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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch MMag. Dr. Bernt Elsner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 26. März 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-5380, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:
Dem Beschwerdeführer wurde während des gesamten Jahres 1999 Notstandshilfe gewährt. Er war durchgehend in einem freien Dienstverhältnis geringfügig beschäftigt. Monatlich legte er der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die von ihm seinen Auftraggebern in Rechnung gestellten Honorarnoten vor. Er stellte seinem Auftraggeber, der I. GmbH, im Jänner S 3.745,--, im Februar S 3.685,--, im März S 485,--, im September S 3.865,--, im Oktober S 3.780,--, im November S 3.675,-- und im Dezember S 3.855,-- in Rechnung. Dem Auftraggeber R. GmbH stellte er für März S 1.800,--, für April S 3.850,--, für Mai, Juni und Juli jeweils S 3.842,-- und für August S 3.390,-- in Rechnung.
Auf Grund des Versicherungsnachweises der Wiener Gebietskrankenkasse vom 4. Oktober 2000 betreffend den Zeitraum vom 1. März 1998 bis 29. September 2000, wonach der Beschwerdeführer vom 1. Jänner bis 30. April 1999 und vom 1. August 1999 bis 31. Dezember 1999 bei der I. GmbH und vom 1. März bis 31. August 1999 bei der R. GmbH als freier Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 4 ASVG mit geringfügiger Entlohnung gemeldet worden war, holte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice von der I. GmbH eine Lohnbescheinigung des Beschwerdeführers für die Monate März, April und August 1999 ein. Dadurch wurde bekannt, dass der Beschwerdeführer von der I. GmbH auf Grund seiner Honorarnoten im April 1999 S 715,-- und im August 1999 S 1.235,-- erhalten hatte.
Mit Bescheid vom 20. November 2000 hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Zuerkennung der Notstandshilfe für die Monate April und August 1999 widerrufen und den empfangenen Betrag vom Beschwerdeführer zurückgefordert.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, der im Monat April die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Betrag sei in seiner Monatsrechnung für März 1999 enthalten gewesen. Bei dem ihm im August überwiesenen Betrag handle es sich anscheinend um eine Nachverrechnung. Es sei für ihn nicht kontrollierbar, wann seine Honorarnote vom Auftraggeber verrechnet werde. Eventuelle Fehler seinerseits habe er lediglich aus Unkenntnis und nicht aus böser Absicht begangen.
In der von der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift zur Berufung vom 13. Dezember 2000 gab der Beschwerdeführer an, nach seinen Berechnungen habe er niemals die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Infolge der Geringfügigkeit seiner Einkünfte sei er steuerlich nicht veranlagt worden.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den bekämpften Bescheid bestätigt. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ergänzend zum eingangs dargestellten Sachverhalt festgehalten, dass die monatliche Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 1999 S 3.899,-- betragen habe. Im Erwägungsteil führte sie aus, die Einkünfte des Beschwerdeführers aus beiden freien Dienstverhältnissen hätten in den Monaten April und August die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Eine Person gelte nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen auch dann nicht als arbeitslos, wenn ihr Einkommen aus mehreren an sich geringfügig entlohnten Dienstverhältnissen zusammengerechnet die Geringfügigkeitsgrenze überschreite. Der Beschwerdeführer sei daher in den Monaten April und August 1999 nicht als arbeitslos anzusehen. Er habe die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung daher zu Unrecht bezogen. Diese Leistungen seien somit zu widerrufen gewesen. Die Rückforderung gründe sich auf die Tatsache, dass er gegenüber der regionalen Geschäftsstelle ursprünglich zu geringe Einkünfte angegeben habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "Nicht-Widerruf" der zuerkannten Leistung und auf "Nicht-Rückforderderung" des empfangenen Betrages verletzt. Er macht geltend, eine Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze in den Monaten April und August sei nicht gegeben gewesen, weil die Honorarforderungen tatsächlich anderen Monaten zuzurechnen seien. Die belangte Behörde habe nicht beachtet, dass er eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Gemäß § 36a Abs. 7 AlVG gelte als monatliches Einkommen bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens. Er habe eine solche selbständige Erwerbstätigkeit durchgehend ausgeübt, sei aber nicht zur Einkommensteuer veranlagt worden, weil die erwirtschafteten Beträge zu gering gewesen seien. Bei Aufteilung der erwirtschafteten Jahreseinkünfte auf zwölf Monate werde die Geringfügigkeitsgrenze keinesfalls überschritten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde, wie die Ausführungen über die Einkünfte des Beschwerdeführers in den Monaten April und August 1999 zeigen, insoweit vom unstrittigen Sachverhalt ausgeht. Soweit an anderen Stellen der Begründung des angefochtenen Bescheides erwähnt wird, der Beschwerdeführer habe in diesen Monaten lediglich Honorarnoten an die I. GmbH gelegt und dadurch für April ein Einkommen von S 3.367,-- und für August ein solches von S 3.475,-- nachgewiesen, beruhen diese Ausführungen auf einer Verwechslung. Solche Angaben hat der Beschwerdeführer für die entsprechenden Monate des Jahres 2000 gemacht.
