TE Vfgh Erkenntnis 2000/12/6 V75/00 ua

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Veröffentlicht am 06.12.2000
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplan Nr 3 der Gemeinde Ansfelden vom 15.12.82
Oö RaumOG 1994 §21 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Widmung eines Gebietes als Bauland - Wohngebiet im Flächenwidmungsplan Ansfelden mangels Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen von Betriebsgebiet und Wohngebiet

Spruch

1. Der Flächenwidmungsplan 3 der Gemeinde Ansfelden, Beschluss des Gemeinderates vom 15. Dezember 1982, laut Kundmachung aufsichtsbehördlich genehmigt durch Fristablauf gemäß §21 Abs8 O.ö. Raumordnungsgesetz, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 28. September 1983 bis 13. Oktober 1983, wird, soweit er für das in der KG Ansfelden liegende durch die nachfolgend dargestellten Grenzen umschlossene Gebiet die Widmung "Bauland - Wohngebiet" festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben. Die Grenzen ergeben sich im Norden durch eine an den Mühlbach angrenzende Grünlandfläche, im Osten durch das Betriebsbaugebiet und im Süden und Westen durch eine Hochspannungsleitung der ESG.

2. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Beim Verfassungsgerichtshof sind unter den Zahlen B1688/97, 1689/97 und 1690/97 Beschwerdeverfahren anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt.

1. Zu B1688/97:

Auf Grund des Antrages des K. R. um Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 2815/5 der KG Ansfelden wurde am 7. November 1996 eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt, in der die Eigentümerin des benachbarten Betriebes (und nunmehrige beschwerdeführende Gesellschaft) Einwendungen erhob. Mit Bescheid vom 25. November 1996 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Ansfelden die Baubewilligung und wies die auf §31 Abs5 O.ö. Bauordnung gestützten Einwendungen als unzulässig zurück. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung.

Mit Bescheid vom 11. März 1997 gab der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge und wies die Einwendung gemäß §37 O.ö. BauO 1994 in Verbindung mit §31 Abs5 leg. cit. als unbegründet ab. In der Begründung des Bescheides führte der Gemeinderat aus, dass von einer "heranrückenden Bebauung" deshalb nicht gesprochen werden könne, weil in wesentlich näherer Entfernung zum vorhandenen Betriebsobjekt bereits ein Bestand an Wohnhäusern gegeben sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge. Der Einwand eines benachbarten Betriebes gemäß §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 könne nur dann eine entsprechende Berücksichtigung - etwa durch Vorschreibung entsprechender Auflagen für das Bauvorhaben bzw. im Extremfall durch Versagung der Baubewilligung - finden, wenn es sich bei der neuen Bebauung um eine "heranrückende Bebauung" handle, die neue Bebauung also tatsächlich - räumlich - an den benachbarten Betrieb heranrücke, d.h. näher als eine bereits bestehende Nachbarbebauung an den Betrieb heranreiche und dadurch subjektive Rechte des benachbarten, anlagebetreibenden Grundeigentümers beeinträchtigt werden könnten. Die hiebei zu berücksichtigenden Nachbareinwendungen seien dabei auf die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässigen Immissionen beschränkt.

Da die auf den Grundstücken 2808/65 und 2808/10 bereits bestehenden Wohnhäuser einen deutlich geringeren Abstand zum bestehenden Betriebsgelände aufwiesen als der auf dem Grundstück Nr. 2815/5 geplante Neubau, müsse der benachbarte Betrieb, von dem unzweifelhaft Immissionsbelästigungen auf die Nachbarliegenschaften ausgingen, im Falle der Verwirklichung des geplanten Wohnbauvorhabens nicht mit zusätzlichen Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutze der neuen Nachbarn rechnen. Eine allfällige Auflagenvorschreibung werde sich auf die näher gelegenen, rechtmäßig bestehenden Wohnbauten beziehen. Im Ergebnis könne bei der Bebauung des Grundstücks Nr. 2815/5 nicht von einer "heranrückenden Bebauung" im Sinne des §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 gesprochen werden. Die Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft hätten daher - mangels Zulässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung - keine weitere Berücksichtigung finden können.

