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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11994N/PRO/09 EU-Beitrittsvertrag Prot9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des R R in G, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Josef-Egger-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 14. November 2001, Zl. uvs- 2001/K10/074-3, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 28. Juni 2001 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten LKW am 25. September 2000 von Deutschland über die Grenzeintrittstelle Kiefersfelden kommend in Richtung Italien eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Hoheitsgebiet der Republik Österreich durchgeführt, dabei aber weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten (Ökokarte), noch sonstige geeignete Unterlagen, aus denen hervorgehe, dass es sich nicht um eine Transitfahrt oder eine ökopunktpflichtige Transitfahrt gehandelt habe, noch ein im Kraftfahrzeug eingebautes, elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht (Ecotag), mitgeführt. Er habe auf Verlangen der Kontrollorgane am Parkplatz/Kontrollstation Kundl die angeführten Unterlagen nicht vorgelegt. Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes iVm Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 idF der Verordnungen (EG) Nr. 1524/96, Nr. 609/2000 und Nr. 2012/2000 begangen. Über ihn wurde gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 sowie Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes idF BGBl I Nr. 17/1998 eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage) verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Abs. 1 VStG keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund des Ermittlungsverfahrens habe sich ergeben, dass der Beschwerdeführer eine Transitfahrt durchgeführt habe; da der Transport der Polstermöbel von einer näher genannten GmbH durchgeführt worden sei, bestehe kein Zweifel, dass es sich um einen gewerbsmäßigen Transport im Transitverkehr gehandelt habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, er habe von "Ökopunkten nichts gewusst".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Durchführen der gegenständlichen Fahrt im Transitverkehr, er wendet sich aber gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich um eine gewerbsmäßige Transitfahrt gehandelt habe. Seine Dienstgeberin sei ein Unternehmen, das Polstermöbel herstelle, welche zu Kunden ausgeliefert würden, es liege daher "allenfalls" eine Fahrt im Werkverkehr vor. Dass es sich um eine Fahrt im Werkverkehr gehandelt habe, sei dem Beschwerdeführer jedoch nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgehalten worden. Im Übrigen habe es sich um die erste derartige Fahrt des im Transitverkehr unerfahrenen Beschwerdeführers gehandelt, die er kurzfristig übernommen habe. Der Beschwerdeführer habe von seinem Dienstgeber keine Auskünfte bekommen und habe derartige im Hinblick auf die kurzfristige Auftragserteilung auch nicht einholen können. Da es sich um keine gewerbsmäßige Fahrt, sondern um eine solche im Werkverkehr gehandelt habe, habe für den Beschwerdeführer kein Anlass bestanden, sich diesbezüglich Auskünfte einzuholen.
Dem ist folgendes zu entgegnen: Es wäre nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Beschwerdeführer - der die Absicht hatte, die vorliegende Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich durchzuführen - oblegen, sich zuvor über den aktuellen Stand der hierfür maßgeblichen Vorschriften zu informieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 2000/03/0014). Dies gilt auch - und insbesondere - dann, wenn ein im Transitverkehr unerfahrener Kraftfahrzeuglenker seinen ersten diesbezüglichen Auftrag zur Durchführung einer Transitfahrt übernimmt. Desgleichen gilt dies entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht nur für Fahrten im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch Beförderungsunternehmen, sondern auch für den Werkverkehr, zumal gemäß § 1 Abs. 1 GüterbefG dieses Gesetz auch für den Werkverkehr mit Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs gilt. Konkrete Gründe, aus denen es für den Beschwerdeführer unzumutbar gewesen wäre, die nötigen Erkundigungen einzuholen, zeigt er nicht auf. Dass er den Auftrag "kurzfristig" übernommen habe, vermag ihn hierbei nicht zu entschuldigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner in seinem Erkenntnis vom 29. Mai 2001, Zl. 2000/03/0251, ausgeführt, dass aus der Anordnung der Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen das Protokoll Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl. Nr. 45/95, und die Verordnung (EG) Nr. 3298/94 im Güterbeförderungsgesetz 1995 nicht der Schluss gezogen werden kann, dass eine Bestrafung wie die vorliegende von weiteren über die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen hinausgehenden Tatbestandsvoraussetzungen abhängig wäre. Damit war - entgegen dem Beschwerdevorbringen - eine rechtzeitige Verfolgungshandlung betreffend die Frage, ob die Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr oder im Werkverkehr durchgeführt wurde (vgl. § 1 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes), nicht erforderlich (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. Feber 2004, Zl. 2002/03/0066).
Dem Schuldspruch haftet somit eine Rechtswidrigkeit nicht an.
In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:
"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z.8 bezieht."
Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der auf dem Boden dieser Bestimmung getroffene Ausspruch über die im Beschwerdefall verhängte Strafe als inhaltlich rechtswidrig.
Es war daher der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. Juli 2004
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2002030064.X00Im RIS seit
12.08.2004