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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung einer Bestimmung des Apothekengesetzes betreffendÜbergangsvorschriften für den Betrieb von ärztlichen Hausapotheken;unsachliche Festsetzung des Kreises der bevorrechteten Ärzte;überschießend lange Dauer der ÜbergangsregelungSpruch
§62 Abs1 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 120/1998, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Juli 2001 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1236/99 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. Juni 1999 anhängig, mit welchem der Berufung des beschwerdeführenden Apothekers gegen die Abweisung seines Antrages auf Zurücknahme der Bewilligungen zur Haltung ärztlicher Hausapotheken zugunsten von zwei näher genannten niedergelassenen Ärzten nicht stattgegeben wurde.
Nach den Feststellungen der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 18. Dezember 1998 die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Mieming erteilt. Dort würden freilich bereits zwei Ärzte für Allgemeinmedizin ordinieren und durchgehend seit deren behördlicher Bewilligung mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Tirol aus den Jahren 1977 bzw. 1989 auch ärztliche Hausapotheken führen. Den mit Eingabe vom 8. Februar 1999 gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Zurücknahme dieser Hausapothekenbewilligungen zum Zeitpunkt der geplanten Neueröffnung seiner öffentlichen Apotheke, dem 1. Juli 1999, habe die Bezirkshauptmannschaft Imst abgewiesen.
Die Abweisung der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers begründete die vor dem Verfassungsgerichtshof belangte Behörde im angefochtenen Bescheid damit, daß sowohl außer Streit stehe, daß beide Hausapotheken vor dem 1. Juni 1998 in Betrieb genommen und von denselben Ärzten ununterbrochen betrieben worden seien, als auch, daß der Konzessionsbescheid zur Errichtung und zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Mieming erst nach dem 31. Mai 1998 in Rechtskraft erwachsen sei. Damit stehe einer positiven Erledigung des Antrages §62 ApothekenG entgegen, dessen Verfassungsmäßigkeit zu beurteilen der Behörde nicht zustehe.
1.2. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer - mit näherer Begründung - in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Freiheit der Erwerbsausübung verletzt und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.
2. Zur Rechtslage:
2.1. Gemäß §1 ApothekenG, RGBl. 5/1907, sind die für den allgemeinen Verkehr bestimmten Apotheken (öffentliche Apotheken) entweder konzessionierte oder Realapotheken. §9 Abs1 leg.cit. ordnet an, daß der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, welche nicht auf einem Realrecht beruht, nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig ist. §19 Abs1 ApothekenG regelt die "Zurücknahme der Konzession" zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke wie folgt:
"§19.
Zurücknahme der Konzession.
(1) Die Zurücknahme der Konzession zum Betriebe einer öffentlichen Apotheke kann erfolgen:
1. wenn die Apotheke binnen einem Jahre nach Ausfolgung der Konzessionsurkunde nicht in Betrieb gesetzt wird;
2. wenn der Betrieb der Apotheke durch mehr als sechs Monate unterbrochen wird.
(2) (....)"
2.2. Ärzten ist gemäß §28 ApothekenG "das Dispensieren von Heilmitteln" nur nach Maßgabe der §§29 ff. leg.cit. gestattet. Die §§29 und 30 ApothekenG idF BGBl. 502/1984 lauten folgendermaßen:
"Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.
§29. (1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.
(2) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist auf Antrag dem Nachfolger eines praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung zu erteilen, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometer beträgt.
(3) Verlegt ein praktischer Arzt seinen Berufssitz in eine andere Ortschaft, so erlischt die für den vorherigen Berufssitz erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke.
(4) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet.
(5) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke (Abs4) ist verpflichtet, den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Apotheke der Behörde mitzuteilen. Die Behörde hat die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung auf Antrag des Inhabers der öffentlichen Apotheke mit Bescheid so rechtzeitig auszusprechen, daß die Einstellung des Hausapothekenbetriebes mit dem Tag der Inbetriebnahme der öffentlichen Apotheke erfolgt. Gegen einen Bescheid, mit welchem die Hausapothekenbewilligung zurückgenommen wird, ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
(6) Der Inhaber der neu errichteten öffentlichen Apotheke (Abs4) ist bei Einstellung des Hausapothekenbetriebes gemäß Abs5 verpflichtet, die nach den jeweils geltenden arzneimittelrechtlichen Vorschriften verwendungsfähigen Vorräte der Hausapotheke auf Begehren des Arztes gemäß §57 abzulösen.
(7) Die Verpflichtung zur Ablösung erstreckt sich nur auf solche Mittel, welche der Apotheker zufolge behördlicher Verfügung (§7) vorrätig halten muß, und nur auf solche Mengen, welche dem voraussichtlichen Betriebsumfange der neu errichteten Apotheke entsprechen.
