TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/1 99/12/0091

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Veröffentlicht am 01.07.2004
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Index

L24007 Gemeindebedienstete Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §175 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
GdBKUFG Tir 1998 §21 Abs1;
GdBKUFG Tir 1998 §22 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch sowie Senatspräsident Dr. Höß und Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des X in I, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 6, gegen den Bescheid der Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der städtischen Beamten vom 1. Februar 1999, Zl. VOK 7/1997, betreffend Nichtanerkennung eines Vorfalles als Dienstunfall und Feststellung des Nichtvorliegens einer Berufskrankheit nach dem Tiroler Gemeindebeamten- Kranken- und Unfallfürsorgegesetz 1998 (GKUFG 1998), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Feststellung des erstinstanzlichen Bescheides der Verwaltungskommission der Kranken- und Unfallfürsorge der städtischen Beamten vom 25. Juli 1997 bestätigt, dass es sich bei dem Ereignis vom 12. November 1986 nicht um einen Dienstunfall gehandelt hat, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Stadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der 1942 geborene Beschwerdeführer steht als Oberbrandmeister in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Innsbruck.

Am 12. November 1986 war er bei einem Verkehrsunfall auf der Brennerautobahn im Einsatz. Auf einem der beteiligten Lkw befanden sich Anilinölfässer, die durch den Unfall teils auf der Ladebrücke, teils auf der Fahrbahn aufplatzen und ausrannen, sodass Anilindämpfe frei gesetzt wurden. Wegen Verdachtes einer Inkorporation von Anilin fand am 14. November 1986 eine Blutuntersuchung der beteiligten Feuerwehrleute an der Universitätsklinik Innsbruck statt.

Im Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer wegen Verhärtungen an allen vier Extremitäten mit Induration der Haut und nicht aufwerfbaren Hautfalten an der Universitätsklinik Innsbruck stationär aufgenommen; die Beschwerden waren bereits ca. zwei Jahre zuvor aufgetreten. Im abschließenden Befund wurden Pseudosklerodermie und Exsiccosis cutis diagnostiziert; die Untersuchung habe keine Hinweise auf eine systemische Sklerodermie erbracht. Eine "Berufskrankheitenanzeige" bezüglich des Vorliegens einer beruflich induzierbaren Erkrankung sei erstattet worden, da in der Anamnese ein halbstündlich atemschutzloser Berufsfeuerwehreinsatz des Beschwerdeführers bei einem Verkehrsunfall mit Anilinaustritt vor ca. acht Jahren aufgeschienen sei.

Auf Grund der Dienstunfallsanzeige vom 31. Oktober 1996 leitete die Verwaltungskommission der Kranken- und Unfallfürsorge der Beamten der Landeshauptstadt Innsbruck (im Folgenden: Verwaltungskommission) ein Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Kausalität des Dienstunfalles ein. An den gerichtlich beeideten Sachverständigen, den Facharzt für Dermatologie und Venerologie Univ.-Doz. Dr. H., wurden folgende Fragen gerichtet:

"1.) Können die gegenständlichen Krankheitserscheinungen ausschließlich oder überwiegend durch die Einwirkung des bei dem in der Meldung zitierten Unfallereignisses auf der Brenner Autobahn ausströmenden Anilindampfes vom 12.11.1986 herrühren?

2.) Auf welche Art und Weise kann das ausströmende Anilin eine allfällige körperliche Schädigung hervorrufen?

3.) Ist eine allfällige durch den Kontakt oder das Einatmen von Anilin zurückzuführende Erkrankung auf den gegenständlichen Unfall zurückzuführen oder kann auch aus einer möglichen, vor diesem Zeitpunkt anderen beruflichen oder außerberuflichen Tätigkeiten ein derartiges Krankheitsbild herrühren?"

