TE Vfgh Erkenntnis 2000/12/11 V33/00

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Veröffentlicht am 11.12.2000
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Index

54 Außenhandel
54/02 Außenhandelsgesetz 1984

Norm

B-VG Art18 Abs2
AußenhandelsG 1995 §5 Abs1 und Abs3
AußenhandelsG 1995 §8
AußenhandelsV §4 Abs1

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der in der Außenhandelsverordnung normierten Bewilligungspflicht für bestimmte Ausfuhren aus dem Zollgebiet der Europäischen Union wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot; keine Erkennbarkeit der gesetzlichen Grundlage im Hinblick auf die Art der der Bewilligungspflicht unterliegenden Waren, zB Waren qualifiziert militärischen Charakters oder alle Waren bei wirtschaftlichen Notsituationen

Spruch

§4 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Durchführung des Außenhandelsgesetzes 1995 (Außenhandelsverordnung - AußHV), BGBl. II Nr. 187/1997, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt II kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Verwaltungsgerichtshof beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG, §4 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Durchführung des Außenhandelsgesetzes 1995 (Außenhandelsverordnung - AußHV), BGBl. II 187/1997, als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu überdies die Anlage 1 zur AußHV als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die AußHV ist nach ihrer Präambel auf §5 Abs1 und Abs3, §9 Abs6 und §12 des Außenhandelsgesetzes 1995, BGBl. 172, idF BGBl. 429/1996, (AußHG) gestützt. §4 Abs1 AußHV lautet:

"Einer Bewilligung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten bedürfen Rechtsgeschäfte und Handlungen über die Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Europäischen Union von in der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Waren."

Nach §3 AußHG unterliegen der Bewilligungspflicht nach diesem Bundesgesetz Rechtsgeschäfte oder Handlungen, die (u.a.) folgendes zum Gegenstand haben:

"1. die Aus- oder Einfuhr von Waren gemäß einer nach §5 Abs1 erlassenen Verordnung oder

2. ...

3. die Aus- oder Einfuhr von Waren einschließlich Technologie, die Überlassung von außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft befindlichen Waren einschließlich Technologie zur Verbringung in ein anderes Land oder die Vermittlung von Warenlieferungen einschließlich Technologie außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft gemäß einer nach §5 Abs3 erlassenen Verordnung."

Nach §5 Abs1 AußHG hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, (zum Teil im Einvernehmen mit anderen Bundesministern) durch

Verordnung

"Rechtsgeschäfte oder Handlungen, welche die Aus- oder Einfuhr von Waren zum Gegenstand haben, im Handelsverkehr mit bestimmten Staaten oder Gebieten und weiters bestimmte Arten des Warenverkehrs mit dem Ausland vorübergehend für bewilligungspflichtig zu erklären, wenn dies

1.

zur Abwendung schwerer wirtschaftlicher Schäden oder

2.

zur Verhütung oder Behebung von wirtschaftlichen Notständen oder

3.

auf Grund internationaler Verpflichtungen oder

4.

zur Durchführung einer von Österreich mitgetragenen internationalen Maßnahme zur Beschränkung des Warenverkehrs mit bestimmten Staaten oder Gebieten

notwendig ist. Verordnungen dieser Art sind nach Wegfall der die Bewilligungspflicht begründenden Umstände wieder aufzuheben."

Nach §5 Abs3 AußHG hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, (auch hier zum Teil im Einvernehmen mit anderen Bundesministern)

"zur Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen oder zur Wahrung außenpolitischer Interessen mit Verordnung alle oder einzelne der im §3 angeführten Rechtsgeschäfte oder Handlungen im Handelsverkehr mit bestimmten Staaten oder Gebieten für bewilligungspflichtig zu erklären, wenn dies

1.

zur Verhinderung der Ausfuhr von Waren einschließlich Technologie (einschließlich Anlagen oder anlagenspezifischer Teile), die neben einer anderen Verwendungsmöglichkeit auch zur Herstellung, Verbreitung, Prüfung oder Instandhaltung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen (ABC-Waffen) sowie ABC-waffenfähigen Trägersystemen geeignet sind, oder

2.

zur Überwachung der Ausfuhr und der geplanten Verwendung von Waren einschließlich Technologie, die für militärische oder sowohl für zivile als auch militärische Zwecke eingesetzt werden können, soweit es sich nicht um eine nach Z1 kontrollierte Ausfuhr handelt, oder

3.

zur Überwachung der Ausfuhr von Waffen, Munition und Sprengmitteln sowie von Waren einschließlich Technologie (einschließlich Anlagen und anlagenspezifischer Teile), welche neben einer anderen Verwendungsmöglichkeit auch zur Herstellung, Verbreitung, Prüfung oder Instandhaltung von Waffen, Munition und Sprengmitteln, ausgenommen ABC-Waffen und ABC-waffenfähigen Trägersystemen, geeignet sind,

geboten ist. ..."

