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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Art12 Abs7 idF 31998L0061;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T AG in W, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 3. März 2003, Zl. W 9/02-21, betreffend Gewährung von offenem Netzzugang, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid trug die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 3 erster Satz Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 idF BGBl. I Nr. 134/2002, auf,
"entweder
A. den direkten oder indirekten Vertrieb von Endgeräten der Marken Siemens Silver Edition SMS und Sagem SLT 10 SMS mit geräteseitig eingebauter automatischer Vorwahl der Ziffernfolge '1001' für jenen Zeitraum zu unterlassen, in dem die netzseitige Implementierung der Ziffernfolge '1001' dazu führt, dass Endkunden der T AG bei Verwendung eines gegenständlichen Endgerätes faktisch solange nicht von der Verbindungsnetzbetreiberauswahl (Call by Call) Gebrauch machen können, als sie nicht im Besitz der notwendigen 'Entsperrinformation' der verfahrensgegenständlichen Endgeräte sind,
oder aber
B. dafür Sorge zu tragen, dass die Käufer der gegenständlichen Endgeräte schon anlässlich des Verkaufes der verfahrensgegenständlichen Endgeräte Siemens Silver Edition SMS und Sagem SLT 10 umfassend mit allen notwendigen Informationen versorgt werden, die erforderlich sind, um die geräteseitig implementierte automatische Vorwahl von '1001' verhindern zu können. Mindestbestandteil der der T AG in diesem Falle aufgetragenen Informationspflichten sind kumulativ die folgenden Punkte:
-
Anpassung der Produktverpackung ('Schuber') inkl. Anpassung der T-Homepage sowie Adaptierung der Produktinformationen der Vertriebspartner (Werbeprospekte) zur wahrheitsgemäßen Information der zukünftigen Käufer, das heißt unter Erläuterung der dauerhaften Entsperrmöglichkeit des Siemens Silver Edition SMS gemäß der folgenden Vorgangsweise:
Möglichkeit 1 - Kurzeingabe:
Eingabe:
'Menü' 8 - 4 - 4 'Menü' 1 <lange Auflegen> unter Hinweis
auf die entsprechende Menüanzeige:
Eingabe
Beschreibung lt. Menü / Display
Menü
8
Auswahl 'Basis einstellen'
4
Auswahl 'Sonderfunktion'
4
Auswahl 'Vorwahlziffer'
Menü
3
Auswahl 'Pause einfügen'
Menü
1
Auswahl 'Speichern'
'lange Auflegen' (= roter Hörer 1 Sekunde lang drücken)
Display wird gelöscht
Ferner wird der T AG aufgetragen, bei der Erläuterung dieses Procederes die Käufer der gegenständlichen Endgeräte ausdrücklich auf die Möglichkeit, den oben beschriebenen Prozess mit Hilfe der vorhandenen Menüführung durchzuführen, hinzuweisen.
-
Entsperranleitung als Korrektur zur Bedienungsanleitung mit Information über die wirkliche Beschaffenheit des Telefons als Beilage zum Telefon inhaltlich entsprechend dem obigen Spiegelstrich
-
Information der bisherigen Käufer mittels Beilage einer dementsprechenden Entsperranleitung - wie oben - beim nächsten Rechnungslauf der T."
Der Beschwerdeführerin wurde freigestellt, welche der beiden angeführten Maßnahmen (Punkt A oder Punkt B) sie zur Abstellung des festgestellten Missbrauchs ergreife. Als Frist für die Beschwerdeführerin wurde ein Zeitraum von zwei Wochen ab Zustellung des angefochtenen Bescheides festgelegt.