2. Zu B1689/97:

Auf Grund des Antrages des H. W. und der A. W. um Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 2815/7 der KG Ansfelden wurde am 7. November 1996 eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt, in der die beschwerdeführende Gesellschaft auf §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 gestützte Einwendungen erhob. Mit Bescheid vom 27. November 1996 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Ansfelden die Baubewilligung und wies die Einwendungen betreffend das Heranrücken neuer Wohnbauten als unzulässig zurück. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung.

Mit Bescheid vom 11. März 1997 bestätigte der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters und wies die auf §31 Abs5 O.ö. BauO gestützten Einwendungen als unbegründet ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge.

3. Zu B1690/97:

Auf Grund des Antrages des H. G. um Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 2815/9 der KG Ansfelden wurde am 7. November 1996 eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt, in der die beschwerdeführende Gesellschaft auf §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 gestützte Einwendungen erhob. Mit Bescheid vom 25. November 1996 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Ansfelden die Baubewilligung und wies die Einwendungen betreffend das Heranrücken neuer Wohnbauten als unzulässig zurück. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung.

Mit Bescheid vom 11. März 1997 bestätigte der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters und wies die auf §31 Abs5 O.ö. BauO gestützten Einwendungen als unbegründet ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge.

II. Aus Anlass dieser zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerdeverfahren hat der Verfassungsgerichtshof am 16. Juni 2000 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit von Teilen des Flächenwidmungsplanes Nr. 3 der Gemeinde Ansfelden von Amts wegen zu prüfen.

1. Der Verfassungsgerichtshof ging im Einleitungsbeschluss vorläufig von folgender Auslegung des §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 aus:

"(...) Gemäß §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 sind bei Neubauten auf bisher unbebauten Grundstücken (heranrückende Bebauung) auch Einwendungen zu berücksichtigen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten baulichen Anlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken. Dies gilt jedoch nur für Immissionen, die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässig sind. In diesem Fall hat der Nachbar die entsprechenden Nachweise beizubringen.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass es bei der Prüfung der Frage, ob Einwendungen des Nachbarn gemäß §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 zu berücksichtigen sind, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, die von einer bestehenden benachbarten baulichen Anlage ausgehen und auf das geplante Bauvorhaben einwirken, nicht darauf ankommt, ob bereits in geringerer Entfernung zur Betriebsanlage Wohnbauten bestehen. Vielmehr dürfte in jedem Einzelfall zu prüfen sein, wie sich die Emissionen eines Betriebes auf das geplante Wohnbauvorhaben auswirken. So wie bei der Errichtung eines neuen Betriebes in räumlicher Nähe zu rechtmäßig bestehenden Wohnbauten die Auswirkungen des geplanten Betriebes auf die bestehenden Wohnbauten für die Frage der Erteilung der Baubewilligung maßgebend sind, so dürfte auch bei der Errichtung eines neuen Wohnhauses in räumlicher Nähe zu einem bestehenden Betrieb die durch den Betrieb verursachte Immissionsbelastung für die Frage der Bewilligungsfähigkeit des Wohnhauses maßgebend sein, und zwar unabhängig von der Frage, ob sich bereits Wohnbauten in geringerer Entfernung zum Betrieb befinden. Denn es fehlt an einer sachlichen Rechtfertigung für die Annahme, dass eine vom Gesetz verpönte schwer wiegende Beeinträchtigung von Wohnbauten durch emittierende Betriebe ausschließlich dann zu unterbinden ist, wenn die Quelle der Emissionen geschaffen werden soll, nicht hingegen in dem bloß durch die zeitliche Abfolge verschiedenen Fall, dass sie bereits besteht und erst durch die Errichtung von Wohnhäusern ihre beeinträchtigende Wirkung entfalten kann (vgl. VfSlg. 13.210/1992)."

