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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über den Antrag der G, vormals S, (geboren 1954), in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Februar 1997, Zl. SD 193/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Vollstreckungsverfügung (Zl. 2000/18/0145), und über die Beschwerde selbst (Zl. 2000/18/0146),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben und
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem oben genannten Bescheid vom 26. Februar 1997 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Vollstreckungsverfügung der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Oktober 1996 gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück.
Mit der genannten Vollstreckungsverfügung habe die Bundespolizeidirektion zur "Sicherung der Leistung eines Betrags von öS 17.223,-- gemäß § 8 VVG die einstweilige Verfügung getroffen, dass von dem im Besitz der (Beschwerdeführerin) befindlichen Geldmittel ein Betrag von öS 2.000,-- (in Worten zweitausend Schilling) einbehalten werde.
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG habe die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Daraus ergebe sich, dass die Berufung nur dann gesetzmäßig erhoben worden sei, wenn sie einen Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung enthalte. Auch wenn dabei die Begriffsmerkmale eines begründeten Berufungsantrags nicht formalistisch ausgelegt werden dürften, müsse die Berufung aber wenigstens erkennen lassen, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaube. Die vorliegende Berufung entspreche diesem Mindesterfordernis im Sinn des § 63 Abs. 3 AVG nicht. Die Beschwerdeführerin führe lediglich aus, dass der angefochtene Bescheid seinem gesamten Umfang nach angefochten werde, und zähle in weiterer Folge - ohne Bezug auf den angefochtenen Bescheid - bloß jene Gründe auf, aus denen gemäß § 10 Abs. 2 VVG eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung zulässig sei. Dem Berufungsschreiben sei aber nicht einmal eine Andeutung darüber zu entnehmen, worin die Unrichtigkeit der einstweiligen Verfügung gelegen sein solle. Da sohin ein begründeter Berufungsantrag im Sinn des § 63 Abs. 3 AVG nicht vorliege, sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Der angefochtene Bescheid weist ferner folgende "Rechtsmittelbelehrung" auf:
"Gegen diesen Bescheid steht das Rechtsmittel der Berufung offen, welches binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich (§ 13 AVG) bei der Sicherheitsdirektion für Wien, Schottenring 7- 9, 1010 Wien, einzubringen wäre. Die Berufung hat den Bescheid gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und ist mit einer 120 S-Bundesstempelmarke (Beilagen 30 S pro Bogen, höchstens 180 S-Bundesstempelmarke) zu versehen. Sie hat einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten."
2. Zu dem genannten Bescheid der belangten Behörde stellte die beschwerdeführende Partei einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 Abs. 2 VwGG. Ferner erhob sie im Sinn des § 46 Abs. 3 VwGG gegen diesen Bescheid Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
A) Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
§ 46 Abs. 2 und 3 VwGG lautet:
"(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.
(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses, in den Fällen des Abs. 2 spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides zu stellen, der das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen."
Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich der vorliegende Antrag als zielführend. In der Beschwerde wird (glaubwürdig) ausgeführt, dass der Bundesminister für Inneres die von der Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid (im Sinn der wiedergegebenen Rechtsbelehrung) eingebrachte Berufung mit Bescheid vom 3. Juli 2000 zurückgewiesen habe, weil gegen den angefochtenen Bescheid "eine weitere Berufung unzulässig" gewesen sei. Die zuletzt genannte Auffassung hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich, ist doch in Angelegenheiten der "Sicherheitsverwaltung" Berufungsbehörde nach § 10 Abs. 3 VVG die Sicherheitsdirektion (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2001, Zl. 97/02/0351). Aufgrund des Beschwerdevorbringens besteht auch kein Zweifel, dass vorliegend die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 VwGG gegeben sind.
Vor diesem Hintergrund war dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 Abs. 2 VwGG stattzugeben.
B) Zur Beschwerde:
1. Nach der Beschwerde wurde der beschwerdeführenden Partei der bekämpfte Bescheid am 3. März 1997 zugestellt. Ihre gegen den Erstbescheid erhobene Berufung lautet wie folgt:
"In umseits bezeichneter Verwaltungsangelegenheit wird gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro Wien vom 10.10.1996, ... zugestellt am 10.10.1996 nachstehende Berufung
erhoben:
Der bezeichnete Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach
angefochten.
Die Vollstreckungsverfügung ist nicht nachvollziehbar. Die Vollstreckung ist unzulässig. die Vollstreckungsverfügung ist mit einem zu vollstreckenden Bescheid nicht in Übereinstimmung und steht im übrigen auch mit § 2 VVG in Widerspruch.
Es wird daher der
Antrag
gestellt, den angefochtenen Bescheid allenfalls nach Durchführung eines ergänzenden Verwaltungsverfahrens zu beheben."