2. Begründend führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls seit dem 7. November 2002 ein näher bezeichnetes Schnurlostelefon vertreibe, welches nur zum Betrieb und für Verbindungen über das Netz der Beschwerdeführerin geeignet sei. Dieses Endgerät sowie ein weiteres, ebenfalls im angefochtenen Bescheid näher bezeichnetes Endgerät würden von der Beschwerdeführerin auch im Weg des elektronischen Fernabsatzes vertrieben. Auch dabei werde darauf hingewiesen, dass "1001 jeder gewählten Nummer vorangestellt wird, das heißt, dass weder Call by Call noch eine Carrier Preselection möglich sind."
Die Ziffernfolge "1001" sei derzeit im Netz der Beschwerdeführerin als Code für das Ausführen der Netzfunktionalität "Preselection Override" vorgesehen. Andererseits sei diese Ziffernfolge als Verbindungsnetzbetreiberkennzahl (VNKZ) vorgesehen, die theoretisch dazu diene, Verkehr von direkten Teilnehmern alternativer Netzbetreiber über das Verbindungsnetz der Beschwerdeführerin zu führen. Die automatische Wahl (der Ziffernfolge "1001") durch das Endgerät schließe Verbindungsnetzbetrieb, das heißt eine gewollte Inanspruchnahme alternativer Anbieter durch den Benutzer des Endgeräts, aus, sofern die automatische Wahl durch das Endgerät nicht durch Entsperren des Endgeräts unterbunden werde.
Bei beiden verfahrensgegenständlichen Endgeräten könnten die Endkunden prinzipiell auch über alternative Anbieter telefonieren. Allerdings würde ein Käufer dieser Endgeräte dafür die notwendige Information zum "Entsperren" dieser Endgeräte (Ausschalten der automatischen Vorwahl der Kennzahl "1001") benötigen, da nach Aussendung der Ziffernfolge "1001" die anschließende Wahl einer Verbindungsnetzbetreiberkennzahl nicht möglich sei. Dies geschehe auf Grund der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Implementierung der Netzfunktionalität des "Preselection Override", weil nach der Wahl der Ziffernfolge "1001" keine Wahl einer Verbindungsnetzbetreiberkennzahl möglich sei.
Beide verfahrensgegenständlichen Endgeräte könnten dauerhaft entsperrt werden. Bei beiden Geräten informierten die Beschwerdeführerin bzw. die Vertriebspartner der Beschwerdeführerin die Kunden dahingehend, dass Verbindungsnetzbetrieb nicht möglich sei. Beide Endgeräte seien mit Verpackungen mit der Aufschrift "nur zum Vertrieb und für Verbindungen über das Netz von T geeignet. Für Call bei Call sowie für Carrier Preselection nicht geeignet." (bzw. "nur zum Vertrieb und für Verbindungen über das Netz von T geeignet. Für Call by Call sowie für Carrier Preselection grundsätzlich nicht geeignet.") am 20. Februar 2003 noch im Einzelhandel erhältlich gewesen.
Zumindest seit dem 21. Februar 2003 informiere die Beschwerdeführerin auf ihrer Homepage über die Möglichkeit, bei Verwendung der verfahrensgegenständlichen Endgeräte auch Call by Call sowie Carrier Preselection zu nützen. Dies erfolge mittels elektronischer Weiterverlinkung von der "Shop-Seite" auf die "FAQ"- Seite der Homepage der Beschwerdeführerin, wo "in geraffter und kursorischer Form" über die Möglichkeit, die verfahrensgegenständlichen Endgeräte zu entsperren, informiert werde.
Die belangte Behörde habe am 19. Dezember 2002 und am 19. Februar 2003 die Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 3 TKG zur Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung aufgefordert. Die Beschwerdeführerin habe diesen Aufforderungen nicht binnen der zuletzt gesetzten Frist Folge geleistet.
3. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass § 111 Z. 10 TKG der belangten Behörde als Aufgabe "Untersagung oder Auferlegung eines bestimmten Verhaltens sowie Erklärung von Verträgen als ganz oder teilweise unwirksam gemäß § 34 Abs. 3 und § 35 Abs. 2" zuweise.
