TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/24 2003/01/0010

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2004
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1997 §57;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der I in W, geboren 1977, vertreten durch Mag. Franz Kienast, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstraße 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Oktober 2002, Zl. 224.596/0-V/13/01, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, reiste am 1. Oktober 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Bei ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 1. Oktober  2001 (durchgeführt in englischer Sprache) gab die Beschwerdeführerin an, nach dem Tod ihres Vaters sei hervorgekommen, dass er Mitglied der "Ugboni-Sekte" gewesen sei. Anlässlich der Aufbahrung ihres Vaters (in seinem früheren Wohnhaus) hätten Mitglieder dieser Sekte von ihr verlangt, dass sie an einem "Festessen" teilnehme und ihrer Sekte beitrete. Sie habe jedoch weder an diesem Essen - bei dem sie einen (der Leiche ihres Vaters entnommenen) Körperteil hätte verspeisen müssen - teilnehmen noch der Sekte beitreten wollen; sie sei nämlich Christin. Das "Festessen" hätte am 4. September 2001 an einer von den Sektenmitgliedern (der Beschwerdeführerin gegenüber) genannten Adresse stattfinden sollen. Die Sektenmitglieder hätten ihr erklärt, sie solle "selbst dorthin kommen"; falls sie nicht komme, werde sie jemand "holen". Daraufhin habe sie Nigeria (aus Angst vor dieser Sekte und ihren Mitgliedern) verlassen. Bei ihrer Rückkehr (nach Nigeria) würde sie von den Sektenmitgliedern zum Beitritt gezwungen.

Das Bundesasylamt schenkte diesen Behauptungen keinen Glauben, wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 8. Oktober 2001 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig sei.

Die belangte Behörde führte aufgrund der von der Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes erhobenen Berufung am 25. März und 11. Oktober 2002 eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin (in Anwesenheit eines Dolmetschers der englischen Sprache und eines Dolmetschers ihrer Muttersprache Edo) ergänzend einvernommen wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und sprach gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz 1997 die Feststellung aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II.).

In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensverlaufes aus, die vorgebrachten Fluchtgründe bzw. die von der Beschwerdeführerin für ihr Verlassen von Nigeria dargelegten Umstände könnten nicht festgestellt und der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde rügt die Beweiswürdigung der belangten Behörde als Scheinbegründung.

Dieses Vorbringen ist berechtigt, erschöpfen sich die Erwägungen zur Beweiswürdigung doch in allgemein gehaltenen Textbausteinen und Darlegungen über "leere Rahmengeschichten". Diesbezüglich wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die hg. Erkenntnisse jeweils vom 18. Februar 2003, Zl. 2002/01/0321, und Zl. 2002/01/0594, sowie auf das Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2002/01/0560, verwiesen.

Auch im vorliegenden Fall fehlt den von der belangten Behörde angenommenen (abstrakten) Unglaubwürdigkeitskriterien die konkrete Beziehung zu den Angaben der Asylwerberin. Der Verwaltungsgerichtshof kann nach der Bescheidbegründung nicht erkennen, inwiefern die Beschwerdeführerin nach Ansicht der belangten Behörde etwa eine "leere Rahmengeschichte" vorgebracht habe, oder in einer "knappen Darstellung einiger Eckpunkte ihrer angeblichen Erlebnisse verharrte".

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. August 2004

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010010.X00

Im RIS seit

21.09.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten