TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/4 2004/08/0052

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Veröffentlicht am 04.08.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §410 Abs1 Z7;
AVG §38;
AVG §56;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des P in O, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11/5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. November 2003, Zl. MA 15-II-2-5374/2003, betreffend Feststellung der Höhe der monatlichen Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:

Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach einer im Akt befindlichen Versicherungserklärung des Beschwerdeführers, eingegangen bei der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt am 7. Juni 2000, ergänzt und unterfertigt durch den Beschwerdeführer am 28. Juli 2000, erklärte der Beschwerdeführer, bereits als "Wirtschaftstreibender, Gesellschafter, Freiberufler nach dem GSVG/FSVG" pflichtversichert zu sein, ebenso als unselbständig erwerbstätiger Beamter. Die unter 6. gestellte Frage "Beantragen Sie die Befreiung von der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, weil Sie am 1. Jänner 1998 bereits das 50. Lebensjahr vollendet und weniger als 180 Pflichtbeitragsmonate erworben haben? (Siehe Broschüre Seite 6.)" beantwortete der Beschwerdeführer mit "Ja".

Mit Schreiben vom 28. Mai 2002 ersuchte der Beschwerdeführer, die vorläufige Beitragsgrundlage für das Jahr 2002 auf die Mindestbeitragsgrundlage herabzusetzen. Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer einerseits versicherungspflichtige Einkünfte auf Grund seiner "Gewerbescheintätigkeit" habe und außerdem "Neuer Selbständiger" sei. Als solcher falle er jedoch unter die "Altersbefreiung" und habe auch einen Antrag auf Befreiung von der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG gestellt.

Mit Schreiben vom 28. August 2003 erhob der Beschwerdeführer gegen "die Vorschreibung vom 26.07.2003" Einspruch und ersuchte um Berichtigung der "Nachbemessung der PV-Beiträge für das Jahr 2000 und 2001". Die Bemessungsgrundlage betrage für 2000 EUR 10.738,66 und für 2001 EUR 12.946,18, das seien die versicherungspflichtigen Einkünfte als Gewerbetreibender. Die Einkünfte als "Neuer Selbständiger" fielen, wie bereits im Schreiben vom 28. Mai 2002 mitgeteilt, bezüglich der Pensionsversicherung unter die "Altersbefreiung".

In Erwiderung darauf wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 4. September 2003 mitgeteilt, dass ein "Herausrechnen" der Einkünfte als "Neuer Selbständiger" nicht möglich sei, da der Beschwerdeführer bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 1. Jänner 1998 als Gewerbetreibender der GSVG Pflichtversicherung unterliege.

Mit Schreiben vom 10. September 2003 beantragte der Beschwerdeführer die "bescheidmäßige Erledigung", da dem Ansuchen vom 28. August 2003 nicht entsprochen worden sei.

Mit Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 23. September 2003 wurde gemäß § 410 ASVG iVm § 194 GSVG festgestellt, dass die monatliche Beitragsgrundlage des Beschwerdeführers in der Pensionsversicherung gemäß § 25 GSVG vom 1. Jänner 2000 bis 31. Dezember 2000 EUR 2.309,75 und vom 1. Jänner 2001 bis 31. Dezember 2001 EUR 2.759,64 betrage. Die Höhe der Beitragsgrundlage in der Krankenversicherung sei nicht Gegenstand dieses Bescheides. Begründend wurde u.a. ausgeführt, § 273 Abs. 7 GSVG könne nicht zum Tragen kommen, da bereits auf Grund einer Gewerbeberechtigung Pflichtversicherung nach dem GSVG bestehe. Der Beschwerdeführer sei daher nicht erst durch das Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in die Pflichtversicherung einbezogen worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, welcher mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausführt, der Beschwerdeführer sei seit 30. September 1996 als Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG unterlegen. Während bestimmter Zeiträume der Jahre 2000 und 2001 sei der Beschwerdeführer auch in einem freien Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs. 4 ASVG zur Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien gestanden. Neben der gewerblichen Tätigkeit habe der Beschwerdeführer auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22 EStG) aus einerTätigkeit für das WIFI und das PIB erzielt, die weder durch den Gewerbeschein noch durch das freie Dienstverhältnis abgedeckt seien und auf Grund derer der Beschwerdeführer auch der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterliege. Die Einkommensteuerbescheide des Beschwerdeführers für die Jahre 2000 und 2001 wiesen Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 29.847,90 bzw. EUR 33.932,91 auf. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 273 Abs. 7 GSVG komme diese Bestimmung für die Feststellung der Höhe der Beitragsgrundlagen nicht zur Anwendung, da der Beschwerdeführer bereits vor Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterlegen sei. § 273 Abs. 7 GSVG diene seinem Zweck nach nicht dazu, eine Beitragsgrundlagenkorrektur in dem Fall durchzuführen, dass ein Teil der aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünfte nicht unter die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG falle. Die Einbeziehung der Einkünfte aus der nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG versicherungspflichtigen Tätigkeit in die Beitragsgrundlage bei gleichzeitigem Bestand einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG entspreche vielmehr der Absicht des Gesetzgebers nach Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 2004, Zl. B 1794/03-3, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, erging der erstinstanzliche Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt vom 23. September 2003, der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 10. September 2003. Darin beruft sich der Beschwerdeführer auf das Ansuchen vom 28. August 2003, mit dem gegen die Vorschreibung vom 26. Juli 2003 Einspruch erhoben und um Berichtigung der Nachbemessung der PV-Beiträge für die Jahre 2000 und 2001 ersucht wurde.

