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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. November 2002, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2002-8999, betreffend Pensionsvorschuss, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 20. Juni 2002 auf Zuerkennung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss gemäß § 38 i. V.m. den §§ 12 und 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) mangels Arbeitslosigkeit abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin auf Grund der von ihr vorgelegten Hausbesorgerlohnbescheinigung ab 1. Jänner 2002 ohne Berücksichtigung des Entgeltwertes für die Dienstwohnung und des pauschalierten Ersatzes für Materialkosten ein Bruttoentgelt von EUR 302,51 erhalte. Dieses Bruttoentgelt setze sich aus dem Reinigungsgeld (inkl. Gehsteigreinigung) in der Höhe von EUR 300,24 sowie dem Lichtpauschale in der Höhe von EUR 2,27 zusammen. Damit erziele die Beschwerdeführerin ein monatliches Bruttoeinkommen, das über der für das Jahr 2002 maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von EUR 301,54 monatlich liege. Nach § 12 Abs. 6 AlVG sei Arbeitslosigkeit bei aufrechtem Dienstverhältnis dann gegeben, wenn das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteige, wobei bei Hausbesorgern (lediglich) der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Materialkostenersatz unberücksichtigt blieben.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 12 Abs. 6 AlVG i.d.F. BGBl. I Nr. 103/2001 gilt als arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, wobei bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes (HBG), BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung und der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben. Nach der Kundmachung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Aufwertung und Anpassung nach dem allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz und dem Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz für das Kalenderjahr 2002, BGBl. II Nr. 475/2001, beträgt die Geringfügigkeitsgrenze im Sinne des § 5 Abs.2 ASVG im maßgeblichen Zeitraum EUR 301,54.
2. Die Beschwerdeführerin steht in einem Dienstverhältnis, auf das die Bestimmungen des Hausbesorgergesetzes Anwendung finden. Nach der von ihr vorgelegten Lohnbescheinigung vom 26. Juni 2002 erhielt sie ab Jänner 2002 ein Entgelt im Sinne des § 7 Abs. 1 HBG (Reinigungsgeld einschließlich des monatlichen Anteils für die Gehsteigreinigung) in der Höhe von EUR 300,24 sowie ein Lichtpauschale im Sinne des § 13 Abs. 3 HBG in der Höhe von EUR 2,27, sohin gesamt EUR 302,51. Die in der Lohnbescheinigung ausgewiesenen Beträge für die Dienstwohnung im Sinne des § 13 Abs. 1 HBG in der Höhe von EUR 52,89 sowie für den Materialkostenersatz im Sinne des § 8 HBG in der Höhe von EUR 39,77 wurden bei der Berechnung, ob das Entgelt aus der Beschäftigung der Beschwerdeführerin als Hausbesorgerin die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, nicht berücksichtigt.
Im Beschwerdefall ist allein strittig, ob das "Lichtpauschale" im Sinne des § 13 Abs. 3 HBG bei der Beurteilung, ob das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, zu berücksichtigen ist, oder ob es auf Grund des Zusammenhangs mit der Dienstwohnung - deren Entgeltwert kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 12 Abs. 6 lit. a AlVG unberücksichtigt bleibt - bei der Entgeltfeststellung unberücksichtigt zu bleiben hat.
Die Beschwerdeführerin macht dazu geltend, dass die unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Dienstwohnung untrennbar mit der Beschäftigung eines Hausbesorgers verbunden sei, weshalb auch die gesetzliche Regelung der Dienstwohnung im § 13 HBG getrennt von der gesetzlichen Regelung über das Entgelt erfolge. Im § 13 HBG, in dem sich die Regeln über die Dienstwohnung befinden, seien in Abs. 3 auch die Kosten des Stromverbrauches (Lichtpauschale) festgelegt. Schon aus der Platzierung dieser Regelung im Gesetz sowie aus der Überschrift "Dienstwohnung" zeige sich, dass das Lichtpauschale als Bestandteil der Dienstwohnung angesehen werde. Sinn dieser gesetzlichen Regelung sei es gewesen, dass die Dienstwohnung zum Schutz des Hausbesorgers einen gewissen Standard aufzuweisen habe, wozu selbstverständlich auch die Stromversorgung zähle. Da das Lichtpauschale sohin als Bestandteil der Dienstwohnung anzusehen sei, werde es vom Gesetzgeber im § 7 Abs. 5 HBG über die Festsetzung der Entgeltanteile auch nicht explizit angeführt. Daraus folge aber auch, dass im § 12 Abs. 6 lit. a AlVG der Entgeltwert für die Dienstwohnung das Lichtpauschale umfasse. Zu berücksichtigen sei daher lediglich das Entgelt, das die Beschwerdeführerin direkt für die erbrachte Dienstleistung bzw. Reinigungsleistung erhalte, keinesfalls aber das Lichtpauschale, das einen pauschalierten Aufwandersatz darstelle.
3. Das für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e AlVG) maßgebliche Einkommen ist nach § 36a Abs. 2 AlVG - abgesehen von hier nicht strittigen Hinzurechnungen gemäß § 36a Abs. 3 AlVG und dem Pauschalierungsausgleich gemäß § 36a Abs. 4 AlVG - das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), somit der Gesamtbetrag der Einkünfte aus (unter anderem) nichtselbständiger Arbeit. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zählen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Wie sich insbesondere aus § 15 Abs. 2 EStG 1988 ergibt, können unter anderem Wohnung, Heizung und Beleuchtung geldwerte Vorteile sein, die einem Steuerpflichtigen im Rahmen nichtselbständiger Arbeit zufließen.
