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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Zurückweisung einer Beschwerde gegen ein Schreiben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger betreffend Ablehnung der Aufnahme einer Arzneispezialität als uneingeschränkt frei verschreibbar in das Heilmittelverzeichnis mangels Bescheidqualität der angefochtenen ErledigungSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Begründung:
1.1. Gemäß §31 Abs3 Z12 ASVG obliegt es dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (in Hinkunft: Hauptverband), ein Heilmittelverzeichnis herauszugeben; in diesem sind
"jene Arzneispezialitäten anzuführen, die entweder allgemein oder unter bestimmten Voraussetzungen (zB für gewisse Krankheitsgruppen oder Altersstufen von Patienten, in bestimmter Menge oder Darreichungsform) ohne die sonst notwendige chef- oder kontrollärztliche Bewilligung für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben werden können".
Das Heilmittelverzeichnis ist - nach Beurkundung des gesetzmäßigen Zustandekommens durch den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen - in der Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" zu verlautbaren (§31 Abs8 erster Satz ASVG).
1.2. Das Heilmittelverzeichnis ist nach jenem Verfahren zu erstellen, das in einer vom Hauptverband verlautbarten Verfahrensordnung festgelegt ist ("Verfahrensordnung für die Erstellung des Heilmittelverzeichnisses gemäß §31 Abs3 Z12 ASVG (VOHMV)", kundgemacht in: Soziale Sicherheit 1998, Amtliche Verlautbarung Nr. 104/1998; in Hinkunft: Verfahrensordnung).
§2 Verfahrensordnung lautet samt Überschrift wie folgt:
"Aufnahme von Arzneispezialitäten in das Heilmittelverzeichnis
§2. (1) Erfassung von Arzneispezialitäten
a) Das Büro hat für alle zur Abgabe im Inland neu zugelassenen Arzneispezialitäten die Prüfung hinsichtlich ihrer Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis einzuleiten, wenn die Zulassung einer Arzneispezialität amtlich kundgemacht worden ist.
b) Das Büro hat für alle zur Abgabe im Inland zugelassenen Arzneispezialitäten die Prüfung hinsichtlich ihrer Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis einzuleiten, wenn der Zulassungsinhaber (der pharmazeutische Unternehmer, der die Genehmigung zum Inverkehrbringen der Arzneispezialität hat) dem Hauptverband die Arzneispezialität zur Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis angeboten und dem Hauptverband die Unterlagen laut Anlage I vorgelegt hat. Auf Wunsch des pharmazeutischen Unternehmers ist das Vorliegen eines vollständigen bearbeitbaren Angebotes binnen 10 Tagen vom Hauptverband zu bestätigen.
(2) Vorprüfung
Angebote bzw. gemäß Abs1 lita erfaßte Arzneispezialitäten sind vom Büro des Hauptverbandes unter Beachtung der für die Fachbeiräte für Arzneimittelwesen durch die Geschäftsordnung geltenden Grundsätze zu prüfen. Das Ergebnis der Prüfung ist als Vorschlag für eine Empfehlung dem kleinen Fachbeirat vorzulegen und dem anbotlegenden Pharma-Unternehmen mitzuteilen.
(3) Behandlung durch den kleinen Fachbeirat
a) Der kleine Fachbeirat behandelt die Vorschläge entsprechend der Geschäftsordnung. Empfiehlt der kleine Fachbeirat die Aufnahme einer Arzneispezialität in das Heilmittelverzeichnis, so ist diese Empfehlung dem Verbandsvorstand mit dem Antrag auf Genehmigung vorzulegen. Über Empfehlungen des kleinen Fachbeirates, die auf Nichtaufnahme in das Heilmittelverzeichnis lauten, ist dem Verbandsvorstand zu berichten.
b) Der Angebotsleger ist von der Empfehlung des kleinen Fachbeirates in Kenntnis zu setzen. Die Nichtannahme eines Angebotes ist vom Hauptverband nachvollziehbar schriftlich zu begründen.
(4) Einwendungen des Angebotslegers
a) Ist der pharmazeutische Unternehmer mit der Nichtannahme des Angebotes bzw. mit der Änderung der Verschreibbarkeit oder der Streichung der Arzneispezialität aus dem Heilmittelverzeichnis nicht einverstanden, kann er beim Hauptverband binnen 6 Wochen nach Kenntnis der Empfehlung schriftlich Einwendungen erheben und die Unrichtigkeit der mitgeteilten Gründe nachweisen.
b) Die Einwendungen des pharmazeutischen Unternehmers sind dem kleinen Fachbeirat vorzulegen. Dieser kann vom pharmazeutischen Unternehmer weitere Informationen anfordern. Gibt der kleine Fachbeirat aufgrund der Einwendungen bzw. der allfälligen weiteren Informationen keine Empfehlung zugunsten des Anbotstellers ab, hat er die Einwendungen gemeinsam mit den allfälligen weiteren Informationen sowie einer allfälligen Stellungnahme dem großen Fachbeirat vorzulegen.