§8 AußHG enthält die Kriterien, die bei der Entscheidung über Bewilligungsanträge anzuwenden sind. Nach Abs1 Z1 leg.cit. ist bei Entscheidungen über Bewilligungsanträge betreffend Waren, die in einer Verordnung nach §5 Abs1 leg.cit. genannt sind, "auf völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs sowie auf die Durchführung einer von Österreich mitgetragenen internationalen Maßnahme zur Beschränkung des Warenverkehrs mit bestimmten Staaten zu achten und insbesondere auf die Abwendung schwerer wirtschaftlicher Schäden für die Wirtschaft oder einzelne Wirtschaftsbereiche sowie die Verhütung oder Behebung wirtschaftlicher Notstände Bedacht zu nehmen".

Hingegen ist nach §8 Abs1 Z2 leg.cit. die gemäß §5 Abs3 leg.cit. erforderliche Bewilligung "zu versagen, wenn der Bewilligungserteilung völkerrechtliche Verpflichtungen Österreichs entgegenstehen. Darüber hinaus ist bei der Entscheidung über Anträge auf Erteilung einer Bewilligung insbesondere auf die Vermeidung einer Gefahr für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit, die Vermeidung einer Gefahr für die Sicherheit Österreichs, die Vermeidung der Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen Österreichs oder die Vermeidung von Ausfuhren in ein Gebiet, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht, Bedacht zu nehmen."

Für Bewilligungen, die auf Grund einer Verordnung gemäß §5 Abs3 leg.cit. erforderlich sind, enthält überdies §9 Abs2 leg.cit. noch Spezialregelungen.

II. 1. Der Verwaltungsgerichtshof hat über eine (unter Zl. 99/04/0192 protokollierte) Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zu erkennen, mit dem der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Erteilung einer Bewilligung zur Ausfuhr von 300 Stück Pistolen in das Einkaufsland Niederländische Antillen, Bestimmungsland Kolumbien, gemäß §§3, 5 und 8 Abs1 AußHG iVm der AußHV abgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Bundesminister im wesentlichen aus, die gegenständlichen Waren seien von der Anlage 1 zur AußHV erfaßt, weshalb jede Ausfuhr nach §4 dieser Verordnung einer Bewilligung bedürfe, die ihrerseits auf §5 Abs1 und 3 AußHG basiere. Diese Bewilligung wird im betreffenden Bescheid letztlich mit dem Argument versagt, der Antrag widerspreche §8 Abs1 Z2 AußHG, demzufolge auf das Bestehen eines bewaffneten Konfliktes bei Bewilligungserteilung Bedacht zu nehmen sei. In der eingebrachten Beschwerde wird geltend gemacht, auf den Antrag wäre §8 Abs1 Z1 AußHG anzuwenden gewesen; nach dieser Bestimmung hätte die beantragte Bewilligung erteilt werden müssen.

2. Beim Verwaltungsgerichtshof sind aus Anlaß dieser Beschwerde Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §4 Abs1 AußHV entstanden, die er - nach Wiedergabe der bereits oben geschilderten Rechtslage - wie folgt begründet:

"Wie sich aus einer Zusammenschau der zitierten Bestimmungen des Außenhandelsgesetzes 1995 ergibt, unterscheidet dieses Gesetz, was die Bewilligungspflicht der Aus- oder Einfuhr von Waren betrifft, zwischen zwei verschiedenen Warengruppen, nämlich jener, die den Voraussetzungen des §5 Abs1 leg.cit. unterliegen, und jener, die den Voraussetzungen des §5 Abs3 leg.cit. unterliegen. Dementsprechend sind auch im §8 Abs1 Z. 1 und 2 leg.cit. bzw. im §8 Abs2 leg.cit. die Voraussetzungen für die Bewilligung derartiger Rechtsgeschäfte für diese beiden Warengruppen unterschiedlich geregelt.