Der im vorliegenden Fall maßgebliche sachlich relevante Markt sei der Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines selbst betriebenen festen Telekommunikationsnetzes, da sich das missbräuchliche Verhalten der Beschwerdeführerin auf diesem Markt auswirke. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. September 2002, Zl. M 1/02-114, sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 33 Abs. 4 TKG über eine marktbeherrschende Stellung auf den Märkten für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes bzw. des öffentlichen Mietleistungsdienstes, jeweils mittels eines selbst betriebenen festen Telekommunikationsnetzes, sowie auf dem nationalen Markt für Zusammenschaltungsleistungen im Sinne des TKG verfüge. Der Marktanteil der Beschwerdeführerin auf dem Markt der Erbringung von Sprachtelefoniedienstleistungen im Festnetz betrage demzufolge mehr als 70 %.
Die bei der Anwendung des § 34 TKG zu prüfende Leistung sei der Zugang zum Netz der Beschwerdeführerin, der diskriminierungsfrei auch Betreibern von Verbindungsnetzen gewährt werden müsse. Diese Leistung werde den Wettbewerbern der Beschwerdeführerin auf dem Markt für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen im Festnetz (Festnetzsprachtelefonie) nicht angeboten, weil bei Verwendung der gegenständlichen Endgeräte eine zuvor bestehende Betreibervorauswahl auf Grund der derzeitigen Implementierung der Ziffernfolge "1001" aufgehoben und eine Betreiberauswahl verhindert werde, sofern der Endkunde keine Information über die Entsperrmöglichkeiten der Endgeräte besitze. Nach Ansicht der belangten Behörde verstoße die Beschwerdeführerin dadurch gegen § 34 Abs. 1 TKG, dass sie auf dem Endgerätemarkt Schnurlosendgeräte mit geräteseitig voreingestellter automatischer Wahl von "1001" vertreibe, was dazu führe, dass die Netzfunktion "Preselection Override" ausgeführt werde, und der diskriminierungsfreie Zugang zum Verbindungsnetz unterbunden werde, sofern der Endkunde keine Information über die Entsperrmöglichkeiten der Endgeräte besitze, solange die beschriebene Implementierung der Ziffernfolge 1001 weiterhin im Netz der Beschwerdeführerin implementiert bleibe. Nach einem Beschluss des OLG Wien als Kartellgericht zur Zl. 29 Kt 396/02 vom 27. Jänner 2003 stelle das Vorenthalten der Entsperrinformation einen Behinderungsmissbrauch im Sinne des § 35 Kartellgesetz dar und es sei ferner ausgesprochen worden, dass ein Verweis auf weitere Informationen auf der Homepage der Beschwerdeführerin nicht geeignet sei, von der Beurteilung des Sachverhaltes als Behinderungsmissbrauch abzugehen.
Gemäß § 34 Abs. 1 TKG habe ein Anbieter, der auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung verfüge, Wettbewerbern auf diesem Markt unter Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung unter vergleichbaren Umständen zu gleichwertigen Bedingungen in derselben Qualität Leistungen bereitzustellen, die er am Markt anbiete oder die er für seine eigenen Dienste oder für Dienste verbundener Unternehmen bereitstelle. Hintergrund dieser Bestimmung des ONP-Rechtsrahmens sei die für alternative Anbieter nur schwer zu duplizierende Netzinfrastruktur, insbesondere im Bereich des Zugangsnetzes. Zweck dieser Bestimmung sei es nach Ansicht der belangten Behörde, das durch die bestehende Netzinfrastruktur ("bottleneck"-Effekt) möglicherweise entstehende Missbrauchspotential möglichst hintanzuhalten.
