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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art103 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, in der Beschwerdesache des W in W, vertreten durch Dr. Elisabeth C. Schaller, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Loquaiplatz 1/7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Februar 2004, Zl. MA 65-2737/2003, betreffend Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens nach dem FSG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2002/11/0228, verwiesen:
Mit Bescheid vom 9. Jänner 2002 befristete die Bundespolizeidirektion Wien - unter Heranziehung eines amtsärztlichen Gutachtens vom 28. Dezember 2001 - dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG seine am 16. März 1982 für die Klasse (n) B und F erteilte Lenkberechtigung für die Zeit von einem Jahr, und zwar bis zum 28. Dezember 2002. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 20. Juni 2002 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2002/11/0228, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Ausschlaggebend für die Aufhebung war, dass der Landeshauptmann von Wien in seinem Berufungsbescheid in Folge Verkennung der Rechtslage, der zufolge eine Einschränkung der Gültigkeit einer Lenkberechtigung nicht bereits dann vorgenommen werden darf, wenn eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bloß nicht ausgeschlossen werden kann, die erforderlichen Feststellungen darüber unterlassen hat, ob beim Beschwerdeführer eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Der Verwaltungsgerichtshof sah überdies Verfahrensvorschriften verletzt.
Im fortgesetzten Verfahren forderte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 17. Februar 2004 den Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 i.V.m. § 8 des Führerscheingesetzes (FSG) auf, binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides "ein amtsärztliches Endgutachten" über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen. Bei Nichterfüllung dieser Aufforderung werde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung des Gutachtens zu entziehen sein. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Wien aus, laut Aktenlage habe der amtsärztliche Sachverständige der Bundespolizeidirektion Wien gutachterlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer wegen Reduktion der sensomotorischen Koordination zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 und 1/AB nur bedingt geeignet sei und es zur Feststellung der fortdauernden Eignung einer Nachkontrolle bedürfe. Daraufhin sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Jänner 2002 die Lenkberechtigung wegen Einschränkung der gesundheitlichen Eignung gemäß § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG für die Zeit von einem Jahr befristet worden. Der in der Folge ergangene Berufungsbescheid vom 20. Juni 2002 sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2002/11/0228, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben worden, sodass über die Berufung des Beschwerdeführers noch zu entscheiden sei. Zur Lösung der Frage, ob und welche Einschränkungen seiner Lenkberechtigung notwendig seien, bedürfe es im Lichte des genannten Erkenntnisses einer gutachterlichen Feststellung darüber, ob mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gerechnet werden müsse. Da im Zuge des Berufungsverfahrens dieses Gutachten und die hiezu erforderliche verkehrspsychologische Stellungnahme bisher nicht beigebracht worden seien, habe auch die amtsärztliche Begutachtung nicht abgegeben werden können. Der Beschwerdeführer sei daher gemäß § 24 Abs. 4 FSG bescheidmäßig aufzufordern gewesen, das benötigte abschließende amtsärztliche Gutachten zu erbringen. Diese Aufforderung umfasse auch die Pflicht zur Erwirkung und Vorlage der zur Erstellung des Gutachtens erforderlichen Vorbefunde und Voruntersuchungsberichte.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
2.1.1. Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, "wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges".
2.1.2. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte nach der Aktenlage am 27. Februar 2004) ist im Beschwerdefall das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 maßgeblich.
Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauteten (auszugsweise):
"Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24.
...
(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befund zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
...
Übergangsbestimmungen
§ 41.
...
(1a) Für die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, anhängigen Verfahren bleiben § 35 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 in der vorher geltenden Fassung maßgeblich.
..."
