TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/1 2001/18/0041

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Veröffentlicht am 01.07.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §13 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StbG 1985 §19;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des M, geboren 1975, vertreten durch Dr. Günther Romauch und Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. Jänner 2001, Zl. St 192/00, betreffend Ausweisung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 3. Jänner 2001 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe am 11. Oktober 1999 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner in Österreich lebenden Ehegattin gestellt. Ohne den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, sei er mit einem Einreisetitel rechtmäßig nach Österreich eingereist. Dieser Einreisetitel habe ihm einen Aufenthalt vom 7. November 1999 bis zum 6. Jänner 2000 ermöglicht. Trotz Ablauf dieses Einreisetitels und Fehlens einer weiteren gültigen Aufenthaltsberechtigung habe er das Bundesgebiet nicht verlassen. Er habe seinen danach unrechtmäßigen Aufenthalt damit gerechtfertigt, dass er Aussicht auf Erlangung der Niederlassungsfreiheit im Sinn des § 49 leg. cit. habe, weil seiner Ehefrau in absehbarer Zeit die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden würde. Dem Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 29. September 2000 mitgeteilt worden, dass das seine Ehefrau betreffende Staatsbürgerschaftsverfahren zumindest bis Mai 2001 ausgesetzt worden sei. Es sei nicht abzusehen, ob seine Ehefrau überhaupt die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben werde.

Auf Grund der Tatsache, dass sich die Ehefrau des Beschwerdeführers rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, werde durch die erlassene Ausweisung in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Jedoch halte er sich seit dem 7. Jänner 2000 illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Ausweisung sei demnach gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Ein geordnetes Fremdenwesen sei für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dies gelte ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung (Einreise- und Aufenthaltstitel) oder nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen würden. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund habe die belangte Behörde auch von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 leg. cit. Gebrauch machen müssen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG sei erfüllt, keinen Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt zur Frage der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde die "Sachlage" des anhängigen Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahrens seiner Gattin hätte erheben müssen. Sie hätte überprüfen müssen, ob die Verantwortung des Beschwerdeführers - er stünde kurz vor Erlangung der Niederlassungsfreiheit - von der Staatsbürgerschaftsbehörde bestätigt werde.

2. 2. Die belangte Behörde hat neben der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers auch die Anwesenheit seiner Gattin in Österreich berücksichtigt. Die aus seinem inländischen Aufenthalt ab 7. November 1999 und aus seinen familiären Beziehungen ableitbaren persönlichen Interessen werden dadurch relativiert, dass ihm seit Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Einreisetitels am 6. Jänner 2000 keine Berechtigung zum Aufenthalt zugekommen ist. Er ist - ohne den Ausgang des Niederlassungsverfahrens im Ausland abzuwarten - mit einem zeitlich befristeten Einreisetitel in das Bundesgebiet gelangt, sodass er nicht mit einem darüber hinausgehenden Aufenthalt in Österreich rechnen durfte.

Den solcherart eingeschränkten persönlichen Interessen steht gegenüber, dass sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nahezu ein Jahr unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Diese Tatsache stellt eine schwere Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, dar (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 2001, Zl. 2001/18/0060, und vom 17. Dezember 2001, Zl. 2001/18/0247).

Der vom Beschwerdeführer behauptete Umstand, dass seine Ehefrau mit der baldigen Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu rechnen habe, bewirkt keine Stärkung seiner persönlichen Interessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2001/18/0105). Bei einem antragsgebundenen Verwaltungsakt - wie es die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellt - können vor dessen Erlassung rechtliche Regelungen, die an die mit dem Akt verliehene Rechtsposition anknüpfen - wie etwa § 49 Abs. 1 FrG - nicht zum Tragen kommen. Die belangte Behörde war daher - anders als der Beschwerdeführer meint - nicht gehalten, Ermittlungen über den Stand des Einbürgerungsverfahrens seiner Ehefrau anzustellen. Ungeachtet dessen hat sie dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass dieses Verfahren zumindest bis Mai 2001 ausgesetzt worden sei. Die Behörde ist auch nicht verpflichtet, von fremdenpolizeilichen Maßnahmen Abstand zu nehmen und damit den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden zu dulden, bis der Fremde durch die - vor Abschluss des diesbezüglichen Verfahrens jedenfalls immer noch ungewisse - Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Ehegatten Niederlassungsfreiheit erlangt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0077).

Unter gehöriger Erwägung der dargestellten Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und demnach im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 1. Juli 2004

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001180041.X00

Im RIS seit

30.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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