TE Vfgh Erkenntnis 2000/12/12 B1688/97 ua

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Veröffentlicht am 12.12.2000
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlassfallwirkung der Aufhebung des Flächenwidmungsplanes Nr 3 der Gemeinde Ansfelden vom 15.12.82, soweit er für ein in der KG Ansfelden liegendes durch näher dargestellte Grenzen umschlossenes Gebiet die Widmung "Bauland - Wohngebiet" festlegt, mit E v 06.12.00, V75/00 ua.

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 18.000,-

bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger fExekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. B1688/97:

1.1. Auf Grund des Antrages des K. R. um Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 2815/5 der KG Ansfelden wurde am 7. November 1996 eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt, in der die Eigentümerin des benachbarten Betriebes (und nunmehrige beschwerdeführende Gesellschaft) Einwendungen erhob. Sie brachte u.a. vor, dass sie auf benachbarten Grundstücken ein lärmintensives Industrieunternehmen zur Produktion von Tapeten und Buntpapierwaren betreibe und außerdem Räume an verschiedene Betriebe vermietet habe. Durch die Errichtung der zusätzlichen Wohnbauten würde sich die derzeitige Situation dahingehend verschärfen, als sie mit zusätzlichen kostenintensiven Auflagen zum Schutz der Anrainer rechnen müsse. Mit Bescheid vom 25. November 1996 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Ansfelden die Baubewilligung und wies die auf §31 Abs5 O.ö. Bauordnung gestützten Einwendungen als unzulässig zurück. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung.

1.2. Im Berufungsverfahren holte der Gemeinderat ein Gutachten zur Frage der Entfernung der geplanten Bauten von der Betriebsanlage der beschwerdeführenden Gesellschaft ein, das ergab, dass sich die bestehenden Bauten auf den Grundstücken 2808/10 und 2808/65 in einer Entfernung von 66 m und 70 m befänden, während das geplante Wohnhaus in einer Entfernung von 141 m von der Betriebsanlage errichtet werden solle.

Mit Bescheid vom 11. März 1997 gab der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge und wies die oben dargestellte Einwendung gemäß §37 O.ö. BauO 1994 in Verbindung mit §31 Abs5 leg. cit. als unbegründet ab. In der Begründung des Bescheides führte der Gemeinderat aus, dass von einer "heranrückenden Bebauung" deshalb nicht gesprochen werden könne, weil in wesentlich näherer Entfernung zum vorhandenen Betriebsobjekt bereits ein Bestand an Wohnhäusern gegeben sei.

1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge. Zur Frage der "heranrückenden Bebauung" habe die Berufungsbehörde zu Recht ausgeführt, dass eine Schlechterstellung bzw. ein Nachteil für einen Betrieb nur dann begründet zu befürchten sei, wenn nicht bereits durch die (rechtmäßig) bestehenden Nachbarn die maximal zulässigen Emissionen eines Betriebes (und somit auch die Immissionen auf den Nachbargrundstücken) normiert werden, bzw. die zulässigen Werte durch den Neubau voraussichtlich vermindert werden müssten. In diesem Sinne könne ein Einwand eines benachbarten Betriebes gemäß §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 nur dann eine entsprechende Berücksichtigung - etwa durch Vorschreibung entsprechender Auflagen für das Bauvorhaben bzw. im Extremfall durch Versagung der Baubewilligung - finden, wenn es sich bei der neuen Bebauung um eine "heranrückende Bebauung" handle, die neue Bebauung also tatsächlich - räumlich - an den benachbarten Betrieb heranrücke, d.h. näher als eine bereits bestehende Nachbarbebauung an den Betrieb heranreiche und dadurch subjektive Rechte des benachbarten, anlagebetreibenden Grundeigentümers beeinträchtigt werden könnten. Die hiebei zu berücksichtigenden Nachbareinwendungen seien dabei auf die auf Grund rechtskräftiger Bescheide zulässigen Immissionen beschränkt.

Da die auf den Grundstücken 2808/65 und 2808/10 bereits bestehenden Wohnhäuser einen deutlich geringeren Abstand zum bestehenden Betriebsgelände aufwiesen als der auf dem Grundstück Nr. 2815/5 geplante Neubau, müsse der benachbarte Betrieb, von dem unzweifelhaft Immissionsbelästigungen auf die Nachbarliegenschaften ausgingen, im Falle der Verwirklichung des geplanten Wohnbauvorhabens nicht mit zusätzlichen Auflagen der Gewerbebehörde zum Schutze der neuen Nachbarn rechnen. Eine allfällige Auflagenvorschreibung werde sich auf die näher gelegenen, rechtmäßig bestehenden Wohnbauten beziehen. Im Ergebnis könne bei der Bebauung des Grundstücks Nr. 2815/5 nicht von einer "heranrückenden Bebauung" im Sinne des §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 gesprochen werden. Die Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft hätten daher - mangels Zulässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung - keine weitere Berücksichtigung finden können.

