TE Vfgh Beschluss 2000/12/13 G102/00 - G118/00

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Veröffentlicht am 13.12.2000
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Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
WAO §185 Abs3, Abs4
WAO §243 Abs3
WAO-Nov LGBL 9/2000 ArtII

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der WAO betreffend eine Rückzahlungssperre für überwälzte Abgaben mangels unmittelbarer Betroffenheit der antragstellenden Betreiberin von Getränkemärkten

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Urteil vom 9. März 2000, Rs. C-437/97, entschied der EuGH, daß Art3 Abs2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, im folgenden: Verbrauchsteuerrichtlinie, der Beibehaltung einer auf alkoholische Getränke erhobenen Steuer wie die der Anlaßfälle (es handelte sich hiebei um die Vorschreibung der Getränkesteuer gemäß dem Oö Gemeinde-Getränkesteuergesetz bzw. dem Wiener Getränkesteuergesetz und der Wiener Getränkesteuerverordnung) entgegenstehe. Zur zeitlichen Wirksamkeit seines Urteiles führte der EuGH aus, daß sich niemand auf Art3 Abs2 der Verbrauchsteuerrichtlinie berufen könne, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlaß des Urteils entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

Mit dem "Gesetz, mit dem die Wiener Abgabenordnung geändert wird", LGBl. 9/2000, hat der Wiener Landesgesetzgeber insbesondere jene Bestimmungen der Wiener Landesabgabenordnung, im folgenden: WAO, novelliert, die die Rückzahlung von Guthaben der Abgabepflichtigen zum Gegenstand haben. Weiters wurde die in §243 Abs2 WAO enthaltene Devolutionsfrist von sechs Monaten für bestimmte Verfahren über die Feststellung einer Rückzahlungspflicht auf zwei Jahre verlängert. Die von der Novelle betroffenen Bestimmungen der WAO lauten nunmehr wie folgt (die durch die Novelle angefügten Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§185 (1) Der Abgabepflichtige kann die Rückzahlung von Guthaben (§162 Abs2) beantragen. Die Rückzahlung kann auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Gegen den Rückzahlungsbetrag können der Höhe nach festgesetzte Abgabenschuldigkeiten aufgerechnet werden, die der Abgabepflichtige nicht später als 3 Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

(3) Ein Rückzahlungsanspruch steht insoweit nicht zu, als die Abgabe wirtschaftlich von einem Anderen, als dem Abgabepflichtigen getragen wurde. Soweit eine derart überwälzte Abgabe noch nicht entrichtet wurde, hat die Abgabenbehörde diese mit gesondertem Bescheid vorzuschreiben.

(4) Abs3 ist nicht anzuwenden auf Abgabepflichtige, soweit ihnen die Anlassfallwirkung für eine vom Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig erkannte Abgabenvorschrift zukommt."

"§243 (1) Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen (§59) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

(2) Werden Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz mit Ausnahme solcher Bescheide, die aufgrund von Abgabenerklärungen zu erlassen sind, der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen zugestellt, so geht auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen; er ist abzuweisen, wenn die Verspätung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Abgabenbehörde erster Instanz zurückzuführen ist.

(3) Für Verfahren nach §185 verlängert sich der in Abs2 genannte Zeitraum von sechs Monaten auf zwei Jahre."

Die angeführten Bestimmungen sind gemäß ArtII LGBl. 9/2000 auch auf vor der Kundmachung dieses Gesetzes entstandene Steuerschuldverhältnisse anzuwenden.

