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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art137 / Klage zw GebietskLeitsatz
Abweisung der Klage einer Stadtgemeinde als Straßenerhalterin gegenden Bund auf Zahlung eingehobener Strafgelder fürVerwaltungsübertretungen auf aufgelassenen Bundesstraßen; keineBedenken gegen die in der StVO 1960 für "verländerte" Bundesstraßennormierte Ausnahme von der Regelung über die Abführung derStrafgelder an den Straßenerhalter angesichts eines gesetzlichfixierten Zweckzuschusses für die Länder; finanzielleBegleitmaßnahmen im Fall einer "Kommunalisierung" der Straße zwischenLand und Gemeinde zu vereinbarenSpruch
Das Klagebegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit ihrer gegen den Bund gerichteten, auf Art137 B-VGrömisch eins. 1. Mit ihrer gegen den Bund gerichteten, auf Art137 B-VG
gestützten Klage begehrt die Stadtgemeinde Tulln an der Donau, der Verfassungsgerichtshof möge den Bund schuldig erkennen,
"der klagenden Partei den Betrag von € 30.000,-- samt 4 % Zinsen von jeweils € 10.000,-- ab 1.3.2005, 1.3.2006 und 1.3.2007 zu bezahlen und gem §41 VfGG iVm §35 VfGG und §41 Abs2 ZPO die nach dem RATG bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen; dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution". "der klagenden Partei den Betrag von € 30.000,-- samt 4 % Zinsen von jeweils € 10.000,-- ab 1.3.2005, 1.3.2006 und 1.3.2007 zu bezahlen und gem §41 VfGG in Verbindung mit §35 VfGG und §41 Abs2 ZPO die nach dem RATG bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen; dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution".
Zur Begründung ihres Klagebegehrens führt sie zusammengefasst Folgendes aus:
Die Stadtgemeinde Tulln an der Donau habe im Zuge der Schaffung der Südumfahrung der Stadt Tulln auf Grund eines Gemeinderatsbeschlusses vom 14.12.2000 im Jahr 2001 jeweils einen Abschnitt der ehemaligen Bundesstraßen B 19 und B 14 übernommen und sei daher Erhalterin dieser Straßenstücke. Es handle sich dabei um
2.502 bzw. um 1.880 Straßenmeter und um Straßenstücke, "die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2002 als Bundesstraße aufgelassen wurden".2.502 bzw. um 1.880 Straßenmeter und um Straßenstücke, "die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 50 aus 2002, als Bundesstraße aufgelassen wurden".
Strafgelder, die für Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (in der Folge: StVO) eingehoben werden, stünden grundsätzlich dem Erhalter jener Straße zu, auf der die Verwaltungsübertretung begangen wurde (§100 Abs7 erster Satz erster Halbsatz StVO). Strafgelder für Verwaltungsübertretungen, die auf Straßenstücken von aufgelassenen Bundesstraßen begangen wurden, seien hingegen gemäß §100 Abs7 erster Satz zweiter Halbsatz StVO an den Bund abzuführen. In den Jahren 2004, 2005 und 2006 seien (für Übertretungen der StVO) an den oben erwähnten Straßenstücken jährlich mindestens jeweils € 10.000,- eingehoben worden. Das an die Bezirkshauptmannschaft Tulln und an den Bund gerichtete Verlangen der klagenden Partei, ihr mögen die Strafgelder überlassen werden, habe der Bund unter Berufung auf die Ausnahmebestimmung des §100 Abs7 erster Satz zweiter Halbsatz StVO abgelehnt.
