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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
IESG §12 Abs1 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller ua., Rechtsanwälte in 8010 Graz, Grazbachgasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24. Oktober 2001, Zl. 5-s26n30/14-2001, betreffend Verpflichtung zur Leistung von Zuschlägen gemäß § 12 IESG (mitbeteiligte Partei: S Gesellschaft mbH, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in 8605 Kapfenberg, Schinitzgasse 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Den vorgelegten Verwaltungsakten lässt sich folgendes, für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wesentliches Verwaltungsgeschehen entnehmen:
Mit Bescheid vom 10. Oktober 1996 hat die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ausgesprochen, dass die mitbeteiligte Gesellschaft verpflichtet sei, für die im Zuge einer Beitragsprüfung vom 31. Oktober 1995 festgestellten Meldedifferenzen, die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 26. März 1996 aufscheinenden Beitragsnachweisungsdifferenzen für nicht entrichtete IESG-Zuschläge und für die den ausgewiesenen Dienstnehmern zugeordneten Beitragsgrundlagen allgemeine Beiträge, Sonderbeiträge und Nebenumlagen im Gesamtbetrag von S 265.241,89 nachzuentrichten. Die Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 26. März 1996 wurde zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erklärt sowie festgestellt, dass Verjährung gemäß § 68 ASVG nicht eingetreten sei. Nach der Begründung dieses Bescheides habe auf Grund eines Übereinkommens vom 15. November 1989 die Stadtgemeinde M das bisher von ihr geführte Elektrizitätswerk mit allen Nebenbetrieben und die Bestattungsanstalt als Sacheinlagen in die von ihr gegründete S GesmbH eingebracht. Die genannten Betriebe würden nicht mehr von der Stadtgemeinde, sondern nur mehr von der genannten juristischen Person geführt. Auf Grund des zitierten Übereinkommens finde jedoch auf die Dienstverhältnisse der in der Gesellschaft verwendeten Dienstnehmer die für Gemeindebeamte und Vertragsbedienstete der Stadtgemeinde jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen (Gemeindebedienstetengesetz 1957, Stmk. Gemeindevertragsbedienstetengesetz 1962 in der jeweils geltenden Fassung) mit der Maßgabe Anwendung, dass diesen Dienstnehmern aus der Tatsache ihrer Dienstleistung in der Gesellschaft hinsichtlich ihrer weiteren dienstrechtlichen und dienstvertraglichen Behandlung gegenüber Bediensteten, die nicht in der Gesellschaft verwendet würden, kein Nachteil erwachsen dürfe. Die Stadtgemeinde M nehme hinsichtlich der bei der Gesellschaft verwendeten Dienstnehmer die Rechte und Pflichten des Dienstgebers, nämlich der genannten GesmbH, treuhändig war. Die GesmbH sei verpflichtet, sämtliche Aufwendungen für die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis im Sinne des Stmk. Gemeindevertragsbedienstetengesetzes stehenden Personen, welche zur Dienstleistung bei der Gesellschaft verwendet würden, zu erbringen. Die Gesellschaft habe die Zahlung der sich aus den bestehenden Dienstverträgen ergebenden Löhne und Gehälter sowie die Erfüllung aller sonstigen finanziellen Verpflichtungen zu übernehmen. Die Auszahlung erfolge direkt durch die Gesellschaft. Die Stadtgemeinde habe die Rechte und Pflichten des Dienstgebers treuhändig für die Gesellschaft wahrzunehmen. Da die Gesellschaft als Dienstgeber auftrete und der Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt werde, komme ihr auch Dienstgebereigenschaft zu. Dass die Stadtgemeinde nicht Dienstgeber sei, beweise die Formulierung im Übereinkommen vom 15. November 1989, wonach sie die Rechte und Pflichten des Dienstgebers nur treuhändig wahrnehme, also "namens und auftrags der S GesmbH" handle. Da es sich bei den Dienstnehmern der Gesellschaft nicht um jene handle, die in § 1 Abs. 6 IESG angeführt seien, hätten sie Anspruch auf Leistungen im Falle der Insolvenz; daher habe die Gesellschaft den gemäß § 12 Abs. 1 Z. 5 IESG mit Verordnung des zuständigen Bundesministers festzusetzenden Zuschlag zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages nach § 2 AMPFG in der jeweils geltenden Fassung zu entrichten.
Die mitbeteiligte Gesellschaft erhob Einspruch, in der sie sich im Wesentlichen auf den Standpunkt stellte, dass sie nicht Dienstgeber sei: Die in Rede stehenden Dienstnehmer würden ihr vielmehr - wie sich aus der Vereinbarung vom 15. November 1989 ergebe - von der Stadtgemeinde M im Rahmen von Leiharbeitsverhältnissen zur Verfügung gestellt.
