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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1002;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der L AG in W, vertreten durch KPMG Austria Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 1090 Wien, Kolingasse 19, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 15. Februar 2000, Zl. RV/222-06/99, betreffend Haftungs- und Zahlungsbescheid für 1/92 bis 12/94, zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit der angefochtene Bescheid die Lohnsteuerhaftung für 1/92 bis 12/94 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund des Prüfungsauftrages vom 28. März 1995 fand im Unternehmen einer Aktiengesellschaft (AG), deren Gesamtrechtsnachfolgerin die Beschwerdeführerin ist, eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die lohnabhängigen Abgaben für den Zeitraum 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 1994 statt. Im Prüfungsbericht vom 7. Dezember 1995 wird zum "Werkvertrag Fr. Dkfm. B." ausgeführt, B. habe dem Vorstand der AG seit 1. Juli 1989 bis 31. Dezember 1994 angehört. Bis 30. Juni 1994 seien ihre Bezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit behandelt und lohnversteuert worden. Ende Juni 1994 habe B. eine Abfertigung und eine Pensionsabfindung ausbezahlt erhalten. Ab 1. Juli 1994 sei sie mit einem Werkvertrag (monatlich 300.000 S zuzüglich Umsatzsteuer) weiter beschäftigt worden. Das Firmenfahrzeug sei B. bis Ende Dezember 1994 zur Verfügung gestanden. Der auf Grund des Werkvertrages für Dezember 1994 vereinbarte Bezug (500.000 S zuzüglich Umsatzsteuer) sei erst im Jänner 1995 ausbezahlt worden. Im Zuge der Prüfung sei B. befragt worden, aus welchem Grund "vorstehend angeführte Vorgangsweise" gewählt worden sei. Sie habe erklärt, dass sie ab 1. Juli 1994 ihre "Wirtschaftstreuhänderberechtigung wieder ausübt und daher aus dem Dienstverhältnis ausschied". Auf Grund der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO) sei das Ausüben einer Arbeitnehmertätigkeit bei einem Unternehmen unvereinbar und B. habe auch nicht Gefahr laufen wollen, die Wirtschaftstreuhänderprüfung wiederholen zu müssen (was bei einem Ruhen der Berufsberechtigung für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren hätte passieren können). B. sei auch befragt worden, ob sich ihre Tätigkeit nach dem 1. Juli 1994 zu jener davor geändert habe, was von ihr verneint worden sei. Nach Ansicht der Prüfer könne dem Argument der Unvereinbarkeitsbestimmung nach der WTBO steuerlich nicht gefolgt werden. Nach dem wirtschaftlichen Gehalt liege eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses vor. Von den zugeflossenen Nettobeträgen (Honorar ohne Umsatzsteuer) seien daher sowohl Lohnsteuer als auch Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorzuschreiben (Abgabenbemessungsgrundlage einschließlich Pkw-Sachbezug insgesamt 1,542.000 S). Als Konsequenz seien weiters eine Nachversteuerung der Abfertigung als sonstiger Bezug unter Anrechnung auf das Jahressechstel gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 vorzunehmen und die Abfertigung auch dem Dienstgeberbeitrag sowie dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu unterwerfen. Die Versteuerung der Pensionsabfindung sei für jenen Teil, der gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 versteuert worden sei, richtig zu stellen.
Entsprechend den Ausführungen im Prüfungsbericht wurde die AG mit Bescheid vom 13. Dezember 1995 gemäß § 82 EStG 1988 zur Lohnsteuerhaftung sowie gemäß § 41 Abs. 1 FLAG und § 57 Abs. 4 und 5 HKG zur Zahlung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag samt Nebengebühren herangezogen.