Besonders zu berücksichtigen sei nach Ansicht der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin im Bereich des Zugangsnetzes (Zugangsmarktes) über einen Marktanteil von mehr als 95 % verfüge, und dieser dem Markt für die Erbringung von Sprachtelefoniedienstleistungen im Festnetz, auf dem sich der Missbrauch zu Lasten der alternativen Wettbewerber (wie auch der Kunden) auswirke, vorgelagert sei. Zu berücksichtigen sei ferner, dass es der Beschwerdeführerin nur durch den hohen Marktanteil am Zugangsmarkt wirtschaftlich sinnvoll möglich sei, die gegenständlichen Endgeräte zu verkaufen und so ihre bereits bestehende marktbeherrschende Stellung am Markt der Erbringung von Sprachtelefoniedienstleistungen im Festnetz noch zu verstärken. Ferner zu berücksichtigen sei, dass fast alle alternativen Anbieter von Festnetzsprachtelefonie als Verbindungsnetzbetreiber tätig seien und daher auf die Verkehrsführung ihrer Gespräche zumindest auf jenem Teil des Netzes der Beschwerdeführerin zwingend angewiesen seien, der vom Wählamt der Beschwerdeführerin bis in die Räumlichkeiten des Endkunden reiche ("letzte Meile").
§ 34 TKG stelle eine Schutznorm zugunsten der Wettbewerber der Beschwerdeführerin dar. Auf Grund der geschilderten Auswirkungen bei der Verwendung der gegenständlichen Endgeräte trotz bestehen bleibender Implementierung der Ziffernfolge "1001" unter Vorenthaltung der Entsperrinformation sei nach Ansicht der belangten Behörde davon auszugehen, dass eine Verbreitung der gegenständlichen Endgeräte auf dem Markt für die Wettbewerber der Beschwerdeführerin nachteilige Folgen hätte. Insofern seien etwaige Nutzungsmöglichkeiten der Endkunden "minder entscheidungsrelevant" gewesen. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass auf Grund des Komfortgewinns und des Preisvorteils beim Erwerb die gegenständlichen Endkundengeräte zum "Hauptgerät" des Haushalts würden.
Der Beschwerdeführerin sei insofern zuzustimmen, dass die gegenständlichen Endgeräte tatsächlich keinen Telekommunikationsdienst im Sinne von § 3 Z. 14 TKG darstellten, sondern unter § 3 Z. 2 TKG zu subsumieren seien. Die belangte Behörde habe keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass die gegenständlichen Endgeräte nicht den einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG) entsprechen würden. Der Verkauf von Endgeräten, die den erwähnten Vorschriften des FTEG entsprechen, sei "in telekommunikationsrechtlicher Hinsicht an sich prinzipiell zulässig". Dies gelte allerdings nicht uneingeschränkt; es sei zu prüfen, inwieweit der an sich zulässige Betrieb von Endgeräten nicht durch das Nichtdiskriminierungsgebot des § 34 Abs. 1 TKG eingeengt werden könne. Das geprüfte Verhalten der Beschwerdeführerin verlaufe in zwei Teilhandlungen, erstens dem Verkauf der Endgeräte über eigene und fremde Vertriebskanäle und zweitens dem Beibehalten der bestehenden netzseitigen Implementierung der Ziffernfolge "1001" unter gleichzeitiger Vorenthaltung der Entsperrinformation bzw. sogar (ursprünglich) falscher, in die Irre führender Produktinformation zu Lasten der Endkunden und der Wettbewerber.
Zu dem von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argument, dass die bestehende Form der Implementierung der Ziffernfolge "1001" von der belangten Behörde in dieser Form angeordnet worden sei, führte die belangte Behörde aus, dass diese Implementierung auf Antrag der Beschwerdeführerin selbst angeordnet worden sei.
Nach Auffassung der belangten Behörde entspreche die Situation bei Verwendung eines solchen Endgerätes aus Kundensicht auf Grund der Nichtumgehbarkeit im Endeffekt einer erzwungenen Gesprächsführung über die Beschwerdeführerin.