Nach Auffassung der klagenden Partei ist die in §100 Abs7 StVO normierte Ausnahme von der Regel, wonach Strafgelder dem Straßenerhalter zukommen, verfassungswidrig. Aus den einschlägigen parlamentarischen Materialien (1023 BlgNR 21. GP) ergebe sich keine Begründung dafür, weshalb die Strafgelder für Übertretungen auf einer ehemaligen Bundesstraße weiterhin dem Bund zufließen sollen, obwohl zukünftig dauerhaft ein Land oder eine Gemeinde Straßenerhalter sei. Eingehobene Strafgelder stünden grundsätzlich dem Straßenerhalter zu. Die "hier präjudizielle Ausnahme" sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es könne nicht gesagt werden, der dauerhafte Entgang der Strafgelder sei ein "angemessenes Entgelt" für die Übertragung der (kostenverursachenden) Straßenstücke ins Eigentum. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Erhalter von ehemaligen Bundesstraßen könne auch nicht darin liegen, dass im Zusammenhang mit der Verländerung der Bundesstraßen das Zweckzuschussgesetz geändert wurde. Im Zweckzuschussgesetz 2001 sei zwar ein §4a mit der Überschrift "Zweckzuschuss für die Finanzierung von Straßen" eingefügt worden, der Bund habe diesen Zweckzuschuss aber nur den Ländern, nicht den - ebenfalls als Erhalter einer Straße in Betracht kommenden - Gemeinden gewährt. Darüber hinaus gelte die im Zweckzuschussgesetz getroffene Regelung nur bis 2008, während die Neufassung des §100 Abs7 StVO als dauerhafte Regelung konzipiert sei. Es liege kein "paktierter", finanzausgleichsähnlicher Rechtszustand vor, weil die Gemeinden an der Gesetzwerdung in keiner Weise beteiligt worden und nicht als Verhandlungspartner einbezogen gewesen seien. Die Interessen der Gemeinden als Straßenerhalter seien grob missachtet worden.
Im Fall der Aufhebung der von der klagenden Partei für verfassungswidrig erachteten Wortfolge würden ihr die begehrten Strafgelder zustehen, weil nach der solcherart bereinigten Rechtslage die grundsätzliche Regel greife, derzufolge die Strafgelder an den Straßenerhalter abzuführen seien. Die Klage nach Art137 B-VG sei zulässig, weil der Anspruch auf Bezahlung der Strafgelder auf §100 Abs7 StVO gestützt werde und für die Erledigung derartiger Ansprüche weder die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde noch jene eines ordentlichen Gerichts bestehe.
2. Der Bund (Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) erstattete eine Gegenschrift, in der er ausführt, dass im Rahmen des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes, BGBl. I 50/2002, nicht nur §100 Abs7 StVO, sondern auch das Zweckzuschussgesetz geändert worden seien. Diese Änderungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang zueinander; die Änderung des Zweckzuschussgesetzes sei als finanzielle Begleitmaßnahme zu betrachten. Ob und inwieweit die an die Länder übertragenen Straßen Landesstraßen bleiben oder den Gemeinden übertragen werden, könne vom Bund weder beeinflusst noch beurteilt werden und könne auch keinen Einfluss auf die Verfassungsmäßigkeit des §100 Abs7 StVO haben. Finanzielle Aspekte seien im Fall der Übertragung solcher Straßen auf eine Gemeinde im Innenverhältnis zwischen dem betreffenden Land und der Gemeinde zu regeln. 2. Der Bund (Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) erstattete eine Gegenschrift, in der er ausführt, dass im Rahmen des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, 50 aus 2002,, nicht nur §100 Abs7 StVO, sondern auch das Zweckzuschussgesetz geändert worden seien. Diese Änderungen stünden in unmittelbarem Zusammenhang zueinander; die Änderung des Zweckzuschussgesetzes sei als finanzielle Begleitmaßnahme zu betrachten. Ob und inwieweit die an die Länder übertragenen Straßen Landesstraßen bleiben oder den Gemeinden übertragen werden, könne vom Bund weder beeinflusst noch beurteilt werden und könne auch keinen Einfluss auf die Verfassungsmäßigkeit des §100 Abs7 StVO haben. Finanzielle Aspekte seien im Fall der Übertragung solcher Straßen auf eine Gemeinde im Innenverhältnis zwischen dem betreffenden Land und der Gemeinde zu regeln.
Im Übrigen verwies die beklagte Partei auf die im Gesetzesprüfungsverfahren zu G96/03 abgegebene Stellungnahme der Bundesregierung und legte diese vor (Anm: Dieses Verfahren endete mit Einstellung durch Beschluss vom 22. September 2003 wegen Zurückziehung des Antrags). Im Übrigen verwies die beklagte Partei auf die im Gesetzesprüfungsverfahren zu G96/03 abgegebene Stellungnahme der Bundesregierung und legte diese vor Anmerkung, Dieses Verfahren endete mit Einstellung durch Beschluss vom 22. September 2003 wegen Zurückziehung des Antrags).
