TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/4 2001/08/0136

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Veröffentlicht am 04.08.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Mohamed K in W, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schwindgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 19. April 2001, Zl. 123.208/1-7/01, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. C Restaurant Betriebsges.m.b.H., Anschrift unbekannt, 2. Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19, 3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Wien, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55- 57, 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Restaurant BetriebsgesmbH (in der Folge nur: Gesellschaft) wurde - wie einem Firmenbuchauszug vom 3. November 1997 im Akt der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu entnehmen ist - am 6. Dezember 1996 errichtet und wurde seit einem Generalversammlungsbeschluss vom 23. Mai 1997 durch die Geschäftsführerin Maria Emilia K vertreten. Als Alleingesellschafterin des Unternehmens scheint Silvia P, wohnhaft in Budapest, auf. Auf Grund eines in einem Exekutionsverfahren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gegen die Gesellschaft betreffend Beitragsforderungen aufgetretenen Zustellanstandes führte die Gebietskrankenkasse Erhebungen durch, worüber der Erhebungsbericht vom 3. November 1997 wie folgt Auskunft gibt:

     "Seit 1.8.97 ist hier die Firma (B.D.) KEG etabliert. Pächter

der Pizzeria ist der Gesellschafter, Herr (B.D.) .... . Er hat den

BO. (gemeint offenbar: Betriebsort) von der verpfl. Fa. gepachtet.

Den monatlichen Pachtschilling ... bezahlt (er) an den Gatten der

GF. der verpfl. Fa., (den Beschwerdeführer). (Dieser) ..... gibt

an, dass die verpfl. Fa. den BO. Ende Juli 97 aufgelassen hat und stillgelegt wurde. Kein anderer BO. vorhanden. Die DN. wurden angeblich abgemeldet. Die GF. hält sich seit ca. 6 Monaten in Italien auf."

Aktenkundig ist ferner eine Anmeldung des Beschwerdeführers zur Vollversicherung (mit 20 Stunden Beschäftigung pro Woche) vom 7. Mai 1997 ("beschäftigt ab 1.5.97") und eine am 27. November 1997 bei der Wiener Gebietskrankenkasse eingelangte Abmeldung des Beschwerdeführers mit 31. Mai 1997. Mit Schreiben vom 5. September 1997 brachte die Geschäftsführerin der Gesellschaft der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Kenntnis, dass sie sich "seit 31.5.97 aus familiären Gründen nicht in Österreich aufhalte". Alle ab diesem Datum "in meinem Namen gezeichneten Unterschriften beachten Sie bitte als nicht von mir persönlich unterschrieben, sondern von meinem von mir getrennt lebenden Mann (dem Beschwerdeführer) (der nicht berechtigt ist irgendwelche Entscheidungen oder Unterschriften für die (Gesellschaft) zu leisten) stammen" (so auszugsweise der zur besseren Lesbarkeit von Fehlern bereinigte Wortlaut dieses Schreibens).

Mit Bescheid vom 5. Jänner 1998, sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass die Gesellschaft verpflichtet sei, für den Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis 31. August 1997 (gemeint: Ordnungs-)Beiträge weiterzuentrichten und zwar - "teilweise herabgesetzt" - im Betrag von S 678,60. Ob dieser Bescheid der Gesellschaft wirksam zugestellt wurde, ist der Aktenlage nicht zu entnehmen. Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers am 31. Mai 1997 geendet habe, die Abmeldung jedoch erst am 27. November 1997 und daher verspätet erstattet worden sei.

Im Zuge einer von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse durchgeführten Beitragsprüfung wurde am 5. Jänner 1998 der Beschwerdeführer einvernommen: Er sei ab 1. Mai 1997 als Betriebsleiter der Pizzeria tätig geworden. Nach dem 31. Juli 1997 habe er "beratend" den Pächter betreut. Auch sei ihm "bis dato sein monatlicher Gehalt ausbezahlt und buchhalterisch verarbeitet" worden. Im Oktober 1997 habe sich herausgestellt, dass sich der Pächter für die Führung einer Pizzeria nicht eigne, daher habe er einen neuen Pächter suchen müssen. Deshalb sei es auch nicht zur Auflösung des Dienstverhältnisses gekommen. Die Abmeldung per 31. Mai 1997 sei von seiner "Gattin und Geschäftsführerin" vorgenommen worden. Diese sei ab Juni 1997 nicht mehr in Österreich und mit den tatsächlichen Gegebenheiten "scheinbar nicht mehr vertraut gewesen". Es habe nie eine ordnungsgemäße Kündigung, weder mündlich noch schriftlich gegeben. Das Gehalt sei "bis dato" immer ausbezahlt worden. Auf Grund der Tatsache, dass ein neuer Pächter gefunden worden sei, sei mit der Abmeldung des Beschwerdeführers "spätestens mit Ende Februar 1998 zu rechnen".