(8) Wird über den Übernahmspreis eine Einigung zwischen den Beteiligten nicht erzielt, so ist dieser Preis im Wege einer Schätzung unter behördlicher Leitung zu ermitteln. Wenn über den Umfang der Ablösung oder deren Bedingungen Streit besteht, so ist der Anspruch im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.
(9) Durch die Eröffnung einer Filialapotheke werden Hausapothekenbewilligungen nicht berührt.
Befugnis beim Betrieb ärztlicher Hausapotheken
§30. (1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke berechtigt einen praktischen Arzt zur Verabreichung von Arzneimitteln an die in seiner Behandlung stehenden Personen, sofern die Behandlung nicht an einem Ort, an dem eine öffentliche Apotheke vorhanden ist, oder im Umkreis von vier Straßenkilometern, gemessen von der Betriebsstätte einer öffentlichen Apotheke, stattfindet. Die zweitgenannte Einschränkung gilt nicht für innerhalb dieses Umkreises rechtmäßig bestehende ärztliche Hausapotheken.
(2) Mit dem Arzneimittel ist dem Patienten stets das vorschriftsmäßig ausgefertigte und taxierte Rezept auszufolgen.
(3) Der hausapothekenführende Arzt ist berechtigt und verpflichtet, ein Arzneimittel aus der ärztlichen Hausapotheke zu verabfolgen, wenn es von einem anderen Arzt verordnet wurde und aus einer öffentlichen Apotheke nicht mehr rechtzeitig beschafft werden könnte."
Die Befugnis zum Betrieb einer ärztlichen Hausapotheke ist (war) bei Errichtung einer öffentlichen Apotheke grundsätzlich dann zurückzunehmen, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und der neu errichteten öffentlichen Apotheke vier Straßenkilometer nicht überschreitet (§29 Abs4 und 5 ApothekenG).
2.3. Der Verfassungsgerichtshof hob nun mit Erkenntnis vom 2. März 1998, VfSlg. 15.103/1998, §10 Abs2 Z1 und Abs3 ApothekenG sowie in §10 Abs5 leg.cit. die Wortfolge "3 oder" als verfassungswidrig auf (BGBl. I 53/1998). §10 Abs2 Z1 leg.cit., der die Erteilung einer Konzession für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke daran knüpfte, daß die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen nicht weniger als 5.500 beträgt, widersprach nämlich der grundrechtlich verbürgten Erwerbsfreiheit nach Art6 StGG.
2.4. Der Gesetzgeber fügte daraufhin mit der Apothekengesetznovelle BGBl. I 120/1998 folgenden §62 ein:
"Übergangsvorschrift für den Betrieb von Hausapotheken
§62. (1) §29 Abs4 und 5 gelten unter den Voraussetzungen, daß
1. die Hausapotheke vor dem 1. Juni 1998 in Betrieb genommen worden ist,
2. die Hausapotheke vom selben Arzt ununterbrochen betrieben wird, und
3. die öffentliche Apotheke, die auf Grund eines Bescheides in Betrieb genommen wird, der nach dem 31. Mai 1998 in Rechtskraft erwachsen ist,
mit der Wirkung, daß die Zurücknahme der Hausapothekenbewilligung nicht vor dem 31. Mai 2008 erfolgt.
(2) §30 Abs1 gilt für ärztliche Hausapotheken, die gemäß Abs1 in Betrieb bleiben dürfen, mit der Maßgabe, daß der zu ihrem Betrieb berechtigte Arzt auch zur Verabreichung von Arzneimitteln an die in seiner Behandlung stehenden Personen berechtigt ist, wenn sich der Sitz der Hausapotheke an einem Ort befindet, an dem eine öffentliche Apotheke vorhanden ist."
Die Einfügung des §62 in das ApothekenG geht auf den Initiativantrag 802/A der XX. GP zurück, in dessen Begründung es wie folgt heißt (s. den Bericht des Gesundheitsausschusses, 1381 BlgNR XX. GP):
"Primäres Ziel der Gesundheitspolitik ist eine hochwertige und flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung. Dies muß auch für die medikamentöse Versorgung der Bevölkerung - unabhängig vom Wohnort des Patienten - gelten. Durch das System der ärztlichen Hausapotheken und der öffentlichen Apotheken ist dieses grundsätzliche Ziel der Gesundheitspolitik erreicht; insbesondere durch die Entwicklung der letzten 15 Jahre, in welchen sich die Zahl der öffentlichen Apotheken und der ärztlichen Hausapotheken auf 1050 bzw. 970 verdoppelt hat.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis G37/97 vom 2. März 1998 hinsichtlich der Apotheken-Bedarfsprüfung die Bedarfsprüfung zur Niederlassung einer öffentlichen Apotheke mit sofortiger Wirksamkeit (nach Veröffentlichung im BGBl. I Nr. 53/1998 vom 1. April 1998) aufgehoben und die Rechtslage für hausapothekenführende Ärzte grundlegend verändert. Das Erkenntnis bedeutet inhaltlich eine Beibehaltung des Existenzschutzes für bereits bestehende Apotheken, die anderen beschränkenden Voraussetzungen für niederlassungswillige Apotheker wurden jedoch aus dem Gesichtspunkt des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit aufgehoben. Der §29 Abs4 betreffend Pflicht zur Rücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke wurde nicht geändert.