(5) Behandlung durch den großen Fachbeirat
Der große Fachbeirat hat zu prüfen, ob die Empfehlung des kleinen Fachbeirates nachvollziehbar ist. Er kann die Empfehlung des kleinen Fachbeirates abändern. Der große Fachbeirat hat seine Empfehlung tunlichst binnen 6 Monaten nach dem Einlangen der Einwendungen abzugeben.
(6) Neuerliche Bearbeitung von Angeboten
Ein neues Angebot ist erst bei Vorliegen wesentlich geänderter Erkenntnisse über die Arzneispezialität möglich. Eine diesbezügliche Veränderung ist vom Angebotsleger jedenfalls ausführlich zu dokumentieren.
(7) Fristen
a) Der Hauptverband entscheidet innerhalb einer Frist von 180 Tagen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Angebot angenommen werden kann. Der Lauf der Frist beginnt mit dem Vorliegen eines vollständig bearbeitbaren Angebotes. Sind die laut Anlage I notwendigen Informationen zur Beurteilung unzureichend, so können diese nachgereicht werden. Die Entscheidungsfrist wird dadurch gehemmt.
b) Im Falle einer außerordentlichen administrativen Überlastung des Hauptverbandes kann dieser nach schriftlicher Mitteilung eine vorübergehende Erstreckung der Frist von 180 Tagen um weitere 60 Tage in Anspruch nehmen. Eine solche Überlastung kann vom Hauptverband geltend gemacht werden, wenn innerhalb von 3 Monaten mehr als 100 Angebote auf Aufnahme einer Arzneispezialität in das Heilmittelverzeichnis vom pharmazeutischen Unternehmer beim Hauptverband gestellt werden. Der Hauptverband wird jedoch eine solche Überlastung nicht öfter als dreimal innerhalb von 2 Jahren für sich reklamieren.
(8) Verlautbarung in der Fachzeitschrift 'Soziale Sicherheit'
Änderungen des Heilmittelverzeichnisses sind in der Fachzeitschrift 'Soziale Sicherheit' zu verlautbaren."
1.3. Die beschwerdeführende Gesellschaft vertreibt in Österreich die - arzneimittelrechtlich für bestimmte Pilzinfektionen zugelassene - Arzneispezialität Lamisil. Für diese Indikationen ist Lamisil auch in das Heilmittelverzeichnis aufgenommen, es darf jedoch nur durch Fachärzte für Dermatologie verschrieben werden; eine freie Verschreibung insbesondere auch durch Ärzte für Allgemeinmedizin ist nicht möglich.
1.4. Mit Schriftsatz vom 6. August 1999 bot die beschwerdeführende Gesellschaft dem Hauptverband an, Lamisil als uneingeschränkt frei verschreibbar in das Heilmittelverzeichnis für die zuvor genannten Indikationen aufzunehmen. Der kleine Fachbeirat sprach jedoch die Empfehlung aus, das Angebot nicht anzunehmen; dagegen erhob die Gesellschaft schriftlich Einwendungen. Am 8. August 2000 erhielt die Gesellschaft ein Schreiben des Hauptverbandes folgenden Wortlauts (Hervorhebung im Original):
"Betreff: Ihre Arzneispezialitäten
Lamisil 125 mg Tabl. 14/- St. Lamisil 250 mg Tabl. -/14 St. Lamisil 250 mg Tabl. -/28 St.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Sie haben den Hauptverband für die oa. Arzneispezialitäten (-) bisher frei verschreibbar für Fachärzte für Dermatologie (bei Dermatomykosen bzw. bei Onychom(y)kosen) (-) um Änderung der Verschreibbarkeit auf 'frei verschreibbar' ersucht.
Der kleine Fachbeirat für Arzneimittelwesen hat empfohlen, dieses Angebot nicht anzunehmen.