Demgegenüber unterscheidet die ausdrücklich unter Berufung auf sowohl §5 Abs1 als auch Abs3 AußHG 1995 ergangene Außenhandelsverordnung nicht zwischen diesen beiden Warengruppen, indem im §4 Abs1 undifferenziert Rechtsgeschäfte und Handlungen über Ausfuhren aus dem Zollgebiet der Europäischen Union von allen in der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Waren für bewilligungspflichtig erklärt werden, wobei in der im gegebenen Zusammenhang allein in Betracht kommenden Anlage 1 zu dieser Verordnung nicht zwischen Waren im Sinn des §5 Abs1 AußHG 1995 einerseits und solchen im Sinn des §5 Abs3 leg.cit. unterschieden wird. (Die Anlage 2 zur genannten Verordnung betrifft bei Überlassung und Vermittlung außerhalb des Zollgebietes bewilligungspflichtige Waren und ist daher im gegebenen Zusammenhang, in dem es um die Ausfuhr von Waren geht, außer Betracht zu lassen.)

Da zwar §8 AußHG 1995 (dem System dieses Gesetzes entsprechend) die Bewilligungsvoraussetzungen für die den Tatbestandsvoraussetzungen des §5 Abs1 leg.cit. einerseits und die den Tatbestandsvoraussetzungen des §5 Abs3 leg.cit. andererseits unterliegenden Waren unterschiedlich regelt, die Außenhandelsverordnung hingegen eine Unterscheidung nach diesen Warengruppen nicht kennt, ist in einem Fall, wie er dem Verwaltungsgerichtshof nunmehr vorliegt, in dem nämlich um die Bewilligung der Ausfuhr einer in der Anlage 1 zur genannten Verordnung aufgezählten Gattung von Waren angesucht wird, nicht erkennbar, nach welchen Kriterien, nämlich jenen nach §8 Abs1 Z. 1 oder Z. 2 bzw. Abs2 AußHG 1995 die Bewilligungsvoraussetzungen zu prüfen sind.

Sollte aber die Bestimmung des §4 Abs1 der Außenhandelsverordnung dahin gehend zu verstehen sein, dass auf sämtliche in der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Waren sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des §5 Abs1 AußHG 1995 als auch des §5 Abs3 leg.cit. zutreffen, sodass auch für die Erteilung einer entsprechenden Ausfuhrbewilligung sämtliche im §8 Abs1 Z. 1 und 2 bzw. Abs2 leg.cit. genannten Bewilligungsvoraussetzungen kumulativ zutreffen müssen, so würde damit der im §5 Abs1 und Abs3 AußHG 1995 und damit auch der im §8 Abs1 Z. 1 und Z. 2 bzw. Abs2 leg.cit. genannten Unterscheidung in gesetzwidriger Weise jeder Anwendungsbereich genommen werden.

Sollte aber schließlich, wie dies in der Gegenschrift der belangten Behörde anklingt, §4 Abs1 der genannten Verordnung im Zusammenhang mit deren Anlage 1 dahin zu verstehen sein, dass es Sache des Rechtsanwenders ist, aus der Art der jeweils in der Anlage genannten Ware zu beurteilen, ob diese den Tatbestandsvoraussetzungen des §5 Abs1 AußHG 1995 oder jenen des §5 Abs3 leg.cit. unterliegt, um so die Feststellung treffen zu können, ob sich die Verordnung in diesem Punkt auf die eine oder die andere Gesetzesstelle des Außenhandelsgesetzes stützt, so könnte der Verwaltungsgerichtshof für einen so verstandenen Inhalt dieser Verordnung eine geeignete gesetzliche Grundlage im Außenhandelsgesetz nicht erblicken.

Aus den dargelegten Gründen hegt der Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des §4 Abs1 der genannten Verordnung, weshalb primär der auf Art139 Abs1 B-VG gestützte Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung gestellt wurde.

Sollte der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht gelangen, dass die genannte Bestimmung mit der Anlage 1 dieser Verordnung eine untrennbare Einheit bildet, so wurde für diesen Fall der eingangs genannte Eventualantrag gestellt."