In seinem Gutachten vom 20. Juni 1997 gelangte Univ.- Doz. Dr. H. auf Grund der Aktenlage, der Originalkrankengeschichte mit Befunden, der klinischen Untersuchung des Beschwerdeführers sowie dem Studium von Literatur (Clements & Furst: Systemic sclerosis 1996) und einer Rücksprache mit Oberarzt Dr. G., welcher die Berufskrankheiten- bzw. Dienstunfallsanzeige veranlasst hatte, zu folgender Beurteilung (der Name des Beschwerdeführers wird mit H. wiedergegeben; auch sonstige Namen wurden anonymisiert):

"Herr H. leidet an einer Morphea - das ist eine Hauterkrankung mit Bindegewebsvermehrung - welche mit großer Wahrscheinlichkeit als berufsunabhängige Erkrankung einzustufen ist. Es besteht eine genetische Anlage für diese Erkrankung bei Herrn H. bei nachgewiesenem HLA-Klasse II Antigen vom Typ DR 2. Dieser HLA-Typ ist mit Sklerodermie assoziiert. Eine zusätzliche Triggerung der Morphea bei Herrn H. durch den damaligen Unfall ist zwar nicht mit 100 %iger Sicherheit ausschließbar, aber aus folgenden Gründen äußerst unwahrscheinlich:

1. Es bestand eine jahrelange Latenzzeit zwischen dem Unfall 1986 und dem Auftreten der Erkrankung 1990.

2.

Es kam zu keinerlei Veränderungen im Bereich der Lunge.

3.

Bei keiner Person, die damals am Unfall beteiligt war, ist eine ähnliche Schädigung eruierbar (das damalige Unfallopfer A.J. wurde von mir angeschrieben, eine Antwort ist nicht eingelangt).

              4.              Die genetische Anlage von Herrn H. für eine Morphea ist durch einen HLA-Klasse II Typisierungsbefund untermauert.

Die Berufskrankheitenanzeige war ursprünglich wegen dem in der Literatur beschriebenen 'Toxic Oil' Syndrom, welches möglicherweise mit Anilin in Zusammenhang stand, durchgeführt worden. Beim 'Toxic Oil' Syndrom kam es jedoch in 85 % der Fälle zu akuten Erscheinungen und zu Hautveränderungen ähnlich der Sklerodermie innerhalb von 2-5 Monaten nach oraler Exposition. Weiters stehen Organbeteiligung, insbesondere eine pulmonale Hypertension im Vordergrund der Erkrankung. Nach Literaturstudium und Zusammenschau der Befunde des Patienten besteht nun letztlich kein wesentlicher Anhalt mehr dafür, um bei Herrn H. ein ähnliches, durch ein exogenes Agens ausgelöstes Syndrom anzunehmen.

Daraus ergibt sich als Antwort zu den gestellten Fragen:

              1.              Die gegenständlichen Krankheitserscheinungen sind nicht ausschließlich oder überwiegend durch die Einwirkung von Anilindämpfen während des Unfalls vom 12.11.1986 herrührbar.

              2.              Schädigungen durch Anilin zeichnen sich durch Hautsklerose, Neuropathie, Hepatomegalie und pulmonale Hypertension aus und werden durch eine akute Phase nach einer Latenzphase von 2-4 Monaten eingeleitet.

              3.              Eine berufliche Ursache für die Erkrankung von Herrn H. ist mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Es besteht hingegen eine genetische Anlage für die Erkrankung bei Herrn H., welche durch einen Laborbefund (HLA DR Klasse II, Typ DR 2) untermauert ist."

Am 23. Juni 1997 wurde nach einer stationären Aufnahme des Beschwerdeführers an der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie (2. bis 5. Juni 1997) ein neuer Befund mit der Diagnose pansklerotische Morphea Profunda erstellt. Seit dem letzten Aufenthalt sei es zu einer geringen Besserung der Sklerose an den distalen Unterarmen und Handrücken gekommen. Andererseits berichte der Beschwerdeführer über neuerdings aufgetretene Krämpfe und Schwäche der Wadenmuskulatur beim Gehen. Eine ambulant durchgeführte HLA Klasse II-Typisierung habe den Typ DR2 und DR6 ergeben. Der Typ DR2 sei mit Morphea assoziiert, weshalb eine genetische Disposition als wesentliche Ursache für die Erkrankung angenommen werden könne.

Die Stadtphysika Dr. R. (Vertrauensärztin der Kranken- und Unfallfürsorge) gab in ihrem Schreiben vom 30. Juni 1997 an die Geschäftsstelle der Kranken- und Unfallfürsorge das Gutachten von Univ.-Doz. Dr. H. wörtlich wieder. Als Diagnose nannte sie "Hauterkrankung mit Bindegewebsvermehrung bei genetischer Anlage". Es bestehe "von Seiten des Anilinunfalls" vom Jahr 1986 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 0 %.