Auf Grund der von Ihnen vorgebrachten Einwendungen gegen diese Empfehlung des kleinen Fachbeirates hat sich der große Fachbeirat für Arzneimittelwesen neuerlich mit Ihrem Anbot befasst und nachstehende Empfehlung abgegeben:
Der große Fachbeirat stellt unter Berücksichtigung der Ausführungen des Vorsitzenden des kleinen Fachbeirates sowie nach Anhörung der Vertreter der Firma N mit Stimmenmehrheit fest, dass die Empfehlung des kleinen Fachbeirates nachvollziehbar ist. Sie lautet wie folgt:
Keine Änderung gegenüber der Empfehlung des kleinen Fachbeirates vom 14. Oktober 1999:
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Grundsätzlich sind systemische Antimykotika zur Behandlung von Dermato- bzw. Onychomykosen frei verschreibbar für Dermatologen. Es wurden keine neuen medizinischen Argumente gegen diese facharztspezifische Verschreibbarkeit vorgebracht, daher können die vorschlagenen IND-Regelungen und die Finanzierung der Pilzkulturschalen in der Folge auch nicht akzeptiert werden.
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Wie bereits in der Empfehlung vom 14. Oktober 1999 ausgeführt, wurden kürzlich die wesentlichsten Ergebnisse der L.I.O.N.-Studie (nämlich, dass Lamisil eine höhere Erfolgsrate als Sporanox aufweist) dem Hauptverband bereits vor der Publikation der Studie im BMJ in Form einer Kongresspräsentation vorgelegt. Diese Ergebnisse wurden auch akzeptiert für eine weitere Beibehaltung von Lamisil im Heilmittelverzeichnis, obwohl Lamisil wesentlich teurer ist als Sporanox oder Diflucan.
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Weiters darf in diesem Zusammenhang auf das Fax der Firma N vom 2. September 1999 verwiesen werden, in dem N folgendes schreibt:
'Es ist richtig, dass die Daten der L.I.O.N.-Studie dem Hauptverband bereits vor Veröffentlichung zur Verfügung standen.'
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Die von N angeführten Argumente in Bezug auf die 'Unterversorgung' Österreichs mit niedergelassenen Dermatologen sind nicht stichhaltig und greifen zu kurz. Die Kleinheit der politischen Bezirke in Österreich (hoher Organisationsgrad der Verwaltung, kleine Struktureinheiten) und der gute verkehrsmäßige Erschließungsgrad erlauben es, in bestimmten Fächern regionale Substitutionen vorzunehmen. Weiters sind in die ambulante Versorgung alle diesbezüglichen Einrichtungen miteinzubeziehen (Ambulatorien, Spitalsambulanzen). So geschieht die ambulante Versorgung in Österreich zu rd. 76 % durch niedergelassene Dermatologen, zu 21 % durch ausschließlich in Spitalsambulanzen (tätige) Dermatologen, der Rest durch sonstige. N stellt weiters ausschließlich die 'Unterversorgung' dar, nicht jedoch die 'regionale Überversorgung'.
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Das Ausgangsmodell der Studie des Industriewissenschaftlichen Institutes ist nicht nachvollziehbar. Bei Dermato-() und Onychomykosen handelt es sich nicht um schwere, lebensbedrohliche Erkrankungen. Ein wesentlicher Anteil der Kosten für systemische Antimykotika (wird) nach Verschreibung durch Ärzte für Allgemeinmedizin und Einholung einer chefärztlichen Genehmigung übernommen.
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Dem von N vorgebrachten Argument, dass bei der Entscheidung die gesamtwirtschaftliche Perspektive und damit auch die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht ausreichend berücksichtigt wurde, ist folgendes entgegen zu halten:
Der Hauptverband hat nach §31 Abs2 Z1 ASVG die allgemeinen und gesamtwirtschaftlichen Interessen im Vollzugsbereich der Sozialversicherung wahrzunehmen. Diese allgemeine Umschreibung wird für die Herausgabe des Heilmittelverzeichnisses im §31 Abs3 Z12 ASVG konkretisiert. Nach dieser Bestimmung hat der Hauptverband bei Herausgabe des Heilmittelverzeichnisses auf §133 Abs2 ASVG Bedacht zu nehmen.
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Darüberhinaus ist in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam zu machen, dass N im Verfahren ausreichend Gelegenheit (schriftlich und mündlich) zur Geltendmachung seiner rechtlichen Interessen hatte und dabei mehrfach mit den ausreichenden Begründungen zu den Empfehlungen des Fachbeirates konfrontiert wurde.
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Die von N angeführten Einwendungen zur Nichtumsetzung der Transparenzrichtlinie und die darauf aufbauende Argumentation sind nicht Gegenstand der Bewertung durch die Fachbeiräte.
Hochachtungsvoll
Der Generaldirektor:
(Unterschrift)
Anm.: Gem. §2 Abs6 der Verfahrensordnung für die Erstellung des Heilmittelverzeichnisses ist ein neues Angebot erst bei Vorliegen wesentlich geänderter Erkenntnisse über die Arzneispezialität möglich. Eine diesbezügliche Veränderung ist vom Angebotsleger jedenfalls ausführlich zu dokumentieren."