3. Im Verordnungsprüfungsverfahren legte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit als verordnungserlassende Behörde die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er den vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Bedenken entgegenhält, daß einerseits keine Verpflichtung bestehe, einzelne Verordnungsbestimmungen einer bestimmten Rechtsgrundlage zuzuordnen, und andererseits aus der Verordnung im Zusammenhang mit den Bestimmungen des AußHG selbst nach objektiven Kriterien erkennbar sei, welche Bewilligungsvoraussetzungen in einem konkreten Fall anzuwenden seien.

Wörtlich führt der Bundesminister sodann folgendes aus:

"Nach der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung der gesetzlichen Deckung einer Verordnung im Sinne von Art18 B-VG einzig darauf an, dass überhaupt eine gesetzliche Grundlage für sämtliche ihrer Bestimmungen vorhanden ist (vgl. VfSlg Nr. 4375 vom 13. März 1963, B107/62). Gemäß dem Erkenntnis VfSlg Nr. 4052 vom 14. Oktober 1961, V8/61, ist eine Durchführungsverordnung sogar dann gesetzmäßig, wenn sie sich statt auf eine in ihr bezeichnete, aber unzulängliche Ermächtigung auf eine andere taugliche Grundlage zu stützen vermag.

Vor diesem Hintergrund steht außer Zweifel, dass sämtliche Bewilligungspflichten der AußHV durch §5 Abs1 oder Abs3 AußHG 1995, in manchen Fällen auch kumulativ durch beide Bestimmungen, gedeckt sind.

Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zu einer genauen Zuordnung der einzelnen Verordnungsbestimmungen zu den beiden gesetzlichen Grundlagen ist dem AußHG 1995 nicht zu entnehmen. Vielmehr gibt dieses Gesetz selbst bereits klar erkennbar vor, für welche Warengruppen eine Bewilligung nach §5 Abs3 vorgesehen werden kann und für welche Waren nur eine Bewilligungspflicht nach §5 Abs1 in Frage kommt. Während gemäß §5 Abs1 theoretisch alle Warengruppen einer Bewilligung unterworfen werden können, wenn auf sie eine der angeführten Voraussetzungen zutrifft, bezieht sich §5 Abs3 nur auf ganz bestimmte Warengruppen. Es handelt sich dabei um besonders sensible Waren, die selbst gefährlich und friedensbedrohend sein können oder die Vorprodukte zu solchen gefährlichen Waren darstellen. Wegen ihres spezifischen Gefahrenpotentials wurden für diese Waren die strengeren Bewilligungsvoraussetzungen gemäß §8 Abs1 Z2 iVm Abs2 festgelegt. Dabei sind die von diesen strengeren Bewilligungskriterien betroffenen Warengruppen in §5 Abs3 AußHG 1995 klar nach objektiven Kriterien definiert. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich somit, dass auch ohne ausdrückliche Unterscheidung in der Verordnung auf Grund der im Gesetz vorgegebenen objektiven Kriterien erkennbar ist, ob eine bewilligungspflichtige Ware in eine der Gruppen gemäß §5 Abs3 einzuordnen ist, sodass für sie die strengeren Kriterien gemäß §8 Abs1 Z2 iVm Abs2 zur Anwendung kommen."

Nach der derzeitigen Rechtslage - so der Bundesminister weiter - fielen sämtliche Waren der Anlage 1 zur AußHV, die gemäß deren §4 Abs1 einer Bewilligungspflicht in der Ausfuhr unterlägen, unter die in §5 Abs3 AußHG genannten Kategorien. Für die Ausfuhr einzelner dieser Waren in bestimmte Länder würden zusätzlich völkerrechtliche Verpflichtungen gelten, insbesondere Embargovorschriften, so daß auch §5 Abs1 leg.cit. als Rechtsgrundlage herangezogen werden könne. Diese doppelte Rechtsgrundlage führte jedoch hinsichtlich der maßgeblichen Bewilligungskriterien zum selben Ergebnis wie §5 Abs3 AußHG. Für die in §5 Abs3 leg.cit. genannten Warenkategorien ergäbe nämlich die kumulative Anwendung von §8 Abs1 Z1 und §8 Abs1 Z2 iVm Abs2 AußHG, daß nur die strengeren Kriterien des §8 Abs1 Z2 iVm Abs2 leg.cit. heranzuziehen seien.

Der Bundesminister weist überdies daraufhin, daß §5 Abs1 AußHG vor allem deswegen ausdrücklich als Rechtsgrundlage in der Promulgationsklausel der AußHV herangezogen worden sei, weil die durch §1 aufgehobene Verordnung BGBl. 177/1995 auf diese Bestimmung gestützt gewesen sei.

