Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §46 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 17. April 2003, Zl. LGSTi/V/1212/4335 13 01 55-702/2003, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte unter Verwendung des bundeseinheitlichen Antragsformulars einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum ab dem 1. Februar 2003. Er gab dabei an, selbständig erwerbstätig zu sein und daraus ein Einkommen in der Höhe von EUR 237,50 (monatlich) zu beziehen. Mit einer Erklärung vom 13. Februar 2003 über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz gab der Beschwerdeführer gegenüber der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck an, im Zeitraum vom 1. Jänner 2003 bis zum 31. Jänner 2003 ein Einkommen von brutto EUR 510,-- und einen Umsatz von brutto EUR 425,-- erzielt zu haben; dieser Erklärung angeschlossen war eine vom Beschwerdeführer erstellte Honorarnote, in der er für seine Leistungen einen Betrag von EUR 425,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, sohin gesamt EUR 510,-- geltend gemacht hatte. Mit Erklärung vom 16. März 2003 über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz gab der Beschwerdeführer an, im Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis zum 28. Februar 2003 ein Einkommen von brutto EUR 285,-- und einen Umsatz von EUR 237,50 erzielt zu haben. Der dieser Erklärung angeschlossenen Honorarnote ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer für seine Leistungen einen Honoraranspruch von EUR 237,50 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, sohin gesamt EUR 285,--, geltend gemacht hatte.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Innsbruck vom 6. März 2003 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 12 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) mangels Arbeitslosigkeit abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen des Beschwerdeführers von Jänner und Februar 2003 über der Geringfügigkeitsgrenze liege. Der Berufung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. April 2003 keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht geltend, dass die belangte Behörde zu Unrecht den Monat Jänner 2003, für den der Beschwerdeführer kein Arbeitslosengeld beantragt habe, in die Berechnung des Einkommens mit einbezogen habe. Der Beschwerdeführer habe Arbeitslosengeld erst für Februar 2003 beantragt und in diesem Monat nur ein Einkommen von EUR 285,-- erzielt, somit ein Einkommen, das wesentlich unter der Geringfügigkeitsgrenze von EUR 309,-- liege. Für die Beurteilung, ob ein Einkommen unter oder über der Geringfügigkeitsgrenze liege, seien nur jene Monate heranzuziehen, für welche Arbeitslosengeld beantragt worden sei, nicht jedoch jene Monate, die außerhalb jenes Zeitraums lägen, für welchen Arbeitslosengeld beantragt worden sei. Selbst für jene Monate, für die Arbeitslosengeld beantragt worden sei, sei kein Durchschnitt zu bilden; vielmehr sei einem Antragsteller in jenen Monaten, in denen sein Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze liege, Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Rechtsansicht der belangten Behörde hätte zur Folge, dass auch ein Entgelt nach § 12 Abs. 6 lit. a AlVG mit einem Zwölftel des Jahreseinkommens bzw. nach dem Lohnsteuer/Einkommensteuerbescheid für das betreffende Kalenderjahr zu beurteilen wäre, was zur Folge hätte, dass der Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld nahezu immer abgewiesen werden müsste, zumal das Einkommen eines Antragstellers - sofern er vor Antragstellung durchgehend gearbeitet habe - kaum je unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen werde. Eine solche Konsequenz könne jedoch nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer in den Monaten Jänner und Februar 2003 eine von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend als selbständige Erwerbstätigkeit beurteilte Tätigkeit ausgeübt hat, für die er ein Einkommen bezog.
Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG gilt als arbeitslos insbesondere nicht, wer selbständig erwerbstätig ist. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG i.d.F. BGBl. I Nr. 139/1997 gilt jedoch als arbeitslos,
"wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die in § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt."
Zur Berechnung des monatlichen Einkommens bestimmt § 36a Abs. 7 AlVG i.d.F. BGBl. I Nr. 148/1998:
"Als monatliches Einkommen gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln."