2. Die Antragstellerin begehrt, gestützt auf Art140 B-VG, mit näherer Begründung die Aufhebung des §185 Abs3 und - auf Grund des untrennbaren normativen Zusammenhanges - des Abs4 WAO, idF LGBl. 9/2000, die Aufhebung des §243 Abs3 WAO, idF LGBl. 9/2000, sowie der die Rückwirkung anordnenden Bestimmung des ArtII LGBl. 9/2000 als verfassungswidrig. Sie ergänzt dieses Begehren durch zwei Eventualanträge, mit denen lediglich die Aufhebung des §185 Abs3 WAO als verfassungswidrig sowie für den Fall, daß die Prozeßvoraussetzungen nur hinsichtlich des §185 Abs3, erster Satz, WAO gegeben sein sollten, lediglich die Aufhebung dieser Bestimmung begehrt wird.

2.1. In Bezug auf ihre Antragsberechtigung bringt die Antragstellerin im wesentlichen folgendes vor:

Sie betreibe in verschiedenen österreichischen Bundesländern Getränkemärkte. Für die Steuerbemessungszeiträume 1995 bis 1997 sei sie Beschwerdeführerin verschiedener, beim Verwaltungsgerichtshof anhängiger Verfahren in Getränkesteuersachen gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe die angefochtenen Bescheide auf Grund des Urteiles des EuGH vom 9. März 2000, Rs. C-437/97, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. In den nunmehr fortzusetzenden Verfahren hätte die belangte Behörde auf Grund der durch ArtII der Novelle LGBl. 9/2000 angeordneten Rückwirkung §185 Abs3, erster Satz, WAO (Bereicherungsverbot) sowie §243 Abs3 WAO (verlängerte Devolutionsfrist), idF LGBl. 9/2000, anzuwenden.

Für die Steuerzeiträume ab 1998 seien derzeit Verfahren in den verschiedensten Stadien anhängig. Auch in diesen Verfahren hätten die Behörden §185 Abs3, erster Satz, und §243 Abs3 WAO, idF LGBl. 9/2000, anzuwenden.

Ihre Antragslegitimation bezüglich des §243 Abs3 WAO, idF LGBl. 9/2000, begründet die Antragstellerin im wesentlichen damit, daß sie auf Grund des Fehlens einer Bestimmung in der WAO über die Verzinsung zurückzuzahlender Beträge pro Jahr einen Zinsverlust zwischen S 1,5 und S 3 Mio. erleide und es ihr nicht zumutbar sei, die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlich normierten Frist erst nach Ablauf der strittigen Frist nach durchgeführtem Verwaltungsverfahren über eine Beschwerde nach Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Zur Antragslegitimation bezüglich §185 Abs3 WAO, idF LGBl. 9/2000, führt die Antragstellerin aus, daß sie Rückzahlungsansprüche gegenüber der Gemeinde Wien geltend gemacht habe und nun zum Nachweis der Nicht-Überwälzung der Getränkesteuer ein Gutachten vorlegen müsse, das einen unzumutbaren Kostenaufwand verursachen würde. Überdies laufe sie während der Dauer des Verfahrens über den Rückzahlungsanspruch Gefahr, gemäß §7 iVm §17 Abs1 PreisG 1992 bestraft zu werden. §7 PreisG 1992 sehe nämlich vor, daß, wenn in Preisen von Sachgütern oder Leistungen enthaltene Steuern, Abgaben oder Zollbeiträge ganz oder teilweise entfallen, die Preise um diese Beträge herabzusetzen seien. Da die Antragstellerin schon bisher Getränkesteuer nicht auf den Konsumenten überwälzt habe und daher nach Ergehen des EuGH Urteils die Preise nicht habe senken können, seien bereits Strafverfahren gemäß §7 iVm §17 Abs1 PreisG 1992 eingeleitet worden. Die Antragstellerin argumentiert, daß, wenn sie ihrer Verpflichtung nach dem PreisG 1992 nachkomme, dies im Verfahren über die Rückzahlung der Getränkesteuer als Überwälzen auf den Endverbraucher im Sinne des §185 Abs3 WAO angesehen werden könnte.