Die belangte Behörde hat in Wahrheit ihrer Entscheidung die unstrittigen Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers in den Monaten April und August 1999 zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführer insgesamt im April ein Einkommen von S 4.565,-- und im August ein Einkommen von S 4.625,-- erzielt hat.
Der daraus gezogenen Schlussfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei in diesen Monaten nicht arbeitslos gewesen, kann dennoch nicht gefolgt werden:
Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1999 durchgehend auf Grund von freien Dienstverhältnissen gemäß § 4 Abs. 4 ASVG Einkommen bezogen hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 31. Mai 2000, 98/08/0378, und vom 13. August 2003, 2001/08/0078, auf deren nähere Begründungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, stellt die Beschäftigung auf Grund eines freien Dienstvertrages eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. b und Abs. 6 lit. c ("auf andere Art selbständig erwerbstätig") dar. Nach § 12 Abs. 3 AlVG gilt u.a. nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist (lit. b). Als arbeitslos gilt jedoch u.a. gemäß § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit., "wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt, oder im Zeitpunkt der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt".
Nach Ausweis des Verwaltungsaktes hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Tätigkeit des Beschwerdeführers als selbständige Erwerbstätigkeit angesehen, hat sie doch das Einkommen in den einzelnen Kalendermonaten gemäß § 36a Abs. 7 zweiter Satz AlVG bestimmt. Nach dieser Bestimmung ist bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit dem für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln. Wäre demnach der regionalen Geschäftsstelle das Einkommen des Beschwerdeführers im April 1999 von weiteren S 715,-- bekannt geworden, hätte sich nach dieser genannten Bestimmung immer noch ein Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze errechnet. Dies gilt auch für das nachträglich bekannt gewordene zusätzliche Einkommen des Beschwerdeführers im Monat August 1999. Im Beschwerdefall geht es jedoch nicht um die gesetzliche Anordnung über die Einkommensermittlung bei der Zuerkennung einer Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung, sondern um die endgültige Leistungsbemessung. Diese ist ab dem Vorliegen der gemäß § 36c Abs. 5 AlVG maßgebenden Bescheide vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, 98/08/0233). Im vorliegenden Fall sind derartige Bescheide auf Grund der Geringfügigkeit des Einkommens des Beschwerdeführers nicht ergangen. Deshalb hätte die belangte Behörde bei der festgestellten durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers als monatliches Einkommen ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens gemäß § 36a Abs. 7 erster Satz feststellen müssen. Ausgehend von dem nach Ausweis des Verwaltungsaktes unstrittigen Sachverhalt trifft die Behauptung der Beschwerde zu, dass eine solche Berechnung zeige, dass die monatliche Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 1999 nicht überschritten worden ist.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand besteht kein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer und von "Barauslagen".
Wien, am 4. August 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001080116.X00Im RIS seit
06.09.2004