Die Verwaltungskommission sprach daraufhin mit Bescheid vom 25. Juli 1997 aus, dass es sich bei dem Ereignis vom 12. November 1986 nicht um einen Dienstunfall gehandelt habe und dass die festgestellten Krankheitserscheinungen nicht als Berufskrankheit zu gelten hätten. Zur Begründung stützte sie sich auf das die Kausalität verneinende Gutachten von Univ. Doz. Dr. H. vom 20. Juni 1997, wobei davon im Wesentlichen die drei an diesen Sachverständigen gestellten Fragen und seine Antworten sowie die darauf gestützte Diagnose der Vertrauensärztin wiedergegeben wurden.

In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Fragestellung an den Sachverständigen präjudizierend gewesen sei. Die Formulierung der Frage 1 würde den Gutachter beinahe zwingen, diese Frage zu verneinen. Außerdem sei es beim Unfallereignis nicht zu einer Anilinvergiftung, sondern zu einer Anilinexposition gekommen. Anders als beim Toxic Oil Syndrom, das dem Gutachten hauptsächlich zu Grunde liege, seien in der Literatur auch Fälle bekannt, in denen keine akuten Phasen der zitierten Krankheitsbilder aufgetreten seien. Die im Gutachten beschriebenen genetischen Anlagen würden zwar nicht in Frage gestellt, könnten aber sicherlich in der Beurteilung des Gesamtkrankheitsbildes nur als Teilfaktor gesehen werden. Ein nachgewiesener genetischer Background spiegle zwar eine Neigung wieder, erkläre aber in keiner Weise das Gesamtkrankheitsbild. Aus diesem Grund könne das Gutachten des Dermatologen Univ.-Doz. Dr. H. nicht anerkannt werden. Zur Klärung des Sachverhaltes werde die Einholung von Gutachten eines Immunpathologen bzw. eines Spezialisten für Autoimmunerkrankungen beantragt. An der Universitätsklinik Innsbruck würden dafür Univ. Prof. Dr. W. bzw. Univ.-Doz. Dr. S. zur Verfügung stehen.

In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer eine ärztliche Stellungnahme des Facharztes für Dermatologie Oberarzt Dr. G. vom 4. Dezember 1997 vor. Dieser führte insbesondere aus, dass die Äthologie der Sklerodermievarianten nach wie vor unklar sei. Es sei jedoch erwiesen, dass Umweltfaktoren, wie

z. B. Vinylchloridexposition oder auch Exposition auf diverse Chemotherapeutika, weiters auch Epoxidharze, sklerodermieähnliche Erkrankungen auch mit Systembefall hervorrufen könnten. Eine exogene Variante sei das Toxic Oil Syndrom, welches nach Aufnahme von gereiftem Rapsöl, das mit Anilin versetzt worden sei, epidemieartig in Spanien aufgetreten und als Toxic Oil Syndrom in die Literatur eingegangen sei. Da beim Patienten anamnetisch zumindest eine Inhalation oder Kontakt über die Haut mit Anilin im Rahmen eines Feuerwehrunfalls möglich erscheine (der Unfall liege jedoch mehr als acht Jahre zurück), stehe eine Exposition mit Anilin im Raum. Obwohl die Symptome des Toxic Oil Syndrom bei gastrointestinaler Aufnahme des Öls akut innerhalb von einigen Wochen, maximal Monaten eingetreten seien, sei völlig ungeklärt, ob nicht über inhalative oder percutante Resorption von Anilin mit jahrelangen Latenzzeiten gerechnet werden könnte. Der Kausalzusammenhang sei nicht beweisbar. Unbestritten sei, dass Anilin, aber auch andere organische Lösungsmittel inklusive der oben erwähnten Substanzen und Chemikalien mit Sklerodermieerkrankungen assoziiert würden.

Mit Schreiben vom 18. Mai 1998 ersuchte die belangte Behörde die Stadtphysika Dr. R. um gutachterliche Stellungnahme zu den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers und um Klärung, inwieweit die Notwendigkeit zur Einholung der darin beantragten Gutachten gegeben sei.