In den vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich eine Eingabe der AG an die Lohnsteuerstelle des prüfenden Finanzamtes vom 10. November 1995, in der diese zur Frage der Qualifikation der Einkünfte von Frau B. Stellung nahm. U.a. wurde darin mitgeteilt, dass B. die Aufnahme ihrer freiberuflichen Tätigkeit bei dem für sie zuständigen Finanzamt (nunmehrige Steuernummer 840/6386) angezeigt habe (eine Ablichtung dieser Anzeige war der Eingabe angeschlossen) und auf Grund dieser Anzeige Vorauszahlungen an Einkommensteuer 1994 in Höhe von 500.000 S festgesetzt worden seien (die Höhe dieser Vorauszahlungen habe auf ihren Angaben über die voraussichtlichen Einkünfte aus den Honoraren der AG beruht). B. habe die Steuererklärung für 1994 im Oktober 1995 (somit vor Beginn der Lohnsteuerprüfung) bei ihrem zuständigen Finanzamt eingereicht.
In den Verwaltungsakten ist weiters eine Ablichtung des B. betreffenden Einkommensteuerbescheides vom 13. November 1995 (StNr. 840/6386) abgeheftet, mit dem die Einkommensteuer 1994 mit 645.109 S festgesetzt wurde (bisherige Vorschreibung 552.000 S). Im Gesamtbetrag der Einkünfte sind neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von 2,037.688 S (für den Bezugszeitraum 1. Jänner bis 30. Juni 1994) Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 1,445.475 S enthalten.
In der Berufung gegen den Bescheid vom 13. Dezember 1995 wurde ausgeführt, mit Beendigung des Vorstandsvertrages sei am 1. Juli 1994 an dessen Stelle ein Konsulentenvertrag (Werkvertrag) getreten, mit dem sich B. verpflichtet habe, die AG ab 1. Juli 1994 in ihrer beruflichen Eigenschaft als selbständige Wirtschaftstreuhänderin zu beraten und ihre Funktion als Vorstandsmitglied bis 31. Dezember 1994 auszuüben. Der Konsulentenvertrag sei prinzipiell auf eine Laufzeit vom 1. Jänner 1994 bis 31. Dezember 1997 abgeschlossen gewesen. Der Wille beider Vertragsparteien sei ausdrücklich darauf gerichtet gewesen, einen Werkvertrag abzuschließen, "wie er zwischen einem selbständigen Wirtschaftstreuhänder und dessen Klienten üblicherweise abgeschlossen wird". Die Lohnsteuerprüfer seien hingegen der Auffassung, dass B. in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 1994 keine freiberufliche Tätigkeit als selbständige Wirtschaftstreuhänderin ausgeübt, sondern das bisherige freie Dienstverhältnis, das sie als steuerrechtliches Dienstverhältnis qualifizierten, fortgesetzt habe. Das Einkommensteuerrecht enthalte keine ausdrückliche Regelung über die einkommensteuerliche Behandlung von Mitgliedern des Vorstandes einer AG als Dienstnehmer. Demgegenüber ordne § 22 Z. 1 lit. b EStG 1988 den Beruf des Wirtschaftstreuhänders den Einkünften aus selbständiger Arbeit zu. Durch die Anknüpfung der Bestimmung des § 22 Z. 1 lit. b leg. cit. an die WTBO seien der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Grenzen gesetzt. Frau B. habe ihr Vorstandsmandat auch bereits vom 1. Juli bis 30. September 1989 auf der Grundlage eines Werkvertrages ausgeübt, der zwischen einer Treuhand-AG und der AG abgeschlossen gewesen sei. Nach der WTBO sei eine aufrechte Berufsbefugnis mit einem Dienstverhältnis nur dann vereinbar, wenn dieses Dienstverhältnis bei einem Wirtschaftstreuhänder ausgeübt werde und die entsprechende Legalvollmacht (zumindest Handlungsvollmacht) vorliege, im Rahmen der Berufstätigkeit eigenverantwortlich vorzugehen. Sollte der Berufung wider Erwarten keine Folge gegeben werden, werde u.a. der Eventualantrag auf Einbeziehung der im Jänner 1995 zugeflossenen Quote für Dezember 1994 (500.000 S) mit der "Konsequenz der Sonderzahlungsberücksichtigung gemäß § 67 Abs. 3 EStG 1988" gestellt.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab. B. sei von 1. Juli 1989 bis 31. Dezember 1994 "als Vorstand" der AG tätig gewesen. Bis 30. Juni 1994 seien die Bezüge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt und lohnversteuert worden. Am 30. Juni 1994 sei eine Pensionsabfindung von 300.000 S zuerkannt worden. Vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 1994 habe B. monatlich 300.000 S (exkl. Umsatzsteuer) auf Grund eines Werkvertrages erhalten. Darüber hinaus sei ihr bis Ende 1994 ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestanden. Folgende Merkmale sprächen für die Fortsetzung des Dienstverhältnisses und nicht für das Vorliegen eines Werkvertrages:
"1.)
Vorstandsmitglied bis 31.12.1994 (laut Konsulentenvertrag)
2.)
Verpflichtung laut Vertrag bis 31.12.1994 die gesamte verfügbare Zeit für die AG tätig zu sein
3.)
monatliches Honorar
4.)
Möglichkeit der Verwendung eines Dienstfahrzeuges
5.)
Ebenso weiter zur Verfügung stehendes Büro
6.)
Beendigung des Konsulentenvertrages kann nur unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist durchgeführt werden
7.) Verschwiegenheitspflicht, wodurch eine Vertretung durch eine andere Person nicht möglich ist
8.) Weisungsrecht gegenüber den Mitarbeitern der AG bis 31.12.1994"
Die Ausführungen in der Berufung bezögen sich im Wesentlichen darauf, dass B. ihre Berufsbefugnis als Wirtschaftstreuhänder ab 1. Juli 1994 wieder aufgenommen habe. Es werde nicht bestritten, dass B. aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 22 EStG beziehe. Dass ein Wirtschaftstreuhänder nicht als Vorstand einer Gesellschaft tätig sein dürfe, habe allerdings für die steuerrechtliche Beurteilung eines Dienstverhältnisses keine Bedeutung. Es sei vielmehr der "wahre wirtschaftliche Gehalt" zu beurteilen. In einer Befragung anlässlich der Lohnsteuerprüfung habe B. außerdem ausgeführt, dass sich ihre Tätigkeit nach dem 30. Juni 1994 gegenüber jener vor diesem Zeitpunkt nicht geändert habe. Da das Dienstverhältnis fortgesetzt worden sei, sei auch die für Abfertigungszahlungen vorgesehene Steuerbegünstigung nicht zuzuerkennen und die Zuwendung als sonstiger Bezug unter Anrechnung des Jahressechstels nachzuversteuern gewesen. Ebenso seien der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vorzuschreiben gewesen, weil die Abfertigung nicht mit der Beendigung des Dienstverhältnisses in Zusammenhang gestanden sei. Die Besteuerung der Pensionsabfindung habe in Hinblick auf § 68 Abs. 8 EStG 1988 richtig gestellt werden müssen.
Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass sich das Rechtsverhältnis bis 30. Juni 1994 von jenem ab dem 1. Juli 1994 insoweit unterschieden habe, als bis 30. Juni 1994 die Vorstandstätigkeit "mit ruhender Befugnis" ausgeübt worden sei, während die Vorstandstätigkeit vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 1994 auf Basis eines Werkvertrages erfolgt sei, demzufolge das Konkurrenzverbot ausdrücklich aufgehoben gewesen sei, und B. "somit auch berechtigt hätte, die Tätigkeit im Wege einer juristischen Person auszuüben, wie es in der Zeit vom 1.7. bis 30.9.1989 der Fall war". Die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung werde beantragt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Präambel des im Untertitel als Werkvertrag bezeichneten Konsulentenvertrages werde ausgeführt:
"Auf Basis einer am 15.6.1994 abgeschlossenen Auflösungsvereinbarung des Dienst- und Pensionsvertrages B. vom 30. Jänner 1989, wurde dieser zum 30.6.1994 einvernehmlich beendet. Ab 1. Juli 1994 wird B. nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrages auf Konsulentenbasis eine beratende Tätigkeit gegen regelmäßiges Entgelt für (AG) ausüben. Dem Vorstand der (AG) wird B. bis 31.12.1994 angehören". Der - seltene - Fall eines Werkvertrages könne nur dann angenommen werden, wenn die Verpflichtung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs, etwa in Form eines durch die Geschäftsführung abzuwickelnden konkreten Projektes, vereinbart sei, nicht aber wenn der Gegenstand des Vertrages eine auf Dauer angelegte und damit zeitraumbezogene Erbringung von Leistungen sei. Aus dem vorliegenden Vertrag gehe nicht hervor, worin das konkrete Werk bestehen sollte, zumal lt.
