TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/8 2001/07/0063

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Veröffentlicht am 08.07.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §73 Abs2;
VwGG §13 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §63 Abs1;
WRG 1959 §105 Abs1 litm;
WRG 1959 §13 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des K in U, vertreten durch Dr. Klemens Stefan Zelger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 1/II, gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, den versäumten Bescheid über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L vom 19. Juli 1995, Zl. 800-41/26a, binnen acht Wochen unter Zugrundelegung folgender Rechtsanschauung zu erlassen:

Bei Einhaltung der nachstehend angeführten Auflagen stehen der wasserrechtlichen Bewilligung des verfahrensgegenständlichen Antrages des Beschwerdeführers um Erteilung dieser Bewilligung für die Errichtung eines Kleinkraftwerkes jene öffentlichen Interessen im Sinn des § 105 Abs. 1 Wasserrechtsgestz 1959 - WRG 1959, die im erstinstanzlichen Bescheid vom 19. Juli 1995 zur Abweisung des Antrages geführt haben, nicht entgegen. Die vorzuschreibenden Auflagen lauten:

a) Im Entnahmebauwerk ist eine seitliche Entnahme des Wassers mittels eines Schlitzes vorzusehen, der nach einem Streichwehr zu bemessen ist;

b) das Entnahmebauwerk ist so herzustellen, dass der Abstand zwischen der Bachsohle und der Unterkante des Entnahmeschlitzes den Abfluss der Pflichtwassermenge (Restwasser) von 7 l/s stets ungehindert zulässt;

c) der Entnahmeschlitz ist so zu dimensionieren, dass maximal die Ausbauwassermenge von 20 l/s der Nutzung für das Wasserkraftwerk zugeführt werden kann;

d) es ist nur ein Teil des Bachquerschnittes zu verbauen und der restliche Querschnitt bis auf eine örtlich fixierte Sohle für die Bemessung des Restwassers im Naturzustand zu belassen;

e) alle Wassermengen, die die Ausbauwassermenge von maximal 20 l/s übersteigen, sind ungehindert im Bachbett zu belassen;

f) der Kraftwerksbetreiber hat nachweislich den für den Abfluss des Restwassers vorgesehenen Bachteil von allen Abflusshindernissen freizuhalten und speziell nach Hochwässern für den Erhalt des morphologischen Gewässerzustandes vorzusorgen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L (BH) vom 12. Februar 1987 war dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung für ein Kleinkraftwerk am K-Bach in U unter bestimmten Auflagen erteilt worden. Da der Beschwerdeführer die Fertigstellung der bewilligten Anlage binnen der im Bewilligungsbescheid hiezu bestimmten und nachträglich verlängerten Frist unterließ, stellte die BH mit Bescheid vom 8. September 1993 fest, dass das mit Bescheid vom 12. Februar 1987 erteilte Wasserbenutzungsrecht erloschen sei, wobei von der Vorschreibung letztmaliger Vorkehrungen Abstand genommen wurde.

Mit Schreiben vom 2. Februar 1994 suchte der Beschwerdeführer unter Vorlage eines neuen Projektes bei der BH erneut um die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Kleinkraftwerkes am K-Bach an.

