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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
VwRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Mag. (FH) J in W, vertreten durch Dr. Anton Aigner, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Wienerstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 8. Juli 2003, Zl. P777020/13-PersD/2003, betreffend Befreiung von Kader- und Truppenübungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 3. April 2003 beantragte der Beschwerdeführer, ihn von der Kaderübung vom 2. bis 4. Juni 2003 zu befreien, und ersuchte gleichzeitig um "generelle Entlassung aus dem Milizstand", weil es ihm aus beruflichen Gründen nicht mehr möglich sei, an Übungen teilzunehmen. Er führe seit einigen Jahren ein Einzelunternehmen, das ihn mittlerweile sieben Tage pro Woche in Anspruch nehme, sodass er sich eine Abwesenheit einfach nicht leisten könne. In einer Stellungnahme vom 9. Mai 2003 bestätigte die Wirtschaftskammer Niederösterreich, dass der Beschwerdeführer als Einzelunternehmer Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik anbiete und hiebei keine Mitarbeiter beschäftige. Im Fall der Einberufung des Beschwerdeführers käme es zum Stillstand seines Unternehmens und zu wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen für ihn.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2003 wies das Militärkommando Kärnten sowohl den Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung der Kaderübung vom 2. bis 4. Juni 2003 als auch auf Befreiung von den restlichen Kader- und Truppenübungen ab. Begründend führte die Erstbehörde aus, der Beschwerdeführer habe seinen Grundwehrdienst in der Dauer von sechs Monaten absolviert und sei daher gemäß § 20 Abs. 2 Wehrgesetz 2001 (im Folgenden kurz: WG) zur Leistung von Truppenübungen in der Gesamtdauer von bis zu 60 Tagen verpflichtet, von denen er sechs Tage bereits geleistet habe. Darüber hinaus habe er sich freiwillig und unwiderruflich zu Kaderübungen gemeldet, die er gemäß § 21 Abs. 1 Z. 1 WG in der Dauer von bis zu 90 Tagen zu leisten habe. Davon habe er bereits 21 Tage absolviert. Eine Befreiung von diesem Präsenzdienst komme trotz damit verbundener wirtschaftlicher Nachteile des Beschwerdeführers als Einzelunternehmer nicht in Betracht, weil besonders rücksichtswürdige Interessen im Sinn des § 26 Abs. 1 Z. 2 WG, die für die beantragte Befreiung erforderlich seien, nicht vorlägen. Eine Verständigung vom Termin der Kaderübungen ergehe schon Monate vorher und auch die Einberufung erfolge grundsätzlich mindestens 8 Wochen vor dem Einrückungstermin. Die gegenständlichen Kaderübungen vom 2. bis 4. Juni 2003 seien nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit angesetzt worden, wovon man den Beschwerdeführer schon im Jänner 2003 in Kenntnis gesetzt habe. Die Einberufung des Beschwerdeführers sei im März 2003 erfolgt. Er habe daher Gelegenheit gehabt, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten rechtzeitig zu disponieren. Im Übrigen werde ein Verdienstentgang durch Kaderübungen wenigstens teilweise durch eine Entschädigung nach dem Heeresgebührengesetz gedeckt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 26 Abs. 1 Z. 2 WG ab. In einem weiteren Spruchteil dieses Bescheides wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. April 2003 hinsichtlich der Kaderübung vom 2. bis 4. Juni 2003 "wegen Verlustes der Parteistellung" zurück und begründete diesen Spruchteil zusammengefasst damit, dass der Beschwerdeführer die Kaderübung an diesen drei Tagen wegen Krankheit (ohnedies) nicht geleistet habe.
Zur Abweisung der Berufung meinte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht, es sei Sache des Wehrpflichtigen, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so rechtzeitig zu ordnen, dass einer Einberufung zur Leistung von Kader- und Truppenübungen keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegen stünden. Entsprechende Dispositionen würden dem Beschwerdeführer durch die mehrere Monate im Voraus erfolgende Verständigung von einer solchen Übung ermöglicht. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer Einzelunternehmer sei, stelle für sich noch kein besonders rücksichtswürdiges wirtschaftliches Interesse im Sinn des § 26 Abs. 1 Z. 2 WG dar. Dabei verkenne die belangte Behörde nicht, dass durch die Leistung von Kader- und Truppenübungen trotz entsprechender Dispositionen des Betroffenen wirtschaftliche Nachteile entstehen können. Dass diese aber mit einer Existenzgefährdung des Beschwerdeführers verbunden wären, sei angesichts der relativ kurzen Dauer der Kader- und Truppenübungen und ihres im Allgemeinen bloß zweijährigen Intervalls nicht erkennbar. Schließlich stehe der Beschwerdeführer auch im Falle einer Krankheit seinem Unternehmen nicht zur Verfügung.
Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde richtet sich nach ihrem Inhalt ausschließlich gegen den die Berufung abweisenden Spruchteil des angefochtenen Bescheides. Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 lauten auszugsweise:
"Befreiung und Aufschub
§ 26 (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien
1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und
2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
...
Präsenzdienstarten
§ 19 (1) Der Präsenzdienst ist zu leisten als
1.
Grundwehrdienst oder
2.
Truppenübungen oder
3.
Kaderübungen oder
..."
Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, die belangte Behörde habe sich mit der genannten Stellungnahme der Wirtschaftskammer, die seine Unabkömmlichkeit im Unternehmen bestätigt habe, nicht auseinander gesetzt. Hätte die belangte Behörde das Gutachten eines Wirtschaftssachverständigen eingeholt, so hätte sich die Richtigkeit der wiedergegebenen Auskunft der Wirtschaftskammer erwiesen. Seit er das Einzelunternehmen führe, habe der Beschwerdeführer insgesamt (erst) drei Wochen Urlaub gemacht, und er könne es sich nicht leisten, Aufträge abzulehnen. Sollte er im Unternehmen nicht anwesend sein, könne niemand den Warenumschlag und die Auftragsabwicklung vornehmen. Daher würde selbst eine Vorlaufzeit der Einberufung von einem Jahr an seiner Situation nichts ändern. Müsste der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum abwesend sein, wie es bei "jener Übung" der Fall wäre, so "müsste ich jemanden anstellen, der meine Arbeit erledigt". Dies bedeute aber nicht nur einen finanziellen Aufwand, sondern man finde auch niemanden, der aushilfsweise für zwei Wochen in einem Unternehmen arbeite.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur (mit 31. Dezember 2000 außer Kraft getretenen) Bestimmung des § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 1990 lagen besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen an der Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung von Truppen- und Kaderübungen nur dann vor, wenn - ungeachtet der Ungewissheit in Bezug auf ihre zeitliche Lagerung und Dauer - eine mit der Leistung einer solchen Übung verbundene Existenzgefährdung zu befürchten wäre (vgl. dazu etwa die - ebenfalls Einzelunternehmer betreffenden - Erkenntnisse vom 23. Mai 2000, Zl. 99/11/0370, und vom 25. Juni 1996, Zl. 95/11/0228, jeweils mwN). Diese Rechtsprechung ist auf die (soweit hier relevant) wörtlich gleich lautende Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z. 2 WG übertragbar.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid ausdrücklich davon aus, dass die Truppen- und Kaderübungen auch bei entsprechender vorheriger Disposition des Betroffenen zu wirtschaftlichen Nachteilen (von denen auch im genannten, den Beschwerdeführer betreffenden Schreiben der Wirtschaftskammer Niederösterreich die Rede ist) führen können. Die Einholung des in der Beschwerde relevierten Gutachtens eines Wirtschaftssachverständigen war somit schon deshalb nicht erforderlich.
Der im Mittelpunkt der rechtlichen Erwägungen der belangten Behörde stehenden Rechtsansicht, der Beschwerdeführer werde durch die relativ kurz dauernden Kader- und Truppenübungen in seiner wirtschaftlichen Existenz nicht gefährdet, tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen. Der Beschwerdeführer hat auch weder behauptet noch durch Bescheinigungsmittel glaubhaft gemacht, dass die Anstellung einer Arbeitskraft, die er nach seinen eigenen Angaben zur Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht zumindest vorübergehend benötigen würde, zu seiner Existenzgefährdung führen würde. Eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beachtende Neuerung stellt dabei das Beschwerdevorbringen dar, eine Aushilfskraft für zwei Wochen sei nicht zu finden.
Zusammenfassend hegt der Verwaltungsgerichtshof daher gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe trotz mehrmonatiger vorheriger Verständigung von den Kader- und Truppenübungen seine wirtschaftlichen Dispositionen nicht in der Weise gestaltet, um seiner Präsenzdienstpflicht nachkommen zu können, keine Bedenken.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 6. Juli 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003110218.X00Im RIS seit
09.08.2004