2.1. Gegen dieses Schreiben richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG.
2.2. Der in der Beschwerdeschrift als "belangte Behörde" bezeichnete Hauptverband legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
Begründend wird dazu ua. folgendes ausgeführt (Hervorhebungen im Original):
"2.3.1. Beschwerdelegitimation
Zunächst ist nochmals darauf hinzuweisen, dass es sich im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdeführerin bei dem gegenständlichen Schreiben des Hauptverbandes nicht um die Erledigung eines Antrages der Beschwerdeführerin handelt. Der Hauptverband informiert mit dem Schreiben lediglich darüber, das(s) der große Fachbeirat empfohlen hat, das Angebot der Beschwerdeführerin, Lamisil als uneingeschränkt frei verschreibbar in das Heilmittelverzeichnis aufzunehmen, nicht anzunehmen.
Entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin wird mit der Empfehlung des großen Fachbeirates und mit dem Schreiben des Hauptverbandes der Verschreibungsstatus von Lamisil nicht festgelegt. Es ist jedem Arzt möglich, Lamisil zu verschreiben. Die Sozialversicherungsträger haben lediglich im Sinn des §31 Abs3 Z12 ASVG und des Leistungsrechts der sozialen Krankenversicherung das Recht, die Erstattung der Kosten von Lamisil von der Verschreibung durch einen Facharzt oder einer Genehmigung durch einen Chef- oder Kontrollarzt abhängig zu machen.
Das gegenständliche Schreiben greift nicht in verfassungsgesetzlich geschützte Positionen der Beschwerdeführerin ein.
Die Beschwerdeführerin gibt übrigens die Anmerkung am Ende des Schreibens des Hauptverbandes unrichtig wieder: Die Anmerkung lautet, dass ein neues Angebot erst bei Vorliegen wesentlich geänderter Erkenntnisse über die Arzneispezialität möglich ist. Dieser Hinweis auf §2 Abs6 Verfahrensordnung dient lediglich der Information der Beschwerdeführerin und lässt nicht auf das Vorliegen einer bescheidmäßigen Erledigung schließen. Sie unterstreicht vielmehr den reinen Informationscharakter des Schreibens. Aus den angeführten Gründen handelt es sich bei dem gegenständlichen Schreiben nicht um einen Bescheid.
(...)
2.3.3. Subjektives Recht der Beschwerdeführerin auf Bescheiderlassung
Ein subjektives Recht der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines Bescheides kann nicht auf den Zweck der Verfahrensordnung als Umsetzung der Transparenzrichtlinie gestützt werden.
Nicht jede inhaltlich bestimmte Äußerung, die von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft einem Teilnehmer des Wirtschaftslebens gegenüber abgegeben wird, ist deswegen schon als Bescheid zu qualifizieren.
Ein solcher Standpunkt ist bereits wegen Art17 B-VG (Privatwirtschaftsverwaltung) nicht haltbar. Was danach für Bund und Länder gilt, nämlich die Zulässigkeit von Handlungen als Träger von Privatrechten, gilt umso mehr für die Sozialversicherungsträger und den Hauptverband bei der Ausgestaltung ihrer gesetzlich vorgegebenen Vertragsbeziehungen und Aufgaben.
Dem Hauptverband kann daher nicht ohne weiteres - wie es die Beschwerdeführerin offenbar meint - die Absicht unterstellt werden, er habe mit der Verfahrensordnung die Transparenzrichtlinie umsetzen oder sonstige hoheitliche Akte setzen wollen.
Eine richtlinienkonforme Interpretation der Verfahrensordnung, wie sie die Beschwerdeführerin einfordert, ist daher nicht erforderlich.
Auf den Unterschied in der Regelung der Beziehungen der Sozialversicherung gegenüber Versicherten und Beitragszahlern (öffentlich-rechtliches Verfahren, Bescheide) und gegenüber Vertragspartnern (privatrechtliche Verträge) wurde bereits eingangs hingewiesen. Die Regelung der Beziehungen zu den Pharmaunternehmen ist nach dem System des ASVG eindeutig dem privatrechtlichen Bereich zuzurechnen.