Mit Bescheid vom 19. Juli 1995 wies die BH den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Realisierung des geplanten Kleinkraftwerkes im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit des betroffenen Gewässers mit dem eingereichten Kraftwerksprojekt und insbesondere der darin angebotenen Pflichtwasserabgabe von 3 l/s nicht zu vereinbaren sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Berufung, worin er (u.a.) unter Hinweis auf die ihm seinerzeit erteilte wasserrechtliche Bewilligung auf Basis einer vorgeschriebenen Restwassermenge von lediglich 5 l/s vorbringt, dass er auf Grund eines größeren Vermögensverlustes nicht das gesamte Projekt innerhalb der damals vorgesehenen Frist habe verwirklichen können, weshalb er nur das Krafthaus habe errichten und die maschinelle Ausrüstung habe anschaffen können. Da für die Fertigstellung wegen Zeitablaufes ohnehin neuerlich um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung anzusuchen gewesen sei, habe er sich auf Empfehlung des Projektsverfassers dazu entschlossen, die Entnahmestelle weiter bachaufwärts zu verlegen, weil dadurch bei gleicher Wassermenge wegen des größeren Gefälles ein weit größerer Wirkungsgrad der Anlage erzielbar sei, sodass es möglich werden sollte, mit dem erzeugten Strom auch das bisher mit Heizöl beheizte Gästehaus elektrisch zu beheizen. Die im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegebenen Ausführungen des Amtssachverständigen für Gewässerökologie seien unschlüssig, weil darin zum Ausdruck gebracht werde, dass in den Monaten, in welchen die natürlich vorhandene Wassermenge unter der vorgesehenen Pflichtwassermenge liege, die Natur selbst die Funktionsfähigkeit des Baches gefährde. Das könne aber nicht so sein; vielmehr orientiere sich die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers wohl an der natürlich vorhandenen Wassermenge, welche eine Obergrenze bilde, bei deren Vorhandensein die Funktionsfähigkeit jedenfalls gewährleistet sei. Zu prüfen wäre vielmehr gewesen, wie viel von dieser natürlich vorhandenen Wassermenge entnommen werden könne, um den Bach aus ökologischer Sicht nicht wesentlich zu schädigen. Dass derselbe Gutachter, der seinerzeit eine Restwassermenge von 5 l/s als ausreichend angesehen habe, um wesentliche Beeinträchtigungen hintanzuhalten, nunmehr eine Restwassermenge von 10 l/s als unbedingt notwendig ansehe, müsse als widersprüchlich beurteilt werden. Abgesehen davon bringe der Bescheid auch nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck, weshalb die angenommene Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Baches durch das geplante Projekt als wesentlich anzusehen wäre. Es hätte die Behörde im Bewilligungsverfahren darüber hinaus auch eine Abwägung der verschiedenen Interessenlagen vorzunehmen. Die Gemeinde, die Fischereiberechtigten, die betroffenen Anrainer, die Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und für Wildbach- und Lawinenverbauung hätten gegen das Projekt keine Einwendungen erhoben. Auch sei dieses Gebiet seit Menschengedenken von keinem Erholungssuchenden und auch von keinem Einheimischen - ausgenommen von den angrenzenden Bauern zu Bewirtschaftungszwecken - betreten worden, was mit der Unwegsamkeit des Geländes zusammenhänge. Aus naturkundefachlicher Sicht handle es sich bei dem Bauvorhaben tatsächlich nur um einen geringfügigen, innerhalb kurzer Zeit behebbaren Eingriff in einem Gebiet, das für eine Nutzung durch die Allgemeinheit vollkommen ungeeignet sei und das auch kaum eingesehen werden könne. Was damit bleibe, sei das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers in einem kurzen Abschnitt des Baches während einer nur kurzen Zeit im Jahr und das Interesse an der Vermeidung eines geringfügigen und kurzfristigen Eingriffes in die Natur durch den Trassenbau in einem Gelände, dessen Nutzung für die Öffentlichkeit zu Erholungszwecken ohnehin ausgeschlossen sei. Dem stehe das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines durch dieses Projekt wirtschaftlich gestärkten Hofes gegenüber, womit die Pflege der Felder, des Waldes und der Almweiden durch den Beschwerdeführer und seine Nachfolger auch weiterhin gewährleistet sein solle. Die vom Beschwerdeführer bewirtschaftete Berglandschaft diene in weit höherem Maß der Öffentlichkeit zu Erholungszwecken als der Bachgraben. Es müsse das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines wirtschaftlich unabhängigen und leistungsfähigen Bauernstandes höherwertig sein als das öffentliche Interesse am Schutz von Mikroorganismen und Kleintieren in einem kurzen, unwegsamen Bachabschnitt. Es könne doch nicht sein, dass der seinen Hof seit Jahrhunderten bewirtschaftende Bergbauer der Eintagsfliege weichen müsse, weil er mit Rücksicht auf diese nicht mehr jene Investitionen tätigen könne, die zur weiteren rentablen Bewirtschaftung seines Hofes notwendig seien.

Angeschlossen wurden der Berufungsschrift des Beschwerdeführers neben der Verhandlungsschrift über die seinerzeitige naturschutzrechtliche Verhandlung des Vorprojektes eine Stellungnahme des Tourismusverbandes O., wonach dem betroffenen Bachabschnitt praktisch kein Erholungswert zukomme, weil er wegen des gefährlichen Geländes keinem Urlaubsgast als Wanderziel empfohlen werden könne, sodass in diesen Bereich auch kein markierter Wanderweg führe und sich dort auch keine sonstigen Erholungseinrichtungen wie Bänke und dgl. befänden. Ferner wurde der Berufungsschrift eine Bestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde U. angeschlossen, wonach die Gemeinde alle Maßnahmen befürworte, welche geeignet seien, die Wirtschaftskraft der Höfe zu stärken und ihr Überleben zu sichern.