Dr. R. äußerte sich dazu mit Schreiben vom 17. Juni 1998 dahingehend, der vom Beschwerdeführer eingeholte zusätzliche Befund des Oberarztes Dr. G. ergebe, dass ein Kausalzusammenhang der Krankheitssymptome mit dem Anilinunfall nicht beweisbar sei. Es sei jedoch auch aus seiner Sicht unbestritten, dass Anilin und andere Lösungsmittel Assoziationen mit Sklerodermieerkrankungen aufwiesen. Univ.-Doz. Dr. H. sei Dermatologe und gleichzeitig auch gerichtlich beeideter Sachverständiger. Sein Gutachten sei medizinisch schlüssig und nachvollziehbar gewesen. Die Ausführungen des Dermatologen Dr. G. entsprächen denen von Univ.- Doz. Dr. H. Ein weiteres Gutachten durch einen Dermatologen (Univ. Prof. Dr. S.) wäre daher aus ihrer Sicht nicht zielführend. Univ. Prof. Dr. W. sei Vorstand des Institutes für Pathologie und Leiter des biomedizinischen Institutes für Alternsforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften und ihres Wissens kein Spezialist für Autoimmunerkrankungen, sodass ein Gutachten seinerseits voraussichtlich auch keine weiteren Erkenntnisse bringen würde.

Mit Schreiben vom 22. Juni 1998 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer diese Stellungnahme zur Kenntnis und lud ihn ein, sich allenfalls bis 6. Juli 1998 dazu zu äußern.

Aus einem internen Schreiben der belangten Behörde vom 18. Jänner 1999 geht hervor, dass der Beschwerdeführer wiederholt die Übermittlung eines weiteren Gutachtens angekündigt habe. Tatsächlich legte er aber kein neues Gutachten vor.

Die belangte Behörde erließ schließlich den angefochtenen Bescheid vom 1. Februar 1999, mit dem sie die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abwies.

Zur Begründung führte sie nach der Wiedergabe des Berufungsvorbringens und des Gutachtens des Sachverständigen Univ.- Doz. Dr. H. (in dem oben wörtlich wiedergegebenen Umfang) aus, die entscheidende Frage sei, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Anilinexposition anlässlich des Feuerwehreinsatzes im Jahre 1986 und der gegenständlichen Erkrankung bestehe oder nicht. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Feststellung, ob ein Dienstunfall im Sinne des § 22 Abs. 1 des (Tiroler) Gemeindebeamten-Kranken- und Unfallfürsorgegesetz 1998 (GKUFG 1998) vorliege, als auch hinsichtlich der Frage, ob eine Berufskrankheit im Sinne des § 24 leg. cit. gegeben sei. Dieser gesetzlich geforderte Kausalzusammenhang sei nach dem mangelfreien Gutachten nicht gegeben. Auch das vom Beschwerdeführer vorgelegte Zweitgutachten des Oberarztes Dr. G. vermöge an dieser Erkenntnis nichts zu ändern. Dr. G. führe darin aus - ohne die Schlussfolgerungen des Erstgutachtens zu widerlegen oder grundsätzlich in Zweifel zu ziehen -, dass die Äthologie der Sklerodermievarianten nach wie vor unklar sei. (Es folgt die wörtliche Wiedergabe dieses Gutachtens.)

Es stehe somit fest, dass nach Maßgabe des Standes der medizinischen Wissenschaften ein Kausalzusammenhang im Sinne der Äquivalenz- oder Bedingungstheorie bzw. der Theorie der wesentlichen Bedingung zwischen der seinerzeitigen Anilinexposition und der Jahre später aufgetretenen Morphea nicht feststellbar oder mit entsprechender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Die bloße Möglichkeit, dass bestimmte Einflüsse nicht 100 %ig auszuschließen seien, reiche entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers für eine Entscheidung im Sinne des Berufungsvorbringens nicht aus. Beim vorliegendem Beweisergebnis sei die Behörde auch nicht verpflichtet gewesen, weitere Gutachten, wie vom Beschwerdeführer gefordert, einzuholen. Vielmehr wäre es an ihm gelegen, durch auf selbem fachlichen Niveau stehende Beweisführung die vorliegenden Gutachten zu erschüttern. Dies sei jedoch trotz großzügig eingeräumter Möglichkeit nicht geschehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

I. Rechtslage

Im Beschwerdefall ist das Tiroler Gemeindebeamten-Kranken- und Unfallfürsorgegesetz 1998, wiederverlautbart im LGBl. Nr. 98, (GKUFG 1998) anzuwenden. Seit der letzten Wiederverlautbarung, LGBl. Nr. 48/1979, sind keine für den Beschwerdefall maßgeblichen inhaltlichen Änderungen erfolgt.