Eine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit in ihren Rechten ergebe sich ferner daraus, daß sich §185 Abs3 WAO, idF LGBl. 9/2000, nur auf die Rückzahlung von Guthaben, nicht aber auf die Rückzahlung von Gutschriften beziehe. Es liege somit in der Hand der Behörde, ob §185 Abs3 WAO zur Anwendung käme oder nicht. Das Vorliegen von Guthaben sei nämlich davon abhängig, welche sonstigen Steuervorschreibungen die Behörde durchgeführt habe. Da der Antragstellerin somit "keine sichere Möglichkeit" eröffnet sei, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (Guthaben seien abhängig von sonstigen Steuervorschreibungen), sei die Antragstellung zulässig.

Eine weitere unsachliche Diskriminierung, die die Antragstellerin unmittelbar und aktuell in ihren Rechten verletze, sei darüber hinaus die Privilegierung der Anlaßfälle vor dem Verfassungsgerichtshof in §185 Abs4 WAO gegenüber den "Anlaßfällen vor dem EuGH". Es sei ihr nicht zumutbar, vorerst die Verfahren über die Rückzahlungsanträge fortzuführen und erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges die Verfassungswidrigkeit dieser Ungleichbehandlung von Anlaßfällen vor dem Verfassungsgerichtshof und vor dem EuGH an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

2.2. In der Sache selbst macht die Antragstellerin mit ins Einzelne gehender Begründung die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen geltend.

3. Die Wiener Landesregierung hat zu diesem Antrag eine Äußerung erstattet, in der sie die Zulässigkeit des Individualantrages bestreitet bzw. - in eventu - die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Regelungen verteidigt und beantragt, den Indivdualantrag zurückzuweisen bzw.- in eventu - auszusprechen, daß die angefochtenen Bestimmungen nicht verfassungswidrig seien.

Zur Zulässigkeit des Antrages führt die Wiener Landesregierung insbesondere aus:

Hinsichtlich sämtlicher Abgabenzeiträume, für die die Antragstellerin Getränkesteuer entrichtet habe, lägen bereits Entscheidungen der Abgabenbehörde erster Instanz vor. Da §243 Abs3 WAO nur für das erstinstanzliche Verfahren gelte, sei die Antragstellerin in keinem der sie betreffenden Verfahren von der verlängerten Devolutionsfrist des §243 Abs3 WAO unmittelbar und aktuell betroffen. Die Antragstellerin könne nach Verstreichen eines Zeitraumes von sechs Monaten die Säumnisbeschwerde gemäß §27 VwGG erheben. Von einer auf zwei Jahre verlängerten Entscheidungsfrist der Behörde zweiter Instanz sowie dem beschriebenen Zinsverlust könne also jedenfalls nicht gesprochen werden.

Davon abgesehen stehe der Antragstellerin auch bei Vorliegen eines in erster Instanz noch unerledigten Antrages ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung offen, da sie bereits vor Ablauf der Frist einen Devolutionsantrag stellen und gegen den auf §243 Abs3 WAO gestützten Zurückweisungsbescheid Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erheben könne.

Auch hinsichtlich des §185 Abs3 WAO fehle die unmittelbare und aktuelle Betroffenheit. Es sei nämlich nicht nachvollziehbar, warum zum Nachweis, daß eine Bereicherung nicht erfolgt sei, unter Geltung des Offizialprinzipes ein aufwendiges Sachverständigengutachten notwendig sei.

Eine unmittelbare Betroffenheit ergebe sich auch nicht daraus, daß §185 Abs3 WAO nur die Rückzahlung von Guthaben, nicht aber von Gutschriften vorsehe. Eine Gutschrift sei nämlich nur eine Buchungsgröße und könne daher schon begrifflich nicht zurückgezahlt werden. Im Fall einer Verrechnung der Getränkesteuergutschrift mit anderen Abgabenschuldigkeiten werde die Antragstellerin im Ausmaß der Verrechnung von einer Schuld befreit, was wirtschaftlich einer Rückzahlung gleichkäme. Eine Rechtsschutzverkürzung trete auch deshalb nicht ein, weil in einem Verfahren über Rückzahlungsanträge gemäß §185 WAO die Rechtmäßigkeit von Buchungen nicht aufgeworfen werden könne, dies vielmehr in einem besonderen Verfahren nach §163 WAO erfolgen müsse, für welches die verlängerte Devolutionsfrist ohnehin keine Geltung habe.