Der Landeshauptmann von Tirol (LH) wies mit Bescheid vom 4. März 1996 die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 19. November 1999, Zl. 96/07/0059, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Das Erkenntnis wurde dem LH am 3. Dezember 1998 zugestellt.

Im weiteren Verwaltungsverfahren traf der LH über die Berufung des Beschwerdeführers keine Entscheidung, weshalb der Beschwerdeführer an die belangten Behörde einen dort am 4. August 1999 eingelangten Devolutionsantrag stellte. Diese wies mit Bescheid vom 4. Jänner 2000 gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Devolutionsantrag mit der Begründung ab, dass die Verzögerung bei der Bescheiderlassung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des LH zurückzuführen sei.

Mit hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2000, Zl. 2000/07/0024, wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, dass den LH an der Verzögerung der Bescheiderlassung das ausschließliche Verschulden getroffen habe.

Zur näheren Darstellung des bisherigen Verfahrensganges wird auf den Inhalt der beiden zitierten Erkenntnisse verwiesen.

Das Erkenntnis Zl. 2000/07/0024 wurde an die belangte Behörde am 3. August 2000 zugestellt.

In seiner am 26. April 2001 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, dass die belangte Behörde seit der Zustellung des genannten Erkenntnisses Zl. 2000/07/0024 an sie keine weiteren Schritte zur Fortsetzung des Verfahrens unternommen habe, weshalb sie ihre Entscheidungspflicht verletzt habe.

Mit hg. Verfügung vom 3. Mai 2001 (zugestellt am 16. Mai 2001) wurde gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren über die Säumnisbeschwerde eingeleitet und die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, und hiezu die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Mit Schreiben vom 6. Juli 2001 brachte die belangte Behörde vor, dass für eine Nachholung des versäumten Bescheides noch eine ergänzende Begutachtung notwendig sei, und stellte sie den Antrag, im Hinblick darauf die ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzte Frist zu verlängern. Diesem Ansuchen wurde nach Einholung einer Stellungnahme des Beschwerdeführers mit hg. Verfügung vom 17. September 2001 entsprochen.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 erklärte die belangte Behörde, dass auf Grund des weiter andauernden extremen Personalengpasses eine fristgerechte Erledigung nicht möglich gewesen sei. Zugleich legte sie ein Konvolut von Teilen der Verwaltungsakten vor.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde ist gemäß Art. 132 B-VG berechtigt, wer in einem Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die Beschwerde kann gemäß § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat.

Gegenstand der behördlichen Entscheidungspflicht ist der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers. Für die bescheidmäßige Erledigung eines Devolutionsantrages stehen drei denkmögliche Varianten offen: Ist der Devolutionsantrag unzulässig, dann ist er zurückzuweisen; ist die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Unterbehörde zurückzuführen, dann ist der Devolutionsantrag abzuweisen; ist weder das eine noch das andere der Fall, dann hat die angerufene Oberbehörde über das dem Devolutionsantrag zugrundeliegende Sachbegehren der Partei selbst zu entscheiden.

Da die belangte Behörde nach Zustellung des hg. Erkenntnisses Zl. 2000/07/0024 an sie über den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers innerhalb der in § 27 VwGG normierten Frist keine bescheidmäßige Erledigung getroffen hat, ist die vorliegende Säumnisbeschwerde als zulässig anzusehen. Die in § 27 VwGG gebrauchte Wendung "in der Sache" bedeutet nämlich nicht allein eine meritorische Entscheidung, sondern auch eine Entscheidung rein verfahrensrechtlicher Art. (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, Zl. 93/07/0049).