§ 4 des Vertrages im Jahr 1994 eine kontinuierliche Entlohnung mit einem entsprechenden (zeitbezogenen) Bezug von pauschal monatlich 300.000 S (zuzüglich Umsatzsteuer) vereinbart gewesen sei. Aus der Vertragsklausel: "Sollte sich die prozentuelle Inanspruchnahme der Tätigkeit in Abhängigkeit von der verfügbaren Zeit ändern (vgl. § 4), so ändert sich die Honorarhöhe entsprechend" sei ebenfalls die Zeitbezogenheit der Honorarberechnung ersichtlich. Dass überwiegend Indizien für das Vorliegen eines Dienstvertrages vorgelegen seien, habe bereits die Berufungsvorentscheidung aufgelistet. Außerdem sei vereinbart gewesen, dass eine Vertretung durch Dritte im Rahmen des Vertragsverhältnisses ausgeschlossen sei (§ 9). Dass ein Wirtschaftstreuhänder nicht als Vorstand einer Gesellschaft tätig sein dürfe, habe keine Bedeutung für die Beurteilung des vorliegenden Vertragswerkes. Ob ein Vorstandsmitglied seine Arbeitskraft im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 schulde, sei allein auf Grund des Anstellungsvertrages zwischen Vorstand und AG zu beurteilen. Im Beschwerdefall habe sich ergeben, dass das zwischen der AG und B. bestehende Dienstverhältnis fortgesetzt worden sei, sodass die "im Prüfungsbericht dargestellten Konsequenzen betreffend Anrechnung des Jahressechstels und die Abfertigung zu ziehen waren".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 47 Abs. 1 EStG 1988 wird bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25) die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer). Ein Dienstverhältnis liegt nach § 47 Abs. 2 EStG 1988 vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Nach Lehre und Rechtsprechung sind bei der Unterscheidung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, andererseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit, d.h. die Verpflichtung einer natürlichen Person als Dienstnehmer, bei ihrer Tätigkeit die Weisungen eines anderen - des Dienstgebers - zu befolgen, sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Dienstgebers. Es ist daher das Gesamtbild einer Tätigkeit daraufhin zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen. Für die Frage nach dem Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung als Dienstvertrag oder als Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen entscheidend (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2000, 99/14/0166, und vom 28. April 2004, 2000/14/0125, m.w.N.). Ob ein Vorstandsmitglied seine Arbeitskraft im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 schuldet, ist allein auf Grund des das Anstellungsverhältnis zwischen Vorstandsmitglied und AG regelnden Anstellungsvertrages zu beurteilen. Dem stehen auch nicht die aktienrechtlichen Bestimmungen (vgl. §§ 70ff AktG) über die Unabhängigkeit des Vorstands von den anderen Organen der AG entgegen, da es für die Frage des Vorliegens eines Dienstverhältnisses im steuerlichen Sinne allein auf das schuldrechtliche Verhältnis zwischen Vorstandsmitglied und AG ankommt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1999, 97/13/0234, 0235).
