Index
E3L E05204010;Norm
31979L0007 Gleichbehandlungs-RL Soziale Sicherheit Art4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Köller und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in M, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Bürgerstraße 62, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 21. Jänner 2003, Zl. LGSOÖ/Abt. 4/1283/0003/2003-4, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 i.V.m. § 10 AlVG für den Zeitraum 5. Dezember 2002 bis 15. Jänner 2003 verloren habe. Sie habe eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle des AMS zugewiesene zumutbare Beschäftigung nicht angenommen. Die Beschwerdeführerin habe in einer Niederschrift erklärt, sie könne die Beschäftigung nicht annehmen, weil die Arbeitszeit von 15.00 bis 20.00 Uhr unmöglich sei. Sie hätte zwei Kinder mit sieben und neun Jahren, ihr Ehemann arbeite ganztags (6.00 bis ca. 17.00 Uhr), und außerdem seien ihr 25 bis 30 Wochenstunden zu viel.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Versorgung von Familienangehörigen nur bei einer Beschäftigung außerhalb des Wohn- oder Aufenthaltsortes zu berücksichtigen sei. Im beschwerdegegenständlichen Fall liege der zugewiesene Dienstort außerhalb des Wohnortes der Beschwerdeführerin. Auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine auswärtige Beschäftigung nur dann unzumutbar, wenn die Versorgung der unterhaltsberechtigten Angehörigen der Arbeitslosen deshalb gefährdet werde, weil die Arbeitslose wegen dieser Beschäftigung nicht täglich an ihren Wohnort zurückkehren könne, oder weil ihr zwar eine Rückkehr möglich sei, sie aber wegen der längeren Anfahrtszeiten im Verhältnis zu einer Beschäftigung am Wohnort in der Versorgung ihrer Familienangehörigen beeinträchtigt sei. Im ergänzenden Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, dass der Ort der angebotenen Beschäftigung vier Kilometer von der Wohnung der Beschwerdeführerin entfernt sei; nach ständiger Entscheidungspraxis des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten beim Arbeitsmarktservice Oberösterreich sei ein Fußmarsch von mehr als einer Stunde (entspricht ca. 5 km) unzumutbar und dürfe auch bei einer auswärtigen Beschäftigung nicht überschritten werden. Die angebotene Beschäftigung in Mattighofen entspreche jedoch den Zumutbarkeitskriterien. Da die Beschwerdeführerin die angebotene Beschäftigung wegen ihrer Betreuungspflichten nicht aufgenommen habe, liege die für einen Leistungsbezug notwendige Arbeitswilligkeit nicht vor. Im Ausschlusszeitraum habe daher kein Leistungsanspruch bestanden.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdefall erweist sich im Wesentlichen jenem gleich gelagert, der dem hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 2002/08/0275, zu Grunde lag. In diesem Erkenntnis verneinte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen einer indirekten Diskriminierung im Sinne des § 4 Abs. 1 der Richtlinie 79/7/EWG; er beurteilte aber die Vermittlung einer Arbeitslosen zu Beschäftigungen, die auch mit der Verpflichtung zur Erbringung von Arbeitsleistungen während der Abend- und Nachtstunden (sowie an Sonn- und Feiertagen) verbunden sind, im Hinblick auf die die Arbeitslose treffenden, die Verfügbarkeit insoweit einschränkenden, sie aber nicht ausschließenden gesetzlichen Obsorgepflichten für ein minderjähriges Kind als von vornherein unzulässig. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin eine ihr angebotene Beschäftigung im Hinblick auf ihre Obsorgepflichten für ihre minderjährigen Kinder im Alter von sieben und neun Jahren nicht angenommen, da die Arbeitszeit täglich von 15.00 bis 20.00 Uhr aus ihrer Sicht mit den sie treffenden Obsorgepflichten nicht vereinbar gewesen sei. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid nur darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin die angebotene Beschäftigung wegen ihrer Betreuungspflichten nicht aufgenommen habe; sie hat allerdings eine nähere Auseinandersetzung mit der - eingeschränkten, aber nicht gänzlich beseitigten - Verfügbarkeit der Beschwerdeführerin unterlassen. Auch im vorliegenden Fall erweist sich daher der mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe mangels einer gesetzlichen Grundlage als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 4. August 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003080034.X00Im RIS seit
07.09.2004