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82/02 Gesundheitsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §25 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in N, vertreten durch Dr. Norbert Lehner, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Seebensteiner Straße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Juni 2002, Zl. RU6- St-Z-0200/0, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 26. November 2001 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe
"... in N den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Cannabiskraut
I.
durch den Anbau und die Aufzucht von Hanfpflanzen bis zur Erntereife oder knapp davor in einer großen Menge (Abs. 6) hergestellt, nämlich
1)
in der Zeit von August 2000 bis Ende 2000 solches mit einem unbekannten THC-Gehalt,
2)
in der Zeit von Anfang 2001 bis 14.5.2001 solches mit einem THC-Gehalt von 97,25 Gramm;
II.
ab August 2000 bis Anfang September 2001 erworben und besessen."
Er habe hiedurch zu I. das Verbrechen nach dem § 28 Abs. 2 SMG und zu II. das Vergehen nach dem § 27 Abs. 1 SMG begangen und werde hiefür unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach dem § 28 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monatenverurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 8. März 2002 wurde gemäß § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 und 3 FSG die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A und B auf die Dauer von 4 Monaten ab Zustellung des Bescheides (diese erfolgte am 12. März 2002) entzogen. Es wurde ausgesprochen, dass eventuelle Haftzeiten von diesem Zeitraum ausgenommen seien.
Der Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 14. Mai 2002 keine Folge gegeben; die Entziehung der Lenkberechtigung wurde in vollem Umfang bestätigt, die aufschiebende Wirkung einer Berufung wurde ausgeschlossen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert, dass die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Dauer von einem Jahr, gerechnet ab der am 12. März 2002 erfolgten Zustellung des Mandatsbescheides, entzogen werde, wobei allfällige Haftzeiten nicht einzurechnen seien.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 26. November 2001 des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden. Es liege somit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG vor. Bei der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung sei zu beachten, dass die "große Menge Suchtgift" gemäß § 26 Abs. 8 (gemeint offenbar: § 28 Abs. 6) SMG um ein Mehrfaches überschritten worden sei, sodass das Verhalten des Beschwerdeführers als besonders sozialschädlich anzusehen sei. Das seit Beendigung der Straftaten gezeigte Wohlverhalten sei im Hinblick auf das während dieser Zeit anhängige Straf- sowie Entziehungsverfahren nur von geringem Gewicht. Es bedürfe somit eines Zeitraumes von 12 Monaten, um wieder die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers annehmen zu können, weil kein Grund zur Annahme bestehe, die charakterlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers würden sich vor Ablauf dieser Frist grundlegend ändern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat sich hiezu im Schriftsatz vom 11. November 2002 geäußert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die für den Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG (idF vor der 5. FSG-Novelle) lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7.
...
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
5. eine strafbare Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951, BGBl. Nr. 160/1952, begangen hat.
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
..."
Vorauszuschicken ist, dass zufolge § 46 Suchtmittelgesetz - SMG der in § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG enthaltene Verweis auf § 12 Suchtgiftgesetz 1951 mit dem Inkrafttreten des SMG (1. Jänner 1998) auf § 28 SMG zu beziehen ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2000, Zl. 2000/11/0129, mwN). Auf Grund der Bindung der belangten Behörde an das rechtskräftige Strafurteil hatte sie davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen, derentwegen er verurteilt wurde, begangen hat. Sie hat daher mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG angenommen.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, zur Zeit der Erlassung des Mandatsbescheides verkehrsunzuverlässig gewesen zu sein, er meint jedoch, die Entziehungsdauer hätte durch die belangte Behörde nicht verlängert und nicht mit mehr als vier Monaten festgesetzt werden dürfen. Er bekämpft in diesem Zusammenhang die Heranziehung der Wertungskriterien des § 7 Abs. 5 FSG. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend.
Die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Erlassung des Mandatsbescheides und danach noch für mindestens 3 Monate (§ 25 Abs. 3 FSG) als verkehrsunzuverlässig anzusehen, ist im Hinblick auf die große Menge des hier in Rede stehenden Suchtmittels und den - im Strafurteil festgestellten - längeren Begehungszeitraum nicht als rechtswidrig zu erkennen. Desgleichen teilt der Gerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, das Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit Beendigung der Taten könne im Hinblick auf die anhängigen Verfahren nicht als entscheidend ins Gewicht fallen. Die mit einem Jahr ab Zustellung des Mandatsbescheides bemessene Entziehungsdauer erweist sich aber dennoch als zu lange.
Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz sind zwar wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen verwerflich. Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass sich die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte nach dem Suchtmittelgesetz ausschließlich auf Cannabiskraut bezogen haben, das - insbesondere was die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen - zu den weniger gefährlichen Suchtmitteln gehört. Dies hat letztlich Einfluss auf die Verwerflichkeit der Straftat und damit auf die Entziehungsdauer (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, Zl. 2000/11/0200, mwN).
Der Beschwerdeführer weist ferner darauf hin, dass nach den Sachverhaltsfeststellungen des Urteiles des Landesgerichtes Wiener Neustadt das Cannabiskraut zum Eigenkonsum des Beschwerdeführers "zur Abhilfe gegen Migräne und Depressionen" bestimmt war. Die belangte Behörde hat keine gegenteiligen Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Soweit sie sich im angefochtenen Bescheid auf das "Inverkehrsetzen von Suchtgift" bezieht, entfernt sie sich - ohne nähere Begründung - von den Annahmen im Strafurteil. War aber die große Suchtgiftmenge zum Eigenkonsum bestimmt, hat dies Einfluss auf das Wertungskriterium der Verwerflichkeit, weil die Gefahr für die Gesundheit anderer Personen in einem solchen Fall wesentlich geringer zu veranschlagen ist als im Falle der Erzeugung einer großen Suchtgiftmenge mit der Absicht, sie in Verkehr zu setzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235).
Die belangte Behörde hat darüber hinaus aus folgendem Grund die Rechtslage verkannt:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Rechtsprechung zum FSG bereits wiederholt betont, dass eine vom Strafgericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht zwar noch nicht zwingend dazu führt, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen ist, und dies damit begründet, dass sich die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht mit jenen zur Gänze decken, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass nach dieser Gesetzesstelle die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln kann, die für die im § 7 Abs. 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 2003, Zl. 2003/11/0240, mwN). Auf Grund ihrer Verkennung der Rechtslage ist die belangte Behörde auf die Überlegungen des Strafgerichtes, die verhängte Freiheitsstrafe von 6 Monaten bedingt nachzusehen, nicht näher eingegangen.
Bei Vermeidung dieses Fehlers und unter Berücksichtigung der oben angeführten Wertungskriterien hätte die belangte Behörde somit zum Ergebnis gelangen müssen, dass eine wesentlich kürzere Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers anzunehmen ist.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Es waren keine Kosten zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer einen Kostenantrag nicht gestellt hat.
Wien, am 6. Juli 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002110163.X00Im RIS seit
09.08.2004