"Unabhängig von der derzeit geltenden Rechtslage kann auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gefolgt werden, dass §4 Abs1 der Unterscheidung der Bewilligungskriterien in §8 Abs1 und 2 in gesetzwidriger Weise jeden Anwendungsbereich nähme, wenn auf sämtliche der in der Anlage genannten Waren sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen des §5 Abs1 als auch jene des §5 Abs3 zuträfen. Es kann nämlich durchaus eine Situation eintreten, in der die Ausfuhr sämtlicher Waren, für die auf Grund ihrer besonderen Sensibilität eine Bewilligungspflicht gemäß §5 Abs3 erforderlich erachtet wird, auch auf Grund einer der Voraussetzungen gemäß §5 Abs1 einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen wären, während für andere Waren keine der Voraussetzungen des §5 Abs1 vorliegt. In so einem Fall kann und darf von der Verordnungsermächtigung des §5 Abs1 hinsichtlich von Waren, die nicht unter eine der in §5 Abs3 genannten Gruppen fallen und für die die Bewilligungsvoraussetzungen des §8 Abs1 Z1 zum Tragen kämen, nicht Gebrauch gemacht werden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen zu einer bestimmten Zeit nicht vorliegen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die vorübergehende Nichtanwendbarkeit der Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen von Bewilligungskriterien in §8 Abs1 und 2 nicht als gesetzwidrig, sondern als vom Gesetz geboten dar."

Aus all diesen Ausführungen folge, daß an der gesetzlichen Deckung von §4 Abs1 und der Anlage 1 der AußHV kein Zweifel bestehen könne. Die vom Verwaltungsgerichtshof geforderte Unterscheidung nach Warengruppen, auf die die Bewilligungskriterien des §8 Abs1 Z1 AußHG einerseits und des §8 Abs1 Z2 iVm Abs2 leg.cit. andererseits anzuwenden seien, seien im AußHG selbst bereits nach objektiv erkennbaren Kriterien getroffen worden.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, daß der Verwaltungsgerichtshof die von ihm angefochtene Bestimmung im Anlaßbeschwerdefall anzuwenden hat.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Verordnungsprüfungsantrag zulässig.

2. Der Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch in der Sache berechtigt:

2.1. Schon §3 AußHG unterscheidet drei Fallgruppen von bewilligungspflichtigen Rechtsgeschäften oder Handlungen und bezieht sich dabei jeweils auf Waren, die in einer Verordnung nach §5 Abs1, 2 oder 3 genannt sind. Die Bestimmungen der Abs1 und 3 (nur diese sind im vorliegenden Zusammenhang von Relevanz) enthalten Verordnungsermächtigungen, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, daß der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung Rechtsgeschäfte oder Handlungen, welche die Aus- oder Einfuhr von Waren zum Gegenstand haben, im Handelsverkehr mit bestimmten Staaten für bewilligungspflichtig erklären kann. Davon abgesehen unterscheiden sich die Ermächtigungen sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen, der Zielsetzung und des sachlichen Geltungsbereiches der Bewilligungspflicht als auch hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereiches. Während Abs1 sich offenbar auf die Ein- oder Ausfuhr sämtlicher Waren beziehen kann und das maßgebende Kriterium für die Bewilligungspflicht eher in der Zielsetzung liegt (Abwendung schwerer wirtschaftlicher Schäden etc.), ist Abs3 von vornherein nur auf die Ausfuhr bestimmter Waren qualifiziert militärischen Charakters bezogen; die belangte Behörde spricht von Waren mit einem spezifischen Gefährdungspotential. Der Grund für die Bewilligungspflichtigkeit liegt hier offenbar bereits im Charakter der Waren begründet, die so geartet sind, daß eine Verhinderung oder zumindest eine Überwachung der Ausfuhr geboten ist, während sich im Fall des Abs1 die Bewilligungspflicht aus dem Effekt und den Umständen der Aus- oder Einfuhr herleitet. Im übrigen kann die Bewilligungspflicht nach §5 Abs1 AußHG im Gegensatz zu jener nach Abs3 leg.cit. nicht unbefristet, sondern nur vorübergehend ausgesprochen werden.