Im vorliegenden Fall traf gemäß § 73 Abs. 2 AVG den LH das ausschließliche Verschulden an der Verzögerung, über die Berufung des Beschwerdeführers zu entscheiden. Diesbezüglich wird auf die im obzitierten Erkenntnis Zl. 2000/07/0024 dargelegte - im Hinblick auf § 63 Abs. 1 VwGG bindende (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2002, Zl. 98/08/0186, m.w.N.) - Rechtsansicht verwiesen. Die belangte Behörde war daher verhalten, über den Devolutionsantrag durch Erledigung der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der BH vom 19. Juli 1995 erhobenen Berufung zu entscheiden. Diese Verpflichtung zur Sachentscheidung ist auf Grund der vorliegenden Säumnisbeschwerde auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

Gemäß § 9 Abs. 1 WRG 1959 bedarf einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde jede über den Gemeingebrauch (§ 8) hinausgehende Benutzung der öffentlichen Gewässer sowie die Errichtung oder Änderung der zur Benutzung der Gewässer dienenden Anlagen.

Gemäß § 11 Abs. 1 leg. cit. sind bei der Erteilung einer nach § 9 erforderlichen Bewilligung jedenfalls der Ort, das Maß und die Art der Wasserbenutzung zu bestimmen.

Gemäß § 12 Abs. 1 leg. cit. ist das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.

Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. ist bei der Bestimmung des Maßes der Wasserbenutzung auf den Bedarf des Bewerbers sowie auf die bestehenden wasserwirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere auf das nach Menge und Beschaffenheit vorhandene Wasserdargebot mit Rücksicht auf den wechselnden Wasserstand, beim Grundwasser auch auf seine natürliche Erneuerung, sowie auf möglichst sparsame Verwendung des Wassers Bedacht zu nehmen. Dabei sind die nach dem Stand der Technik möglichen und im Hinblick auf die bestehenden wasserwirtschaftlichen Verhältnisse gebotenen Maßnahmen vorzusehen.

Gemäß § 13 Abs. 4 leg. cit. ist das Maß der Wasserbenutzung in der Bewilligung in der Weise zu beschränken, dass ein Teil des jeweiligen Zuflusses zur Erhaltung des ökologischen Zustandes des Gewässers sowie für andere, höherwertige Zwecke, insbesondere solche der Wasserversorgung, erhalten bleibt. Ausnahmen hievon können befristet zugelassen werden, insoweit eine wesentliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses nicht zu besorgen ist.

Gemäß § 21 Abs. 1 leg. cit. ist die Bewilligung zur Benutzung eines Gewässers nach Abwägung des Bedarfes des Bewerbers und des wasserwirtschaftlichen Interesses sowie der wasserwirtschaftlichen und technischen Entwicklung, gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf eine abgestufte Projektsverwirklichung, auf die nach dem Ergebnis der Abwägung jeweils längste vertretbare Zeitdauer zu befristen. Die Frist darf bei Wasserentnahmen für Bewässerungszwecke zehn Jahre, sonst 90 Jahre nicht überschreiten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschwerdeverfahren das zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes erforderliche Ermittlungsverfahren durch Beiziehung des Amtssachverständigen für Gewässerökologie HR Dr. Rodinger ergänzt (Beschluss vom 11. September 2003). Dieser hat im Rahmen seines am 22. März 2004 vorgelegten Gutachtens den K-Bach nach verschiedenen Aspekten wie folgt beschrieben:

"Morphologie: Der K-Bach hat sich in eine tiefe (unzugängliche) und nicht unmittelbar einsehbare Schlucht eingeschnitten, besitzt eine Sohlbreite von 1,3 m, engt sich ein und weitet sich geringfügig. Im unteren Drittel mündet ein linksufriger Zubringer. Der Bachboden besteht aus Fels wie auch sehr grobblockigem Material und ist dem Silikatgestein zuzuordnen.

Hydrologie: Das Einzugsgebiet beträgt 1,65 km2. Die Hydrologiedaten entstammen der Jahresreihe 1951 bis 1990: MQ (gemeint: Wert des Mittelwasserabflusses) 19,5 l/s, MNQ (gemeint: Wert des mittleren Niederwasserabflusses) 11,5 l/s, NNQ (gemeint: Wert des niedrigsten Niederwasserabflusses) 4,3 l/s, MNQ Dezember - März 7,5 l/s, MNQ April - November 13,5 l/s.

Vegetation: Die gesamte Schluchtstrecke, auch oberhalb der Wasserfassung, ist nahezu geschlossen mit vorwiegend Laubgehölzen und wenig Fichte bewachsen, im Untergrund befindet sich eine geschlossene Kraut- und Strauchschicht.

Verbauung: Beim K-Bach handelt es sich um einen Gebirgsbach mit natürlicher Ausprägung, lediglich in der Mündungsstrecke sind einige Ufersicherungen und eine Sohlschwelle vorhanden.