2. Der Verfassungsgerichtshof ging weiters davon aus, dass die Beschwerden zulässig sind und die belangte Behörde bei der Entscheidung über die Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft und damit bei Erlassung der angefochtenen Bescheide den Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Gemeinde Ansfelden angewendet hat und dass daher auch der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung diesen Flächenwidmungsplan anzuwenden hätte. Er stellte die Entwicklung des Flächenwidmungsplanes Nr. 3 der Gemeinde Ansfelden wie folgt dar:

"Im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Ansfelden Nr. 1 vom 6. Mai 1966, ergänzt am 15. September 1967 und genehmigt mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 1. April 1968, Bau 6-II-51/6-1966, waren die Parzellen der beschwerdeführenden Gesellschaft als Altbestand (in der Farbe grau) ausgewiesen. An das Areal der beschwerdeführenden Gesellschaft schloss im Westen ein Gebiet an, das als 'proj. Verbauung' gekennzeichnet war.

Mit dem Flächenwidmungsplan Nr. 2, vom Gemeinderat beschlossen am 12. Dezember 1975, von der Oberösterreichischen Landesregierung genehmigt mit Bescheid vom 6. September 1976, Z BauR - 31091/3-1976, wurde das gesamte Areal der beschwerdeführenden Gesellschaft als Betriebsbaugebiet gewidmet. Gegenüber dem Wohnbaugebiet wurde es durch eine Grünfläche abgeschirmt. Diese Rechtslage wurde durch den Flächenwidmungsplan Nr. 3 beibehalten.

Mit der Änderung 3.91, vom Gemeinderat beschlossen am 27. Juni 1996, von der Oberösterreichischen Landesregierung genehmigt mit Bescheid vom 12. Juli 1996, Z BauR - P- 019126/1, wurden gegen das Wohngebiet gerichtete Teile des Areals der beschwerdeführenden Gesellschaft in gemischtes Baugebiet umgewidmet und dieses gegenüber dem Wohngebiet durch eine Schutzzone im Baugebiet mit baulichen Maßnahmen (Bepflanzter Erdwall oder Lärmschutzwand mit Bäumen und Sträuchern) abgeschirmt."

3. Die inhaltlichen Bedenken gegen den Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Gemeinde Ansfelden legte der Verfassungsgerichtshof wie folgt dar:

"Gemäß §21 Abs1 O.ö. ROG dürfen als Bauland nur Flächen vorgesehen werden, die sich aufgrund der natürlichen und der infrastrukturellen Voraussetzungen für die Bebauung eignen. Insbesondere ist gemäß §21 Abs2 leg. cit. bei der Widmung von Gebieten innerhalb des Baulandes deren Lage so aufeinander abzustimmen, dass sie sich gegenseitig möglichst nicht beeinträchtigen (funktionale Gliederung).

Auf Grund der vorgelegten Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes Nr. 3 hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden die gegenständlichen Grundstücke als Wohngebiet gewidmet hat, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass durch den bestehenden Betrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft die als Wohngebiet gewidmeten Flächen in ihrer Wohnqualität durch Lärm beeinträchtigt werden können. Aus den vorgelegten Akten ist für den Verfassungsgerichtshof vorläufig kein Hinweis zu entnehmen, dass der Gemeinderat bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes Nr. 3 bestrebt war, gegenseitige Beeinträchtigungen von Betriebsgebiet und Wohngebiet zu vermeiden. Die anlässlich der Widmung vorgenommene Ausweisung eines Grünlandgebietes an den Rändern zum Betriebsgebiet scheint dem Verfassungsgerichtshof keine ausreichende Maßnahme zur Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen zu sein. Mit der Flächenwidmungsplanänderung Nr. 3.91 wurde zwar der Versuch unternommen, die offenbar als fehlerhaft erkannte Wohnbaulandwidmung nachträglich dadurch zu sanieren, dass ein Teil des Betriebsgebietes in gemischtes Baugebiet umgewidmet und eine Schutzzone verfügt wurde. Dem Grundsatz der Trennung der Widmungsarten, der durch den Flächenwidmungsplan Nr. 3 verletzt zu sein scheint, wäre nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofs aber eher durch Nutzung der bisher unverbauten Flächen als Pufferzone gegenüber dem Betriebsgebiet Rechnung zu tragen gewesen, anstatt durch Erteilung von Baubewilligungen neue Beeinträchtigungsmöglichkeiten zu schaffen. Im Normenprüfungsverfahren wird allerdings zu erörtern sein, ob durch die Änderung des Flächenwidmungsplans Nr. 3.91 dem Anliegen auf Trennung der Widmungsarten insgesamt, vor allem hinsichtlich der bereits bestehenden Wohnbauten besser Rechnung getragen wurde und daher die Widmung der bisher unbebauten Wohngebietsflächen beibehalten werden durfte.