Zur Abstellung des festgestellten Missbrauchs würden zwei Verhaltensweisen als geeignet erscheinen: Einerseits das Einstellen des Verkaufs der gegenständlichen Endgeräte, andererseits eine umfassende und genaue Information der Käufer der verfahrensgegenständlichen Endgeräte. Es wäre der Beschwerdeführerin freigestellt, entweder den direkten oder indirekten Vertrieb der gegenständlichen Endgeräte für den Zeitraum der gleichzeitigen Implementierung der Ziffernfolge "1001" im Netz der Beschwerdeführerin zu unterlassen oder bereits anlässlich des Kaufs für eine umfassende und genaue Information der Käufer Sorge zu tragen.
4. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die zum Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde maßgebende Rechtsvorschrift des § 34 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997, lautete wie folgt:
"Offener Netzzugang (ONP)
§ 34. (1) Ein Anbieter, der auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, hat Wettbewerbern auf diesem Markt unter Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung unter vergleichbaren Umständen zu gleichwertigen Bedingungen in derselben Qualität Leistungen bereitzustellen, die er am Markt anbietet oder die er für seine eigenen Dienste oder für Dienste verbundener Unternehmen bereitstellt.
(2) Er darf insbesondere den Zugang nur so weit beschränken, als dies den grundlegenden Anforderungen im Sinne des Artikels 3 Abs. 2 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP) (ABl. Nr. L 192 vom 24.7.1990, S 1) entspricht. Dabei ist den Wettbewerbern anzugeben, welche der grundlegenden Anforderungen einer Beschränkung im Einzelfall zugrunde liegt.
(3) Die Regulierungsbehörde kann einem Anbieter, der gegen Abs. 1 verstößt, ein Verhalten auferlegen oder untersagen und Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären, soweit dieser Anbieter seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt. Vor einem solchen Schritt hat die Regulierungsbehörde die Beteiligten aufzufordern, den beanstandeten Missbrauch abzustellen.
(4) Ein Missbrauch wird vermutet, wenn ein Anbieter, der auf dem jeweiligen Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, sich selbst oder verbundenen Unternehmen den Zugang zu seinen intern genutzten und zu seinen am Markt angebotenen Leistungen zu günstigeren Bedingungen ermöglicht, als er sie den Wettbewerbern bei der Nutzung dieser Leistungen für ihre Dienstleistungsangebote einräumt. Dies kann dadurch entkräftet werden, dass der Anbieter Tatsachen nachweist, die die Einräumung ungünstiger Bedingungen, insbesondere die Auferlegung von Beschränkungen, sachlich rechtfertigten."
Mit dieser Bestimmung wurde Art. 6 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG übernommen (vgl. Stratil/Weissenburger, TKG, 2. Auflage, Anmerkung zu § 34). Art. 6 lit. a Richtlinie 97/33/EG lautete:
"Nichtdiskriminierung und Transparenz
Hinsichtlich der Zusammenschaltung der in Anhang I aufgeführten öffentlichen Telekommunikationsnetze und für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdienste, die von Organisationen bereitgestellt werden, die nach Meldung durch die nationalen Regulierungsbehörden beträchtliche Marktmacht besitzen, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
a) die betreffenden Organisationen hinsichtlich der Zusammenschaltung, die sie anderen anbieten, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung einhalten. Sie wenden gegenüber mit ihnen zusammengeschalteten Organisationen, die gleichartige Dienstleistungen erbringen, unter vergleichbaren Umständen gleichwertige Bedingungen an und stellen Zusammenschaltungsleistungen und Informationen für andere zu denselben Bedingungen und mit derselben Qualität bereit, die sie für ihre eigenen Dienste oder die ihrer Tochtergesellschaften oder Partner bereitstellten."
2. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, dass eine Anordnung gemäß § 34 Abs. 3 TKG ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht erlassen werde. § 34 TKG sei im konkreten Fall nicht anwendbar. Die belangte Behörde verkenne, dass der Vertrieb eines Endgerätes den Zugang zu einem Telekommunikationsnetz niemals einschränken könne. Die verfahrensgegenständlichen Schnurlostelefonendgeräte würden unstreitig bei den Endverbrauchern am Netzabschlusspunkt angeschlossen und befänden sich eindeutig "außerhalb" des Netzes der Beschwerdeführerin. Ein Gerät, das sich gar nicht im Netz der Beschwerdeführerin befinde, könne somit denkunmöglich den Zugang zu diesem Netz einschränken.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht ausgesprochen, dass der Missbrauchstatbestand, zu dessen Abstellung die Beschwerdeführerin verpflichtet wurde, allein im Vertrieb der Endgeräte gelegen wäre, sondern sie hat den Missbrauch im Wesentlichen darin erblickt, dass Endgeräte mit geräteseitig eingebauter automatischer Vorwahl der Ziffernfolge "1001" in jenem Zeitraum vertrieben würden, in dem zugleich die Beschwerdeführerin netzseitig eine Implementierung der Ziffernfolge "1001" in der Form vorgenommen habe, dass Endkunden der Beschwerdeführerin bei Verwendung des Endgerätes die Verbindungsnetzbetreiberauswahl nicht möglich sei (jedenfalls solange sie nicht im Besitz der notwendigen "Entsperrinformation" für die verfahrensgegenständlichen Endgeräte seien).
§ 34 TKG richtet sich gegen den Missbrauch der Marktmacht durch diskriminierende Bereitstellung von Zugangsleistungen und setzt in dieser Hinsicht insbesondere das in Art. 6 RL 97/33/EG grundgelegte sektorspezifische Diskriminierungsverbot um. Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 34 TKG ist somit eine Diskriminierung in der Leistungsbereitstellung, sodass nicht jedes Verhalten, das einen nach allgemeinem Wettbewerbsrecht unzulässigen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt (im vorliegenden Fall Behinderungsmissbrauch im Sinne des § 35 KartG, vgl. dazu den Beschluss des Obersten Gerichtshofes als Kartellobergericht vom 17. November 2003, 16 Ok 11/03), zugleich auch als "Diskriminierungsmissbrauch" im Sinne des § 34 TKG zu qualifizieren ist.
3. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid zutreffend davon ausgegangen, dass die bei der Anwendung des § 34 TKG zu prüfende Leistung der Zugang zum Netz der Beschwerdeführerin ist, der diskriminierungsfrei auch Wettbewerbern gewährt werden muss. Im Beschwerdefall ist daher allein maßgeblich, ob das der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verhalten (Implementierung des Auswahlcodes "1001" im Netz der Beschwerdeführerin in Verbindung mit dem Vertrieb der verfahrensgegenständlichen Endgeräte) eine Diskriminierung bei der Bereitstellung von Netzzugangsleistungen darstellt und damit ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 33 TKG vorliegt.
Dass die Implementierung des Auswahlcodes "1001"für die Funktion "Preselection Override" im Netz der Beschwerdeführerin - wie diese in der Beschwerde ausführt - auf einen Bescheid der belangten Behörde zurückgeht, schließt nicht aus, dass - gegebenenfalls durch das Hinzutreten weiterer Umstände wie etwa der konkreten Vertriebsform der Endgeräte - dennoch ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung vorliegen könnte. Auch aus dem Umstand, dass die Implementierung dieser Ziffernfolge im Netz der Beschwerdeführerin den Vorgaben des TKG, der Numerierungsverordnung und des Art. 12 Abs. 7 der Richtlinie 97/33/EG in der Fassung der Richtlinie 98/61/EG entspricht, ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da auch die rechtskonforme Einrichtung von Nummern bzw. Netzfunktionalitäten für sich allein den diskriminierungsfreien Zugang nicht gewährleisten kann.