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass B. ihre Leistungen als Vorstandsmitglied gegenüber der AG im Zeitraum 1. Juli 1989 bis 30. Juni 1994 im Rahmen eines steuerrechtlich zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führenden Dienstverhältnisses erbracht hat. Maßgebend für diese Leistungserbringung war der zwischen der AG und B. abgeschlossene Dienstvertrag vom 30. Jänner 1989, der B. u.a. verpflichtete, ihre gesamte Arbeitskraft der AG zur Verfügung zu stellen (Punkt 2.; der Anspruch auf "Gebührenurlaub" war in Punkt 6. mit 36 Werktagen festgelegt), die Ausübung anderer Tätigkeiten oder Funktionen nach Maßgabe des Punktes 3. von der ausdrücklichen Bewilligung des Aufsichtsrates abhängig machte, im Wesentlichen einen festen Gehaltsbezug von jährlich brutto 1,344.000 S (zuzüglich einer jährlichen Funktionszulage von 576.000 S) - zahlbar jeweils in zwölf Monatsraten - vorsah und eine Erstattung der Dienstauslagen und Vergütung der Reisekosten regelte. Nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen in der oben wiedergegebenen Berufungsvorentscheidung gab B. über Befragen bei der Lohnsteuerprüfung an, dass sich ihre Tätigkeit für die AG auch nach dem 30. Juni 1994 nicht geändert habe (nach der entsprechenden Aktennotiz umfasste die Tätigkeit von B. "Rechnungswesen, Controlling, Personalwesen, Steuerangelegenheiten"). Nach § 4 des dem Rechtsverhältnis zwischen der AG und B. ab 1. Juli 1994 zu Grunde gelegten "Konsulentenvertrages" sollte B. bis 31. Dezember 1994 100 % der verfügbaren Zeit für die AG tätig sein (die verfügbare Zeit war dabei mit der gesamten Arbeitszeit von B. unter Abzug von 36 Werktagen definiert), § 5 legte für das Jahr 1994 die monatliche Bezahlung eines Pauschalhonorars von 300.000 S zuzüglich Umsatzsteuer fest, wobei sich dieses Monatspauschale im Monat Dezember 1994 auf 500.000 S zuzüglich Umsatzsteuer erhöhte, und § 6 statuierte den Ersatz der mit der vertragsgemäßen Ausübung der Konsulententätigkeit zusammenhängenden Bar- bzw. Nebenauslagen (bis zum 31. Dezember 1994 wurde B. auch ein Kraftfahrzeug, "wie aufgrund des Dienst- und Pensionsvertrages vom 30.1.1989 vorgesehen" zur Verfügung gestellt).
In Zusammenhalt mit den auch in der Berufungsvorentscheidung sowie im angefochtenen Bescheid (ergänzender Hinweis auf das Vertretungsverbot) festgestellten, für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sprechenden Merkmalen vermag der Verwaltungsgerichtshof unter Anwendung der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde zu Unrecht das Fortbestehen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 über den 30. Juni 1994 hinaus angenommen und daraus die entsprechenden steuerrechtlichen Konsequenzen - auch in Bezug auf die in der Beschwerde nicht gesondert bekämpften Folgewirkungen bei der Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag - gezogen hätte. In Bezug auf die jedenfalls für ein Dienstverhältnis sprechende laufende Bezahlung eines monatlichen Pauschalhonorars geht aus den Beschwerdeausführungen nicht hervor, inwieweit dieses Pauschalhonorar jeweils "von der Anzahl der geleisteten Stunden sowie vom Stundensatz bestimmt" gewesen wäre. Dass B. auf der Ausgabenseite ein Unternehmerrisiko getragen hätte, wird auch in der Beschwerde nicht dargetan. Die kontinuierliche und über einen längeren Zeitraum andauernde Erfüllung der Aufgaben der Geschäftsführung lässt auf eine organisatorische Eingliederung in den Organismus des Betriebes schließen, die bereits dann gegeben ist, wenn der Steuerpflichtige auf Dauer einen Teil des rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Organismus bildet und seine Tätigkeit im Interesse dieses Organismus ausüben muss (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 2002, 2001/15/0078 und 2001/15/0062).
