Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
11997E234 EG Art234 Art234 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, in der Beschwerdesache 1. der ARGE A T, vertreten durch AIZ Arbeitsmedizin im Zentrum K GesmbH und Arbeitsmedizinisches Zentrum H, 2. der ARGE A K, vertreten durch S ArbeitnehmerInnnenschutz GmbH in F, AMI Arbeitsmedizinisches und Arbeitspsychologisches Institut K GmbH in K und Arbeitsmedizinisches Zentrum V, 3. der ARGE A O, vertreten durch Arbeits- und Sozialmedizinisches Zentrum M Gesellschaft mbH in N, AIZ Arbeitsmedizin im Zentrum K GesmbH in K und W-Netzwerk für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie GmbH in W, und
4. der ARGE A W, vertreten durch Arbeits- und Sozialmedizinisches Zentrum M Gesellschaft mbH in N, S ArbeitnehmerInnenschutz GmbH in F, AIZ Arbeitsmedizin im Zentrum K GesmbH in K und W-Netzwerk für Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergonomie GmbH in W, alle vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 11. Juni 2004, Zl. 05N-35/04-46, betreffend Zurückweisung von Nachprüfungsanträgen und Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch Bundesbeschaffungs GmbH in 1020 Wien, Obere Donaustraße 63), über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Vergabeverfahren betreffend die "Bereitstellung von Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinern gemäß B-BSG" der Antrag aller Beschwerdeführerinnen auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers, die Ausschreibung nicht zu widerrufen, zurückgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Antrag der Viertbeschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung betreffend die Lose W I und W II stattgegeben (Spruchpunkt II.), der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung hinsichtlich des Loses T zurückgewiesen (Spruchpunkt III.), der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung betreffend das Los K zurückgewiesen (Spruchpunkt IV.) und der Antrag der Drittbeschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung betreffend das Los N zurückgewiesen (Spruchpunkt V.).
Die Beschwerdeführerinnen begründen ihren mit der dagegen gerichteten Beschwerde verbundenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung damit, dass eine derartige Anordnung zur Sicherung einer effektiven und einheitlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht erforderlich sei, weil Zweifel an der Gemeinschaftskonformität der Entscheidung der belangten Behörde bestünden. Die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz sei somit auf Grundlage des Gemeinschaftsrechts erforderlich. Durch den Vollzug der Entscheidung bestünde die Gefahr, dass die in den Vergaberichtlinien enthaltenen Bestimmungen über die Verpflichtung zum Widerruf sowie über die Anfechtbarkeit von Entscheidungen unterlaufen würden. Hinsichtlich des befürchteten Schadenseintritts enthält dieser Antrag einen Verweis auf den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Gewährung von aufschiebender Wirkung. In diesem - mit Beschluss des Berichters vom heutigen Tag, Zl. AW 2004/04/0026, abgewiesenen - Antrag machen die Beschwerdeführerinnen als ihnen drohenden Nachteil den aus dem Entgang des Auftrages resultierenden Schaden sowie die nachhaltige Beeinträchtigung des Marktes zu Lasten der Beschwerdeführerinnen geltend.
Die österreichische Rechtsordnung enthält keine Regelungen, die die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung begründet. Eine Ermächtigung zur Setzung entsprechender Akte eines Provisorialrechtsschutzes könnte nur aus der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrecht abgeleitet werden. Grundvoraussetzung dafür wäre die Sicherung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtspositionen.
Selbst unter Annahme, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Erlassung einstweiliger Anordnung zur Sicherung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtspositionen auch ohne innerstaatliche gesetzliche Kompetenzzuweisung allein Kraft Gemeinschaftsrechts berufen sein sollte, fehlt es hier am Erfordernis der Sicherung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtspositionen:
Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG (Rechtsmittelrichtlinie) haben die Mitgliedstaaten sicher zu stellen, dass für die Nachprüfungsverfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Vergabeverfahren "die erforderlichen Befugnisse" vorgesehen werden.
Die belangte Behörde ist ein "Gericht" im Sinn des Art. 2 Abs. 8 der Rechtsmittelrichtlinie sowie im Sinn des Art. 234 Abs. 3 EG. Es ist nicht zu bezweifeln, dass dem Bundesvergabeamt als "Gericht" die gemeinschaftsrechtlich gebotenen Befugnisse (Nichtigerklärung vergaberechtlicher Entscheidungen, Erlassung einstweiliger Verfügungen) eingeräumt sind. Über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat sohin ein den gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen entsprechendes Organ zu entscheiden; es ist damit nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ein Zweifel an der Gewährleistung des gemeinschaftsrechtlich gebotenen Rechtsschutzes nicht gegeben. Dass die Entscheidungen des Bundesvergabeamtes nach Art. 131 Abs. 1 B-VG der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegen, ist durch keine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift gefordert. Es ist daher zur Durchsetzung der Effektivität des gemeinschaftsrechtlich geforderten Rechtsschutzes auch ein einstweiliger Rechtsschutz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Kontrolle der Bescheide des Bundesvergabeamtes nicht erforderlich (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluss vom 20. Oktober 2003, Zl. 2003/04/0134, mit ausführlichen weiteren Nachweisen).
Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung war daher - ohne bereits in diesem Verfahrensstadium die Beschwerdelegitimation abschließend zu beurteilen - nicht stattzugeben.
Wien, am 2. Juli 2004
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8Gemeinschaftsrecht vorläufige Aussetzung der Vollziehung provisorischer Rechtsschutz EURallg6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004040105.X00Im RIS seit
19.10.2004Zuletzt aktualisiert am
27.08.2009