Bachbesiedlung: Das Makrozoobenthos besteht aus Ephemeropteren (Eintagsfliegen) und Plecopteren (Steinfliegen).

Saprobiologische Bewertung: Der KBach zeigte bei der Erstbegehung eine optisch geringe Beeinflussung durch Abwässer aus dem Oberliegerbereich, im Bach wurden einige Abfälle beobachtet. Bei der zweiten Begehung wurden diese Gegebenheiten nicht mehr vorgefunden. Die 200 m höher gelegene Orts-Fraktion K-Berg wird mittels Sickergruben entsorgt.

Geplante Entnahmemenge: Die Ausbauwassermenge wird mit 20 l/s angegeben. Die Rückgabe des abgearbeiteten Wassers soll unmittelbar oberhalb der am K-Bach bzw. neben der G-Bundesstraße gelegenen Häuser erfolgen."

In seinem Gutachten hat der Amtssachverständige, zum Teil unter Bezugnahme auf einschlägige Fachliteratur, hinsichtlich der Methode zur Ermittlung der Grundlagen für eine ökologisch verträgliche Bemessung des Restwassers (Pflichtwasserabgabe) ausgeführt, es müsse das MQRestwasser größer als das MNQnatürlich sein, um keine ökologisch signifikanten Auswirkungen hervorzurufen. Bei einer rechnerischen Überprüfung der Situation bei Wasserentnahmen von (Variante 1) 7 l/s in den Monaten Dezember bis März und 20 l/s in den Monaten April bis November sowie (Variante 2) 8 l/s in den Monaten Dezember bis März und 20 l/s in den Monaten April bis November, zeige sich, dass bei Wasserentnahmen gemäß Variante 1 lediglich im Februar die vorgenannte Forderung nicht erfüllt werden könne und die Größenordnung der fehlenden Wassermenge 0,3 m3/Monat betrage. Die Restwasserführung wäre im Februar für den Nutzungsfall mit 7,1 l/s anzunehmen und unterschritte MNQnat-Dezember - März (7,5 l/s) nur geringfügig (5 %). Bei einer Wassernutzung nach Variante 2 fehlten in den Monaten Jänner 1,5 m3 und Februar 2,7 m3 Wasser. Die Restwasserführung wäre für den gegenständlichen Nutzungsfall im Jänner zwar ausreichend, im Februar aber würde mit 6,1 l/s MNQnat-Dezember - März (7,5 l/s) bereits um 20 % unterschritten werden. Der Fehlbetrag gemäß Variante 1 erscheine vernachlässigbar, jener nach Variante 2 nicht akzeptabel, weil das Fortkommen der Organismen und damit auch die ökologische Funktionsfähigkeit gerade in den Wintermonaten schon von vornherein durch die geringe natürliche Wasserführung wie auch die niedrigen Temperaturen und Vereisungen behindert werde. Bei weiterer anthropogen verursachter und entsprechend großer Minderung der Wasserführung komme es infolge der Einengung des aquatischen Lebensraums dann zur signifikanten Beeinträchtigung der Biozönosen.

Die Frage nach der Grenzziehung zu einer wesentlichen ("signifikanten") Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers sei (aus fachtechnischer Sicht) vorrangig mit den hydrologischen Festlegungen der Restwassermenge zu beantworten. Die "Signifikanzschwelle-Hydrologie" bei Wasserentnahmen werde erreicht, wenn

-

keine Restwasservorschreibung,

-

keine ganzjährige Restwasservorschreibung und

-

MQ Rest < MJNQ natürlich aufträten und es zu einer

-

Ausleitung in der Ausleitungsstrecke komme.

Die "Bewertung-Hydrologie" lasse ein Risiko für das Gewässer erkennen, wenn bei einem Ausleitungskraftwerk die Restwasserführung die Signifikanzschwelle erreiche. Die Signifikanzschwelle für longitudinale Kontinuumsunterbrechungen sei erreicht, wenn in Rhithralgewässern-Kleingewässern (< 0,2 m3/s bei MQ) das Kontinuum bei nur weniger als 0,3 m erhalten bleibe. Die "Risikobewertung-Kontinuumsunterbrechung" werte ein Wasserkraftwerk oder ein nicht näher definiertes Hindernis oder zwei schutzwasserbauliche Wanderungshindernisse als Kriterium.

Als "Signifikanzschwelle-Morphologie" würden die Bewertungsergebnisse der ökomorphologischen Erhebungen der Länder und die Ausweisung flusstypspezifisch erhaltener Fließgewässerabschnitte angegeben. Die "Risikobewertung-Morphologie" sehe vor, dass ein (ökologisches) Risiko für das Gewässer zu erkennen sei, wenn

-

> 30 % des Wasserkörpers durch signifikante Belastungen (morphologische Bewertung > = 3) beeinträchtigt seien,

-

gestaute Bereiche ab 1 Wasserkraftwerk (Stau > 1 km) oder

-

2 Wasserkraftwerke (Rückstau < 1 km) als Kette anzusprechen seien.

Den "heavily modified waterbodies" (zum Unterschied zu den "(natural) waterbodies") sei ein Fließgewässer als Kandidat zuzuordnen, wenn die erneuerbare Energie

-

durch ein Wasserkraftwerk (intensive Nutzung) mit Staubereich > 1 km oder von unbekannter Länge genutzt werde und/oder

-

das Ausleitungskraftwerk die Restwasserabgabe über der Signifikanzschwelle vorsehe.

Im Fall des K-Baches werde die "Signifikanzschwelle-Hydrologie" bei Einhaltung der entsprechenden Vorschreibungen nicht erreicht und das Risiko für eine wesentliche Beeinträchtigung der Biozönosen des K-Baches damit hintangehalten. Die Mittelwasserführung des Restwassers werde bei entsprechender Bauausführung des Entnahmebauwerkes die natürliche mittlere Niederwasserführung (hydrologische Jahresreihe 1951 - 1990) übertreffen. Projektgemäß sei auch keine weitere Ausleitung in der Ausleitungsstrecke vorgesehen. Für den K-Bach sei somit kein Risiko unter dem Aspekt "Hydrologie" zu bewerten.

Hinsichtlich der Signifikanzschwelle für longitudinale Kontinuumsunterbrechungen sei festzustellen, dass es bei fachgerechter Bauausführung des Entnahmebauwerkes zu keiner Kontinuumsunterbrechung kommen werde und ein entsprechendes Risiko für das Gewässer auszuschließen sei.

Ein Risiko im Sinn der "Bewertung-Morphologie" sei nicht zu erkennen, weil die Länge der Ausleitungsstrecke weniger als 30 % des Wasserkörpers betrage. Da bei bescheidkonformer Errichtung des Entnahmebauwerkes eine Wasserentnahme ohne Aufstau erreicht werde und ein Bachteil auch im Bereich des Entnahmebauwerkes weitgehend unbeeinflusst bleibe, werde auch die "Signifikanzschwelle-Morphologie" beim K-Bach nicht erreicht. Auf Grund der besprochenen hydromorphologischen Gegebenheiten nach Errichtung des Wasserkraftwerkes erscheine es weiters auch nicht gerechtfertigt, die Ausleitungsstrecke des K-Baches als "heavily modified waterbody" anzusehen.

Der Amtssachverständige orientiere sich hinsichtlich der Wahl der Restwasserbemessungsmethode an den letzten Erkenntnissen des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (2003/2004) und habe die Vorschreibung der Restwassermenge des K-Baches auf die hydrologischen Gegebenheiten abgestimmt. Um alle vorgenannten Kriterien hinsichtlich der Hintanhaltung einer wesentlichen Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers zu erfüllen, wären die im schriftlichen Gutachten des Amtssachverständigen näher angeführten - im Spruch dieses Erkenntnisses als Auflagen genannten - Vorschreibungen festzulegen.

Hinsichtlich der Frage nach den projektsbedingten Auswirkungen des Projekts auf das Fließkontinuum wurde vom Amtssachverständigen in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Errichtung eines Entnahmebauwerkes in Form einer seitlichen Entnahme mit Schlitz die Aufrechterhaltung des Fließkontinuums des K-Baches und die biozönotischen Wanderbewegungen bachaufwärts gewährleiste, weil nur ein Teil des Bachquerschnittes verbaut werde und der restliche Gewässerteil bis auf eine örtlich fixierte Sohle für die Bemessung des Restwassers unbeeinflusst bleibe. Projektsbedingt gesehen seien somit keine bzw. nur unwesentliche Auswirkungen auf das Fließkontinuum zu erwarten.