Gemäß § 21 Abs. 1 GKUFG 1998 haben die in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadtgemeinde Innsbruck stehenden Bediensteten des Dienst- und des Ruhestandes im Falle einer durch einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit verursachten körperlichen Schädigung gegenüber der Stadtgemeinde Innsbruck Anspruch auf Leistungen nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes des II. Hauptstückes (§§ 25 ff).

Nach § 22 Abs. 1 GKUFG 1998 sind Dienstunfälle Unfälle, die sich in örtlichem, zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang mit der Besorgung von Aufgaben, die sich aus dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis ergeben, ereignen.

§ 24 GKUFG 1998 lautet:

"Berufskrankheiten

§ 24. (1) Als Berufskrankheiten gelten die in der Anlage 1 des ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 68/1999, bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen, wenn sie durch Dienstleistungen im Rahmen des Dienstverhältnisses oder der Funktion verursacht sind; hiebei ist unter dem in dieser Anlage verwendeten Begriff "Unternehmen" sinngemäß die Dienststätte zu verstehen.

(2) Eine Krankheit, die ihrer Art nach nicht in der Anlage 1 des ASVG enthalten ist, gilt im Einzelfall als Berufskrankheit, wenn die Verwaltungskommission (§ 57) auf Grund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse feststellt, dass diese Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Beamten im Rahmen des Dienstverhältnisses ausgeführten Dienstleistung entstanden ist."

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 GKUFG 1998 (nur dieser Fall ist im Beschwerdefall von Interesse) haben die Anspruchsberechtigten von allen Unfällen und von allen Krankheitserscheinungen, die den begründeten Verdacht auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit rechtfertigen, unverzüglich der Verwaltungskommission Mitteilung zu machen.

Die Missachtung der Anzeigepflicht nach den Abs. 1 und 2 hat - neben allfälligen disziplinären Maßnahmen - zur Folge, dass kein Anspruch auf rückwirkende Zuerkennung von wiederkehrenden Leistungen (§ 32) besteht.

Zu den wiederkehrenden Leistungen gehört nach § 32 u.a. auch

die Versehrtenrente nach § 44 GKUFG 1998.

§ 44 GKUFG 1998 lautet auszugsweise:

"Versehrtenrente; Abfindung

§ 44. (1) Anspruch auf Versehrtenrente besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit mehr als drei Monate hindurch um mindestens 20 v.H. vermindert ist. Die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.

(2) Wegen einer Berufskrankheit im Sinne des § 24 Abs. 2 besteht nur dann Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Anspruchsberechtigten durch die Folgen der Berufskrankheit mehr als drei Monate hindurch um mindestens 50 v.H. vermindert ist.

(3) Die Versehrtenrente fällt mit dem Beginn der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Anfall der Versehrtenrente) an.

.............."

§ 45 GKUFG 1998 lautet:

"Bemessung der Versehrtenrente

"(1) Die Versehrtenrente ist nach dem Grad der durch den Dienstunfall oder durch die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit am 90. Tag nach dem Anfall der Versehrtenrente (§ 44 Abs. 3) zu bemessen.

(2) Die Versehrtenrente beträgt, solange der Anspruchsberechtigte infolge des Dienstunfalles oder der Berufskrankheit völlig erwerbsunfähig ist, zwei Drittel der Bemessungsgrundlage (Vollrente). Ist der Anspruchsberechtigte teilweise erwerbsunfähig, so richtet sich die Versehrtenrente nach dem Hundertsatz der Vollrente, der dem Grad der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit entspricht."

