt, weil die "Stattgabe des gegenständlichen Antrages abgewartet werden sollte".

Die belangte Behörde hat über dieses Rechtsmittel mit Bescheid vom 16. März 2001 gegenüber dem Bescheidadressaten "V vertreten durch P Wirtschaftberatung GesmbH" wie folgt abgesprochen:

"Das Arbeitsmarktservice Bekleidung-Druck-Papier Wien hat mit Bescheid vom 16.2.2001, GZ RGS 904/Abt. 1/13111/2001 ihrem Antrag auf Ausstellung eines Feststellungsbescheides hinsichtlich des Nichtunterliegens der Bewilligungspflicht nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG, BGBl. Nr. 218/75 idgF nicht stattgegeben.

Ihre dagegen erhobene Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) in Verbindung mit § 2 Abs. 4 AuslBG in der derzeit geltenden Fassung

abgewiesen."

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Bundesgesetzes über eingetragene Erwerbsgesellschaften (EGG; BGBl. Nr. 257/1990 in der Fassung BGBl. Nr. 10/1991) lauten:

"§ 1. Eine Gesellschaft, die auf einen gemeinschaftlichen Erwerb unter gemeinsamer Firma gerichtet ist, zu deren Zweck jedoch eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft nicht gegründet werden kann, ist

1. eine offene Erwerbsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist, und

2. eine Kommandit-Erwerbsgesellschaft, wenn bei einem oder bei einigen der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), während bei dem anderen Teil der Gesellschafter eine Beschränkung der Haftung nicht stattfindet (persönlich haftende Gesellschafter).

§ 2. (1) Die Firma der offenen Erwerbsgesellschaft hat die Bezeichnung 'offene Erwerbsgesellschaft', die Firma der Kommandit-Erwerbsgesellschaft hat die Bezeichnung 'Kommandit-Erwerbsgesellschaft' zu enthalten. Diese Bezeichnungen dürfen mit 'OEG' oder 'KEG' abgekürzt werden.

...

§ 3. (1) Gesellschaften nach § 1 Z 1 und 2 sind zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Vor der Eintragung bestehen sie als solche nicht.

(2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen über das Firmenbuch."

Adressat der erstinstanzlichen Erledigung vom 16. Februar 2001 war eine im Firmenbuch nicht eingetragene "Firma V KEG". Diesem Erledigungsadressaten kam - mangels Eintragung dieser KEG im Firmenbuch - weder nach dem EGG oder dem Ausländerbeschäftigungsgesetz noch nach den gemäß § 9 AVG bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit subsidiär heranzuziehenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts Rechtsubjektivität und damit Parteifähigkeit in dem über Antrag des Beschwerdeführers anhängig gemachten Verfahren zu.

Die erstinstanzliche Erledigung vom 16. Februar 2001 ist daher mangels Angabe eines tauglichen Adressaten kein Bescheid (vgl. den hg. Beschluss vom 20. November 2003, Zl. 2001/09/0199, und die darin angegebene Judikatur).

Von daher hat die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer (V) gegenüber keinen Bescheid erlassen; der Antrag des Beschwerdeführers ist daher - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - unerledigt geblieben.

Die belangte Behörde hat dies nicht erkannt. Sie hat die gegen die erstinstanzliche Erledigung - der die Bescheidqualität fehlte - erhobene Berufung als Rechtsmittel des Beschwerdeführers behandelt. Eine meritorische Behandlung dieser Berufung gegen eine erstinstanzliche Erledigung, der die Bescheidqualität mangelte, war unzulässig (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, zweite Auflage 1998, Seite 1.261, E 93 wiedergegebene hg. Judikatur).

Indem die belangte Behörde - ausgehend von einer unzutreffenden Darstellung über den Bescheidadressaten im Vorspruch des angefochtenen Bescheides - diese erstinstanzliche Erledigung durch Abweisung der Berufung im Ergebnis bestätigte, belastete sie ihren, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 41 AMSG und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. Juni 2004

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Inhalt des Spruches Anführung des Bescheidadressaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001090092.X00

Im RIS seit

02.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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