Zur von der Antragstellerin behaupteten Betroffenheit auf Grund einer drohenden Bestrafung nach §7 iVm §17 Abs1 PreisG 1992 wird u.a. ausgeführt:

"Im Übrigen ist es weder als unzumutbar noch gar als verfassungswidrig anzusehen, dass sich die Antragstellerin auf Grund einer Strafbestimmung zu einer Offenlegung der tatsächlichen Verhältnisse (nämlich, dass im Preis die Getränkesteuer enthalten war) bestimmt sieht und es ihr deshalb nicht gelingt, diese tatsächlichen Verhältnisse in einem anderen Verwaltungsverfahren zu ihrem Vorteil zu verbergen. Wenn aber die Getränkesteuer ohnehin nicht im Preis enthalten war und daher nicht vom Konsumenten getragen wurde, hat die Antragstellerin auch bei Beibehaltung der Preise im Strafverfahren nichts zu befürchten, da sie diesfalls keine Verwaltungsübertretung begangen hätte."

Der Behauptung einer unsachlichen Privilegierung der Anlaßfälle vor dem Verfassungsgerichtshof durch §185 Abs4 WAO hält die Wiener Landesregierung einerseits entgegen, daß der Antragstellerin ein Umweg zumutbar wäre, um die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, andererseits, daß keines der in Wien anhängigen Getränkesteuerverfahren der Antragstellerin Anlaß für das vom Verwaltungsgerichtshof eingeleitete Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH gewesen sei.

II. 1. Der Antrag erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (z.B. VfSlg. 11.726/1988, 13.765/1994).

1.2. Soweit die Antragstellerin sich gegen die Bestimmung des §243 Abs3 WAO, idF LGBl. 9/2000, wendet (die - wie die belangte Behörde zutreffend aufzeigt - nur im erstinstanzlichen Verfahren anzuwenden ist) und ihre Antragslegitimation damit begründet, sie müsse sonst die zweijährige Devolutionsfrist abwarten, um ihre verfassungsrechtlichen Bedenken vorbringen zu können, genügt es darauf hinzuweisen, daß ihr ein zumutbarer Rechtsweg eröffnet ist, ihre Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof auch schon vor Fristablauf heranzutragen. Es steht der Antragstellerin nämlich frei, bereits vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist des §243 Abs3 WAO einen Devolutionsantrag zu stellen. Dieser wäre von der zweitinstanzlichen Behörde als unzulässig zurückzuweisen (siehe VfSlg. 9240/1981; VwGH vom 13. Oktober 1980, Zl. 2397/80, VwSlg. 10.263 A; Walter/Thienel,

Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu §73 AVG E 265 ff. mwN), so daß die Antragstellerin die Möglichkeit hätte, im Zuge der Bekämpfung dieses Bescheides auch ihre Bedenken geltend zu machen. Da somit insofern von einem unmittelbaren Eingriff nicht die Rede sein kann, erübrigt sich auch die Klärung der Frage, in welchem Stadium sich die von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahren befinden.

Wenn die Antragstellerin in diesem Zusammenhang drohende Zinsschäden geltend macht, werden damit lediglich potentielle Beeinträchtigungen aufgezeigt; die bloße Möglichkeit, daß Behörden in Zukunft für ihre Erledigungen ungewöhnlich lange brauchen werden, stellt keine aktuelle Beeinträchtigung einer Rechtsposition dar.