(...) Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. zB VfSlg. 13.887/1994) erfordert es das Rechtsstaatsprinzip, dass der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung eindeutig und unmittelbar - also ohne Heranziehen des Grenzkatasters - feststellen können muss. Der Flächenwidmungsplan Nr. 3 lässt - infolge des Maßstabes 1:5000 - Parzellennummern nicht so scharf erkennen, dass eine eindeutige Identifizierung der Parzellennummer möglich ist. Daher ist es notwendig, den Bereich der präjudiziellen Widmung "Wohngebiet" anhand anderer planlicher Merkmale abzugrenzen. Es scheint dem Verfassungsgerichtshof das Gebiet, in dem die Parzellen Nr. 2815/5, 2815/7 und 2815/9 liegen, auf jenes als "Bauland - Wohngebiet" gewidmete Gebiet eingrenzbar, das im Norden durch eine Grünlandfläche, die ihrerseits bis an den Mühlbach reicht, im Osten durch das Betriebsbaugebiet und im Süden und Westen durch eine Hochspannungsleitung der ESG umschlossen wird."

4. Die Gemeinde Ansfelden erstattete im Verordnungsprüfungsverfahren keine Äußerung.

5. Die Oberösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die in Prüfung gezogene Verordnung verteidigt.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofs, dass die Beschwerden zulässig sind und dass sowohl die belangte Behörde als auch der Verfassungsgerichtshof den in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplan Nr. 3 der Gemeinde Ansfelden bei der Entscheidung über die gemäß §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 erhobenen Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft und somit bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet hat, haben sich als zutreffend erwiesen.

2. Der Auslegung des §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 im Prüfungsbeschluss ist die Oberösterreichische Landesregierung nicht entgegengetreten.

3. Auch die inhaltlichen Bedenken gegen den Flächenwidmungsplan haben sich als zutreffend erwiesen. Der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden hat die gegenständlichen Grundstücke als Wohngebiet gewidmet, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass durch den bestehenden Betrieb der beschwerdeführenden Gesellschaft die als Wohngebiet gewidmeten Flächen in ihrer Wohnqualität durch Lärm beeinträchtigt werden können. Aus den vorgelegten Akten war für den Verfassungsgerichtshof kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gemeinderat - wie es die Regelung des §21 Abs2 vorletzter Satz O.ö. ROG 1994, LGBl. Nr. 114/1993 gebietet - bestrebt war, gegenseitige Beeinträchtigungen von Betriebsgebiet und Wohngebiet zu vermeiden.

Die Oberösterreichische Landesregierung versucht die Gesetzmäßigkeit des in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplanes mit folgenden Argumenten darzutun:

"Durch die Umwidmung von Teilen des gegenständlichen Gebietes vom Betriebsbaugebiet in gemischtes Baugebiet, sowie die Abschirmung dieses Gebietes gegenüber dem Wohngebiet durch ein Schutzgebiet mit baulichen Maßnahmen (bepflanzter Erdwall oder Lärmschutzwand mit Bäumen und Sträuchern), war die verordnungserlassende Behörde bestrebt, gegenseitige Beeinträchtigungen zwischen dem Betriebsbaugebiet und dem Wohngebiet zu vermeiden. Damit ist die verordnungserlassende Behörde dem Gebot des §21 Abs2 O.ö. ROG 1994 nachgekommen, da das Gesetz einen vollständigen Ausschluss der Immissionsbeeinträchtigungen nicht fordert, was aus dem Wort 'möglichst' im Wortlaut dieser Bestimmung abzuleiten ist. Ein solcher Ausschluss wird auch in der Praxis kaum zu realisieren sein.