Dementsprechend nennt §8 Abs1 Z1 AußHG hinsichtlich der Bewilligung von Rechtsgeschäften etc. betreffend Waren, die in einer Verordnung nach §5 Abs1 leg.cit. genannt sind, letztlich in etwas anderer Umschreibung als Bewilligungskriterien wieder jene Zielsetzungen, die für die Verordnungserlassung maßgebend sind: Bei der Entscheidung über den Bewilligungsantrag ist auf völkerrechtliche Verpflichtungen sowie auf die Durchführung einer von Österreich mitgetragenen internationalen Maßnahme zur Beschränkung des Warenverkehrs mit bestimmten Staaten zu achten und insbesondere auf die Abwendung schwerer wirtschaftlicher Schäden sowie die Verhütung oder Behebung wirtschaftlicher Notstände Bedacht zu nehmen. Diese legistische Technik bedeutet, daß die Kriterien, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme von Waren in eine Verordnung nach §5 Abs1 leg.cit. bestimmen, praktisch dieselben sind, die dann für die Erteilung der Bewilligung maßgebend sind. Hinsichtlich der in einer Verordnung nach §5 Abs3 leg.cit. aufgezählten Waren nennt §8 Abs1 Z2 leg.cit. (neben dem Versagungsgrund des Verstoßes gegen völkerrechtliche Verpflichtungen) hingegen Kriterien, die in §5 Abs3 leg.cit. nicht vorgesehen sind, nämlich - u.a. - die Vermeidung einer Gefahr für den Weltfrieden oder die Vermeidung von Ausfuhren in ein Gebiet, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht.

Die geschilderten gesetzlichen Vorgaben verlangen nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, daß aus einer auf das AußHG gestützten Verordnung deutlich hervorgeht, ob sie auf §5 Abs1 oder auf §5 Abs3 AußHG gestützt ist. Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang (der Sache nach) meint, aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ergebe sich, daß es für die Beurteilung der gesetzlichen Deckung einer Verordnung lediglich darauf ankomme, daß überhaupt eine taugliche gesetzliche Grundlage vorhanden sei, so ist sie damit wohl im Recht. Sie übersieht jedoch, daß im vorliegenden Fall bereits das Gesetz selbst zwei Kategorien von Bewilligungsverfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Bewilligungskriterien vorsieht. Wenn bei einer solchen Ausgangslage die nähere Regelung dieser Verfahren dem Verordnungsgeber überlassen wird, so können solche Verordnungen nur dann als im Einklang mit Art18 B-VG stehend anerkannt werden, wenn sie in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen, auf welches Bewilligungsverfahren sie sich beziehen. Andernfalls würde die bereits im Gesetz angelegte und geforderte Unterscheidung auf der Ebene der Verordnung in unzulässiger Weise wieder aufgehoben.

Dabei kann es im Ergebnis sicherlich dazu kommen, daß Waren, die in einer auf §5 Abs3 leg.cit. gestützten Verordnung genannt sind, zugleich in eine Verordnung nach §5 Abs1 leg.cit. aufzunehmen sind, weil die Voraussetzungen beider Bestimmungen vorliegen. Daher wäre es wohl auch zulässig, in einer (nur vorübergehend zu erlassenden) Verordnung nach §5 Abs1 leg.cit. auf bestimmte Waren oder Warenkataloge zu verweisen, die zugleich in einer auf §5 Abs3 leg.cit. gestützten Verordnung enthalten sind. Es mag auch sein, daß die Bewilligungskriterien des §8 Abs1 Z2 leg.cit. durchwegs strenger sind als jene der Z1, so daß es wenig Sinn macht, für eine Ware, die ohnehin schon der Bewilligung nach der Z2 unterliegt (also in einer Verordnung nach §5 Abs3 AußHG genannt ist), noch zusätzlich eine Verordnung nach §5 Abs1 leg.cit. zu erlassen. Angesichts der ganz unterschiedlichen Bewilligungskriterien muß aber in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise für den Normunterworfenen erkennbar sein, auf welche Bestimmung sich die Bewilligungspflicht für die betreffende Ware stützt, weil nur dann für ihn voraussehbar ist, ob er mit der Erteilung einer Bewilligung wird rechnen können oder nicht.