Daher sollte diese Bestimmung an die neue Rechtslage im Apothekenrecht angepaßt und das mühsam ausgehandelte Gleichgewicht zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken innerhalb einer Übergangsfrist, die im Sinne des Vertrauensschutzes an die Berufsausübung des hausapothekenführenden Arztes gebunden wäre, erhalten werden. So soll die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke mit dem Zeitpunkt zurückgenommen werden, mit dem der Arzt die Bewilligung zurücklegt oder seine ärztliche Berufsausübung einstellt, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neuen öffentlichen Apotheke vier Kilometer nicht überschreitet.
Denn es ist damit zu rechnen, daß bei kurz/mittelfristig anzunehmenden 200 Apothekenneugründungen es ohne gesetzliche Initiative zur Schließung von 200 bis 400 Hausapotheken kommen kann.
Das hat unabsehbare Folgen für die Bevölkerung im ländlichen Bereich:
Mehrwege vor allem von Bewohnern in entlegenen Gebieten, alte Menschen, für die jeder zusätzliche Weg ein Erschwernis ist, Familien ohne Auto, noch dazu schlechte oder gar keine öffentliche Verkehrsmittel, Probleme am Abend und am Wochenende in Bezug auf den Bereitschaftsdienst. Je dünner ein Gebiet besiedelt ist, um so vorteilhafter ist die Führung einer ärztlichen Hausapotheke. Neben der Verstärkung des negativen Effekts 'Landarztsterben' ist auch zu berücksichtigen, daß Hausärzte ihre Präparate bislang um durchschnittlich 5,5% billiger verkaufen als die Apotheken. Auch für die soziale Krankenversicherung ist mit Mehrkosten zu rechnen.
Diese Anpassung der Rechtsstellung der hausapothekenführenden Ärzte scheint auch verfassungsrechtlich geboten. Zum einen entspricht es allgemeiner Rechtsprechung zum Grundrecht der Erwerbsfreiheit, daß rechtmäßige Erwerbsbetätigungen nicht ansatzlos untersagt werden dürfen, zum anderen ergeben sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes Erfordernisse einer 'Übergangsgerechtigkeit'.
Es besteht die berechtigte Sorge, daß in den nächsten Jahren von diesem Erkenntnis hunderte ärztliche Hausapotheken betroffen sein werden. Denn das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hätte ohne die in diesem Antrag vorgesehene Anpassung des §29, welche die Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke im Falle einer Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke vorsieht, wenn letztere innerhalb einer Wegstrecke von vier Straßenkilometern zur ärztlichen Hausapotheke liegt, eine Reduzierung der Hausapotheken zur Folge. Eine solche Reduktion dieser für die ländliche Bevölkerung so wichtigen Einrichtung entspricht nicht den gesundheitspolitischen Zielsetzungen der unterfertigten Abgeordneten, weshalb mit dem gegenständlichen Antrag für den Schutz bestehender ärztlicher Hausapotheken eingetreten wird."
Im Zuge der Beratungen im Gesundheitsausschuß des Nationalrates wurde noch ein Abänderungsantrag mehrerer Abgeordneter berücksichtigt, zu dem die Antragsteller folgende Begründung gegeben haben (s. wiederum den Bericht des Gesundheitsausschusses 1381 BlgNR XX. GP):
"Eine unter Hinweis auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes in Aussicht genommene Regelung betreffend das Weiterbestehen von ärztlichen Hausapotheken kann wohl nur für Ärzte mit bestehender Hausapotheke zum Tragen kommen, da diese bei der Errichtung der Hausapotheke von einer gewissen rechtlichen Situation im Hinblick auf die Bedarfsprüfung ausgehen konnten, nunmehr aber mit einer durch das Erkenntnis des VfGH G37/97 vom 2. März 1998, kundgemacht unter BGBl. I Nr. 53/1998, geänderten Rechtslage konfrontiert sind.
Ziel kann es demgegenüber aber nicht sein, das rechtliche Verhältnis zwischen der öffentlichen Apotheke und der grundsätzlich subsidiären ärztlichen Hausapotheke zu verändern, wie es in dem Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Leiner, Dr. Rasinger, Schuster, Donabauer und Kollegen vom 16. Juni 1998, 802/A, betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Apothekengesetz geändert wird, in Aussicht genommen ist.
Durch die Schaffung einer allgemeinen Übergangsfrist bis zum Jahr 2008, während der eine am 1. Juni 1998 bestehende ärztliche Hausapotheke neben einer neuerrichteten öffentlichen Apotheke weiterbestehen kann und eine entsprechende Anpassung im Hinblick auf die Regelung der Befugnis beim Betrieb ärztlicher Hausapotheken (§30) soll dem Vertrauensschutz Rechnung getragen und Übergangsgerechtigkeit geschaffen werden." (sic!)
