TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/4 2003/08/0165

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Veröffentlicht am 04.08.2004
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §33 Abs2;
AlVG 1977 §33 Abs3;
AlVG 1977 §36 Abs3 litb;
AlVG 1977 §36a Abs2;
EStG 1988 §2 Abs2;
EStG 1988 §29 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 9, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. April 2003, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2002-9536, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Ausweis der Verwaltungsakten hat der am 29. Oktober 1946 geborene Beschwerdeführer zuletzt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 20 Wochen am 26. November 1998 erschöpft und bezieht seither Notstandshilfe. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellte auf Grund seines zuletzt gestellten Antrages vom 2. August 2002 mit Bescheid vom 25. September 2002 fest, dass ihm vom 2. August bis zum 31. August 2002 Notstandshilfe in der Höhe von täglich EUR 10,88 und ab 1. September 2002 Notstandshilfe in der Höhe von täglich EUR 0,27 gebühre. Das aus Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bestehende Einkommen seiner Ehefrau in Höhe von EUR 252,70 im Juli 2002 und von EUR 758,10 im August 2002 sei auf seine Notstandshilfe des Folgemonates anzurechnen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Ehefrau außer der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung kein anrechenbares Einkommen beziehe. Auch seien "die Voraussetzungen für über 55-jährige heranzuziehen, sodass die Freigrenze EUR 1.305,--" betragen müsste.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld habe bei der Notstandshilfe das Einkommen des Partners des Leistungsbeziehers Einfluss auf die Höhe des Anspruchs. Dessen Einkommen sei auf den "theoretischen Notstandshilfeanspruch" anzurechnen, sodass lediglich der Differenzbetrag zustehe. Dies bedeute, dass bei Leistungswerbern mit einem niedrigen Notstandshilfeanspruch bereits ein niedriges anrechenbares Einkommen den Notstandshilfeanspruch erlöschen lasse. Die Formulierung im erstinstanzlichen Bescheid, dass der Antrag auf Notstandshilfe "mangels Notlage" abgewiesen werde, sei missverständlich, da bei der Feststellung, ob ein Anspruch auf Notstandshilfe bestehe oder nicht bzw. wie hoch der Anspruch nach Anrechnung des Einkommens gegebenenfalls sei, nicht berücksichtigt werde, ob der Arbeitslose und sein Partner damit das Auslangen finden könnten. Die der Ehefrau des Beschwerdeführers zufließenden Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung seien als (anrechenbares) Einkommen anzusehen, sodass die Notstandshilfe - unter Bedachtnahme auf die Freigrenze von EUR 435,-- - richtig ermittelt worden sei. Eine Erhöhung der Freigrenze komme nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer habe sein 50. Lebensjahr am 29. Oktober 1996 vollendet und zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft. Er habe sein 55. Lebensjahr am 29. Oktober 2001 vollendet und auch zu diesem Zeitpunkt weder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft noch auf die Anwartschaft anrechenbare Zeiten von mindestens 240 Monaten oder 1040 Wochen nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Anrechnung des Einkommens seiner mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau widerspreche der Richtlinie 79/7/EWG des Rates zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (Gleichbehandlungsrichtlinie). Außerdem hätte die belangte Behörde in Anbetracht des vom Verwaltungsgerichtshof am 20. November 2002, Zl. 2002/08/0202, gemäß § 26a VwGG gefassten und am 21. Jänner 2003 kundgemachten Beschlusses den angefochtenen Bescheid gar nicht erlassen dürfen.

In den Erkenntnissen vom 14. Jänner 2004, Zlen. 2002/08/0038 (Lebensgefährte) und 2002/08/0202 (Ehemann), hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf Frauen, die die Zuerkennung von Notstandshilfe beantragt haben, die Auffassung vertreten, dass die in § 36 AlVG iVm § 6 der Notstandshilfeverordnung angeordnete Berücksichtigung des Einkommens eines im gemeinsamen Haushalt mit der arbeitslosen Person lebenden Lebensgefährten bzw. Ehemannes bei Beurteilung der Notlage auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass dadurch wesentlich mehr Frauen als Männer Einbußen in ihren Ansprüchen auf Notstandshilfe erleiden bzw. dieser Ansprüche zur Gänze verlustig gehen, nicht dem Diskriminierungsverbot des Art. 4 Abs. 1 der in Rede stehenden Gleichbehandlungsrichtlinie widerspreche.