Schließlich wurde am 8. Mai 1998 die Geschäftsführerin der Gesellschaft einvernommen: sie gab an, dass die Gesellschaft im Jänner 1997 gegründet worden sei. Sie betreibe eine Pizzeria. Ab 1. April 1997 sei das Lokal geöffnet worden. Bis zum 22. Mai 1997 sei der Bruder des Beschwerdeführers Geschäftsführer gewesen. Sie selbst habe Österreich Ende Mai 1997 verlassen, die Pizzeria sei von ihrem Ehemann (dem Beschwerdeführer) ohne ihre Zustimmung weitergeführt worden. Bis 8. August 1997 habe er mit fünf Dienstnehmern gearbeitet, ab 9. August 1997 bis 31. Dezember 1997 habe er "das Lokal" an Herrn D. B. verpachtet, dann sei das Lokal geschlossen gewesen. Er habe einen neuen Pachtvertrag mit der L. Betriebsges.m.b.H. ab 1. Jänner 1998 abgeschlossen, das Lokal sei jedoch erst mit 19. Februar 1998 wieder eröffnet worden. Auf Grund "der Pachtzinsen (ca. S 240.000,--)" habe sich der Beschwerdeführer "durch seinen Anwalt ... seinen Gehalt von S 9.300,-- + Sonderzahlungen" ausbezahlt. Er habe aber ihrer Meinung nach nie gearbeitet. Ferner bestätigte die Zeugin, darüber informiert worden zu sein, dass der Beschwerdeführer "bei der Kasse" mit 31. März 1998 abgemeldet werde, womit sie aber nicht einverstanden sei und daher die Unterschrift verweigere.

Als Ergebnis der Beitragsprüfung wurde in einem Bericht vom 8. Mai 1998 festgehalten, dass die Abmeldung für den Beschwerdeführer vom 31. Mai 1997 auf 31. März 1998 berichtigt werde und zwar auf Grund der Niederschriften vom 5. Jänner und 8. Mai 1998, die mit dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau aufgenommen worden seien. Der Beschwerdeführer habe laut Lohnunterlagen seinen Gehalt bis 31. März 1998 erhalten, dies sei von beiden Befragten bestätigt worden.

Aktenkundig sind ferner zwei Unternehmenspachtverträge: Der erste dieser Verträge stammt vom 3. September 1997, wurde zwischen der Gesellschaft und B. D. als Pächter abgeschlossen und namens der Gesellschaft von einem Rechtsanwalt unterfertigt. Der zweite Pachtvertrag ist mit 17. Dezember 1997 datiert und zwischen der Gesellschaft und der L. Betriebsgesellschaft m.b.H. als Pächterin abgeschlossen. Dieses Pachtverhältnis begann am 1. Jänner 1998 und wurde für drei Jahre abgeschlossen. Auch dieser Pachtvertrag ist namens der Gesellschaft anwaltlich gefertigt.

In einer weiteren Niederschrift vom 19. Februar 1999 gab der Beschwerdeführer an, dass er am 1. Mai 1997 bei der Gesellschaft als Betriebsleiter zu arbeiten begonnen hätte. Er sei für den Einkauf und für die Einstellung von Personal sowie während des Geschäftsbetriebes für die Organisation und die Tischreservierung zuständig gewesen. Seine Ehefrau sei Geschäftsführerin des Betriebes gewesen, Ende Mai 1997 nach Italien verreist und befinde sich seines Wissens seither nicht mehr in Österreich. Ab 1. August 1997 sei das Geschäftslokal an D. verpachtet worden und zwar bis Ende 1997, danach "an eine italienische Firma". Für die Pächter habe der Beschwerdeführer nicht gearbeitet. Er habe "de facto" für die Gesellschaft weitergearbeitet, und zwar "sozusagen in kontrollierender Funktion, ob der Pächter in der Lage ist, die Pachtbedingungen zu erfüllen". Es habe sich herausgestellt, dass D. dazu nicht in der Lage gewesen sei, worauf der Beschwerdeführer "per Zeitungsinserat einen neuen Pächter, eben einen Italiener gesucht habe". Hier sei der Eindruck "positiv" gewesen, sodass er die Tätigkeit "Ende Februar 1998" beendet habe. Diese kontrollierende Tätigkeit habe der Beschwerdeführer "mehr oder weniger aus eigenem Antrieb ausgeübt", weil die Gesellschaft nicht zu Grunde gehen sollte. Eine Anweisung durch ein Organ der Geschäftsleitung habe es nicht gegeben. Auch die Pächter hätten ihm keine Anweisungen erteilt, wie er zu arbeiten habe. Ein Entgelt von S 9.300,-- habe er von Anfang bis zum Ende der Tätigkeit pro Monat immer erhalten.