II. Aus Anlaß der erwähnten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 15. Dezember 1999 beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des §62 Abs1 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 120/1998, von Amts wegen zu prüfen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken legte der Gerichtshof wie folgt dar:
"4.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt nun vorerst das Bedenken, daß die Regelung des §62 ApothekenG den Kreis der bevorrechteten Ärzte unsachlich festsetzt. Die Regelung des §62 Abs1 ApothekenG soll, wie insbesondere aus ihrem Inhalt, ihrer Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien abzuleiten ist, prinzipiell dem vorübergehenden Schutz von hausapothekenführenden Ärzten dienen, die im Vertrauen auf den Bestand der Rechtslage disponiert haben. Der Verfassungsgerichtshof hält es grundsätzlich für verfassungsrechtlich zulässig, daß der Gesetzgeber, wenn dies zum Schutz einer durch die Neuregelung in ihrem Vertrauen auf die Rechtslage enttäuschten Gruppe gerechtfertigt ist, Übergangsbestimmungen nach der Art des §62 Abs1 ApothekenG schafft. Ungeachtet dieser Zielsetzung muß aber auch eine dem Grunde nach unbedenkliche Übergangsregelung in ihren Einzelheiten verfassungsmäßig ausgestaltet sein, darf nicht zu unsachlichen Unterscheidungen führen und darf auch hinsichtlich ihrer Dauer nicht überschießend sein. Eine solche Unsachlichkeit scheint nun aber, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt, der Übergangsregel des §62 Abs1 ApothekenG anzuhaften.
Wenn §62 Abs1 ApothekenG nämlich das urspüngliche Vertrauen von Ärzten in den Weiterbestand der Gesetzeslage schützen soll, welches durch den Wegfall des in §10 Abs2 Z1 ApothekenG liegenden Erfordernisses für die Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke enttäuscht worden sein könnte, erscheint diese Regelung insofern überschießend und damit verfassungswidrig, als sie auch Gruppen von Ärzten schützen dürfte, die nicht ausschließlich durch die Rechtslage, wie sie durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1998, VfSlg. 15.103/1998, hergestellt wurde, in ihrem Vertrauen enttäuscht wurden, sondern auch solche, bei denen sich die schon immer gegebene Gefahr der Errichtung einer Apotheke verwirklicht hat. So erfaßt nämlich der Wortlaut des §62 Abs1 ApothekenG beispielsweise auch solche hausapothekenführende Ärzte, die bereits im März 1998 in Standorten niedergelassen waren, in welchen die Zahl der von einer allenfalls zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen mehr als 5.500 betragen hat und die daher bereits vor der Aufhebung des diesbezüglichen Kriteriums in §10 Abs2 Z1 ApothekenG (also auch bei unveränderter Rechtslage) mit der Errichtung einer öffentlichen Apotheke und folglich auch mit dem Entzug ihrer eigenen Berechtigung rechnen mußten. Diese hausapothekenführenden Ärzte scheinen vorläufig nicht schutzwürdiger als jene, die durch die Übergangsregelung des §62 Abs1 ApothekenG gar nicht begünstigt werden. §62 Abs1 ApothekenG dürfte sohin - was den begünstigten Ärztekreis betrifft - ungleiche Sachverhalte gleich bzw. - aus der Sicht des nicht begünstigten Ärztekreises - gleiche Sachverhalte ungleich behandeln.
4.3. Der Verfassungsgerichtshof hegt weiters vorläufig das folgende, sich aus den Konsequenzen des §62 ergebende Bedenken: Im Hinblick auf die insbesondere durch die Betriebspflicht (§13 ApothekenG) und den Bereitschaftsdienst (§8 leg.cit.) vorgegebenen Mindestkosten des Betriebes einer öffentlichen Apotheke in Verbindung mit dem Umstand, daß ein beträchtlicher Teil des Umsatzes öffentlicher Apotheken aus dem Vertrieb von rezeptpflichtigen Arzneimitteln, welche (auch) die am Standort der Apotheke etablierten Ärzte ihren Patienten verschreiben, resultieren dürfte, scheint - wie der Beschwerdeführer unter Nennung konkreter Zahlen vorbringt und der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt - ein wirtschaftlich sinnvoller Betrieb einer öffentlichen Apotheke an Standorten, für die auch ärztliche Hausapotheken rechtmäßig bestehen, im allgemeinen nicht möglich zu sein.
