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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §115 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. Walter Fleissner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 21, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. Dezember 2000, Zl. AO 720/21-16/2000, betreffend Bescheidbehebung nach § 299 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erklärte mit ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 neben Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von rund 270.000 S negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 120.022 S. Aus den Beilagen zur Einkommensteuererklärung ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin den Einnahmen in Höhe von 202.680 S Ausgaben von 4,102.003,33 S gegenüberstellte, in denen unter der Bezeichnung "Instandsetz.Aufw. 98 (Aufl. RL)" der Betrag von 2,887.429 S enthalten war. Den selben Betrag rechnete die Beschwerdeführerin dem Ergebnis wieder hinzu und verringerte den von ihr mit 3,899.323,33 S errechneten Verlust sohin unter der Bezeichnung "Auflösung Rücklage 90 - 94 (Instandsezt.Aufw.)". Weiters gliederte sie in den Beilagen zur Einkommensteuererklärung die Kosten für die Instandsetzung in Höhe von 2,887.429 S auf, worunter auch der Betrag von 280.000 S für "Abbruch" aufscheint. Bei den übrigen Beträgen waren u.a. die Vermerke "Hoffassade, Straßenfass., Gerüst, Elektrik, Niedersp., Feuermauer, Fenster, Gerüst, Verblechung" angeführt.
Über eine beim steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin durchgeführte abgabenbehördliche Nachschau (§ 144 BAO) hielt das Erhebungsorgan des Finanzamtes in einer vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin unterzeichneten Niederschrift vom 7. Juli 2000 fest, dass in das Mietobjekt (altes Fabriksgebäude) in W., Q-Straße, "seit Erwerb bis 1997" keine Investitionen getätigt worden seien. Die positiven Einkünfte seien aus der Vermietung von Lagerhallen erzielt worden. Erst im April 1998 sei mit den Abbrucharbeiten im gesamten Gebäude begonnen worden. Die Abbrucharbeiten hätten aus der Entfernung und Neuaufstellung von Wänden bestanden. Die dadurch neu entstandenen Räume seien so adaptiert worden, dass sie künftig für einen Kindergarten, eine Tanzschule und einen Kinderchor (Probenraum) vermietet werden könnten. Hinsichtlich der "übrigen Instandsetzungen" verwies das Erhebungsorgan auf die Ablichtung beiliegender Rechnungen.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2000 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 1998 erklärungsgemäß fest.
Die belangte Behörde hob mit dem angefochtenen Bescheid die Einkommensteuerfestsetzung 1998 des Finanzamtes gemäß § 299 Abs. 1 lit. b und c und Abs. 2 BAO "wegen Außerachtlassung von aktenwidriger Sachverhaltsannahme, Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können, sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes" auf. Laut Aktenlage habe die Beschwerdeführerin für 1998 einen Überschuss an Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 120.022 S erklärt. Die Werbungskosten von rund 4,102.003,33 S seien u.a. aus Abbruchsarbeiten Fassadenarbeiten und Arbeiten betreffend die Elektrik entstanden. Der sich daraus ergebende Verlust von rund 3,900.000 S sei durch die Auflösung der Rücklage 1990 bis 1994 (Instandsetzung Aufwendungen) in Höhe von rund 2,900.000 S und die Auflösung der Rücklage 1994 und 1995 (Verlust) verringert worden. Die Veranlagung sei am 20. Juli 2000 erklärungsgemäß erfolgt. Im Zuge einer Nachschau am 7. Juli 2000 habe sich bereits ergeben, dass in das Mietobjekt seit Erwerb bis 1997 keine Investitionen getätigt worden seien. Erst im April 1998 sei mit den Abbrucharbeiten im gesamten Gebäude begonnen worden. Die Abbrucharbeiten hätten aus der Entfernung und Neuaufstellung von Wänden bestanden. Die Außenmauern seien belassen worden, die Fassaden seien "neu gemacht" und die Fenster ausgetauscht worden. Innen seien Mauern und Fußboden entfernt und neu hergestellt worden. Durch die erwähnte Nachschau sei vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides festgestellt worden, dass keine zur Verrechnung von steuerfreien Beträgen nach § 28 Abs. 3 EStG 1972 bzw. § 28 Abs. 5 EStG 1988 führende Aufwendungen im Sinne des § 116 Abs. 5 Z 2 EStG 1998 getätigt wurden. Durch den Umbau des alten Fabrikgebäudes sei ein neues Gebäude entstanden, welches nun "als Kindergarten, Tanzschule und als Proberäume" Verwendung finde. Somit sei ein Herstellungsaufwand getätigt worden. Der Herstellungsaufwand für ein Gebäude sei grundsätzlich auf die Restnutzungsdauer zu verteilen. Das Finanzamt habe die Verrechnung der Kosten für die Umbauarbeiten mit den in den Vorjahren gebildeten steuerfreien Beträgen anerkannt, ohne den auf Grund der Nachschau getroffenen Feststellungen Rechnung zu tragen. Da das Finanzamt die Klärung unterlassen habe, ob die Verrechnung der Aufwendungen für den Umbau mit den steuerfreien Beträgen zu Recht erfolgt sei oder ob durch die Aufwendungen die AfA-Basis hätte erhöht werden sollen, habe es aktenwidrige Sachverhaltsannahmen getroffen und Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte ergehen können, und überdies den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 299 BAO in der Fassung vor dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz (AbgRmRefG) BGBl. I Nr. 97/2002 lautet auszugsweise:
"(1) In Ausübung des Aufsichtsrechtes kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,
.....
b) wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde, oder
c) wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.
(2) Ferner kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden."
Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall von drei Aufhebungsgründen des § 299 BAO Gebrauch gemacht, nämlich von denen des Abs. 1 lit. b, des Abs. 1 lit. c und des Abs. 2.
Wird ein Bescheid des Finanzamtes aus mehreren Gründen von der Oberbehörde gemäß § 299 BAO aufgehoben, so entspricht der Aufhebungsbescheid dem Gesetz, wenn er sich auch nur in einem Aufhebungsgrund als zutreffend erweist. Mangels Bindungswirkung der Begründung des Aufhebungsbescheides ist nämlich nicht zu erkennen, in welchem subjektiv-öffentlichen Recht eine beschwerdeführende Partei dadurch verletzt wäre, wenn tatsächlich nur einer von mehreren von der belangten Behörde herangezogenen Aufhebungstatbeständen erfüllt wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2004, 99/13/0147, m.w.N.).
Der mit dem angefochtenen Bescheid aufgehobene Bescheid des Finanzamtes vom 20. Juli 2000 folgte der Abgabenerklärung der Beschwerdeführerin, worin sie ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung so ermittelt hatte, als wären die in Rede stehenden Aufwendungen Instandsetzungsaufwendungen, gegen welche die nach § 28 Abs. 5 EStG 1988 gebildeten steuerfreien Beträge aus Vorjahren gegenzurechnen seien. Die belangte Behörde ging davon aus, dass es sich bei den in Rede stehenden Aufwendungen um Herstellungsaufwand handeln könne.
Angesichts der im Zuge der (vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides durchgeführten) Nachschau getroffenen Feststellungen, es seien zu einem nicht unwesentlichen Teil auch Abbrucharbeiten erfolgt, was die Vermutung nahe legt, es sei in der Folge zu Herstellungsaufwand gekommen, fehlten dem Finanzamt die erforderlichen Sachverhaltsgrundlagen, die Einkommensteuer erklärungsgemäß zu veranlagen. Das Finanzamt hätte gemäß § 115 Abs. 1 BAO von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln gehabt, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Da das Finanzamt dies unterlassen hatte, war die belangte Behörde im Grunde des § 299 Abs. 1 lit. c BAO berechtigt, den Bescheid des Finanzamtes vom 20. Juli 2000 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung von Parteiengehör und wirft der belangten Behörde vor, weder das Finanzamt noch die belangte Behörde hätten ihr Gelegenheit geboten, vom Ergebnis der Beweisaufnahme (Nachschau) Stellung zu nehmen. Deshalb sei die belangte Behörde zu einer ganzen Reihe unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen gelangt. Die Abbrucharbeiten hätten lediglich einen 40 m2 großen Schuppen im Hof des Geländes betroffen. Bei der Entfernung der Wände habe es sich lediglich um leicht gemauerte Ytong-Wände gehandelt. Eine Umgestaltung der inneren Gebäudeeinteilung durch Austausch tragender Raumteile sei nie erfolgt, ebenso wenig eine Neuaufstellung von Wänden. Zu diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin darauf zu verweisen, dass die Aufsichtsbehörde nach § 299 Abs. 1 lit. c BAO zur Aufhebung berechtigt ist, wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können. Es bedarf also keines Nachweises, dass ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden müssen. Die Beantwortung dieser Frage (und die Gewährung des dazu auch notwendigen Parteiengehörs) überlässt das Gesetz nämlich dem weiteren Verfahren nach Aufhebung des Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, 2000/13/0033).
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 7. Juli 2004
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001130029.X00Im RIS seit
03.08.2004