3. Die klagende Partei replizierte darauf.
II. Die im Zusammenhang mit der Klage relevante Rechtslage stellt sich folgendermaßen dar:römisch II. Die im Zusammenhang mit der Klage relevante Rechtslage stellt sich folgendermaßen dar:
Abs7 des mit "Besondere Vorschriften für das Strafverfahren" überschriebenen §100 der StVO, BGBl. 159/1960, lautet in der Fassung BGBl. I 71/2003 (diese Fassung trat mit 1. Juli 2003 in Kraft): Abs7 des mit "Besondere Vorschriften für das Strafverfahren" überschriebenen §100 der StVO, Bundesgesetzblatt 159 aus 1960,, lautet in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 71 aus 2003, (diese Fassung trat mit 1. Juli 2003 in Kraft):
"(7) Eingehobene Strafgelder, ausgenommen jene nach Abs3a, sind dem Erhalter jener Straße abzuführen, auf der die Verwaltungsübertretung begangen worden ist; Strafgelder, die auf Straßen eingehoben werden, die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2002 als Bundesstraßen aufgelassen wurden, sind jedoch an den Bund abzuführen; in Wien gilt das Land Wien als Erhalter jener Straßen, die weder Bundesstraßen sind noch gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2002 als Bundesstraßen aufgelassen wurden. In Ortsgebieten mit Landes- und Gemeindestraßen können die eingehobenen Strafgelder zwischen Land und Gemeinde auch nach dem Verhältnis der Straßenlänge zwischen Landes- und Gemeindestraßen aufgeteilt und abgeführt werden, sofern zwischen Land und Gemeinde ein diesbezügliches Einvernehmen besteht. Sofern sich aus den Abs8, 9 und 10 nichts anderes ergibt, sind die eingehobenen Strafgelder, ausgenommen jene, die auf Straßen eingehoben werden, die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2002 als Bundesstraßen aufgelassen wurden, für die Straßenerhaltung sowie für die Beschaffung und Erhaltung von Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu verwenden. Im Falle der Verwaltungsübertretung nach §99 Abs4 lith gilt als Straßenerhalter der Erhalter der Fahrbahn; ist eine solche nicht vorhanden, so fließen die Strafgelder dem Träger der Sozialhilfe zu, der für den Ort, wo die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, zuständig ist.""(7) Eingehobene Strafgelder, ausgenommen jene nach Abs3a, sind dem Erhalter jener Straße abzuführen, auf der die Verwaltungsübertretung begangen worden ist; Strafgelder, die auf Straßen eingehoben werden, die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 50 aus 2002, als Bundesstraßen aufgelassen wurden, sind jedoch an den Bund abzuführen; in Wien gilt das Land Wien als Erhalter jener Straßen, die weder Bundesstraßen sind noch gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 50 aus 2002, als Bundesstraßen aufgelassen wurden. In Ortsgebieten mit Landes- und Gemeindestraßen können die eingehobenen Strafgelder zwischen Land und Gemeinde auch nach dem Verhältnis der Straßenlänge zwischen Landes- und Gemeindestraßen aufgeteilt und abgeführt werden, sofern zwischen Land und Gemeinde ein diesbezügliches Einvernehmen besteht. Sofern sich aus den Abs8, 9 und 10 nichts anderes ergibt, sind die eingehobenen Strafgelder, ausgenommen jene, die auf Straßen eingehoben werden, die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 50 aus 2002, als Bundesstraßen aufgelassen wurden, für die Straßenerhaltung sowie für die Beschaffung und Erhaltung von Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu verwenden. Im Falle der Verwaltungsübertretung nach §99 Abs4 lith gilt als Straßenerhalter der Erhalter der Fahrbahn; ist eine solche nicht vorhanden, so fließen die Strafgelder dem Träger der Sozialhilfe zu, der für den Ort, wo die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, zuständig ist."
Durch die 21. StVO-Novelle, BGBl. I 52/2005, (in Kraft seit 1. Juli 2005) haben die für die Beurteilung der Klage maßgeblichen Teile des §100 Abs7 StVO keine Veränderung erfahren. Durch die 21. StVO-Novelle, Bundesgesetzblatt Teil eins, 52 aus 2005,, (in Kraft seit 1. Juli 2005) haben die für die Beurteilung der Klage maßgeblichen Teile des §100 Abs7 StVO keine Veränderung erfahren.
Die Art1 und 5 des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes, BGBl. I 50/2002, lauten auszugsweise: Die Art1 und 5 des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes, Bundesgesetzblatt Teil eins, 50 aus 2002,, lauten auszugsweise:
"Artikel 1
Änderung des Zweckzuschussgesetzes 2001
Das Zweckzuschussgesetz 2001, BGBl. Nr. 691/1988, zuletzt geändert mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 3/2001, wird wie folgt geändert: Das Zweckzuschussgesetz 2001, Bundesgesetzblatt Nr. 691 aus 1988,, zuletzt geändert mit Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 3 aus 2001,, wird wie folgt geändert:
1. Nach §4 wird folgender §4a samt Überschrift eingefügt:
'Zweckzuschuss für die Finanzierung von Straßen
§4a. (1) Der Bund gewährt den Ländern für Zwecke der Finanzierung von Straßen einen jährlichen Zweckzuschuss in Höhe von 522,5 Millionen Euro in den Jahren 2002 und 2003, 540,7 Millionen Euro in den Jahren 2004 bis 2006 und 545,0 Millionen Euro ab dem Jahr 2007. Der Zweckzuschuss wird im Jahr 2002 zu gleichen Teilen bis spätestens 31. Mai und 30. September 2002, in den weiteren Jahren zu gleichen Teilen bis spätestens 31. März und 30. September eines jeden Jahres überwiesen. Dem Bund ist es vorbehalten, die widmungsgemäße Verwendung des Zweckzuschusses zu überprüfen und diesen bei widmungswidriger Verwendung zurückzufordern.
...
2. Nach §5 Abs4c wird folgender Abs4d eingefügt:
'(4d) §4a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2002 tritt mit 1. April 2002 in Kraft.''(4d) §4a in der Fassung des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 50 aus 2002, tritt mit 1. April 2002 in Kraft.'
3. Dem §6 wird folgender Satz angefügt:
'§4a Abs2 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2008 außer Kraft.'
...
Artikel 5
Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von
Bundesstraßen
§1. Als Bundesstraßen aufgelassen werden
a) die im Verzeichnis 3, Bundesstraßen B, des Bundesstraßengesetzes 1971 enthaltenen Straßenzüge,
b) die Bundesersatzstraßen gemäß §33 Abs5 des Bundesstraßengesetzes 1971 und
c) alle Straßenteile, bei denen die Voraussetzungen gemäß §4 Abs2 des Bundesstraßengesetzes 1971 für eine Auflassung als Bundesstraße durch Verordnung vorliegen, aber eine solche Auflassung durch Verordnung noch nicht erfolgt ist.
...
§4. (1) Das bücherliche und außerbücherliche Eigentum sowie dingliche Rechte des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) an den aufgelassenen Bundesstraßen gemäß §1 samt ihren Bestandteilen (§3 des Bundesstraßengesetzes 1971) gehen entschädigungslos von Gesetzes wegen auf die Bundesländer über, in deren Gebiet die Bundesstraßen oder Bundesstraßenteile liegen. Zu den Bestandteilen zählen auch die am 31. Dezember 2001 der Erhaltung und Beaufsichtigung der Bundesstraßen dienenden bebauten und unbebauten Grundstücke, die nicht im Zuge einer Bundesstraße liegen. §1 Abs3 zweiter Satz des Bundesstraßengesetzes 1971 ist nicht anzuwenden.
§5. (1) Das bücherliche und außerbücherliche Eigentum des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) geht entschädigungslos von Gesetzes wegen auf die Bundesländer über:
a) an allen im jeweiligen Gebiet eines Bundeslandes gelegenen und durch Bundesgesetz oder Verordnung aufgelassenen Bundesstraßen samt ihren Bestandteilen (§3 des Bundesstraßengesetzes 1971), die vom Bund erhalten wurden und noch nicht einem anderen Träger der Straßenbaulast in das Eigentum übertragen wurden und
b) an Parallelstraßen und -wegen gemäß §13 des Bundesstraßengesetzes 1971.
..."
III. 1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche u.a. gegen den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.römisch III. 1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche u.a. gegen den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund geltend, dessen Wurzel im öffentlichen Recht, nämlich in §100 Abs7 StVO liegt. Der Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber beruft noch sich deren Zuständigkeit aus §1 JN herleiten lässt. Der Anspruch ist aber auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft.
Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Beide Parteien gehen davon aus, dass die Stadtgemeinde Tulln - wie in der Klage behauptet - Erhalterin solcher Straßen(teile) ist, die zu jenen zählen, die "gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes BGBl. I 50/2002 als Bundesstraßen aufgelassen wurden". Der Verfassungsgerichtshof hat daher ausschließlich zu prüfen, ob der klagenden Partei unter diesen Tatsachenvoraussetzungen aufgrund des einzigen von ihr herangezogenen Rechtsgrunds des §100 Abs7 StVO ein Anspruch gegen den beklagten Bund zukommt. Beide Parteien gehen davon aus, dass die Stadtgemeinde Tulln - wie in der Klage behauptet - Erhalterin solcher Straßen(teile) ist, die zu jenen zählen, die "gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, 50 aus 2002, als Bundesstraßen aufgelassen wurden". Der Verfassungsgerichtshof hat daher ausschließlich zu prüfen, ob der klagenden Partei unter diesen Tatsachenvoraussetzungen aufgrund des einzigen von ihr herangezogenen Rechtsgrunds des §100 Abs7 StVO ein Anspruch gegen den beklagten Bund zukommt.
§100 Abs7 StVO bestimmt in seinem ersten Satz zunächst, dass eingehobene Strafgelder (vom hier nicht relevanten Sonderfall des Abs3a leg.cit. abgesehen), dem Erhalter jener Straße abzuführen sind, auf der die Verwaltungsübertretung begangen worden ist. Der in Prüfung gezogene zweite Halbsatz dieses ersten Satzes ordnet hingegen - als Ausnahme - an, dass Strafgelder, die auf Straßen eingehoben werden, die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes BGBl. I 50/2002 als Bundesstraßen aufgelassen wurden, an den Bund abzuführen sind. Die Materialien (Erläuterungen zum Initiativantrag vom 31.1.2002, 559/A 21. GP) bemerken dazu Folgendes: "Durch diese Bestimmung wird klargestellt, dass Strafgelder, die auf Straßen eingehoben wurden, die durch Art5 des vorliegenden Gesetzesentwurfes als Bundesstraßen aufgelassen wurden und deren Erhalter in Zukunft daher ein Land oder eine Gemeinde sein wird, dennoch weiterhin dem Bund zufließen." §100 Abs7 StVO bestimmt in seinem ersten Satz zunächst, dass eingehobene Strafgelder (vom hier nicht relevanten Sonderfall des Abs3a leg.cit. abgesehen), dem Erhalter jener Straße abzuführen sind, auf der die Verwaltungsübertretung begangen worden ist. Der in Prüfung gezogene zweite Halbsatz dieses ersten Satzes ordnet hingegen - als Ausnahme - an, dass Strafgelder, die auf Straßen eingehoben werden, die gemäß Art5 §1 des Bundesgesetzes Bundesgesetzblatt Teil eins, 50 aus 2002, als Bundesstraßen aufgelassen wurden, an den Bund abzuführen sind. Die Materialien (Erläuterungen zum Initiativantrag vom 31.1.2002, 559/A 21. GP) bemerken dazu Folgendes: "Durch diese Bestimmung wird klargestellt, dass Strafgelder, die auf Straßen eingehoben wurden, die durch Art5 des vorliegenden Gesetzesentwurfes als Bundesstraßen aufgelassen wurden und deren Erhalter in Zukunft daher ein Land oder eine Gemeinde sein wird, dennoch weiterhin dem Bund zufließen."