Der Beschwerdefall, der den Antrag eines Mannes auf Zuerkennung von Notstandshilfe betrifft, entspricht in Ansehung des maßgeblichen Sachverhaltes und der zu entscheidenden Rechtsfragen jenem Beschwerdefall, der mit dem hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2004, Zl. 2003/08/0122, entschieden wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis zunächst zur Frage der Zulässigkeit der Bescheiderlassung die Auffassung vertreten, dass das zu Grunde liegende verwaltungsbehördliche Verfahren durch den am 21. Jänner 2003 im BGBl. II Nr. 15/2003 kundgemachten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes nicht unterbrochen worden sei. Wenn die belangte Behörde ferner das Einkommen der im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer lebenden Ehefrau bei Beurteilung seiner Notlage berücksichtigt hat, ist dies im Lichte der einleitend wiedergegebenen Rechtsprechung ebenfalls nicht als diskriminierend im Sinne der genannten Gleichbehandlungsrichtlinie zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2004, Zl. 2003/08/0087).

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, seine Ehefrau beziehe kein (auf die Notstandshilfe anrechenbares) Einkommen; sie stehe in keinem Dienstverhältnis.

Nach den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat die Ehefrau des Beschwerdeführers an Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (AMSG-Beihilfe) im Juni 2002 EUR 252,70 und im Juni 2002 EUR 758,-- bezogen. Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Notstandshilfe nur zu gewähren, wenn der Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht und sich in Notlage befindet. Notlage liegt gemäß § 33 Abs. 3 AlVG vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Bei der Beurteilung der Notlage sind u.a. die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie des mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners zu berücksichtigen (§ 36 Abs. 2 AlVG). Unter dem nach § 36 Abs. 3 lit. b AlVG zu berücksichtigenden Einkommen des Ehepartners ist gemäß § 36a Abs. 2 AlVG grundsätzlich das Einkommen i.S. des § 2 Abs. 2 EStG 1988 zu verstehen.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers erhält wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 29 Z. 1 EStG 1988 (die gemäß § 3 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 von der Einkommensteuer befreit sind). Diese Bezüge sind somit auf die Notstandshilfe anzurechnendes Einkommen des Ehepartners. Da der Beschwerdeführer weder nach dem 50. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft hat (§ 6 Abs. 3 Notstandshilfeverordnung) noch bei Eintritt der Arbeitslosigkeit nach dem 55. Lebensjahr einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen oder länger erschöpft und auf die Anwartschaft anrechenbare Zeiten von mindestens 240 Monaten oder von 1.040 Wochen nachgewiesen hat (§ 6 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung), kann dem Beschwerdeführer keine Erhöhung der - von der belangten Behörde mit EUR 435,-- (statt gemäß § 6 Abs. 2 Notstandshilfeverordnung mit EUR 430,--) angenommenen - Freigrenze zu Gute kommen. Auch eine Freigrenzenerhöhung im Grunde der Unterhaltsgewährung kommt für den Arbeitslosen selbst nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1976, Slg. 9100/A). Die belangte Behörde hat das Ausmaß der dem Beschwerdeführer zustehenden Notstandshilfe unter Berücksichtigung dieser Freigrenze zutreffend ermittelt.

Soweit die Beschwerde der belangten Behörde vorwirft, sie habe "gegen die ihr obliegende Manuduktionspflicht" verstoßen und es "außerdem unterlassen, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln", ist nicht ersichtlich, inwiefern der vom Beschwerdeführer vermissten Manuduktion bzw. den vermissten (nicht konkretisierten) Feststellungen für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens Relevanz zukommen könnte. Die Verfahrensrüge ist daher mangelhaft ausgeführt.

3. Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 4. August 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003080165.X00

Im RIS seit

03.09.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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