TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/23 2004/02/0151

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Veröffentlicht am 23.07.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
VStG §3;
VStG §51e Abs1;
VStG §51g Abs2;
VStG §51g Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des J G in G, vertreten durch Dr. Clemens Schnelzer, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Dr. Franz Weismannstraße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Land Niederösterreich (Außenstelle Zwettl) vom 12. Februar 2004, Zl. Senat-ZT-03-3005, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde erkannte im Instanzenzug mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid den Beschwerdeführer für schuldig, er habe am 12. Juli 2002 um 1.25 Uhr im Krankenhaus Zwettl die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Fahrzeug gelenkt habe und vermutet habe werden können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe die §§ 5 Abs. 2 und Abs. 4 StVO übertreten, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 1 lit. b leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.162,-

- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer ein Fahrzeug gelenkt hatte und Alkoholisierungsmerkmale aufwies. Der Beschwerdeführer brachte vor den Verwaltungsbehörden (ebenso wie vor dem Gerichtshof) vor, er sei infolge des (kurz vorher erlittenen) Unfalles nahe am Ertrinken gewesen, dabei sei ihm Wasser in die Lunge gekommen, weshalb er das geforderte Blasvolumen nicht habe erreichen können.

Entscheidungswesentlich ging die belangte Behörde insoweit von folgendem Sachverhalt aus:

"Der Berufungswerber hat sich mit der Durchführung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat bereit erklärt. Die Untersuchungen erbrachten insofern kein gültiges Messergebnis, da entweder das Blasvolumen zu klein oder die Atmung unkorrekt war. Ein Messergebnis um 01.19 Uhr mit einem gültigen Blasvolumen von 1,9 Liter und einer ausreichenden Blaszeit von 4,0 Sekunden ergab einen Messwert von 0,69 mg/l. Den Beamten gegenüber wurden keine Angaben gemacht, wonach der Berufungswerber nicht in der Lage wäre, den Test durchzuführen. Der Berufungswerber hat selbst angegeben, dass von ihm keine Gründe (Atemnot, Müdigkeit, psychische Unmöglichkeit oder sonstige Belastung) angegeben wurden. Er habe lediglich gesagt, dass 'es nicht gehe'. ...Vom Dienst habenden Turnusarzt (Anm.: Dr. S.) wurde der Berufungswerber kurz vor Beginn des Alkomattestes untersucht und ebenso nach Beendigung des Alkomattestes. Im Zuge der klinischen Untersuchung wurden keine medizinischen Gründe für die Unmöglichkeit der Durchführung der Atemalkoholuntersuchung festgestellt. ... Selbst wenn man von einer Wasseraufnahme in der Lunge und der Aufnahme von Fremdkörpern durch verunreinigtes Wasser ausgeht, so wäre - da eine geringe Wasseraufnahme und Verunreinigung zwar Ursache für eine Lungenentzündung sein kann, aber beim Abhören mit Stethoskop nicht festgestellt werden kann - dem Berufungswerber dennoch die Durchführung des Alkomattestes aus medizinischen Gründen möglich gewesen. Eine Kurzatmigkeit bzw. Atemnot wurde weder von den anwesenden Beamten noch vom Dienst habenden Turnusarzt festgestellt und vom Berufungswerber auch nicht behauptet. Der Zeuge Dr. S. hat angegeben, dass er in diesem Fall auch sofort eingeschritten wäre. Da der medizinische Zusammenhang zwischen der Atemalkoholuntersuchung und der später aufgetretenen Lungenentzündung auf Grund der Anamnese im Krankenhaus Zwettl, des Gutachtens der Bezirkshauptmannschaft Zwettl, der Stellungnahme des medizinischen Sachverständigen beim Amt der NÖ Landesregierung sowie der zeugenschaftlichen Aussage des Dienst habenden Turnusarztes nicht gegeben ist, konnte auch von einer weiteren Beiziehung eines Lungenfacharztes Abstand genommen werden. Der medizinische Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Berufungswerbers im Wasser und der später festgestellten Lungenentzündung ist zwar nachvollziehbar, jedoch für die Beurteilung der Vornahme der Atemalkoholuntersuchung zum Vorfallszeitpunkt nicht entscheidungsrelevant. ..."

Es trifft zu, dass der als Zeuge in der mündlichen Berufungsverhandlung am 3. Dezember 2003 einvernommene Dr. S. unter anderem angab, dass beim Beschwerdeführer eine klinische Untersuchung durchgeführt worden sei; es sei ein EKG gemacht und eine stethoskopische Untersuchung durchgeführt worden. Bei der klinischen Untersuchung der Lunge hätten sich zu diesem Zeitpunkt keine Auffälligkeiten ("gut belüftet") ergeben. Weiters gab der Zeuge an, dass ab einer gewissen Menge Wasser in der Lunge Rasselgeräusche hörbar seien und es sich dabei um pathologische Atemgeräusche handle; bei Fremdkörpern in der Lunge komme es zu einer Hustenreaktion, Atemnot und sei auch das Atemvolumen geringer. Er führte weiters aus, er würde die Frage bejahen, dass eine Untersuchung der Atemluft mittels Alkomat zum angeführten Zeitpunkt möglich gewesen wäre, weil zu diesem Zeitpunkt keine medizinischen Gründe vorgelegen seien, die den Beschwerdeführer daran gehindert hätten. Er sei allerdings kein Pulmologe.

Aus den Angaben des Zeugen Dr. S. lässt sich die von der belangten Behörde getroffene Schlussfolgerung, dass es bei einer geringen - mittels stethoskopischer Untersuchung nicht feststellbaren - Wasseraufnahme in der Lunge zu keinen Einschränkungen der Lungenfunktion gekommen sei, sodass der Beschwerdeführer das erforderliche Blasvolumen hätte aufbringen können, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht mit ausreichender Sicherheit ableiten, zumal es sich dabei um eine Fachfrage aus dem Gebiet der Pulmologie handelt und der Zeuge Dr. S. nach seinen eigenen Angaben diesbezüglich weder über entsprechende fachärztliche Kenntnisse verfügte noch den Beschwerdeführer zum fraglichen Zeitraum speziell auf das Vorhandensein von Wasser (oder anderen Fremdkörpern) in der Lunge untersucht hat.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde erweist sich daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Einholung eines diesbezüglich einschlägigen Gutachtens als erforderlich, wie dies auch in der Stellungnahme des medizinischen Amtssachverständigen des Amtes der NÖ Landesregierung vom 28. Mai 2003 angeregt wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Für das demnach fortzusetzende Verfahren sei noch darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die unbedenklichen und diesbezüglich auch unstrittigen Beweisergebnisse zum Verhalten des Beschwerdeführers seine Ausführungen zur Frage der Zurechnungsfähigkeit ins Leere gehen; es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung, dass es schon auf Grund des situationsbezogenen Verhaltens des Beschwerdeführers entbehrlich war, ein ärztliches Sachverständigengutachten über seine Zurechnungsfähigkeit einzuholen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2002, Zl. 2002/02/0246).

Überdies sei noch darauf hingewiesen, dass in der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat (schriftliche) Gutachten der Sachverständigen nur unter den im § 51g Abs. 3 VStG näher angeführten Fällen verlesen werden dürfen; Sachverständige haben im Verwaltungsstrafverfahren vor dem UVS ihr Gutachten jedenfalls mündlich zu erstatten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2001, Zlen. 98/03/0302, 0303).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Juli 2004

Schlagworte

Alkoholbeeinträchtigung Fahrtüchtigkeit Alkoholbeeinträchtigung von 0,8 %o und darüber

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004020151.X00

Im RIS seit

20.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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