Die Ausnahme hängt demnach mit der sogenannten Verländerung der Bundesstraßen zusammen: Durch das Bundesstraßen-Übertragungsgesetz, BGBl. I 50/2002, wurden einerseits die im Verzeichnis 3 (Bundesstraßen B) angeführten Bundesstraßen, (darunter die in der Klage erwähnte B 14 Klosterneuburger Straße und die B 19 Tullner Straße) als Bundesstraßen aufgelassen (§1 lita leg.cit.) und den Ländern das Eigentum an diesen Straßen übertragen (§4 Abs1 leg.cit.). Andererseits wurde dem Zweckzuschussgesetz 2001 ein §4a hinzugefügt, der die Gewährung eines Zweckzuschusses an die Länder "für Zwecke der Finanzierung von Straßen" vorsieht. Die \berlegungen, die von den Finanzausgleichspartnern im Vorfeld zu dieser Frage angestellt wurden, werden in der von der beklagten Partei zitierten und von ihr vorgelegten (im Verfahren G96/03 erstatteten) Äußerung der Bundesregierung folgendermaßen geschildert: Die Ausnahme hängt demnach mit der sogenannten Verländerung der Bundesstraßen zusammen: Durch das Bundesstraßen-Übertragungsgesetz, Bundesgesetzblatt Teil eins, 50 aus 2002,, wurden einerseits die im Verzeichnis 3 (Bundesstraßen B) angeführten Bundesstraßen, (darunter die in der Klage erwähnte B 14 Klosterneuburger Straße und die B 19 Tullner Straße) als Bundesstraßen aufgelassen (§1 lita leg.cit.) und den Ländern das Eigentum an diesen Straßen übertragen (§4 Abs1 leg.cit.). Andererseits wurde dem Zweckzuschussgesetz 2001 ein §4a hinzugefügt, der die Gewährung eines Zweckzuschusses an die Länder "für Zwecke der Finanzierung von Straßen" vorsieht. Die \berlegungen, die von den Finanzausgleichspartnern im Vorfeld zu dieser Frage angestellt wurden, werden in der von der beklagten Partei zitierten und von ihr vorgelegten (im Verfahren G96/03 erstatteten) Äußerung der Bundesregierung folgendermaßen geschildert:
"In der Besprechung zwischen Bund und Ländern auf Beamtenebene am 13. November 2001 wurde ausführlich darüber diskutiert, wem die Strafgelder auf den ehemaligen Bundesstraßen B zufließen sollten. Diese Frage blieb damals ungelöst und wurde in die gemeinsam formulierte Liste der offenen Punkte aufgenommen (siehe das Protokoll des Bundesministeriums für Finanzen vom 14. November 2001,
BMF-GZ ... bzw. das Protokoll der Verbindungsstelle der Bundesländer
im Schreiben vom 14. November 2001 ...):
'2. Strafgelder (Durchschnitt 1998 bis 2000)
Bund: Baubudget des Bundes wird auch aus den Strafgeldern finanziert; durch die Übertragung der Bundesstraße B fließen diese Strafgelder in Zukunft unmittelbar den Ländern zu, eine (nochmalige) Überweisung durch den Bund ist daher nicht vorgesehen.
Länder: Position des Bundes ist nachvollziehbar, widerspricht aber dem Beschluss der LH-Konferenz, in der die zusätzliche
Überweisung von 500 Mio. S durch den Bund gefordert wird. Außerdem:
Die Höhe der Einnahmen aus Strafgeldern hängt auch vom Bundesgesetzgeber (Höhe der Strafrahmen) und von [der] Überwachungspraxis der Exekutive ab, wovon die Länder aber nicht abhängig sein wollen.'
Weiters ist diesen Protokollen folgende, ebenfalls einvernehmlich festgehaltene Länderposition zu dieser Frage zu entnehmen:
'Vorstellbar (vorbehaltlich politischer Zustimmung) wäre ein Fixbetrag (rd. 7,2 Mrd. S), der die bisherigen Strafgeldeinnahmen nicht zusätzlich beinhaltet. Dem Bund soll durch gesetzliche Maßnahmen die Möglichkeit eingeräumt werden, dass bezüglich der an die Länder übertragenen Bundesstraßen die Strafgelder weiterhin dem Bund zufließen (Änderung §100 StVO)'."