Mit Bescheid vom 23. Februar 1999 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Beschwerdeführer nur in der Zeit vom 1. Mai 1997 bis 31. Juli 1997, nicht aber vom 1. August 1997 bis 31. März 1998 der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-)Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1977 unterlegen sei. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als einschlägig angesehenen Rechtsvorschriften begründete sie diesen Bescheid wie folgt:

"Einleitend ist zu bemerken, dass die Kasse aufgrund der in jeder Hinsicht divergierenden Aussagen eine Entscheidung treffen musste. Fest steht, dass das Lokal seit 1.8.1997 nicht mehr von der (Gesellschaft) betrieben wurde. Das Lokal war seit diesem Datum an zwei verschiedene Pächter verpachtet. Zwangsläufig kann die gegenständliche Gesellschaft ab 1.8.1997 nicht mehr als Dienstgeber (des Beschwerdeführers) angesehen werden. Die Geschäftsführerin der (Gesellschaft) befand sich nach ihren eigenen Aussagen nach dem 31.5.1997 nicht mehr in Österreich. Allerdings wurde die Gesellschaft im Firmenbuch beim Handelsgericht Wien nicht gelöscht, sie ist es bis zum heutigen Tage nicht. Das bedeutet, dass (der Beschwerdeführer) auf jeden Fall bis 31.7.1997 als Dienstnehmer der (Gesellschaft) anzusehen ist. Bis zu diesem Tag hat er zweifelsfrei Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbracht, diese zumindest unter der stillen Autorität und der Duldung der Geschäftsführerin. Alle danach von ihm erbrachten Arbeitsleistungen hat (der Beschwerdeführer) mit Sicherheit nicht mehr als Dienstnehmer für die (Gesellschaft) erbracht. (Der Beschwerdeführer) hat selbst ausgesagt, dass ab 1.8.1997 kein Organ der Gesellschaft anwesend gewesen ist. Er hat demnach keinerlei arbeitsbezogene Anweisungen erhalten, ebenso wenig hat ihn irgendjemand kontrolliert. Die an ihn offenbar zur Auszahlung gelangten Geldbeträge - als Gehalt deklariert - sind als Honorierung einer selbständigen Tätigkeit anzusehen.

Aus all dem ergibt sich, dass die Voraussetzungen für den Eintritt und Bestand der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht für die Tätigkeit (des Beschwerdeführers) lediglich in der Zeit vom 1.5.1997 bis 31.7.1997 vollinhaltlich zutreffen, und dass diese Voraussetzungen in der Zeit vom 1.8.1997 bis 31.3.1998 nicht gegeben sind. Die Abmeldung mit 31.7.1997 war von Amts wegen vorzunehmen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, in dem er - unter teilweiser Wiederholung seiner Angaben im Verfahren vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse - darauf beharrte, auch ab 1. August 1997 "für die verpachtete Gesellschaft Dienstleistungen" erbracht zu haben, und zwar in Form einer "beratenden und unterstützenden Tätigkeit des Pächters" zum Zwecke "der Einnahmenerzielung der Verpächterin aus dem Titel Pachtzins und des gleichzeitigen Erhaltes des verpachteten Unternehmens". Die "mangelnde Anwesenheit eines Organs der Gesellschaft allein" könne keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben. Es habe daher auch nach dem 1. August 1997 ein Entgeltanspruch gegen die Gesellschaft bestanden. Der Umstand, dass er keine "unmittelbaren arbeitsbezogenen Anweisungen" erhalten habe, könne daran nichts ändern, da jeden Tag mit der Rückkehr der Geschäftsführerin habe gerechnet werden bzw. diese Rückkehr nicht habe ausgeschlossen werden können. Es sei daher die "stille Autorität der Geschäftsführerin" nach wie vor gegeben gewesen. Die Gebietskrankenkasse hätte daher feststellen müssen, dass für den Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Mai 1997 bis 31. März 1998 Vollversicherung bestanden habe.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte den Einspruch dem Landeshauptmann von Wien mit einem Vorlagebericht vor, in welchem sie im Wesentlichen auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrte. Nach Einholung einer Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Vorlagebericht der Gebietskrankenkasse erließ der Landeshauptmann den Einspruchsbescheid vom 30. August 1999, mit welchem dem Einspruch des Beschwerdeführers stattgegeben und festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer zur Gesellschaft in der Zeit vom 1. Mai 1997 bis 31. März 1998 in einem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden sei. Die Einspruchsbehörde berief sich auf die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers, wonach dieser "vom Pachtzins den Gehalt abgezogen" habe, und auf die Angaben des Beschwerdeführers selbst anlässlich seiner zweiten Einvernahme am 10. Februar 1999. "Aus diesen Aussagen und den Einspruchsausführungen" sei zu schließen, dass das zwischen der Gesellschaft und dem Beschwerdeführer unbefristet abgeschlossene Dienstverhältnis "nie durch eine Dienstgeberkündigung beendet" worden sei. Der Beschwerdeführer habe nach dem Verschwinden der Geschäftsführerin von seinem Recht zum vorzeitigen Austritt keinen Gebrauch gemacht, sondern weiter Leistungen für die Dienstgeberin erbracht bzw. sich leistungsbereit gehalten. Von der einzigen Gesellschafterin seien "keine Maßnahmen für eine ordnungsgemäße Vertretung der Firma gesetzt" worden. Eine Übernahme des Dienstverhältnisses durch die Pächter ergebe sich aus den Akten nicht. Auch habe der Beschwerdeführer angegeben, für die Pächter keine Leistungen erbracht zu haben. Es sei daher festzustellen gewesen, dass das gegenständliche Beschäftigungsverhältnis trotz der Abwesenheit der Geschäftsführerin und der Verpachtung des Unternehmens bis zu dem vom Einspruchswerber selbst angegebenen Zeitpunkt angedauert habe.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Berufung: Sie wies darauf hin, dass nach Auskunft der Geschäftsführerin der Gesellschaft der Beschwerdeführer in keiner Weise berechtigt gewesen sei, "irgendwelche Handlungen namens der Gesellschaft zu setzen". Dem Beschwerdeführer sei bekannt gewesen, dass die Pizzeria nicht weiter betrieben worden sei, zudem habe ihm die Geschäftsführerin schon "im Rahmen ihrer Abreise untersagt, Handlungen namens der Gesellschaft zu setzen". Der Beschwerdeführer habe sich nach seinen eigenen Aussagen zwar bis zuletzt im mittlerweile verpachteten Gastlokal aufgehalten, daraus könne man jedoch nicht ableiten, dass er dies im Rahmen des Dienstverhältnisses - auch nicht auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages - getan habe. Welche Beweggründe er dafür gehabt habe, sei im Wesentlichen ungeklärt. Im Interesse der Gesellschaft habe er zweifellos nicht gehandelt, da er weder Geschäftsführer gewesen sei noch Geschäftsanteile innegehabt hätte. Da es ihm ausdrücklich untersagt worden sei, im Namen der Gesellschaft zu handeln, könne auch nicht von "stiller Autorität gesprochen werden". Soweit sich der Beschwerdeführer in seinem Einspruch auf die "Treuepflicht eines Dienstnehmers" berufe, ließen seine Handlungen nichts erkennen, was darauf schließen lassen könnte. Sollten irgendwelche Zahlungen erfolgt sein, so könnten diese von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse "in keinster Weise als Entgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne angesehen werden". Der Beschwerdeführer habe sich "demnach selbst 'Entgelt' ausbezahlt, wozu (er) angesichts der gegenständlichen Sachlage ebensowenig berechtigt gewesen" sei.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde - ebenso wie die Einspruchsbehörde ohne Durchführung weiterer Ermittlungsschritte - der Berufung der Gebietskrankenkasse gegen den Einspruchsbescheid stattgegeben und in Abänderung des Einspruchsbescheides festgestellt, dass der Beschwerdeführer als Betriebsleiter bei der Gesellschaft in der Zeit vom 1. Mai 1997 bis 15. Juni 1997 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei. Nach ausführlicher Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der von der belangten Behörde angewendeten Rechtsvorschriften ging die belangte Behörde in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass der Beschwerdeführer mit Wirksamkeit vom 1. Mai 1997 auf Grund seiner Tätigkeit als Betriebsleiter von der Gesellschaft zur Pflichtversicherung gemeldet worden sei. Die Ehefrau des Beschwerdeführers sei mit Wirkung vom 23. Mai 1997 zur Geschäftsführerin bestellt worden und habe Ende Mai 1997 Österreich verlassen. Sie habe den Beschwerdeführer am 27. November 1997 mit (beantragter) Wirksamkeit ab 31. Mai 1997 von der Pflichtversicherung abgemeldet. Der Beschwerdeführer, welcher weder Geschäftsführer noch Gesellschafter der Gesellschaft gewesen sei, habe "den Betrieb mit 1.8.1997 an Herrn (D. B.) und ab 1.1.1998 an die L. Ges.m.b.H. verpachtet".