Der Beschwerdeführer hat seine selbständige Tätigkeit jedenfalls in den Monaten Jänner und Februar 2003 ausgeübt; bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2003 war daher gemäß § 36a AlVG das monatliche Einkommen für Februar 2003 durch Zusammenrechnung des für Februar 2003 nachgewiesenen Einkommens mit dem für Jänner 2003 nachgewiesenen Einkommen, geteilt durch zwei, zu ermitteln. Die vom Beschwerdeführer gegen diese Berechnung vorgebrachten Einwände finden im Gesetz keine Deckung.
Die Beschwerde erweist sich jedoch aus einem nicht geltend gemachten, im Rahmen des Beschwerdepunktes jedoch von Amts wegen aufzugreifenden Grund als begründet.
Gemäß § 36a Abs 2 AlVG ist Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), zuzüglich hier nicht relevanter Hinzurechnungen sowie einem - hier ebenfalls nicht in Betracht kommenden - Pauschalierungsausgleich.
Gemäß § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG i.d.F. BGBl. I Nr. 148/1998 ist das Einkommen wie folgt nachzuweisen:
"1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;"
Die Nachweispflicht des Antragstellers enthebt die Behörde im Hinblick darauf, dass auch im behördlichen Verfahren der Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice gemäß Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz und damit auch dessen § 39 Abs 2 anzuwenden ist, nicht der Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dem ebenfalls eine Nachweispflicht des Antragstellers normierenden § 46 Abs. 4 AlVG ausgesprochen hat, obliegt es auch in diesem Verfahren der Behörde, innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwands - freilich unter Mitwirkung des Antragstellers - ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1992, Zl. 92/08/0023).
Der Beschwerdeführer hat zum Nachweis seines Einkommens gemäß § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG eine Erklärung sowie als "geeigneten Nachweis" im Sinne dieser Bestimmung von ihm für Leistungen im jeweiligen Kalendermonat jeweils gelegte Honorarnoten vorgelegt. Dabei ist der Beschwerdeführer beim Ausfüllen dieses Formulars offenkundig von einem unrichtigen Verständnis des Einkommensbegriffes ausgegangen.
Nach der für den Nachweis des Einkommens im Jänner 2003 vorgelegten Honorarnote wurde für im Jänner 2003 erbrachte Leistungen mit Datum vom 6. Februar 2003 Rechnung gelegt und dabei ein Betrag von EUR 510,-- inklusive Umsatzsteuer geltend gemacht. Es ist offenkundig, dass dieser Betrag, der den angegebenen Umsatz im selben Zeitraum übersteigt, nicht - wie es der Beschwerdeführer jedoch im Formular angegeben hat - zugleich das Einkommen (im Sinne des § 36a AlVG) für den Monat Jänner 2003 darstellen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2000/08/0195). Auch für den Kalendermonat Februar 2003 hat der Beschwerdeführer im Formular über die Erklärung des Bruttoeinkommens bzw. des Umsatzes den von ihm im März 2003 geltend gemachten Honorarbetrag inklusive Umsatzsteuer als Einkommen für Februar 2003 angegeben.
Die Einkommenserklärungen des Beschwerdeführers und die von ihm der belangten Behörde zugleich vorgelegten Nachweise standen zueinander in offenem Widerspruch. Die belangte Behörde hätte daher nicht ausschließlich von den im Formular für die Erklärung des Bruttoeinkommens bzw. des Umsatzes ziffernmäßig angegebenen Beträgen ausgehen und die offenkundig unrichtigen Einkommenserklärungen des Beschwerdeführers ohne weitere Ermittlungen ihrer Entscheidung zu Grunde legen dürfen.
Die belangte Behörde hat daher ihre Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes verletzt. Dieser Verfahrensmangel ist auch wesentlich, da nicht auszuschließen ist, dass bei ordnungsgemäß durchgeführtem Ermittlungsverfahren ein niedrigeres, die Geringfügigkeitsgrenze unterschreitendes Einkommen des Beschwerdeführers festgestellt worden wäre.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 4. August 2004
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2003080104.X00Im RIS seit
07.09.2004