TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/8 2004/21/0132

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Veröffentlicht am 08.07.2004
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ARB1/80;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §6 Abs1 Z3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/21/0155 E 8. Juli 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 31. März 2004, Zl. Fr-4250a-336/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 und den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Diese Maßnahme begründete sie damit, dass der Beschwerdeführer am 16. August 2002 bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara einen Antrag auf Erteilung eines Visums gestellt und dabei als Reisezweck "Tourist" angegeben habe. Er habe erklärt, dass er nur für den angegebenen Zweck und die angegebene Dauer nach Österreich reisen werde. Auf Grund dieses Antrages sei dem Beschwerdeführer am 29. August 2002 ein Visum "C" (Reisevisum) mit einer Gültigkeitsdauer vom 29. August 2002 bis 25. September 2002 ausgestellt worden. Der nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer sei nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern in Österreich geblieben. Er habe nicht bestritten, dass er beim österreichischen Konsulat in Ankara unrichtige Angaben über den Zweck und die Dauer des Aufenthaltes gemacht habe, um sich die Einreise in das Bundesgebiet zu erschleichen. Sein Antrag vom 17. September 2002 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung sei rechtskräftig abgewiesen worden.

Auf Grund dieses Sachverhalts erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG als erfüllt und die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer könne sich auf keine Rechte aus dem Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 (dem Beschluss Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates vom 19. Dezember 1980 über die Entwicklung der Assoziation - ARB) berufen, ebenso wenig auf gemeinschaftsrechtliche Vorschriften.

Aus Art. 8 EMRK ergebe sich nur ausnahmsweise ein individuelles Zuwanderungsrecht. Vorliegend sei der Familiennachzug nicht das einzige adäquate Mittel für die Etablierung des gemeinsamen Familienlebens. Der Beschwerdeführer habe am 2. Jänner 1991 in der Türkei geheiratet und bis August 2002 von seiner Ehefrau getrennt in der Türkei gelebt. Zum Hinweis des Beschwerdeführers, seine Frau hätte sich mittlerweile entschieden, nach zwei Fehlgeburten keine Kinder mehr zu bekommen, solange der Beschwerdeführer nicht in Österreich leben könnte, sei auszuführen, dass weitere Fehlgeburten auch nicht auszuschließen seien, selbst wenn der Beschwerdeführer in Österreich bleiben könnte. Es seien keine Umstände aufgezeigt worden, die einer gemeinsamen Rückkehr der Familie in die Türkei entgegenstehen würden.

Letztlich erachtete die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot im Sinn des § 37 FrG als dringend geboten und zulässig, da sich der Beschwerdeführer erst seit Ende August 2002 im Inland aufhalte und das Ehepaar bereits früher jahrelang räumlich getrennt gelebt habe. Zudem komme den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen, weshalb der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde hegt, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht und die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 2000/21/0229, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Weiters hat der Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zlen. 2002/21/0138 bis 0140), dass in solchen Fällen der Einreise mit einem Reisevisum zu einer hier befindlichen "Ankerperson" der oder die türkische Staatsangehörige weder Rechte aus dem ARB noch aus dem Gemeinschaftsrecht ableiten könne. Damit gehen die diesbezüglichen umfangreichen Beschwerdeausführungen ins Leere.

Auch § 37 FrG steht dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen. Die inländische Integration des Beschwerdeführers ist wegen der Kürze seines Aufenthaltes nicht maßgeblich. Andererseits wird durch das von ihm gewählte Vorgehen das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen erheblich beeinträchtigt (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2000/21/0229). Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig gesehen werden, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG als dringend geboten erachtete und weiters nach § 37 Abs. 2 leg. cit. den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen hat als den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers, zumal dieser bis zur Einreise im Jahr 2002 von seiner Ehefrau getrennt gelebt hat.

An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119, 120/03, und die darin zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte schon deswegen nichts zu ändern, weil eine in diesem Erkenntnis angesprochene Konstellation hier einerseits wegen des Fehlens von Anhaltspunkten für Hindernisse zur Führung eines gemeinsamen Familienlebens im Heimatstaat des Beschwerdeführers und andererseits deshalb nicht vorliegt, weil nicht aufgezeigt wird, dass für die Ehefrau des Beschwerdeführers die (gemeinsame) Rückkehr in den Heimatstaat - im Blick auf den Entschluss, nunmehr in Abkehr von der selbst gewählten jahrelangen Familientrennung ein Familienleben auch tatsächlich zu führen - unzumutbar wäre. In der Beschwerde wird in keiner Weise konkret dargestellt, warum die im Jahr 1999 versuchte "Existenzgründung in der Türkei" unmöglich gewesen sei. Auch durch ein Familienleben in der Türkei könnte der psychischen Belastung, die zu Fehlgeburten führen könnte, entgegengetreten werden. Im Übrigen wurde die Beschwerde gegen die rechtskräftige Abweisung des Niederlassungsbewilligungsantrages des Beschwerdeführers mit hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 2003/21/0077, in diesem Umfang als unbegründet abgewiesen.

Letztlich vermochte der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom 30. März 2004, Zl. 2004/21/0001, der behaupteten Verfassungswidrigkeit (hauptsächlich des § 36 FrG) nicht näher zu treten, ist doch ohnehin (im Sinn der Beschwerde fallgruppenmäßig) bei Erlassung von Aufenthaltsverboten gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige die Bestimmung des § 48 Abs. 1 FrG iVm dem sekundären Gemeinschaftsrecht (etwa der Richtlinie 64/221/EWG) heranzuziehen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 8. Juli 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004210132.X00

Im RIS seit

13.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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