Die vom bestehenden Betrieb der Firma G.F.L. ausgehenden Emissionen übersteigen die im gemischten Baugebiet zulässigen Emissionen, weshalb eine Ausdehnung des Betriebes, sowie ein dadurch bedingtes Annähern der Widmungen Wohngebiet und Betriebsbaugebiet verhindert werden kann. Die Möglichkeit einer Immissionsbeeinträchtigung der Widmung Wohngebiet wird somit, nicht zuletzt aufgrund des normierten Schutzgebietes, wesentlich verringert."

Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, dass schon infolge der zwangsläufig aneinander grenzenden unterschiedlichen Flächenwidmungen mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten ein gewisses Maß wechselseitiger Beeinträchtigungen niemals zu vermeiden sein wird (vgl. VfSlg. 10.703/1985). Im vorliegenden Fall waren es aber nicht etwa die örtlichen Verhältnisse, die den Ausschluss wechselseitiger Beeinträchtigungen erschwerten. Die Gemeinde hat vielmehr durch die Widmung von Grundflächen in unmittelbarer Nähe eines emittierenden Betriebes als Bauland-Wohngebiet diesen Zustand der Immissionsbeeinträchtigung des Wohnbaulandes geradezu herbeigeführt, anstatt beispielsweise unverbaute, an den Betrieb angrenzende Grundflächen als Pufferzone gegenüber dem Betrieb zu nutzen.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher bei seiner im Prüfungsbeschluss geäußerten Meinung, dass der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden die Widmung der gegenständlichen Grundstücke - entgegen der Verpflichtung des §21 Abs2 vorletzter Satz O.ö. ROG 1994, LGBl. Nr. 114/1993, vorgenommen hat, bei der Widmung von Gebieten innerhalb des Baulandes deren Lage so aufeinander abzustimmen, dass sie sich gegenseitig möglichst nicht beeinträchtigen.

An der gesetzwidrigen Widmung der gegenständlichen Flächen als Wohnbauland vermag auch der nachträgliche Versuch der Gemeinde, die Immissionsbeeinträchtigung des Bauland - Wohngebietes durch Einschränkung des angrenzenden Betriebes und durch ein Schutzgebiet mit baulichen Maßnahmen abzuschirmen, nichts zu ändern.

4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. zB VfSlg. 13.887/1994) erfordert es das Rechtsstaatsprinzip, dass der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung eindeutig und unmittelbar - also ohne Heranziehen des Grenzkatasters - feststellen können muss. Der Flächenwidmungsplan Nr. 3 lässt - infolge des Maßstabes 1:5000 - Parzellennummern nicht so scharf erkennen, dass eine eindeutige Identifizierung der Parzellennummer möglich ist. Daher war es notwendig, den Bereich der präjudiziellen Widmung "Bauland - Wohngebiet" anhand anderer planlicher Merkmale abzugrenzen. Das Gebiet, in dem die Parzellen Nr. 2815/5, 2815/7 und 2815/9 liegen, ist auf jenes als "Bauland - Wohngebiet" gewidmete Gebiet eingrenzbar, das im Norden durch eine Grünlandfläche, die ihrerseits bis an den Mühlbach reicht, im Osten durch das Betriebsbaugebiet und im Süden und Westen durch eine Hochspannungsleitung der ESG umschlossen wird.

5. Der Flächenwidmungsplan 3 der Gemeinde Ansfelden, Beschluss des Gemeinderates vom 15. Dezember 1982, laut Kundmachung aufsichtsbehördlich genehmigt durch Fristablauf gemäß §21 Abs8 O.ö. Raumordnungsgesetz, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 28. September 1983 bis 13. Oktober 1983, war daher, soweit er für das in der KG Ansfelden liegende durch die näher dargestellten Grenzen umschlossene Gebiet die Widmung "Bauland - Wohngebiet" festlegt, als gesetzwidrig aufzuheben.

6. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Rechtsstaatsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:V75.2000

Dokumentnummer

JFT_09998794_00V00075_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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