2.2.1. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, war das nach dem erwähnten hg. Erkenntnis vom 13. August 2003 wieder offene Verfahren über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Befristungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Jänner 2002 gemäß § 41 Abs. 1a FSG als im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verwaltungsreformgesetzes 2001 (am 1. August 2002) bereits anhängiges Verfahren von der nach § 35 Abs. 1 FSG (in der vorher geltenden Fassung) zuständigen Berufungsbehörde, dem Landeshauptmann von Wien, weiterzuführen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Beschlüssen vom 2. März 1982, Zlen. 82/11/0015, 0016, und vom 6. Juni 1984, Zlen. 84/11/0137, 0138, dargelegt, dass es sich dann, wenn der Landeshauptmann in einem Berufungsverfahren, dem die Entziehung der Lenkerberechtigung durch die Erstbehörde zu Grunde liegt, erstmals an die davon betroffene Person eine Aufforderung gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 richtet, hiebei um eine Entscheidung erster Instanz handelt, die in einem selbständigen, auch hinsichtlich des Instanzenzuges von der Entscheidung in der Hauptsache unabhängigen Verfahren ergangen ist (vgl. auch zur Qualifikation vom Landeshauptmann in einem Berufungsverfahren erlassener Aussetzungsbescheide nach § 38 AVG als in einem selbständigen Verfahren ergangene erstinstanzliche Bescheide die hg. Beschlüsse vom 29. Mai 1985, Zl. 85/11/0024, vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/11/0266, und vom 6. September 1994, Zl. 94/11/0234). Diese noch zum KFG 1967 ergangene Judikatur ist auf Grund der strukturellen Gleichartigkeit der Rechtsvorschriften auf die nunmehr in § 24 Abs. 4 FSG vorgesehenen Aufforderungsbescheide zu übertragen. Der angefochtene Bescheid ist demnach ein in erster Instanz ergangener Bescheid des Landeshauptmannes von Wien. Für solche erstinstanzlichen Bescheide eines Landeshauptmannes enthielt die im Beschwerdefall noch maßgebliche Rechtslage keine Regelung über den Instanzenzug. Folglich kam Art. 103 Abs. 4 B-VG zum Tragen, wonach dann, wenn die Entscheidung in erster Instanz in einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung dem Landeshauptmann zusteht, der Instanzenzug bis zum zuständigen Bundesminister geht, wenn nicht bundesgesetzlich anderes bestimmt ist.
Mangels bundesgesetzlicher Abkürzung des Instanzenzuges stand dem Beschwerdeführer daher - ungeachtet der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides - die Berufung an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie offen.
Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung (Nichterschöpfung des Instanzenzuges) gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
2.2.2. Für eine allfällige Fortsetzung des (Aufforderungs)Verfahrens sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu folgenden Ausführungen veranlasst:
Nach der unmissverständlichen Formulierung des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides ein amtsärztliches Endgutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen. Für eine solche Aufforderung, wie sie noch nach der (alten) Fassung des § 26 Abs. 5 FSG in der Fassung vor der 5. FSG-Novelle vorgesehen war, besteht nach der nunmehr maßgeblichen Formulierung des § 24 Abs. 4 FSG keine gesetzliche Grundlage mehr (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2004, Zl. 2004/11/0019). Schon deshalb ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Für das fortgesetzte Verfahren (das nach wie vor offene Verfahren zur Entscheidung über die Berufung gegen den Befristungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Jänner 2002) sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die belangte Behörde nach der neuen Fassung des § 24 Abs. 4 FSG bei Bedenken, ob die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers noch gegeben ist, nur ermächtigt ist, eine bescheidmäßige Aufforderung zu erlassen, der Beschwerdeführer möge sich ärztlich untersuchen lassen oder die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde (diese wären im Aufforderungsbescheid im Einzelnen anzuführen) zu erbringen. Nur ein derartiger Bescheid wäre eine taugliche Grundlage für eine sog. "Formalentziehung" nach § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG. Einem solchen in einem Berufungsverfahren ergehenden Aufforderungsbescheid stünde - anders als der Beschwerdeführer vermeint - das eingangs erwähnte hg. Erkenntnis vom 13. August 2003 nicht entgegen (zur Ermächtigung der Berufungsbehörde in einem Verfahren zur Entziehung oder Einschränkung einer Lenkberechtigung, von sich aus einen Aufforderungsbescheid zu erlassen, vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 99/11/0286, m.w.N.). Ein Aufforderungsbescheid ist im Lichte der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Falle einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2002/11/0103, mwN.).
Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies zumindest nach der Aktenlage, dass auf Grund des Ergebnisses der seinerzeitigen verkehrspsychologischen Untersuchung des Beschwerdeführers am 17. Oktober 2001 - in der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 18. Oktober 2001 ist davon die Rede, dass der Beschwerdeführer abgesehen von alterstypisch reduzierten Werten auch deutlich unter der Norm liegende Testwerte im Bereich der reaktiven Belastbarkeit, die unter dem gegebenen Zeitdruck nicht gegeben sei, sowie eine reduzierte Konzentrationsleistung hinsichtlich der Geschwindigkeit aufweise - das Weiterbestehen begründeter Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers nicht verneint werden kann. Eine neuerliche verkehrspsychologische Untersuchung ist daher schon nach der Aktenlage unumgänglich.
Dass ein erneuter Aufforderungsbescheid (auch ein Berufungsbescheid) gleichwohl nur zulässig ist, wenn sich der Betreffende der Untersuchung nicht ohnehin bereits unterzogen hat oder einen für die Erstattung eines amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befund beigebracht hat, versteht sich von selbst.
2.3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51, VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 13. August 2004
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004110063.X00Im RIS seit
19.10.2004Zuletzt aktualisiert am
04.11.2014