2.2. Die Argumente in der Gegenschrift der belangten Behörde sind nicht geeignet, diesen Standpunkt zu entkräften:

Sollte es sich so verhalten, daß sämtliche der in der Anlage 1 zur AußHV genannten Waren einer Bewilligung nach §5 Abs3 AußHG bedürfen und daß für die Ausfuhr einzelner dieser Waren in bestimmte Länder zusätzlich noch völkerrechtliche Verpflichtungen, insbesondere Embargovorschriften zu beachten sind, so mag es zwar zutreffen, daß in solchen Fällen die Kriterien des §8 Abs1 Z2 AußHG jedenfalls strenger sind als die der Z1 leg.cit. und daher bei der Beurteilung von Bewilligungsanträgen nur erstere heranzuziehen sind. Das beweist aber nur, daß es möglicherweise ausreichend gewesen wäre, für die in der Anlage 1 genannten Waren eine Bewilligungspflicht lediglich auf der Basis des §5 Abs3 leg.cit. vorzusehen, somit eine Verordnung nur auf Grund dieser Bestimmung zu erlassen (weil damit auch sämtliche Fälle abgedeckt wären, für die auch eine Bewilligung nach §5 Abs1 AußHG erforderlich ist). Selbst wenn sich der Sachverhalt so darstellen sollte, müßte klar zum Ausdruck kommen, daß die nach §4 Abs1 AußHV iVm der Anlage 1 erforderliche Bewilligung eine solche nach §5 Abs3 AußHG ist und daß daher die hiefür vorgesehenen Bewilligungskriterien zur Anwendung kommen. Der Verfassungsgerichtshof könnte der belangten Behörde jedenfalls nicht folgen, wenn sie zum Ausdruck bringen wollte, dem Normunterworfenen müsse allein auf Grund der Warenbeschaffenheit klar sein, daß sämtliche der in der Anlage 1 zur AußHV genannten Waren solche seien, die unter §5 Abs3 AußHG fielen und daher einer Bewilligung nach §8 Abs1 Z2 leg.cit. bedürften. Ebensowenig kann der Verfassungsgerichtshof der belangten Behörde folgen, wenn sie meint, die "vom Verwaltungsgerichtshof geforderte" Unterscheidung nach Warengruppen, auf die die Bewilligungskriterien des §8 Abs1 Z1 AußHG einerseits und des §8 Abs1 Z2 leg.cit. andererseits anzuwenden sind, sei im AußHG selbst bereits nach objektiv erkennbaren Kriterien getroffen worden. Wie schon oben dargelegt, ist gerade das nicht der Fall. Zwar läßt sich aus §5 Abs3 AußHG ableiten, daß es hier um die Verhinderung oder Überwachung der Ausfuhr von Waren geht, die qualifiziert militärischen Charakter haben oder für militärische Zwecke einsetzbar sind. Im Zusammenhang mit §5 Abs1 AußHG hingegen ist vollkommen offen, um welche Waren es hier geht.

3. Da sich somit weder aus §4 Abs1 AußHV noch aus anderen Vorschriften oder Umständen erkennen läßt, auf welchen der beiden in Betracht kommenden Tatbestände des AußHG (§5 Abs1 oder Abs3) sich die in §4 Abs1 AußHV normierte Bewilligungspflicht stützt, und dies auch nicht aus dem Inhalt der Anlage 1 einwandfrei abgeleitet werden kann, damit aber für den Normunterworfenen nicht eindeutig erkennbar ist, nach welchen Kriterien die Behörde über einen Antrag auf Ausfuhrbewilligung entscheiden wird, ist die Norm gesetzwidrig. Sie ist daher wegen Verstoßes gegen Art18 B-VG aufzuheben.

IV. In Anbetracht dessen, daß sowohl in §6 Abs1 AußHV als auch in §8 leg.cit. auf die Anlage 1 der Verordnung verwiesen wird, die Anlage 1 der AußHV mit §4 Abs1 leg.cit. also keinen untrennbaren Zusammenhang bildet, war auf den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, die Anlage 1 der AußHV als gesetzwidrig aufzuheben, nicht mehr einzugehen, da dieser lediglich für den Fall gestellt wurde, daß der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht gelangen sollte, §4 Abs1 leg.cit. bilde mit der Anlage 1 dieser Verordnung eine untrennbare Einheit.

V. Die Verpflichtung des Bundesministers zur Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG iVm §60 Abs2 VerfGG.

VI. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Außenhandel, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:V33.2000

Dokumentnummer

JFT_09998789_00V00033_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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