Für die steuerrechtliche Qualifikation der Einkünfte ist es maßgeblich, in welchem tatsächlich verwirklichten Schuldverhältnis die Leistungen erbracht werden. Erfolgt dies im Rahmen eines Dienstverhältnisses, ist es für die steuerrechtliche Beurteilung ohne Belang, ob es sich etwa um Leistungen handelte, die - ansonsten - zu Einkünften aus selbständiger Arbeit nach § 22 Z. 1 EStG (beispielsweise aus der Berufstätigkeit der Wirtschaftstreuhänder) führten. Nicht entscheidend für die steuerrechtliche Beurteilung ist es weiters, ob berufsrechtliche Überlegungen (z.B. im Zusammenhang mit dem allenfalls befürchteten Verlust der Berufsbefugnis) bestimmte vertragsmäßige Gestaltungen nahe legten, wenn dadurch an den für die Einkünftequalifikation maßgeblichen Kriterien keine wesentliche Änderung eintrat. Eine solche wesentliche Änderung ist in der in der Beschwerde erwähnten Aufhebung des Konkurrenzverbotes im Konsulentenvertrag jedenfalls nicht zu erblicken, zumal auch nicht ersichtlich ist, in welcher Form diese Aufhebung des Konkurrenzverbotes (die lt. Beschwerde B. auch berechtigt "hätte", die Tätigkeit im Wege einer juristischen Person auszuüben, wie es in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1989 der Fall gewesen sei) in der tatsächlichen Ausgestaltung der Leistungsbeziehung ihren Niederschlag gefunden hat.
Die Haftung des Arbeitgebers nach § 82 EStG 1988 für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer besteht nicht mehr, wenn dem Arbeitnehmer die Einkommensteuer, die auf die entsprechenden Bezüge entfällt, vorgeschrieben worden ist und er die Steuer entrichtet hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2002, 2001/15/0152, m.w.N.). Nach dem oben referierten Akteninhalt hat die AG im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme an die Lohnsteuerstelle unter Nennung des Finanzamtes und einer Steuernummer mitgeteilt, dass B. die strittigen Honorarbezüge ab Juli 1994 in ihrer Steuererklärung für das Jahr 1994 erklärt und darauf auch bereits Vorauszahlungen geleistet habe. Die in den Verwaltungsakten enthaltene Ablichtung des Einkommensteuerbescheides 1994 bestätigt diese Angaben. Damit hätte die belangte Behörde aber prüfen müssen, ob oder inwieweit eine tatsächliche Steuerentrichtung seitens B. der Haftungsinanspruchnahme entgegenstand bzw. diese allenfalls auch unter Ermessensgesichtspunkten im Sinne der Ausführungen im zitierten Erkenntnis 2001/15/0152 hätte unterbleiben müssen. Indem die belangte Behörde eine solche Prüfung unterließ, hat sie - worauf die Beschwerdeführerin im Rahmen einer Ergänzung zur Beschwerde im Ergebnis auch zutreffend hinweist - die Rechtslage verkannt und den angefochtenen Bescheid, soweit er die Haftungsinanspruchnahme betrifft, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Im fortgesetzten Verfahren wird auch auf das im Berufungsschriftsatz enthaltene Eventualbegehren betreffend Einbeziehung der im Jänner 1995 zugeflossenen Honorare für Dezember 1994 in die "Veranlagung" für das Jahr 1994 mit der "Konsequenz der Sonderzahlungsberücksichtigung" Bedacht zu nehmen sein. In Ausführung dieser Verfahrensrüge wird in der Beschwerde im Wesentlichen geltend gemacht, dass bei einer lohnsteuerlichen Erfassung des kurz (vgl. § 19 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1988) nach dem Jahreswechsel im Jänner 1995 zugeflossenen Bezuges noch im Jahr 1994 eine teilweise Besteuerung mit dem begünstigten Steuersatz gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 hätte Platz greifen müssen.
Zum weiters in der Beschwerde erhobenen Verfahrensvorwurf, die belangte Behörde habe trotz entsprechender Antragstellung keine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde über die Berufung monokratisch zu entscheiden hatte und in solchen Fällen keine mündliche Verhandlung vorgesehen war (vgl. Ritz2, BAO-Kommentar, Tz 1 zu § 285).
Der angefochtene Bescheid war somit, soweit er die Lohnsteuerhaftung betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen (betreffend Zahlungsbescheid) war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 3. August 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000130046.X00Im RIS seit
31.08.2004