Nach Vorlage des Einspruchs an die belangte Behörde und nach einer weiteren Stellungnahme der mitbeteiligten Gesellschaft holte die belangte Behörde zunächst ein "Gutachten" der Wirtschaftskammer Steiermark zur Frage der Dienstgebereigenschaft ein und erließ sodann den Bescheid vom 18. Jänner 2000: Darin gab sie dem Einspruch der mitbeteiligten Gesellschaft keine Folge, änderte den erstinstanzlichen Bescheid jedoch dahingehend ab, dass
"1. die S Gesellschaft mbH gemäß § 35 ASVG Dienstgeber für die in der Beitragsnachverrechnung vom 26.3.1996 aufscheinenden Dienstnehmer ist und
2. gemäß § 44 Abs. 1 Zif. 1 und Abs. 2, 49 Abs. 1 und Abs. 2 sowie gemäß § 1 Abs. 6, § 12 Abs. 1 Zif. 5 sowie IESG für die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 26.3.1996 aufscheinenden Beitragsnachverrechnungsdifferenzen für nicht entrichtete IESG-Zuschläge und den ausgewiesenen Dienstnehmern zugeordneten Beitragsgrundlagen allgemeine Beiträge Sonderbeiträge und Nebenumlagen im Gesamtbetrag von S 265.241,89 nachzuentrichten hat."
In der Begründung dieses Bescheides vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen die Auffassung, dass die mitbeteiligte Gesellschaft Dienstgeber und damit Beitragsschuldner der Zuschläge gemäß § 12 Abs. 1 Z. 5 IESG sei. Dieser Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen ihn gemäß § 415 ASVG Berufung erhoben werden könne. Hinsichtlich der Feststellung der Beitragspflicht, der monatlichen Beitragsgrundlage und der monatlichen Beiträge sei eine Berufung nicht zulässig, diesbezüglich könne jedoch binnen sechs Wochen vom Tage der Zustellung dieses Bescheides an Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.
Die mitbeteiligte Gesellschaft erhob gegen diesen Bescheid (nur) Berufung an den Bundesminister.
Mit Bescheid vom 29. April 2000 behob der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen auf Grund der Berufung der mitbeteiligten Gesellschaft den angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG "betreffend die Feststellung der Dienstgebereigenschaft".
Jener Teil der Berufung der mitbeteiligten Gesellschaft gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Steiermark vom 18. Jänner 2000, der über die Beitragspflicht absprach, wurde jedoch gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 415 ASVG als unzulässig zurückgewiesen und dies unter Hinweis auf § 415 ASVG damit begründet, dass der Bundesminister zur meritorischen Entscheidung über die Beitragspflicht der erstmitbeteiligten Gesellschaft nicht zuständig sei. In einem weiteren Abspruch dieses Bescheides wurde eine eventualiter erhobene Berufung der Stadtgemeinde mangels Parteistellung zurückgewiesen.
Dieser Bescheid blieb unangefochten.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid entschied die belangte Behörde neuerlich über den Einspruch der mitbeteiligten Gesellschaft: Sie gab ihm nunmehr Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse dahingehend ab, dass
"die S GesmbH nicht verpflichtet ist, für die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 26.3.1996 aufscheinenden Beitragsnachweisungsdifferenzen für nicht entrichtete IESG-Zuschläge und für die den ausgewiesenen Dienstnehmern zugeordneten Beitragsgrundlagen allgemeinen Beiträge, Sonderbeiträge und Nebenumlagen im Gesamtbetrag von S 265.241,89 nachzuentrichten."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Rahmen des Beschwerdepunktes hatte der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen eine in der Beschwerde zwar nicht geltend gemachte, sich jedoch aus den vorliegenden Verwaltungsakten ergebende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wahrzunehmen:
Die belangte Behörde hat mit ihrem Einspruchsbescheid vom 18. Jänner 2000 in Spruchpunkt 2 ausgesprochen, dass die mitbeteiligte Gesellschaft die strittigen Zuschläge nach dem IESG im Gesamtbetrag von S 265.241,89 nachzuentrichten habe (und diesem Spruchteil die Rechtsmittelbelehrung beigegeben, dass dagegen zwar keine Berufung, jedoch binnen sechs Wochen Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zulässig sei).
Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen hat mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 29. April 2000 den Bescheid des Landeshauptmanns vom 18. Jänner 2000 nicht etwa zur Gänze "auf Grund eines Formfehlers" aufgehoben - wie die Beschwerdeführerin in der Sachverhaltsdarstellung ihrer Beschwerde zu Unrecht behauptet -, sondern nur den Spruchteil 1 des erwähnten Einspruchsbescheides (mit welchem die Dienstgebereigenschaft der mitbeteiligten Partei festgestellt worden war). Hingegen hat er die Berufung der erstmitbeteiligten Partei gegen den in Spruchpunkt 2 enthaltenen Abspruch über die Beitragspflicht (rechtlich zutreffend) als unzulässig zurückgewiesen.
Spruchpunkt 2 des Bescheides vom 18. Jänner 2000, welcher dem Vertreter der mitbeteiligten Gesellschaft ausweislich des bei den Akten befindlichen Rückscheins am 26. Jänner 2000 ordnungsgemäß zugestellt worden ist, ist daher nach der Aktenlage in Rechtskraft erwachsen.
Dadurch, dass die belangte Behörde die Rechtskraft dieses Teils ihres Bescheides vom 18. Jänner 2000 unbeachtet gelassen und über denselben Gegenstand mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 24. Oktober 2001 neuerlich (diesmal zum Nachteil der Beschwerdeführerin) abgesprochen hat, hat sie eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht mehr zukam.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen, einschließlich der im Vorverfahren aufgeworfenen Fragen gemeinschaftsrechtlicher Art, einzugehen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 4. August 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001080218.X00Im RIS seit
03.09.2004