Im Regelfall kommt dies freilich nicht zum Tragen, weil §29 Abs4 ApothekenG - als Ausdruck der "Surrogatfunktion" der ärztlichen Hausapotheken (s. VfSlg. 5648/1967) - dazu führt, daß mit der Neueröffnung einer öffentlichen Apotheke die Berechtigung zum Führen einer ärztlichen Hausapotheke zurückgenommen wird. Dieser Grundsatz, der auch dem Konzessionswerber für eine öffentliche Apotheke Vertrauen in das rechtliche Umfeld für seine wirtschaftliche Disposition gegeben hat, wurde durch §62 leg.cit. insoweit durchbrochen, als keine Regelung vorgesehen wurde, die Konzessionsinhabern die rechtsfolgenlose neuerliche Entscheidung für oder gegen die Eröffnung einer öffentlichen Apotheke ermöglichte. Dies ergibt sich daraus, daß §19 Abs1 ApothekenG der Behörde - nach wie vor - die Befugnis einräumt, die Bewilligung für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke zurückzunehmen, 'wenn die Apotheke binnen einem Jahre nach Ausfolgung der Konzessionsurkunde nicht in Betrieb gesetzt wird'. Diese Vorschrift scheint also im Verein mit §62 Abs1 ApothekenG dazu zu führen, daß der Konzessionsinhaber allein zum Zwecke des Konzessionserhaltes durch mehrere Jahre hindurch auch einen allenfalls - wegen des befristeten Weiterbestandes der ärztlichen Hausapotheke - verlustbringenden Apothekenbetrieb zu führen hätte.
Die Konzessionsinhaber für eine öffentliche Apotheke hätten bei Kenntnis der durch die Übergangsvorschriften des §62 ApothekenG geschaffenen Rechtslage und der für den Betrieb einer öffentlichen Apotheke sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Konsequenzen ihre Investitionsentscheidungen wohl meist anders getroffen.
Die Übergangsvorschrift des §62 Abs1 ApothekenG scheint damit in Verbindung mit §19 Abs1 ApothekenG mangels diesbezüglicher Anpassungsvorschriften eine sachlich nicht gerechtfertigte Belastung bestimmter Inhaber der Bewilligung zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke nach sich zu ziehen. Diese Unsachlichkeit dürfte ihren Sitz in §62 Abs1 ApothekenG haben.
4.4. Schließlich hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die Übergangsregelung, die auf eine Dauer von zehn Jahren angelegt ist, gemessen an der Zielsetzung der Regelung und unter Bedachtnahme auf den dadurch bewirkten Eingriff in die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Konzessionsinhabern für öffentliche Apotheken überschießend lang ist."
III. 1. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Im einzelnen hält sie den verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofs folgendes entgegen:
Zur unsachlichen Festsetzung des Kreises der bevorrechteten Ärzte:
"Würde man der Argumentation des Verfassungsgerichtshofes folgen, hätte eine Übergangsbestimmung geschaffen werden dürfen, die folgende Auswirkung gehabt hätte:
Der hausapothekenführende Arzt, der in unmittelbarer Nähe einer nicht mit dem erforderlichen Kundenpotential von 5.500 Personen ausgestatteten öffentlichen Apotheke angesiedelt ist, darf seine Hausapotheke weiterbetreiben und damit der weniger rentablen Apotheke weiteres Kundenpotential abziehen.
Jener hausapothekenführende Arzt, der seine Praxis in der Nähe einer rentablen Apotheke (Kundenpotential von über 5.500 Personen) betreibt, hätte seine Hausapotheke zu schließen, um damit der bereits rentableren Apotheke gegenüber der unrentablen einen weiteren wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen.
Nach Ansicht der Bundesregierung hätte eine solche Übergangsregelung eine Gleichheitswidrigkeit zwischen unterschiedlichen öffentlichen Apotheken zur Folge gehabt.
Die Rechtfertigung einer Sonderstellung für neu zu errichtende Apotheken, die über ein Kundenpotential von über 5.500 Personen verfügen, lässt sich aus dem Erkenntnis VfSlg. 15.103/1998 jedoch nicht ableiten. Nach Ansicht der Bundesregierung hätte eine Übergangsregelung, die Apotheken mit einem Kundenpotential von über
5.500 Personen bevorzugt hätte, als Unterlaufen des Erkenntnisses VfSlg. 15.103/1998 gewertet werden müssen, da dort gerade diese Unterscheidung abgelehnt wird."
Zur Dauer der Übergangsregelung:
"Zunächst ist festzuhalten, dass die zehnjährige Frist das absolut mögliche Maximum darstellt. Für öffentliche Apotheken, die nach dem Mai 1998 genehmigt wurden oder werden, verkürzt sich die \bergangsfrist entsprechend.
Ob die Übergangsregelung als überschießend lange anzusehen ist, wäre sowohl aus der Sicht des hausapothekenführenden Arztes als auch aus der Sicht des Konzessionärs der öffentlichen Apotheke zu beurteilen.
Was den hausapothekenführenden Arzt betrifft, erscheint eine maximal zehnjährige Übergangsfrist als durchaus angemessen, wenn man bedenkt, dass ein Landarzt die für den Verlauf des Berufslebens wesentliche Entscheidung seiner Niederlassung nicht zuletzt davon abhängig macht, ob er an einem bestimmten Ort das für ihn ausreichende Einkommen erzielen kann. Die Führung einer Hausapotheke kann jedenfalls einen nicht unwesentlichen Einkommensbestandteil darstellen.
Was den Konzessionär der öffentlichen Apotheke anbelangt, verkürzt sich die Frist in der Realität ganz wesentlich, wenn er nicht das Geschäftsrisiko eingehen will, die sehr hohen Investitionsmittel für die Errichtung seiner Apotheke zu verlieren, da der Konzessionsbescheid durch den Verwaltungsgerichtshof behoben werden könnte. Will der Konzessionär dieses Risiko nicht auf sich nehmen, wird er seine Investitionen erst planen, wenn der so gut wie in 100% aller Fälle angerufene Verwaltungsgerichtshof den Konzessionsbescheid bestätigt hat. Er wird also in dem für ihn günstigen Fall der Bestätigung des Bescheides erst nach Vorliegen des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses etwa einen Architekten mit der Planung der Einrichtung beauftragen können. Planung und Errichtung der Apotheke nehmen dann weitere Zeit in Anspruch.
Berücksichtigt man diesen Umstand, ist in der Realität nicht von einer zehnjährigen Frist auszugehen. Die Bundesregierung sieht die Übergangsregelung des §62 Apothekengesetz daher als durchaus ausgewogen an."
2. Die mitbeteiligten Parteien - jene Ärzte, deren Bewilligungen zur Haltung ärztlicher Hausapotheken mit dem zu B1236/99 bekämpften Bescheid nicht zurückgenommen wurden - erstatteten eine (gemeinsame) Stellungnahme, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentreten:
"Es ist zwar einzuräumen, dass nach dem Wortlaut des §62 Abs1 ApG auch Hausapotheken führende Ärzte, die auf Grund der Zahl der zu versorgenden Personen mit dem Entzug ihrer Apothekenberechtigung rechnen mussten, nunmehr durch die angefochtene Bestimmung geschützt werden. Gleichwohl ist diese Bestimmung deshalb aber nicht unverhältnismäßig: die grundlegende Reform des Verhältnisses von Hausapotheken zu öffentlichen Apotheken muss als ein Gesamtpaket begriffen werden. Die überaus schmerzlichen Einschnitte, welche die Ärzte durch die Neuregelung erfahren haben, sollten durch eine Übergangsbestimmung abgefedert werden, die eine umfassende Neuorientierung der Hausapotheken führenden Ärzte am Land ermöglichen soll. Im Interesse der Einfachheit und Rechtssicherheit wurde dabei nicht eine subtile Differenzierung in Ärzte, die vor dem 1. Juni 1998 eine Hausapotheke führten und in einem Versorgungsgebiet mit mehr als 5500 Personen ansässig waren und solchen, die eine Hausapotheke vor dem 1. Juni 1998 führten und wo dieses Kriterien nicht gegeben war, verzichtet. Dass es dabei zu vereinzelten Privilegierungen kommen mag, sei gar nicht bestritten. Die Zahl der Hausapotheken führenden Ärzte, die in den Genuss eines solchen Privilegiums nunmehr fallen, ist aber außerordentlich gering. Im Lichte einer - umgekehrten - Härtefallbetrachtung führt daher diese mangelnde Differenzierung, nicht zur Verfassungswidrigkeit des §62 ApG. So wie einzelne Härtefälle nicht zur Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung führen, so können auch einzelne Privilegierungen nicht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes begründen.
Die vom VfGH im Einleitungsbeschluss angesprochene Differenzierung zwischen den zwei Gruppen von Hausapotheken führenden Ärzten ist praktisch auch nicht administrierbar. Um einen Antrag auf Zurücknahme der Konzession einer ärztlichen Hausapotheke durch einen öffentlichen Apotheker sinnvoll stellen zu können, müßte dieser umfangreiche Forschungen und Erhebungen anstellen, wieviel mehr oder weniger zu versorgende Personen, als die gesetzlich vorgesehenen 5500 sich am 31.5.1998 im jeweiligen Einzugsgebiet aufgehalten haben. Da dabei nicht auf die Ergebnisse einer amtlichen Volkszählung oder sonstigen Erhebung abgestellt werden kann, würde jedes Verwaltungsverfahren gar nicht leistbare Ermittlungen voraussetzen.
§62 ApG hat mit der vom VfGH vorläufig gerügten mangelnden Differenzierung die Vollziehbarkeit dieser Bestimmung gesichert. Im Lichte der vom VfGH judizierten 'Denksporterkenntnisse' ist es mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, dass einem individuellen Verwaltungsverfahren vor seiner Einleitung eine auf ein weit zurückliegendes Datum bezogene Volkszählung vorauszugehen habe (vgl. etwa VfSlg. 6675/1972).
...