Diesen Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht dahin, dass das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers spätestens mit 15. Juni 1997 beendet worden sei:

Die belangte Behörde setzte sich in diesem Zusammenhang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, dass ihm gegenüber keine Kündigung ausgesprochen worden sei, und vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass dies "auch nicht der Fall sein" müsse. Die Kündigung sei eine "einseitige Willenserklärung", für die eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben sei. Sie könne schriftlich oder auch mündlich erklärt werden. Denkbar sei auch, dass "eine Vertragspartei Handlungen setzt, die in konkludenter Weise (§ 863 ABGB) als Kündigung zu deuten sind". Von einer schlüssigen Willenserklärung könne man dann sprechen, wenn der Erklärungswert "weniger aus bestimmten Worten oder aus einem bestimmten Verhalten, sondern mehr aus den Begleitumständen erschlossen wird". Eine konkludente Erklärung könne nur dann angenommen werden, wenn "eine Handlung nach der Verkehrssitte, nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen" sei.

Die Geschäftsführerin der Gesellschaft habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in einem Schreiben vom 5. September 1997 darüber informiert, dass sie sich seit 31. Mai 1997 aus familiären Gründen nicht in Österreich aufhalte und dass der Beschwerdeführer nicht berechtigt sei, irgendwelche Entscheidungen oder Unterschriften für die Gesellschaft zu leisten. In einer niederschriftlichen Einvernahme habe sie angegeben, dass der Beschwerdeführer "die Pizzeria ohne ihre Zustimmung weitergeführt habe bzw. dass (der Beschwerdeführer) zwei Pachtverträge abgeschlossen habe". Weiters habe sie ihn mit beantragter Wirksamkeit ab 31. Mai 1997 von der Pflichtversicherung abgemeldet. Damit habe die Geschäftsführerin "mehr als ausreichend Handlungen gesetzt ... die eindeutig als eine konkludente Kündigung zu deuten sind" (Unterstreichung im Original).

Der Ausspruch der Kündigung habe eine Kündigungsfrist in Gang gesetzt, die im Falle des Beschwerdeführers nach § 1159 ABGB 14 Tage gedauert habe. Diese Kündigungsfrist habe demnach mit dem 1. Juni 1997 zu laufen begonnen und am 15. Juni 1997 geendet. Das Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers habe daher mit diesem Tag sein Ende gefunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen, und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Von den mitbeteiligten Parteien haben die Pensionsversicherungsanstalt (damals: der Angestellten) und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen; die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Ausspruch des angefochtenen Bescheides, dass die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers nur vom 1. Mai 1997 bis zum 15. Juni 1997 bestanden habe, beruht im Wesentlichen auf der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei am 31. Mai 1997 zum 15. Juni 1997 "konkludent" gekündigt worden.

Dabei geht die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht zwar zutreffend davon aus, dass es sich bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses um eine "einseitige Willenserklärung" handelt, für die auch eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben ist, sie übersieht aber, worauf in der Beschwerde mit Recht hingewiesen wird, dass es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, dh. dass die Kündigung dem Gekündigten zugegangen sein muss.