Zur Frage der projektsbedingten Auswirkungen auf das Artenspektrum und die mit dem Gewässer zusammenhängenden Umweltbereiche in qualitativer und quantitativer Hinsicht führte der Amtssachverständige aus, dass laut Fachliteratur im deutschen Bundesland Baden-Württemberg bei einer Restwasserführung von lediglich 10 % der Bezugswasserführung Einbußen von einem Drittel der Arten und etwa der Hälfte der geschätzten Menge an Makrozoobenthosorganismen hinzunehmen gewesen seien. Verglichen mit den für den K-Bach vorgesehenen hydrologischen Verhältnissen von etwa 60 % Restwasserführung, bezogen auf die mittlere Jahresführung, würde dies bei linearer Extrapolation eine etwa 10 % artliche und 20 % mengenmäßige Minderung der Zoozönose bedeuten. Vom K-Bach seien zwar hydrologische Daten verfügbar, die biozönotischen Angaben beschränkten sich jedoch lediglich auf die Tatsache des Vorhandenseins von "Eintagsfliegen und Steinfliegen". In Anbetracht der Verschiedenheit der Typen der Gewässer von Baden-Württemberg und Osttirol sei für die gegenständlichen Verhältnisse daher lediglich gesichert festzustellen, dass es projektsbedingt zu gewissen artlichen und mengenmäßigen Auswirkungen kommen könne. Eine quantifizierbare und genauere Prognose wäre erst durch biologische Untersuchungsergebnisse im Zug eines Beweissicherungsverfahrens erstellbar. Im Zusammenhang mit der ökodynamischen Gestaltung des Abflussgeschehens durch die geforderte bauliche Ausführung des Entnahmebauwerkes würden jedoch eine an die natürlichen Gegebenheiten angepasste Abflussganglinie und die Erhaltung des natürlichen Abflusstyps gewährleistet. Die über die natürliche mittlere Niederwasserführung hinausgehende Wasserfracht des projektsbedingten Restwassers lasse vernachlässigbare, nicht signifikante qualitative und quantitative Auswirkungen auf das Gewässer und die damit im Zusammenhang stehenden Umweltbereiche vorhersagen.

Dieses Gutachten wurde den Parteien des Beschwerdeverfahrens mit hg. Verfügung vom 24. März 2004 übermittelt und ihnen Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Von der belangten Behörde wurde keine Stellungnahme abgegeben. Der Beschwerdeführer brachte in seiner undatierten, am 19. April 2004 erstatteten Stellungnahme (u.a.) vor, dass für ihn das Gutachten inhaltlich nachvollziehbar sei und er keine Einwendungen dagegen erhebe.

Auch für den Gerichtshof besteht kein Grund, an der fachlichen Richtigkeit und Schlüssigkeit der Ausführungen des Amtssachverständigen in seinem Gutachten zu zweifeln, sodass dieses der weiteren Beurteilung zugrunde gelegt wird.

Auf dem Boden dieser gutachterlichen Ausführungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Verwirklichung des gegenständlichen Projektes und bei Einhaltung der vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen, im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Auflagen ein öffentliches Interesse i.S. des § 105 Abs. 1 WRG 1959 wesentlich beeinträchtigt wird.

Lässt sich unter Zugrundelegung der genannten Auflagen eine derartige wesentliche Beeinträchtigung des Gewässers nicht feststellen, dann ist - wie bereits im obzitierten Erkenntnis Zl. 2000/07/0024 ausgeführt wurde - davon auszugehen, dass dieses im Gesetz angeführte Hindernis und insoweit öffentliche Interessen im Sinn des § 13 Abs. 4 WRG 1959 der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für das vorliegend beantragte Vorhaben nicht entgegenstehen.

Gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Art. 132 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen.

Im gegenständlichen Verwaltungsverfahren war die Lösung der Frage maßgebend, wie viel Restwasser im Bachbett des K-Baches verbleiben müsse, damit keine wesentliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen im Sinne des § 105 Abs. 1 lit. m WRG 1959 zu besorgen sei. Der Verwaltungsgerichtshof konnte daher von der Bestimmung des § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG Gebrauch machen, diese im Verwaltungsverfahren strittige Rechtsfrage lösen und die Erlassung des Bescheides unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht der belangten Behörde überlassen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG i.V.m. § 3 Abs. 2 Z. 2 des Eurogesetzes, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 8. Juli 2004

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein Kassatorische Entscheidung Formalentscheidung Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001070063.X00

Im RIS seit

09.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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