Der Gesetzgeber hat die 10-jährige Übergangsfrist des §62 ApG mit dem verfassungsrechtlichen Argument des Vertrauensschutzes begründet. In der Tat führt das neue Regime des ApG zu gravierenden, ja zum Teil existenzbedrohenden Eingriffen in die wirtschaftliche Situation niedergelassener Ärzte mit Hausapotheke. Gerade in ländlichen Gegenden spielt die Hausapotheke in der Einkommensstruktur der Ärzte eine bedeutende, ja vielfach ausschlaggebende Rolle. Mit dem bloßen Einkommen aus der rein ärztlichen Tätigkeit sind in vielen Fällen die Lebenshaltungskosten nicht bestreitbar. In der überwiegenden Zahl von Fällen dienen die Erlöse aus den Hausapotheken vor allem aber dazu, die notwendigen Investitionen für eine gut funktionierende Heilversorgung (Labors, Geräte) zu tätigen. Dass der plötzliche Wegfall Eingriff in die wirtschaftliche Situation der Landärzte bedeutet, muss wohl nicht näher belegt werden. Es ist für sehr viele praktische Ärzte daher unumgänglich, auf diese neue Situation durch die Eröffnung von weiteren Einnahmequellen zu reagieren. Nun kann eine solche Neukonzipierung einer Arztpraxis nicht von heute auf morgen geschehen. In vielen Fällen wird es nötig sein, dass sich die Ärzte Zusatzqualifikationen aneignen, ihr Leistungsangebot umstrukturieren, um den geänderten Bedingungen Rechnung tragen zu können. Nun sind solche Zusatzqualifikationen für den Landarzt nicht immer leicht zu erreichen, da es ihm nicht möglich ist, seine Praxis etwa für 1-2 Jahre zu schließen, um an einer Universität oder an einer sonstigen Medizinschule intensiv Ausbildungen zu absolvieren. Das Nebeneinander von bestehender Praxis und dem Erwerb von Zusatzqualifikationen ist daher enorm zeitaufwendig. Da bei allen seriösen medizinischen Zusatzausbildungen das Moment der Qualitätssicherung im Mittelpunkt steht, ist es weder zumutbar noch wünschenswert, Kenntnisse in 'Schnellsiedekursen' zu erlernen.
Für viele ältere Ärzte, die Inhaber einer Hausapotheke sind, ist eine Umstrukturierung und Neukonzeption ihrer ärztlichen Ordination nur mehr schwer zumutbar. Viele dieser Ärzte würden bei einer Verkürzung der Übergangsfrist gezwungen sein, ihre Praxis aufzugeben, ohne das eigentliche Ruhestandsalter erreicht zu haben, aber auch ohne die reale Möglichkeit an einem neuen Standort nocheinmal erfolgreich reüssieren zu können. Die 10jährige Übergangsfrist ist gerade im Hinblick auf diesen großen Personenkreis, der voll vom Vertrauensschutz erfasst wird, notwendig, um eine sozialverträgliche Abfederung der gravierenden Eingriffe in ihre berufliche Existenz abzufedern.
Im Lichte der schwerwiegenden Eingriffe der neuen Ordnung des Apothekenwesens in die Berufsstruktur der Ärzte und in das gesamte System der medizinischen Versorgung ländlicher Gebiete ist die 10-jährige Übergangsfrist jedenfalls angemessen."
IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, daß die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen §62 Abs1 ApothekenG haben sich als zutreffend erwiesen.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluß das Bedenken geäußert, daß die Regelung des §62 ApothekenG den Kreis der bevorrechteten Ärzte insoweit unsachlich festlegt, als sie jene Ärzte begünstigt, die nicht ausschließlich durch die Rechtslage, wie sie durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1998, VfSlg. 15.103/1998, hergestellt wurde, in ihrem Vertrauen enttäuscht wurden, da sie zu diesem Zeitpunkt in Standorten niedergelassen waren, in denen die Zahl der zu versorgenden Personen jedenfalls mehr als 5.500 betragen hat, und somit die tatsächlichen Umstände dergestalt waren, daß vom Vorliegen der Voraussetzungen zur Bewilligung einer weiteren öffentlichen Apotheke auszugehen war. Dieser Kreis von durch die Übergangsvorschrift begünstigten hausapothekenführenden Ärzten mußte daher bereits damals mit der Errichtung einer öffentlichen Apotheke und folglich auch mit der Zurücknahme der Bewilligung zur Haltung ihrer Hausapotheke rechnen.
Weder die Bundesregierung noch die mitbeteiligten Parteien bestreiten, daß es durch die mangelnde Differenzierung der Übergangsregelung des §62 ApothekenG zu einer sachlich nicht begründbaren Besserstellung jener Gruppe von hausapothekenführenden Ärzten kommt, die schon immer mit der Eröffnung einer Apotheke rechnen mußten.