Es kann daher eine nur gegenüber der Gebietskrankenkasse erklärte Abmeldung des Beschwerdeführers von der Sozialversicherung nicht als konkludenter Ausspruch einer Kündigung gedeutet werden, solange nicht zumindest feststeht, dass und wann der Beschwerdeführer von dieser Abmeldung seitens der Geschäftsführerin der Gesellschaft auch tatsächlich verständigt worden ist. Hinzu kommt, dass die von der belangten Behörde herangezogene Abmeldung des Beschwerdeführers zum 31. Mai 1997 erst am 27. November 1997 (!) erfolgt ist. Dieser Abmeldung kann daher für die Annahme einer am 31. Mai 1997 (konkludent) ausgesprochenen Kündigung zum 15. Juni 1997 keinerlei Erklärungswert zukommen. Dies gilt im Übrigen auch für das Schreiben der Geschäftsführerin vom 5. September 1997, mit welchem sie die Gebietskrankenkasse (im Nachhinein) darüber informiert hat, aus welchen Gründen sie sich seit 31. Mai 1997 nicht in Österreich aufgehalten habe und dass der Beschwerdeführer nicht berechtigt gewesen sei, irgendwelche "Entscheidungen oder Unterschriften für die Gesellschaft zu leisten". Die Feststellungen der belangten Behörde über eine "konkludent ausgesprochene Kündigung" des Beschwerdeführers können jedenfalls auf diese Weise nicht schlüssig aus den Beweisergebnissen abgeleitet werden, weshalb der angefochtene Bescheid schon wegen dieses für das Ergebnis des Verfahrens wesentlichen Begründungsmangels aufzuheben ist.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren auch zu beachten haben, dass schon der vom Beschwerdeführer, aber auch seiner Ehefrau behauptete Ablauf der Ereignisse (Beginn der Tätigkeit des Beschwerdeführers am 1. Mai 1997, Bestellung seiner Ehefrau zur Geschäftsführerin am 23. Mai 1997, wobei sie schon etwa eine Woche später das Bundesgebiet verlassen haben will) ungewöhnlich und im Hinblick darauf in einer Weise aufklärungsbedürftig ist, die es ausschließt, ihn ohne nähere Begründung seiner Plausibilität der Entscheidung zu Grunde zu legen. Insbesondere wäre festzustellen, welche Aufgaben der Beschwerdeführer als Betriebsleiter der Gesellschaft haben sollte, obwohl sich diese aus dem Restaurantbetrieb zurückziehen wollte, stand doch eine Verpachtung des Unternehmens unmittelbar bevor. Der Beschwerdeführer wird auch aufzuklären haben, ob und wodurch eine Änderung des behaupteten Dienstvertrages von der Tätigkeit eines Betriebsleiters auf die von ihm behauptete bloße Kontrollaufgabe hinsichtlich der nachfolgenden Unternehmenspächter gekommen ist, auf welche Weise diese Kontrollaufgabe wahrgenommen wurde, insbesondere aber auch, in welchem zeitlichen Ausmaß sich der Beschwerdeführer gegebenenfalls zu diesem Zweck im Lokal aufgehalten und womit er sich dort während dieser Zeit beschäftigt hat. Erst auf Grund eingehender Feststellungen der tatsächlichen Vorgänge wird die belangte Behörde anhand der vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dazu entwickelten Kriterien nachvollziehbar darzustellen haben, ob der Beschwerdeführer überhaupt in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gestanden ist, bejahendenfalls in welchem Zeitraum und zu welchem Dienstgeber.

Das vom Beschwerdeführer genannte Motiv, er habe durch seine "Kontrolltätigkeit" verhindern wollen, dass die Gesellschaft "zu Grunde" gehe, mag ihn zu Handlungen als Geschäftsführer ohne Auftrag (vgl. § 1035 ff ABGB) berechtigt haben, begründet für sich allein aber noch kein Dienstverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG: Wenn nämlich eine Vereinbarung über die Durchführung der Kontrolltätigkeit vor deren Beginn überhaupt nicht getroffen worden sein sollte und der Beschwerdeführer auftragslos gehandelt hätte (wozu die belangte Behörde freilich keine Feststellungen getroffen hat), dann ist es im Allgemeinen ausgeschlossen, dass diese Beschäftigung gleichzeitig in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Gesellschaft verrichtet wurde, deren Geschäftsführerin diese Tätigkeit weder veranlasst noch von ihr (zunächst) überhaupt Kenntnis gehabt haben will (vgl. das Erkenntnis vom 25. September 1990, Slg. Nr. 13267/A, unter 3.2.2.).

Da somit das Ermittlungsverfahren in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 4. August 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001080136.X00

Im RIS seit

13.09.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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