Die Regelung des §100 Abs7 erster Satz StVO bewirkt somit im Zusammenhalt mit der gleichzeitig geschaffenen Regelung des §4a Zweckzuschussgesetz 2001, BGBl. 691/1988, idF BGBl. I 3/2001, dass die Strafgelder, die auf den "verländerten" Bundesstraßen B eingehoben werden, weiterhin dem Bund zufließen, die Länder jedoch in ihrer Eigenschaft als nunmehrige Eigentümer und Straßenerhalter für die entgehenden Strafgelder einen pauschalen Ausgleich in Form eines gesetzlich fixierten Zweckzuschusses erhalten, der von der Höhe der jeweils in einem Jahr überwiesenen Strafgelder unabhängig ist. Im Ergebnis wird damit offenbar bezweckt und erreicht, dass die Strafgelder, wenn auch in pauschalierter Form und unter dem Titel eines Zweckzuschusses, letztlich doch den Ländern für Zwecke der Straßenerhaltung zur Verfügung stehen. Die Regelung des §100 Abs7 erster Satz StVO bewirkt somit im Zusammenhalt mit der gleichzeitig geschaffenen Regelung des §4a Zweckzuschussgesetz 2001, Bundesgesetzblatt 691 aus 1988,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 3 aus 2001,, dass die Strafgelder, die auf den "verländerten" Bundesstraßen B eingehoben werden, weiterhin dem Bund zufließen, die Länder jedoch in ihrer Eigenschaft als nunmehrige Eigentümer und Straßenerhalter für die entgehenden Strafgelder einen pauschalen Ausgleich in Form eines gesetzlich fixierten Zweckzuschusses erhalten, der von der Höhe der jeweils in einem Jahr überwiesenen Strafgelder unabhängig ist. Im Ergebnis wird damit offenbar bezweckt und erreicht, dass die Strafgelder, wenn auch in pauschalierter Form und unter dem Titel eines Zweckzuschusses, letztlich doch den Ländern für Zwecke der Straßenerhaltung zur Verfügung stehen.
Die Klägerin hält diese Regelung im Ergebnis deshalb für verfassungswidrig, weil sie auf den Umstand, dass ehemalige Bundesstraßen auch von Gemeinden übernommen bzw. auf sie übertragen werden können bzw. wurden und diese dann als Straßenerhalter ehemaliger Bundesstraßen B anzusehen sind, offenbar nicht Rücksicht nimmt und daher im Ergebnis zu einer ungleichen Behandlung der Straßenerhalter führt.
Mit dieser Argumentation übersieht die Klägerin, dass die Regelung des §100 Abs7 StVO in Zusammenhang mit den erwähnten Vorschriften des Zweckzuschussgesetzes 2001 bewusst nur das Verhältnis Bund - Länder betrifft. Das entspricht dem Umstand, dass mit dem Bundesgesetz über die Auflassung und Übertragung von Bundesstraßen eine Übertragung der bisherigen Bundesstraßen B (lediglich) auf die Länder - und nicht auf die Gemeinden - geregelt wurde. Wenn auch die Materialien zu §100 Abs7 StVO durchaus des Umstandes gedenken, dass eine "verländerte" Bundesstraße (teilweise) von einer Gemeinde übernommen werden kann, so war der Bundesgesetzgeber doch nicht verpflichtet, auf diese - im Einzelnen nicht überblickbaren und beeinflussbaren - Fälle mit einer generellen Norm zu reagieren. Er durfte vielmehr davon ausgehen, dass die "Kommunalisierung" von ehemaligen Bundesstraßen(teilstücken), die nunmehr im Eigentum eines Landes stehen, zwischen der Gemeinde und dem jeweiligen Land zu regeln ist, wobei auch die finanziellen Begleitmaßnahmen (die in diesem Fall ja die gesamte Straßenerhaltung betreffen) zwischen dem Land und der Gemeinde zu vereinbaren sind. Ob dies dann auch dazu führt bzw. führen muss, dass Teile des vom Land vereinnahmten Zweckzuschusses an die Gemeinde "weitergegeben" werden, und in welcher Form dies geschieht oder ob es dazu Alternativen gibt, ist ebenfalls zwischen dem Land und der Gemeinde - unter Beachtung der sich aus dem F-VG 1948 ergebenden Grundsätze - zu klären und gegebenenfalls landesgesetzlich zu regeln.
3. Da die bestehende Rechtslage (dies wird von der Klägerin selbst nicht in Abrede gestellt) den geltend gemachten Anspruch ausschließt und die anzuwendenden Bestimmungen - entgegen der Auffassung der klagenden Partei - keine Bedenken erwecken und daher nicht wegen Verfassungswidrigkeit in Prüfung zu ziehen waren, war die Klage mangels Bestehens eines Anspruches abzuweisen.
4. Die beklagte Partei hat keinen Kostenersatz beantragt, weshalb auch keine Kosten zuzusprechen waren.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Straßenpolizei, Finanzverfassung, Finanzausgleich,Finanzzuweisungen, Zuschüsse, Verwaltungsstrafrecht,Straßenverwaltung, Bundesstraße, Landesstraße, GemeindestraßeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:A8.2007Zuletzt aktualisiert am
18.08.2010