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin erfüllt dieser Berufungsschriftsatz die Voraussetzung eines begründeten Berufungsantrages. Sie bringt in diesem Sinn u.a. vor, dass entgegen der Anschauung der belangten Behörde der Berufung ohne Zweifel entnommen werden könne, was die Partei anstrebe, nämlich die Behebung des angefochtenen Bescheids. Ferner sei der Berufung unzweideutig zu entnehmen, dass releviert werde, dass die Vollstreckungsverfügung nicht mit dem zu vollstreckenden Bescheid übereinstimme. Tatsächlich sei dem Bescheid der Erstbehörde "nicht einmal die Andeutung eines Bescheides (zu entnehmen), den sie im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 8 VVG offenbar sichern" habe wollen, "oder aber eine sonstige Grundlage iSd § 8 VVG, der nachvollziehbar zu entnehmen wäre, weswegen eine Pflicht zu einer Leistung feststehe oder wahrscheinlich zu entnehmen sei" (ohne Hervorhebung im Original). Die Erstbehörde habe in ihrem Bescheid "nicht einmal den Versuch" unternommen, "den Spruch des Bescheids auf einen zu vollstreckenden Bescheid zu stützten und die Leistung im Sinn der zweiten Alternative des § 8 Abs. 1 VVG zu stützen".
2. Zufolge § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn 1. die Vollstreckung unzulässig ist oder 2. die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder 3. die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 VVG im Widerspruch stehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15. März 1967, Zl. 1802/65, Slg. Nr. 7105 A/1967 (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II2, 2000, E 55 zu § 10 VVG), ausgesprochen, dass sich aus § 10 Abs. 1 im Zusammenhalt mit Abs. 2 VVG ergibt, dass - im Gegensatz zum AVG und zum VStG - eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung grundsätzlich nicht zulässig ist. Zulässig ist eine Berufung nur in bestimmten Fällen, die im Abs. 2 (in seinen Z. 1 bis 3) allgemein umschrieben sind. Aus der Tatsache, dass es sich bei § 10 VVG um eine Verfahrensvorschrift handelt, ergibt sich, dass mit den im Abs. 2 aufgezählten Berufungsgründen "gleichsam eine Art 'Typenbezeichnung' für sachliche Einwendungen getroffen worden ist, für deren Erhebung eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung möglich sein soll". "Entscheidend dafür, ob die Berufung zulässig ist oder nicht, kann daher nicht die einfache Zitierung der verba legalia des § 10 Abs. 2 VVG in wörtlicher oder mehr oder minder abgewandelter Form sein, sondern allein der Inhalt dessen, was gegen eine Vollstreckungsverfügung vorgebracht wird. Die Behörde, die über eine solche Berufung zu entscheiden hat, hat dabei das Berufungsvorbringen an Hand der Aktenunterlagen objektiv zu prüfen, ohne Rücksicht darauf, welche subjektive Einstellung der Berufungswerber in seiner Berufung zum Ausdruck bringt." In seinem Erkenntnis vom 25. Jänner 1968, Zl. 1586/67, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung nach § 10 Abs. 2 VVG dann als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn das Vorliegen eines tauglichen Berufungsgrundes (d.h. eines Berufungsgrundes iSd § 10 Abs. 2 VVG nicht bloß durch Zitierung der verba legalia, sondern dem Inhalt nach) in der Berufung nicht einmal behauptet wird.
Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich die von der belangten Behörde ausgesprochene Zurückweisung (im Ergebnis) nicht als rechtsirrig. Wie der Text der oben wiedergegebenen gegen den Erstbescheid erhobenen Berufung zeigt, wurden darin lediglich (zum Teil etwas verkürzt) die verba legalia des § 10 Abs. 2 VVG wiedergegeben, und ferner ausgeführt, dass die Vollstreckungsverfügung nicht nachvollziehbar sei. Damit hat es die Beschwerdeführerin aber im Verwaltungsverfahren unterlassen, im Sinn der vorzitierten Rechtsprechung ein inhaltliches Vorbringen zu erstatten, das von der belangten Behörde bei der von ihr vorzunehmenden Prüfung einem der in § 10 Abs. 2 VVG normierten Berufungsgründe zugeordnet hätte werden können. Die bloße Wiedergabe des Textes der Berufungsgründe lässt völlig offen, warum ein solcher Berufungsgrund im Beschwerdefall hätte gegeben sein sollen. Auch das gänzlich unsubstantiiert gelassene Berufungsvorbringen, dass die Vollstreckungsverfügung nicht nachvollziehbar sei, lässt dies völlig offen, zumal in der in Rede stehenden Berufung der (im angefochtenen Bescheid wiedergegebene) Inhalt des Spruchs des Erstbescheides nicht in Zweifel gezogen wurde. Die Beschwerdeführerin hat somit im Verwaltungsverfahren keinen der in § 10 Abs. 2 VVG vorgesehenen Berufungsgründe geltend gemacht, weshalb sich die Berufung im Hinblick auf diese Gesetzesbestimmung als unzulässig erweist.
Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf die Frage einzugehen, ob die Berufung im Grund des § 63 Abs. 3 AVG ohne weiteres zurückgewiesen werden durfte.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 1. Juli 2004
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) InstanzenzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000180145.X00Im RIS seit
13.09.2004