Eine Dienstwohnung stellt nur dann keinen geldwerten Vorteil dar, wenn der Arbeitnehmer sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers in Anspruch nimmt. Von einem solchen ausschließlichen Interesse des Arbeitgebers kann aber dann keine Rede sein, wenn dem Arbeitnehmer keine andere als die Dienstwohnung zur Befriedigung seines regelmäßigen Wohnbedürfnisses zur Verfügung steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 93/14/0109); auch die Tragung von Stromkosten für die Dienstwohnung durch den Dienstgeber stellt einen geldwerten Vorteil dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 97/13/0180). Die Zurverfügungstellung einer Dienstwohnung ebenso wie die Tragung von Stromkosten für die Dienstwohnung ist daher - als geldwerter Vorteil aus dem Dienstverhältnis - gemäß § 36a AlVG bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit grundsätzlich zu berücksichtigen.
4. Für Hausbesorger im Sinne des HBG enthält § 12 Abs. 6 lit. a AlVG jedoch eine - von der allgemeinen Regelung in § 36a AlVG abweichende - Bestimmung, wonach in diesem Fall der Entgeltwert der Dienstwohnung sowie der pauschalierte Ersatz für Materialkosten unberücksichtigt bleiben. Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass es sich dabei um eine taxative Aufzählung jener aus dem Hausbesorger-Dienstverhältnis gebührenden Leistungen handelt, die - obgleich sie zumindest teilweise zum Einkommen im Sinne des § 36a AlVG zählen und auch Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG darstellen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, Zl. 97/08/0594) - dennoch bei der Entgeltberechnung nach § 12 Abs. 6 lit. a AlVG unberücksichtigt bleiben. Andere geldwerte Vorteile aus dem Dienstverhältnis sind bei der Feststellung des Entgeltes daher jedenfalls zu berücksichtigen, sodass die Beschwerde nur dann begründet wäre, wenn das Lichtpauschale als Teil des Entgeltwertes für die Dienstwohnung, nicht aber als zusätzlicher geldwerter Vorteil aus dem Dienstverhältnis zu beurteilen wäre.
5. Nach § 12 Abs. 6 lit. a AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, galt als arbeitslos, "wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes angeführten Beträge nicht übersteigt". Mit der AlVG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 412, wurde § 12 Abs. 6 lit. a dahingehend ergänzt, dass "bei einer Beschäftigung als Hausbesorger im Sinne des Hausbesorgergesetzes, BGBl. Nr. 16/1970, der Entgeltwert für die Dienstwohnung unberücksichtigt bleibt".
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur AlVG-Novelle 1990 (1302 BlgNR XVII. GP, S. 5) wird diese Änderung folgendermaßen begründet:
"Verliert jemand seine Hauptbeschäftigung, so kann er nach der geltenden Rechtslage kein Arbeitslosengeld erhalten, wenn er aus einer Nebenbeschäftigung als Hausbesorger ein Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 2 658 S monatlich erzielt. Diese Nebenbeschäftigung sichert aber seinen Wohnungsbedarf. Es soll daher wie beim Bezug von Karenzurlaubsgeld (§ 26 Abs. 4 lit. b) auch beim Arbeitslosengeld der Entgeltwert für die Dienstwohnung außer Betracht bleiben, wobei darunter der Sachwert, als auch das bei Verzicht auf den Anspruch auf Dienstwohnung gebührende Entgelt zu verstehen ist. Damit können aufgetretene Härtefälle gelöst werden."
Der Anspruch auf die Dienstwohnung des Hausbesorgers ergibt sich aus dem mit "Dienstwohnung" überschriebenen § 13 Abs. 1 HBG, wobei § 13 Abs. 6 HBG vorsieht, dass dem Hausbesorger bei einem Verzicht auf die Dienstwohnung "an Stelle dieses Sachbezuges ein monatliches Entgelt in der Höhe der für die Zwecke der Sozialversicherung festgesetzten Bewertungssätze" gebührt. Neben dem Anspruch auf Einräumung einer Dienstwohnung - und unabhängig davon, ob dem Hausbesorger eine Dienstwohnung tatsächlich überlassen wird (vgl. dazu LGZ Wien 16. Jänner 1958, MietSlg. 6356) - hat der Hausbesorger nach § 13 Abs. 3 HBG Anspruch auf das so genannte "Lichtpauschale", einen monatlichen Pauschalbetrag, der den Kosten eines Stromverbrauches von 16kWh entspricht.
Der Gesetzgeber des HBG bringt damit zum Ausdruck, dass sich der Anspruch des Hausbesorgers auf eine Dienstwohnung nicht bloß auf die Ermöglichung der Wohnungsnutzung, sondern darüber hinaus auch auf den Ersatz eines gewissen Mindeststromverbrauchs für die Dienstwohnung richtet. Der Anspruch auf das Lichtpauschale steht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Anspruch auf die Dienstwohnung, sodass auch der Verweis auf den Entgeltwert der Hausbesorger-Dienstwohnung in § 12 Abs. 6 lit. a AlVG so zu verstehen ist, dass damit nicht nur der reine Sachbezugswert der Wohnung, sondern auch das Lichtpauschale bei der Feststellung des Einkommens unberücksichtigt bleibt.
6. Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 4. August 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003080030.X00Im RIS seit
12.10.2004