Wenn die beschwerdeführende Gesellschaft darauf verweise, dass gerade durch die Situierung eines Dieselmotors zur Stromerzeugung und Druckluftversorgung eine andere Beurteilung notwendig gewesen wäre, übersehe sie, dass der Wortlaut des §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 ("heranrückende Bebauung") eindeutig dafür spreche, dass die Entfernung entscheidendes Kriterium zur Beurteilung der Frage der "heranrückenden Bebauung" sei. Außerdem entspreche es den Denkgesetzen, dass die Intensität von Immissionen in engem Zusammenhang mit der Entfernung von der Emissionsquelle zu sehen sei. Im Übrigen sei es für die Verneinung des Tatbestands der heranrückenden Bebauung bereits ausreichend, wenn sich zwischen dem zu bebauenden Grundstück und der bestehenden Betriebsanlage wenigstens ein einziges rechtmäßig bestehendes Wohngebäude befinde.

2. B1689/97:

2.1. Auf Grund des Antrages des H. W. und der A. W. um Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 2815/7 der KG Ansfelden wurde am 7. November 1996 eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt, in der die beschwerdeführende Gesellschaft auf §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 gestützte Einwendungen erhob. Mit Bescheid vom 27. November 1996 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Ansfelden die Baubewilligung und wies die Einwendungen betreffend das Heranrücken neuer Wohnbauten als unzulässig zurück. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung.

2.2. Mit Bescheid vom 11. März 1997 bestätigte der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters und wies die auf §31 Abs5 O.ö. BauO gestützten Einwendungen als unbegründet ab.

2.3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge.

3. B1690/97:

3.1. Auf Grund des Antrages des H. G. um Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück 2815/9 der KG Ansfelden wurde am 7. November 1996 eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt, in der die beschwerdeführende Gesellschaft auf §31 Abs5 O.ö. BauO 1994 gestützte Einwendungen erhob. Mit Bescheid vom 25. November 1996 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Ansfelden die Baubewilligung und wies die Einwendungen betreffend das Heranrücken neuer Wohnbauten als unzulässig zurück. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gesellschaft Berufung.

3.2. Mit Bescheid vom 11. März 1997 bestätigte der Gemeinderat der Gemeinde Ansfelden den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters und wies die auf §31 Abs5 O.ö. BauO gestützten Einwendungen als unbegründet ab.

3.3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die Oberösterreichische Landesregierung der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft keine Folge.

4. Gegen die drei Vorstellungsbescheide der Oberösterreichischen Landesregierung richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die beschwerdeführende Gesellschaft substantiiert nur die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt.

Durch die Änderung des Flächenwidmungsplans (Änderung 3.91) von Trenngrün in Schutzzone im Bauland, welche im Ausmaß von 15 m Breite vorgesehen sei, werde direkt in das Eigentum der beschwerdeführenden Gesellschaft eingegriffen. Die Schutzzone sei als Maßnahme gegen die Emissionen des Betriebsbaugebietes der beschwerdeführenden Gesellschaft gegenüber den angrenzenden Wohnbereichen gedacht. Sie sei auch in einem Bereich vorgesehen, in dem bislang keine Wohnbauten gelegen seien, nämlich genau im Bereich des Grundstückes 2815. Erst durch die geplante Errichtung von Wohnbauten auf diesem Grundstück seien zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen erforderlich geworden.

Weiters behauptet die beschwerdeführende Gesellschaft einen Widerspruch des Flächenwidmungsplanes zu §21 O.ö. ROG, wonach die Lage der im Bauland zu widmenden Gebiete so aufeinander abzustimmen sei, dass sie sich gegenseitig möglichst nicht beeinträchtigen.

5. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

6. Die Gemeinde Ansfelden legte die Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes Nr. 3 vor und beantragt, von einer amtswegigen Prüfung des Flächenwidmungsplanes Abstand zu nehmen.

II. 1. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 16. Juni 2000 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes 3 der Gemeinde Ansfelden, Beschluss des Gemeinderates vom 15. Dezember 1982, laut Kundmachung aufsichtsbehördlich genehmigt durch Fristablauf gemäß §21 Abs8 O.ö. Raumordnungsgesetz, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 28. September 1983 bis 13. Oktober 1983, soweit er für das in der KG Ansfelden liegende durch die unten dargestellten Grenzen umschlossene Gebiet die Widmung "Bauland - Wohngebiet" festlegt, eingeleitet. Die Grenzen ergeben sich im Norden durch eine an den Mühlbach angrenzende Grünlandfläche, im Osten durch das Betriebsbaugebiet und im Süden und Westen durch eine Hochspannungsleitung der ESG.

Mit Erkenntnis vom 6. Dezember 2000, V75-77/00, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Verordnung im näher bezeichneten Umfang als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Die belangte Behörde hat daher eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 14.304/1995).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den - im beantragten Umfang - zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,- enthalten. Für mitbeteiligte Parteien gebührt kein Streitgenossenzuschlag. Es gebührt ebenso kein Ersatz der Stempelmarken.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1688.1997

Dokumentnummer

JFT_09998788_97B01688_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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