Gemäß § 57 Abs. 1 GKUFG 1998 wird beim Magistrat der Stadt Innsbruck die "Verwaltungskommission der Kranken- und Unfallfürsorge der städtischen Beamten" errichtet. Gemäß § 57 Abs. 3 leg. cit. hat sie hinsichtlich der Unfallfürsorge neben den ihr in § 24 Abs. 2 und den §§ 27, 35 und 48 zugewiesenen Aufgaben

"a) auf Grund einer Mitteilung nach § 26 Abs. 1 erster Satz festzustellen, ob ein Dienstunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt oder nicht;

b) im Falle einer Mitteilung nach § 26 Abs. 1 zweiter Satz festzustellen, ob die vom Anspruchsberechtigten in Aussicht genommene Krankenbehandlung oder Sonderleistung im Sinne des § 41 Abs. 2 bzw. des § 43 als notwendig anzusehen ist;

c) über den Umfang von Ansprüchen zu entscheiden."

Zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Verwaltungskommission ist gemäß § 58 GKUFG 1998 die beim Stadtmagistrat Innsbruck errichtete "Verwaltungsoberkommission der Kranken- und Unfallfürsorge der städtischen Beamten" zuständig. II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen

1.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Dienstunfalles bzw. einer Berufskrankheit im Sinne der Bestimmungen der §§ 22, 24 und 26 Abs. 1 GKUFG 1998 eine entsprechende Feststellung zu erlangen, bzw. in seinem Recht auf Anerkennung des Vorliegens eines Dienstunfalles bzw. einer Berufskrankheit verletzt.

1.2. Demnach umfasst der Beschwerdepunkt auch die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Feststellung zur Berufskrankheit. Die nachfolgenden Beschwerdeausführungen bringen aber ausschließlich Argumente gegen die nicht erfolgte Anerkennung des Vorfalles vom 12. November 1986 als Dienstunfall vor.

Die vorliegende Beschwerde war, soweit sie sich auch gegen die Feststellung richtet, dass die beim Beschwerdeführer aufgetretenen Krankheitserscheinungen nicht als Berufskrankheit zu gelten hätten, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, zumal auch der Verwaltungsgerichtshof eine rechtswidrige Anwendung des § 24 GKUFG 1998 nicht zu erkennen vermag.

2.1. Gegen die Nichtanerkennung des Ereignisses vom 12. November 1986 als Dienstunfall macht der Beschwerdeführer insbesondere geltend, dass der Sachverständige Dr. H. in seinem Gutachten zur Beurteilung gelangt sei, dass die gegenständlichen Krankheitserscheinungen nicht ausschließlich oder überwiegend durch die Einwirkung von Anilindämpfen entstanden seien. Die "theoretische Kausalität" ergebe sich aber bereits daraus, dass schon am 14. November 1986 auf Grund der mehrstündigen Einwirkung von Anilindämpfen eine Blutuntersuchung in der medizinischen Klinik in Innsbruck veranlasst worden sei. Nach der gutachterlichen Stellungnahme Dris. G. (Schreiben vom 4. Dezember 1997) sei davon auszugehen, dass auch jahrelange Latenzzeiten möglich seien. Weiters habe Dr. G festgestellt, dass nach unbestrittener medizinischer Auffassung bei Anilininkorporation auch Assoziationen mit Sklerodermieerkrankungen gegeben seien. Nach dem Gutachten Dris. H. sei der beim Beschwerdeführer festgestellte HLA-Klasse II Antigen Typus DR2-Befund ebenfalls mit Sklerodermie assoziiert. Bereits auf Grund dieser Darstellung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Beeinträchtigung durch die Inkorporation von Anilin anlässlich des Vorfalles vom 12. November 1986 für den Beschwerdeführer gegeben sei. Auf Grund der Darstellung Dris. G. könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer Latenzzeit von 1986 bis 1990 der Unfall (mit)kausal für die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers sei.