Die Bundesregierung rechtfertigt die getroffene - und auch von ihr unbestritten den Kreis der hausapothekenführenden Ärzte unsachlich festlegende - Übergangsregelung damit, daß eine zwischen den beiden Gruppen von hausapothekenführenden Ärzten differenzierende Übergangsregelung nur so getroffen werden könnte, daß sie eine sachlich nicht begründbare Gleichheitswidrigkeit zwischen unterschiedlichen öffentlichen Apotheken zur Folge hätte.
Dazu ist festzuhalten, daß die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Übergangsregelung mit einer vermeintlichen Verfassungswidrigkeit einer anderenfalls zu treffenden Übergangsvorschrift zu begründen sucht.
Dieses Argument der Bundesregierung geht schon deshalb ins Leere, da es sich bei einer - wie von der Bundesregierung skizzierten - Übergangsregelung um eine zeitlich nach sachlichen Kriterien zu befristende Rechtslage handeln muß, deren befristete Geltungsdauer für die von der Regelung rechtlich und faktisch Betroffenen klar und kalkulierbar ist. Von einer "zwangsläufigen" Verfassungswidrigkeit jedweder Übergangsbestimmung auszugehen - wie dies die Bundesregierung tut - ist daher unzutreffend.
Dazu kommt im vorliegenden Fall, wie schon dargestellt, daß der zur Eröffnung der öffentlichen Apotheke Berechtigte zu jedem Zeitpunkt des Konzessionsverfahrens auf die Rechtslage dahingehend vertrauen konnte, daß mit der Eröffnung seiner öffentlichen Apotheke die Schließung der Hausapotheken erfolgen werde. Davon, daß dieses Vertrauen durch die nachträglich geschaffene Übergangsregelung massiv enttäuscht wurde und diese schon allein deshalb verfassungswidrig wäre, kann ausgegangen werden.
Die mitbeteiligten Parteien sind der Ansicht, daß die Anzahl der begünstigten Personen derart gering sei, daß die mangelnde Differenzierung im Lichte einer umgekehrten Härtefallbetrachtung nicht die Verfassungswidrigkeit der Regelung begründe. Darüber hinaus sei die vom Verfassungsgerichtshof angesprochene Differenzierung praktisch nicht administrierbar, da - würde man den Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes folgen - umfangreiche Forschungen und Erhebungen über die Anzahl der zu versorgenden Personen im jeweiligen Einzugsgebiet anzustellen seien.
Ob die Einschätzung der mitbeteiligten Parteien, daß es sich nur um vereinzelte Privilegierungen handle, zutrifft, vermag der Verfassungsgerichtshof mangels entsprechender Belege nicht zu beurteilen. Aber auch diese Frage kann dahingestellt bleiben. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (zB VfSlg. 7.012/1973, 8.352/1978, 8.806/1980, 9.003/1980), erlaubt es der Gleichheitsgrundsatz nämlich nur, im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung jene Fälle zu vernachlässigen, die sich als atypische, bloß ausnahmsweise auftretende Fälle erweisen. Eine solche Situation liegt aber hier nicht vor. Die beiden relevanten Gruppen von hausapothekenführenden Ärzten stehen zueinander nicht im Verhältnis einer Ausnahme zur Regel. Allein der - behauptete - Umstand, daß eine der beiden Gruppen zahlenmäßig geringer sei, läßt nicht den Schluß zu, es handle sich um atypische Fälle, die bei Anlegen einer Durchschnittsbetrachtung vernachlässigbar seien. Überdies hängt das Ausmaß der hinzunehmenden ungleichen Auswirkungen einer generellen Norm, also die Abgrenzung Regelfälle - Härtefälle, insbesondere auch vom Gewicht der unterschiedlichen Rechtsfolgen ab (vgl. VfSlg. 8.871/1980, 11.641/1988, 13.890/1994).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluß auch das Bedenken geäußert, daß die auf eine Dauer von zehn Jahren angelegte Übergangsregelung gemessen an der Zielsetzung der Regelung und unter Bedachtnahme auf den dadurch bewirkten Eingriff in die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Konzessionsinhabern für öffentliche Apotheken überschießend lang sei.
Die Bundesregierung tritt diesem Argument lediglich mit dem Hinweis darauf entgegen, daß die zehnjährige Frist das absolute Maximum darstelle und sich in der Realität wesentlich verkürze. Daß dieser Einwand nicht zu tragen vermag, ist offenkundig, weil die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung nicht davon abhängt, wieviel Zeit seit ihrem Inkrafttreten bereits vergangen ist. Argumente dafür, daß die zehnjährige Übergangsregelung sachlich sei, werden nicht im Ansatz vorgebracht. Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher bei seiner im Prüfungsbeschluß geäußerten Auffassung, daß die Dauer der Übergangsregelung überschießend lang ist.
3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher insgesamt als zutreffend erwiesen, weshalb §62 Abs1 ApothekenG als verfassungswidrig aufzuheben war.
4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
5. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz
B-VG.
6. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Apotheken, Hausapotheken, Übergangsbestimmung, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G18.2000Zuletzt aktualisiert am
13.08.2010