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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Mag. DDr. S in V, vertreten durch Dr. Alois Nussbaumer, Dr. Stefan Hoffmann und Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwälte in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 19, gegen den Bescheid des Präsidenten des Nationalrates vom 13. Juni 2003, Zl. 3266/3-Pers/83/2003, betreffend Pensionssicherungsbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Präsident des Nationalrates hat am 13. Juni 2003 folgenden Bescheid erlassen:
"Ihr Antrag vom 30. Mai 2003 auf Einstellung des Beitrages gemäß § 44n des Bezügegesetzes in Verbindung mit § 13a des Pensionsgesetzes 1965 und Rückerstattung bisher einbehaltener Beträge wird abgewiesen."
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer am 13. Mai 1983 für seine Funktionszeit als Nationalratsabgeordneter unter Einrechnung der Funktionszeit als Mitglied des oberösterreichischen Landtages gemäß § 24 Bezügegesetz ein Ruhebezug zuerkannt worden sei. Gemäß § 44n Bezügegesetz in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 128/2000 iVm § 13a Pensionsgesetz sei vom monatlichen Ruhebezug ein Pensionssicherungsbeitrag von 6,8 % einzubehalten. Auf Grund dieser eindeutigen Gesetzeslage sei der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Mai 2003 auf Einstellung des Beitrages und Rückerstattung bisher einbehaltener Beträge abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 25. November 2003, B 1013/03). Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das von der belangten Behörde als verfahrensgegenständlicher Antrag qualifizierte Schreiben des Beschwerdeführers vom 30. Mai 2003 hat folgenden Inhalt:
"Betreff: Durchsetzung meines Anspruches auf meine
bescheidmäßig
festgesetzte Abgeordnetenpension
Herrn
Erster Präsident des Nationalrates
...
Sehr geehrter Herr Präsident,
unter Bezugnahme auf die Verfassungsbestimmung des § 50 Bezügegesetz, BGBl. 1972/273, wonach die Vollziehung dieses Bundesgesetzes im Hinblick auf die Mitglieder des Nationalrates und Bundesrates der Präsident des Nationalrates als Verwaltungsorgan unter Anwendung der Bestimmungen des AVG zu besorgen hat, wende ich mich mit folgendem ANBRINGEN an Sie:
Im § 21 des Bezügegesetzes ist ein Verzichtsverbot der Anspruchsberechtigten auf die ihnen nach diesem Bundesgesetz zukommenden Bezüge enthalten.
Durch diese Bestimmung soll verhindert werden, daß ein Bezugsverzicht zum Mittel politischer Werbung und Lizitation gemacht wird.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfGH 8748/1980 ausgesprochen, daß gegen eine derartige Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Seit einiger Zeit wird mir von meiner Abgeordnetenpension unter der obskuren Bezeichnung 'BEITRAG' ein Betrag von monatlich Euro 326 abgezogen.
Ich bitte Sie höflich,
1.) die Einbehaltung des obigen Betrages sofort einzustellen und
2.) mir die bisher enthaltenen Beträge zu refundieren.
die strittige Durchsetzung von Auszahlungsansprüchen auf bescheidmässig festgesetzte Bezüge erfolgt durch Klage beim VERFASSUNGSGERICHTSHOF nach Art 137 B-VG."
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass das Schreiben vom 30. Mai 2003 weder seiner Form noch seinem Inhalt nach als auf eine Bescheiderlassung gerichteter Antrag zu qualifizieren sei. Es handle sich dabei vielmehr um eine Beschwerde über einen amtsinternen Missstand bzw. eine Aufforderung zur Abstellung dieses Missstandes. Die belangte Behörde habe somit einen antragsgebundenen Bescheid ohne zugrunde liegenden Antrag erlassen. Jedenfalls handle es sich bei diesem Schreiben um keinen eindeutigen Antrag einer Partei. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer daher zur Präzisierung seines Begehrens aufzufordern gehabt.
Der Gegenstand einer Verwaltungssache wird im antragsbedürftigen Verfahren durch den Inhalt des einleitenden Anbringens bestimmt, wobei es auf die Erklärung des Willens und nicht auf den in der Erklärung nicht zum Ausdruck kommenden wahren Willen des Erklärenden ankommt (vgl. Walter/Mayer Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003) S. 75, Rz 152 mwN).
Hat ein Anbringen einen unklaren oder nicht genügend bestimmten Inhalt, so hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen - etwa durch Vernehmung der Beteiligten -
zu ermitteln (vgl. etwa die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 (2003) S. 272, E 1 k, und bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998) S. 338 f, E 54 ff, zitierte hg. Judikatur).
Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 30. Mai 2003 hat nach seinem Betreff die "Durchsetzung meines Anspruches auf meine bescheidmäßig festgesetzte Abgeordnetenpension" zum Inhalt. Im letzten Satz dieses Schreibens führt der Beschwerdeführer aus, dass - seiner Meinung nach - die "strittige Durchsetzung von Auszahlungsansprüchen auf bescheidmäßig festgesetzte Bezüge", also der Gegenstand seines Anbringens, durch Klage gemäß Art. 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof (und daher nicht durch Beantragung eines behördlichen Bescheides) zu erfolgen hat.
Diese Elemente des gegenständlichen Anbringens sprechen dagegen, dass es sich dabei um einen auf die Erlassung des Bescheides abzielenden Antrag handelt.
Andererseits wendet sich der Beschwerdeführer in diesem Schreiben an den Präsidenten des Nationalrates als für die Vollziehung des Bezügegesetzes zuständiges Organ mit der "Bitte" die Einbehaltung des Pensionssicherungsbeitrages einzustellen und die ihm bisher "enthaltenen" Beträge zu refundieren.
Diese Passage spricht dafür, dass der Beschwerdeführer ein behördliches Handeln, über das mit Bescheid abzusprechen ist, erreichen will.
Das gegenständliche Anbringen hat daher insgesamt einen insoweit unklaren Inhalt, als sich nach dem Wortlaut nicht eindeutig ergibt, ob es auf die Erlassung eines Bescheides abzielt oder nicht. Entsprechend der zitierten hg. Judikatur wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zu einer Präzisierung seines nicht eindeutigen Anbringens aufzufordern. Dies hat sie in Verkennung der dargestellten Rechtslage unterlassen.
Solange ein eindeutiger Antrag der Partei nicht vorliegt, ist die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes inhaltlich rechtswidrig (vgl. die bei Walter/Thienel, aaO, S. 335, E 29 zitierte hg. Judikatur). Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 30. Juni 2004
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des ParteiwillensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004040014.X00Im RIS seit
10.08.2004