Nach dem vorliegenden Gutachten bestehe beim Beschwerdeführer ein nachgewiesenes HLA-Klasse II Antigen vom Typ DR2. Der Sachverständige Dr. H. habe die Kausalität auch deshalb verneint, weil bei anderen Personen, welche am damaligen Unfall beteiligt gewesen seien, keine ähnliche Schädigung eruierbar sei. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, dass auf Grund der genetischen Anlage des Beschwerdeführers die Entwicklung der Beeinträchtigung mitbegünstigt worden sei. Im Rahmen der juristischen Kausalität sei zu prüfen, ob der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ohne die Inkorporation von Anilindämpfen anlässlich des Vorfalles vom 12. November 1986 in gleicher Weise beeinträchtigt gewesen wäre.

2.2. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Der Unfallbegriff wird vom Gesetzgeber im GKUFG 1998 ebenso wenig wie im ASVG, im B-KUVG oder in sonstigen unfallrechtlich relevanten Vorschriften definiert, sondern als bekannt vorausgesetzt.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu dem in den unfallversicherungsrechtlichen Bestimmungen enthaltenen Begriff des Arbeitsunfalles (insbesondere zu § 175 Abs. 1 ASVG), der sich der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich anschließt, ist ein Unfall ein zeitlich begrenztes Ereignis - eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung -, das zu einer Körperschädigung geführt hat (vgl. z.B. das Urteil vom 25. Oktober 1988, 10 ObS 123/88 = SSV-NF 2/112). Dabei können auch Ereignisse als Unfall anzusehen sein, die sich bei gewöhnlicher Ausübung der Berufstätigkeit ereignen (vgl. dazu z.B: das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. Juni 1990, 10 ObS 131/90 = SSV-NF 4/85). Von einem Unfall wird allerdings nur dann gesprochen, wenn die Gesundheitsschädigung durch ein plötzliches, d.h. zeitlich begrenztes Ereignis bewirkt wurde, wobei plötzlich allerdings nicht Einmaligkeit heißen muss; auch kurz aufeinander folgende Einwirkungen, die nur in ihrer Gesamtheit einen Körperschaden bewirken, sind noch als plötzlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb einer Arbeitsschicht oder eines sich auf mehrere Tage erstreckenden Dienstauftrages ereignet haben. Der entscheidende Unterschied zu den sonstigen Krankheiten liegt in der zeitlichen Begrenztheit des Ereignisses. Nicht als Unfall gelten daher gesundheitliche Folgen von Dauereinwirkungen, die in der Unfallversicherung (Gleiches gilt für das GKUFG 1998) nur geschützt werden, wenn sie als Berufskrankheiten anerkannt sind (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 23. Juni 1998, 10 Ob S 224/98h = SSV-NF 12/89).

Im Beschwerdefall ist es am 12. November 1986 zu einer zeitlich begrenzten, außergewöhnlichen Einwirkung von Schadstoffen gekommen. Dieses Ereignis wäre daher im Sinne der oben wiedergegebenen Definition als Unfall zu qualifizieren; strittig ist allerdings, ob es überhaupt zu einer Körperschädigung geführt hat.

Die belangte Behörde hat dies unter Berufung auf das Sachverständigengutachten von Univ.-Doz. Dr. H. mit der Begründung verneint, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den beim Beschwerdeführer aufgetretenen Krankheitserscheinungen und der Anilinexposition "nicht feststellbar oder mit entsprechender Wahrscheinlichkeit anzunehmen" sei. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde steht diese Annahme aber zumindest teilweise im Widerspruch zu dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten Dris. G. Auch dieser gelangt zwar nicht zu einer eindeutigen Bejahung der Kausalität, stellt aber doch die Prämissen des Gutachtens von Univ.-Doz. Dr. H. grundlegend in Frage: vor allem bejaht er ausdrücklich die Möglichkeit längerer Latenzzeiten bei Inhalation oder Hautkontakt mit Anilin (im Gegensatz zum raschen Auftreten von Symptomen bei gastrointestinaler Aufnahme, auf die allein sich Univ.-Doz. Dr. H. in Verbindung mit dem so genannten "Toxic Oil"Syndrom bezogen hat) und unterstreicht die unbestritten vorhandenen "Assoziationen von Anilin" mit Sklerodermie-Erkrankungen. Es wäre daher durch eine Ergänzung dieses Gutachtens durch Dr. H. oder einen anderen medizinischen Sachverständigen zu klären gewesen, ob diese für die Beurteilung der Kausalität relevanten Äußerungen von Dr. G zutreffen oder nicht.