Gemäß § 410 Abs. 1 erster Satz ASVG iVm § 194 GSVG ist die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt - sofern ihr Recht auf Erlassung von Bescheiden nicht ausgeschlossen ist (ein solcher Fall liegt nicht vor) - grundsätzlich immer berechtigt, in Verwaltungssachen die sich aus dem Gesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten der Versicherten mit Bescheid festzustellen (zum - hier nicht gegebenen - Fall der Voraussetzung eines Antrages siehe § 194a GSVG); verpflichtet ist sie hingegen zur Bescheiderlassung in den in den Ziffern 1 bis 8 des § 410 Abs. 2 zweiter Satz ASVG aufgezählten Fällen, sofern sie für das GSVG in Betracht kommen. Demnach ist die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt zur Erlassung eines Bescheides, mit dem für einen bestimmten Zeitraum die Höhe von Beitragsgrundlagen eines Versicherten festgestellt wird, von Amts wegen berechtigt. Die Zulässigkeit einer Feststellung der Beitragsgrundlage ist jedoch dann nicht gegeben, wenn der Versicherte nach § 410 Abs. 1 Z 7 ASVG iVm § 194 GSVG einen Beitragsbescheid (d.h. einen Bescheid über die Verpflichtung zur Leistung konkreter Beiträge) beantragt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2004, Zl. 2001/08/0014, mwN).

Da der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10. September 2003 einen Bescheid über die Verpflichtung zur Leistung konkreter Beiträge begehrt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid, mit dem die monatliche Beitragsgrundlage festgestellt wurde, schon im Hinblick auf diese Ausführungen als inhaltlich rechtswidrig.

Bemerkt wird, dass der Antrag des Beschwerdeführers in seiner Versicherungserklärung vom 28. Juli 2000 auf Befreiung von der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG nach der Aktenlage bisher keiner bescheidmäßigen Erledigung zugeführt wurde (wobei im Übrigen der Instanzenzug gemäß § 415 Abs. 1 iVm § 413 Abs. 1 Z 1 ASVG und § 194 GSVG bis zum zuständigen Bundesminister ginge).

Dazu ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 273 Abs. 7 GSVG idF BGBl. I Nr. 139/1997 sind Personen, die durch das Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegen würden, die jedoch am 1. Jänner 1998 das 50. Lebensjahr vollendet haben und zu diesem Zeitpunkt noch nicht 180 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung erworben haben, auf Antrag von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung zu befreien, wenn dieser Antrag binnen einem Jahr ab Verständigung durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, spätestens jedoch bis 31. Dezember 2001 bei dieser Sozialversicherungsanstalt gestellt wird. Die Befreiung gilt rückwirkend ab 1. Jänner 1998 für jene Zeiten, in denen die Antragsteller nach diesem Bundesgesetz pflichtversichert wären. Nach den Materialien zur Novelle des GSVG BGBl. I Nr. 139/1997 (RV 886 BlgNR 20. GP, 107) beruht die Einbeziehung aller selbständig Erwerbstätigen in die Sozialversicherung unter anderem auf dem Grundsatz, dass alle selbständig Erwerbstätigen, die nicht schon auf Grund dieser Tätigkeit nach anderen bundesgesetzlichen Vorschriften pflichtversichert sind, in die Krankenversicherung und Pensionsversicherung nach dem GSVG einbezogen werden, sofern ihre Beitragsgrundlage eine bestimmte Höhe überschreitet. Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, die in Erfüllung dieses Grundsatzes eingerichtet wurde, tritt nach den Ausführungen in den Materialien nur dann ein, wenn nicht bereits auf Grund der zu prüfenden Tätigkeit eine Pflichtversicherung nach dem GSVG selbst oder einem anderen Sozialversicherungsgesetz eingetreten ist (bezogen auf die einzelnen Versicherungszweige).

Legen somit schon die Materialien eine auf die Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG bezogene Sichtweise nahe, fällt noch zusätzlich ins Gewicht, dass es nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 273 Abs. 7 GSVG ist, am 31. Dezember 1997 entweder nicht oder zumindest nicht nach dem GSVG versichert zu sein. Eine aus anderen Gründen am 31. Dezember 1997 bestehende Versicherung nach dem GSVG schließt daher die Anwendbarkeit des § 273 Abs. 7 GSVG nicht aus.

Der angefochtene Bescheid war aus den oben genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren, das sich auf die Umsatzsteuer bezieht, war abzuweisen, da diese von den Pauschalbeträgen der genannten Verordnung für Schriftsatzaufwand bereits umfasst ist.

Wien, am 4. August 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004080052.X00

Im RIS seit

03.09.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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