Soweit die Antragstellerin vorbringt, durch die Bestimmung des §185 Abs3 WAO mit einer unzumutbaren Beweisobliegenheit belastet zu werden, macht sie ebenfalls keine aktuelle und unmittelbare Betroffenheit geltend. Sollte diese Bestimmung ihr zu unbestimmt oder gar unvollziehbar erscheinen, so kann die Antragstellerin dies nach Durchführung des Verwaltungsverfahrens in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof geltend machen. Um diesen Weg beschreiten zu können, ist die Einholung eines (kostenaufwendigen) Gutachtens über die Überwälzung keinesfalls erforderlich.

Wenn die Antragstellerin ausführt, daß der Ausschluß des Rückzahlungsanspruches nur für Guthaben und nicht für Gutschriften gelte und es ihr daher im Falle einer Verrechnung von Getränkesteuergutschriften mit anderen Abgabenschuldigkeiten nicht möglich sei, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken geltend zu machen, übersieht sie, daß sie jedenfalls die Möglichkeit hat, einen Antrag auf Rückzahlung der Gutschrift zu stellen, der von der Behörde bescheidmäßig - wenn auch im Hinblick auf §185 Abs3 WAO vermutlich abschlägig - zu erledigen wäre, womit ihr auch insoweit ein zumutbarer Rechtsweg eröffnet ist, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken an den Gerichtshof heranzutragen. Auch dieses Argument ist daher nicht geeignet, eine unmittelbare Betroffenheit darzutun.

Nicht nachvollziehbar ist für den Verfassungsgerichtshof die Behauptung der Antragstellerin, daß sie sich notwendigerweise entweder einer Bestrafung nach §7 iVm §17 Abs1 PreisG 1992 auszusetzen oder aber zu gewärtigen habe, daß die Abgabenbehörde von einer gemäß §185 Abs3 WAO zum Entfall des Rückzahlungsanspruches führenden Überwälzung ausgehen werde. Trifft es nämlich zu, daß die Antragstellerin, wie sie wiederholt vorbringt, die Getränkesteuer auch schon bisher nicht auf die Endverbraucher überwälzt hat, dann ist der Anwendung des §7 PreisG 1992, der nur dann eine Herabsetzung verlangt, wenn Steuern im Preis tatsächlich enthalten waren, der Boden entzogen. Gleichzeitig kommt, weil eben keine Überwälzung stattgefunden hat, der Ausschluß des Rückzahlungsanspruches gemäß §185 Abs3 WAO nicht zur Anwendung. Sowohl §185 Abs3 WAO als auch §7 PreisG 1992 sind nur dann anwendbar, wenn die Getränkesteuer tatsächlich von Letztverbrauchern getragen wurde.

Schließlich vermag der Gerichtshof auch nicht zu erkennen, warum die von der Antragstellerin gerügte Ungleichbehandlung der Anlaßfälle vor dem Verfassungsgerichtshof und der "Anlaßfälle" vor dem EuGH in §185 Abs4 WAO nicht nach Erschöpfung des Instanzenzuges im verwaltungsbehördlichen Verfahren an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden könnte, so daß auch insoweit die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit nicht gegeben erscheint.

Für die Zumutbarkeit eines Weges kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf die Erfolgsaussichten der Parteien in der Sache nicht an (vgl. VfSlg. 13.226/1992 und 13.754/1994).

Soweit die Antragstellerin sich auf jene Judikatur des Gerichtshofes bezieht, in der der Gerichtshof die Antragslegitimation ausnahmsweise auch in Fällen bejaht hat, in denen die angefochtenen Gesetzesstellen im Zeitpunkt der Antragstellung auf den Antragsteller noch gar nicht anwendbar waren (jedoch bereits eine unmittelbare Betroffenheit bewirkt hatten), ist ihr entgegenzuhalten, daß eine solche Konstellation im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.

2. Der Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Finanzverfahren, Rückzahlung Finanzverfahren, Getränkesteuer, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G102.2000

Dokumentnummer

JFT_09998787_00G00102_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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