Das Gutachten von Univ.-Doz. Dr. H. erweist sich aber auch noch aus einem weiteren Grund, den der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung geltend gemacht hat, als ergänzungsbedürftig: Der Sachverständige hat zur Begründung seiner Schlussfolgerung zum einen darauf hingewiesen, dass bei den anderen am Unfall beteiligten Personen keine vergleichbaren Schädigungen aufgetreten seien, zum anderen auf die genetische Anlage des Beschwerdeführers, die als Ursache für die Erkrankung anzusehen sei; dabei ist aber offen geblieben, ob nicht der Unfall neben der genetischen Veranlagung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Erkrankung war.

Bei der rechtlichen Beurteilung dieser Frage ist auf die im Sozialversicherungsrecht von Lehre und Rechtsprechung entwickelte "Theorie der wesentlichen Bedingung" zurückzugreifen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn der Unfallschaden auf mehrere Ursachen zurückgeht - erforderlich, dass der Unfall eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist er dann, wenn er nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur im geringeren Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1997, Zl. 94/12/0042, und die dort angeführte Judikatur, sowie - auch zum Folgenden - das Erkenntnis vom 13. September 2002, Zl. 99/12/0321).

Eine Fallgruppe, die für die Theorie der wesentlichen Bedingung herangezogen wird, sind die so genannten Anlagefälle (vgl. dazu näher Tomandl in Tomandl (Hrsg.), System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 2.3.4.1.4. A).

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 88/12/0137, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausgeführt, dass dann, wenn eine krankhafte Veranlagung und ein Unfallereignis bei Entstehung einer Körperschädigung zusammenwirken, zu beurteilen ist, ob das Unfallereignis eine wesentlich mitwirkende Bedingung für die Schädigung gewesen ist oder ob die krankhafte Veranlagung alleinige oder überragende Ursache war. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zur selben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Eine krankhafte Veranlagung hindert also für sich genommen nicht die Kausalität eines Unfalls für eine eingetretene MdE. Eine solche kann auch vorliegen, wenn eine vorhandene krankhafte Veranlagung zu einer plötzlichen, in absehbarer Zeit nicht zu erwartenden Entwicklung gebracht oder eine bereits bestehende Erkrankung verschlimmert worden ist. Für die Frage, ob die Auswirkungen des Unfalles eine rechtlich wesentliche Teilursache des nach dem Unfall eingetretenen Leidenszustandes sind, ist in erster Linie von Bedeutung, ob dieser Leidenszustand auch ohne den Unfall etwa zum gleichen Zeitpunkt eingetreten wäre oder durch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können, ob also die äußere Einwirkung (Unfall) wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache war.

Ausgehend davon hätte die belangte Behörde zur Lösung der entscheidenden Rechtsfrage eine entsprechende Ergänzung des Erstgutachtens zu veranlassen bzw. ein weiteres Gutachten einzuholen gehabt, zumal der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich auf die Unvollständigkeit des Gutachtens hingewiesen und seinerseits eine zumindest teilweise entgegen stehende Sachverständigenäußerung vorgelegt hat. Die Unvollständigkeit eines Gutachtens aufzuzeigen, ist einer Partei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ohne Gegengutachten möglich, weil relevante Einwendungen gegen ein Gutachten auch durch ein sonstiges fundiertes Vorbringen erfolgreich vorgetragen werden können (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl. 94/07/0166 = VwSlg. 14.731/A). Das Postulat, einem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, gilt einem mangelhaften Gutachten gegenüber nicht (21. November 1996, Zl. 94/07/0041). Es war daher entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht ausreichend, dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die Möglichkeit einzuräumen, ein Gegengutachten vorzulegen; vielmehr wäre zur Klärung der offenen Fragen und der Auflösung der aufgezeigten Widersprüchlichkeiten von Amts wegen ein (Ergänzungs)Gutachten einzuholen gewesen.

3. Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die vom Beschwerdeführer in der Höhe von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war mit EUR 181,68 zuzusprechen.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, welche in den Pauschalsätzen der genannten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am 1. Juli 2004

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4Beweismittel SachverständigenbeweisGutachten ErgänzungGutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:1999120091.X00

Im RIS seit

09.08.2004

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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