In diesem Zusammenhang führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, dass durch die - geräteseitig eingestellte - automatische Vorwahl keine diskriminierungsfreie Implementierung der Netzfunktion "Preselection Override" vorgenommen worden wäre. Nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde in Geltung befindlichen Bestimmungen der Numerierungsverordnung wäre nach der Verbindungsnetzbetreiberkennzahl zwingend die Wahl einer Null als Präfix bei nationaler Wahl bzw. einer Doppelnull als Präfix bei internationaler Wahl vorgesehen gewesen. Demgegenüber sei es möglich, nach Ausführung der Netzfunktion "Preselection Override" bei Ortsgesprächen eine Wahl nur der Teilnehmernummer ohne Präfix vorzunehmen.
Soweit mit diesen Ausführungen darauf hingewiesen werden soll, dass durch die Verwendung von Endgeräten mit "automatischer Vorwahl der Verbindungsnetzbetreiberkennzahl" der Beschwerdeführerin im Netz der Beschwerdeführerin die anwendbaren Vorschriften betreffend die Nummerierung (Wählplan) nicht eingehalten werden, begründet auch dies alleine - soferne die selben Wahlmöglichkeiten auch bei der Implementierung anderer Verbindungsnetzbetreiberkennzahlen ermöglicht werden, wozu der angefochtene Bescheid keine Feststellungen enthält - nicht den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des TKG. Es kann dahingestellt bleiben, ob durch die konkrete Implementierung der Funktionalität "Preselection Override" bzw. durch die Ermöglichung der Wahl der Kennzahl für "Preselection Override", auch wenn keine Verbindungsnetzbetreibervorauswahl eingerichtet ist, die anwendbaren Bestimmungen für die Verwendung dieser Kennzahl eingehalten werden. Eine nicht mit dem Wählplan übereinstimmende Wählmöglichkeit wäre gegebenenfalls durch entsprechende Aufsichtsmaßnahmen abzustellen, stellt jedoch für sich genommen keine Diskriminierung bzw. einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung im Bereich der Zugangsgewährung dar.
Unter Zugrundelegung der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen kann in der Einrichtung der Kennzahl "1001" für "Preselection Override" daher keine Diskriminierung von Wettbewerbern bei der Gewährung von Netzzugang erkannt werden.
4. Daran ändert es auch nichts, wenn die Beschwerdeführerin Endgeräte vertreibt (oder den Vertrieb von Endgeräten fördert), die automatisch die Kennzahl "1001" vorwählen. Unstrittig handelt es sich beim Vertrieb von Endgeräten nicht um einen Telekommunikationsdienst im Sinne des § 3 Z. 14 TKG; weder durch den Verkauf dieser Endgeräte, noch durch deren Verwendung - sofern man diese der Beschwerdeführerin zurechnet - wird der Zugang von Verbindungsnetzbetreibern zum Netz der Beschwerdeführerin beschränkt. Wettbewerber der Beschwerdeführerin können ungeachtet der Verwendung der verfahrensgegenständlichen Endgeräte durch Teilnehmer der Beschwerdeführerin im Wege der Zusammenschaltung Gespräche an diese Teilnehmer zustellen; auch die Originierung von Gesprächen dieser Teilnehmer durch Verbindungsnetzbetreiber wird durch das Netz der Beschwerdeführerin nicht behindert. Der Vertrieb von Endgeräten, die bestimmte Kennzahlen automatisiert vorwählen und damit die Möglichkeiten des Teilnehmers, unterschiedliche Netzbetreiber auszuwählen, bei Verwendung dieses Gerätes faktisch einschränken, stellt keine Diskriminierung bei der Gewährung des Netzzuganges für Mitbewerber im Sinne des § 34 TKG dar.
5. Durch die Implementierung der Netzfunktion "Preselection Override" - soweit sie im angefochtenen Bescheid dargestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde - durch die Ziffernfolge "1001" in Verbindung mit dem Vertrieb der voreingestellten Endgeräte wird der Zugang von Wettbewerbern zum Netz der Beschwerdeführerin im Sinne des § 34 TKG daher nicht unzulässig eingeschränkt. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 20. Juli 2004
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003030072.X00Im RIS seit
12.08.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008