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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des HM in Wien, vertreten durch Mag. Dipl. Ing. Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien IV, Rainergasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 4. Juli 2001, Zl. Senat-BN-97-474, betreffend Übertretungen der StVO,
1. zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Übertretungen des § 52 lit. a Z. 10a StVO und des § 20 Abs. 2 StVO (somit auch, soweit zu Spruchpunkt 4 des Straferkenntnisses S 160,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben wurden) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen - sohin hinsichtlich der Übertretung des § 18 Abs. 1 StVO - wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 25. März 1997 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 2. August 1996 um 7.43 Uhr im Gemeindegebiet von Möllersdorf auf der A 2 auf einem näher genannten Streckenabschnitt und auf der B 17 an einem näher genannten Ort als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Fahrzeuges
1. die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit (100 km/h erlaubte Höchstgeschwindigkeit, 137 km/h gemessene Geschwindigkeit an einem näher genannten Ort auf der A 2 nach Abzug der Messtoleranz) überschritten,
2. die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit (80 km/h erlaubte Höchstgeschwindigkeit, 125 km/h gemessene Geschwindigkeit an einem näher genannten weiteren Ort auf der A 2 nach Abzug der Messtoleranz) überschritten,
3. auf einem näher genannten Ort auf der A 2 keinen solchen Abstand zu dem nächsten fahrenden Fahrzeug eingehalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre,
4. sei auf einem näher genannten Ort auf der A 2 auf der Autobahn schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren, und habe
5. ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke (an einem näher genannten Ort auf der B 17), die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" (§ 52 Z. 4a StVO) gekennzeichnet sei, links überholt.
Der Beschwerdeführer habe dadurch zu den Punkten 1 und 2 je eine Übertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO, zu Punkt 3 nach § 18 Abs. 1 StVO, zu Punkt 4 nach § 20 Abs. 2 StVO und zu Punkt 5 nach § 16 Abs. 2 StVO begangen, weshalb über ihn jeweils eine Geldstrafe - zu Punkt 3 von S 1.000,-- und zu Punkt 4 von S 800,-- - (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Die belangte Behörde führte am 7. Juli 1998 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher die Berufungsentscheidung mündlich verkündet wurde. Laut Niederschrift (und einem der Niederschrift zuliegenden, handschriftlich verfassten Entscheidungskonzept) wurde das Straferkenntnis hinsichtlich der Punkte 1 und 3 vollinhaltlich bestätigt und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der übrigen Punkte eingestellt.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2001 wurde der Berufung des Beschwerdeführers - unter Berufung auf die am 7. Juli 1998 gemäß § 51h Abs. 4 VStG erfolgte mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung - teilweise Folge gegeben. Der Spruch des Straferkenntnisses wurde hinsichtlich der Punkte 1 und 2 dahin abgeändert, dass dieser zu lauten habe:
"Die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens 'Geschwindigkeitsbeschränkung' erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten.
100 km/h erlaubte Höchstgeschwindigkeit
137 km/h Geschwindigkeit nach Abzug der Messtoleranz
(Gemeindegebiet Möllersdorf A 2, Strkm. ...)
80 km/h erlaubte Höchstgeschwindigkeit
115 km/h Geschwindigkeit nach Abzug der Messtoleranz (Gemeindegebiet von Möllersdorf A 2, Strkm. ...) Sie haben dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO begangen und wird hiefür gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO gegen Sie eine Geldstrafe von S 2.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) anstatt von S 5.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 114 Stunden) verhängt."
Ferner setzte die belangte Behörde den Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz hinsichtlich des Punktes 1 neu fest.
Das Straferkenntnis wurde hinsichtlich der Punkte 3 und 4 bestätigt. Diesbezüglich wurden auch die Kosten für das Berufungsverfahren bestimmt. Schließlich wurde das Straferkenntnis hinsichtlich Punkt 5 aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
1. Zur Ablehnung der Beschwerde betreffend Übertretung des § 18 Abs. 1 StVO:
Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 726,-- verhängt wurde.
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde in der Sache keine EUR 726,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
2. Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:
Der Beschwerdeführer bringt unter Bezugnahme auf den Inhalt des sich aus der Verhandlungsschrift vom 7. Juli 1998 ergebenden Inhaltes des mündlich verkündeten Bescheides insbesondere vor, dass der Inhalt der schriftlichen Bescheidausfertigung erheblich vom Inhalt des verkündeten Bescheides abweiche. Ferner seien dem Beschwerdeführer mit der schriftlichen Ausfertigung auch Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt worden, was nicht Bestandteil des mündlich verkündeten Bescheidinhaltes gewesen sei. Der angefochtene Bescheid sei daher inhaltlich rechtswidrig.
Zur Verhandlung vor der belangten Behörde am 7. Juli 1998 wurden nach der Aktenlage sowohl der Beschwerdeführer als auch dessen Rechtsvertreter ordnungsgemäß geladen. Nach dem Inhalt des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 1998 fand an diesem Tag die Verkündung der Berufungsentscheidung mit dem vorgenannten Inhalt in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters statt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die bei der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat, zu der die Parteien ordnungsgemäß geladen wurden, erfolgte Verkündung des Berufungsbescheides die Wirkung seiner Erlassung. Für die Frage, ob und mit welchen Inhalten ein mündlicher Bescheid erlassen wurde, ist nicht die schriftliche Bescheidausfertigung, sondern jene Urkunde entscheidend, die über den Bescheidinhalt und die Tatsache der Verkündung gemäß § 62 Abs. 2 AVG angefertigt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 2004, Zl. 2003/03/0021).
Da der Inhalt und die Verkündung des Berufungsbescheides in der Verhandlung am 7. Juli 1998 ordnungsgemäß entsprechend § 62 Abs. 2 AVG i.V.m. § 24 VStG am Schluss der Verhandlungsschrift beurkundet wurden, ist dieser Bescheid mit seiner Verkündung und mit dem verkündeten Inhalt in Rechtswirksamkeit getreten.
Es knüpfen sich an einen solchen verkündeten Bescheid somit die Rechtswirkungen eines Bescheides, insbesondere dessen Unwiderrufbarkeit, sodass dieser von Amts wegen von der Behörde nicht mehr oder nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen widerrufen, das heißt aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden kann (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 28. April 2004).
Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde hinsichtlich der nachträglich in der schriftlichen Ausfertigung des Berufungsbescheides vorgenommenen Spruchänderung (Zusammenfassung der Spruchpunkte 1 und 2 des Straferkenntnisses) zu einer Übertretung des § 52 lit. a Z. 10a StVO (nachträgliche Qualifikation als ein fortgesetztes Delikt; hinsichtlich des Spruchpunktes 2 erfolgte jedoch durch den verkündeten Berufungsbescheid bereits eine Aufhebung und Einstellung des Strafverfahrens) sowie hinsichtlich des Spruchpunktes 4 des Straferkenntnisses (Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO; das diesbezügliche Strafverfahren wurde laut dem verkündeten Bescheid gleichfalls bereits eingestellt und die diesbezügliche Bestrafung aufgehoben).
Der angefochtene Bescheid verstößt im dargestellten Umfang gegen das oben dargelegte Prinzip der Unwiderrufbarkeit eines Bescheides und war daher einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens bezüglich der Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO im Ausmaß von S 160,-- gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 5. August 2004
Schlagworte
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenMaßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftBesondere RechtsgebieteMaßgebender Bescheidinhalt Fassung die der Partei zugekommen istRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001020189.X00Im RIS seit
31.08.2004Zuletzt aktualisiert am
06.10.2010