2.3.4. Kein Bescheidrecht des Hauptverbandes
Selbst wenn man die Beziehungen zwischen der Beschwerdeführerin und dem Hauptverband nicht als privatrechtlich, sondern als öffentlich-rechtlich beurteilen wolle, bedeutet dies noch nicht, dass dem Hauptverband im vorliegenden Zusammenhang ein Recht auf Bescheiderlassung zukäme: Die Fälle, in denen der Versicherungsträger in Verwaltungssachen einen Bescheid zu erlassen hat, sind in §410 ASVG geregelt. Die Aufnahme einer Arzneispezialität in das Heilmittelverzeichnis fällt unter keinen der dort angeführten Tatbestände. Diese betreffen nämlich alle Fälle, in denen der Sozialversicherungsträger durch sein Handeln in die Rechte und Pflichten des Versicherten bzw. Beitragszahlers eingreift. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in das Heilmittelverzeichnis liegt ein solcher Eingriff jedoch nicht vor, weshalb nach der genannten Bestimmung die Erlassung eines Bescheides nicht vorgesehen ist.
In konsequenter Fortführung dieses Gedankens hat der Hauptverband auch nach keiner anderen möglicherweise einschlägigen Bestimmung des ASVG ein Bescheidrecht. Nicht einmal gegenüber Versicherungsträgern (seinen eigenen Mitgliedern) steht dem Hauptverband ein solches Recht zu: vgl. §416 ASVG.
Die Verpflichtung zur Erlassung eines Bescheides kann insbesondere auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beschwerdeführerin die Erlassung eines Bescheides durch den Hauptverband beantragt hat. §410 Abs1 Z7 ASVG sieht eine verpflichtende Bescheiderlassung nur für den Fall vor, dass der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt hat.
Das Verlangen nach Ausstellung eines Bescheides macht ein darauf ergehendes Schriftstück noch nicht automatisch zu einem Bescheid. Ansonsten wäre es möglich, die sachliche und örtliche Zuständigkeit bzw. Kompetenzverteilung durch schlichtes Verlangen nach Bescheidausstellung bei einer sonst unzuständigen Behörde obsolet werden zu lassen, was weiters im Ergebnis das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gegenstandslos werden ließe. Ein solches Auslegungsergebnis kann auch im vorliegenden Fall keinesfalls angenommen werden."
2.3. Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen erstattete eine Äußerung, in der ebenfalls beantragt wird, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
3. Die Beschwerde ist nicht zulässig:
3.1. Gemäß Art144 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate. Ein Beschwerdeverfahren vor dem Gerichtshof hat somit zur wesentlichen Voraussetzung, daß dem bekämpften Akt Bescheidqualität zukommt.
3.2. Diese Voraussetzung trifft hier nicht zu:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist eine behördliche Erledigung auch dann, wenn sie nicht als Bescheid bezeichnet und nicht in Spruch und Begründung gegliedert ist, als Bescheid zu werten, sofern sie nur eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber individuell bestimmten Personen in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt. Aus der Erledigung muß - soll sie als Bescheid iSd Art144 Abs1 erster Satz B-VG gewertet werden - deutlich der objektiv erkennbare Wille hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (vgl. VfSlg. 13.342/1993, 14.451/1996 und die dort zitierte Vorjudikatur; ferner den hg. Beschluß vom 30. Juni 2000, B422/00).
3.2.1. Es ist nicht möglich, dem in Rede stehenden Schreiben des Hauptverbandes den objektiv erkennbaren Willen zu entnehmen, gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft eine normative Regelung zu treffen. Der Inhalt dieses Schreibens erschöpft sich vielmehr darin, die Gesellschaft davon in Kenntnis zu setzen, zu welchem Ergebnis der große Fachbeirat für Arzneimittelwesen in ihrer Angelegenheit gekommen ist; es gleicht darin jenen Schreiben, mit denen die zuständige Behörde einer Partei informativ eröffnet, welche Ergebnisse das bisherige Verfahren erbracht hat (vgl. §45 Abs3 AVG; von einem durch die Verneinung der Bescheidqualität des vorliegenden Schreibens drohenden Rechtsschutzdefizit kann angesichts dessen vorerst keine Rede sein; vgl. VfSlg. 14.057/1996). Damit fehlt es jedoch - wie zuvor aufgezeigt - an einem Essentiale eines Bescheides.
3.2.2. Da die Beschwerde sich somit gegen ein für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof untaugliches Anfechtungsobjekt richtet, war sie mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs als unzulässig zurückzuweisen.
3.3. Kosten an den nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Hauptverband (offenbar als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwands) waren nicht zuzusprechen, weil das VerfGG 1953 einen solchen Kostenersatz nicht vorsieht und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (zB VfSlg. 9488/1982); auch dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen waren für den von ihm erstatteten, ihm jedoch nicht abverlangten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2000, B1232/98 mwN).
4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
Bescheidbegriff, Sozialversicherung, VfGH / Kosten, RechtsschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B1533.2000Dokumentnummer
JFT_09998796_00B01533_00