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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §5 Abs1 idF 1999/I/004;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des H in G, geboren 1978, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Februar 2001, Zl. 215.284/0- I/01/00, betreffend § 5 Abs. 1 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein aus dem Kosovo stammender, der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsbürger der (früheren) Bundesrepublik Jugoslawien reiste am 18. Oktober 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 19. Oktober 1998 einen Asylantrag. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 19. Oktober 1998 gab der Beschwerdeführer an, im Mai/Juni 1998 sein Heimatdorf verlassen zu haben und zu Fuß nach Albanien gelangt zu sein. Von dort kommend sei er ungefähr am 16. Oktober 1998 in Italien eingereist, wo er von italienischen Behörden aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Hierauf habe er ein "Papier" in italienischer Sprache erhalten und sei nach Österreich weitergereist.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, er habe den Kosovo wegen des dort herrschenden Krieges verlassen. Andere Fluchtgründe habe er nicht. Die Bürgerkriegssituation habe sich auf ihn dahingehend ausgewirkt, dass sein Dorf beschossen worden sei, weil man dort Angehörige der UCK vermutet habe. Er sei Albaner; im Kosovo seien "alle Albaner gefährdet".
Mit Schreiben vom 3. März 1999 ersuchte das Bundesasylamt/Dublin Referat den italienischen Innenminister unter Berufung auf das Dubliner Übereinkommen den Beschwerdeführer aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.
In Beantwortung dieses Schreibens teilte der italienische Innenminister mit Schreiben vom 13. Juli 1999 unter dem Betreff "Dublin Convention - Transfer Acceptance" mit:
"Following Your request, concerning the above named, this is to inform You that on 14.10.1998 He/She was expelled from our Country.
We will inform You as soon as the expulsion order is cancelled so that you can start the transfer procedures."
Mit Bescheid vom 17. Jänner 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 19. Oktober 1998 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung seines Asylantrages nach dem Dubliner Übereinkommen Italien zuständig sei. Gleichzeitig verfügte das Bundesasylamt die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Italien.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In seinem Berufungsschriftsatz vom 27. Jänner 2000 beantragte er - abgesehen von der Behebung des angefochtenen Bescheides - die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Italien "gemäß § 75 Abs. 1 FrG" und begründete dies damit, dass er im Zuge einer Kettenabschiebung von Italien nach Jugoslawien gebracht würde und dort "gem. § 57 Abs. 1 und 2 FrG" bedroht wäre. In einer Stellungnahme vom 28. April 2000 brachte der Beschwerdeführer auch Befürchtungen hinsichtlich einer - in Italien nicht als asylrelevant anerkannten - nicht-staatlichen Verfolgung in seinem Heimatland durch die UCK vor.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers nach Durchführung ergänzender Ermittlungen und einer Berufungsverhandlung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ab. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer von Albanien kommend nach Italien und von dort nach Österreich gereist sei. Italien habe sich bereit erklärt, den Beschwerdeführer zu übernehmen. Der Beschwerdeführer habe keine Familienangehörigen, denen in einem EU-Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sei; er besitze weder eine Aufenthaltserlaubnis noch ein Visum für einen Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens. Daraus ergebe sich rechtlich, dass Italien für die Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers gemäß Art. 6 des Dubliner Übereinkommens zuständig sei. Der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach seiner Aufnahme in Italien das durch die italienischen Behörden verhängte Aufenthaltsverbot entgegenstünde, seien der italienische Erlass Nr. 286 vom 25. Juli 1998 und die im gegenständlichen Fall vorliegende Zustimmungserklärung des italienischen Innenministeriums entgegenzuhalten. Dem UNHCR lägen nach einer von der belangten Behörde eingeholten Auskunft keine Informationen vor, wonach die Behandlung eines Asylantrages unter den gegebenen Voraussetzungen verweigert worden sei. Das Aufenthaltsverbot habe nach einer Stellungnahme des italienischen Innenministeriums auch keinen Einfluss auf die Entscheidung über den Asylantrag. In Bezug auf die vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren behauptete, von Italien als nicht asylrelevant angesehene nicht-staatliche Verfolgung führte die belangte Behörde aus, aus einer Stellungnahme des UNHCR vom 29. November 1999 ergebe sich, dass in Italien durch das Institut der "De-facto-Autorität" nichtstaatliche Verfolgung bei staatlicher Schutzunfähigkeit in den Flüchtlingsbegriff miteinbezogen werde. Unter Verweis auf eine Anfragebeantwortung des UNHCR vom 10. Jänner 2001 führte die belangte Behörde schließlich aus, dass der Umstand, dass ein Ausweisungsbescheid erlassen worden sei, in Italien zwar gesetzlich nicht geregelt sei, es würden aber zufolge Berichten italienischer Flüchtlingsorganisationen "solche Personen in der Praxis ohne jeglichen Titel, d.h. auch ohne Ausstellung einer Aufenthaltsbewilligung in Italien belassen". Abschließend führt die belangte Behörde aus, dass die "in der Berufung beantragte Entscheidung nach § 75 Abs. 1 FrG ... an die funktionell zuständige Behörde (gemeint: die Bundespolizeidirektion Graz) gemäß § 6 AVG weitergeleitet" worden sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG (idF vor der AsylG-Novelle 2003) ist ein (nicht gemäß § 4 erledigter) Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden. Nach § 5 Abs. 3 leg. cit. gilt diese stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass seine Abschiebung nach Italien gegen Art. 3 EMRK verstoße. Die belangte Behörde habe sich über das Vorbringen hinweggesetzt, dass Italien in Fällen nicht als asylrelevant erachteter Verfolgung keinen wirksamen Abschiebungsschutz im Sinne des Art. 3 EMRK gewähre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/01/0498 (das der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht vorlag), in Anlehnung an die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2001, G 117/00 u.a., vertretene Ansicht ausgeführt, er halte an seiner Auffassung, dass § 5 AsylG keiner verfassungskonformen Auslegung im Sinne einer Bedachtnahme auf Art. 3 und 8 EMRK zugänglich sei und dem Asylwerber (Antragsteller) kein subjektiv-öffentliches Recht auf Eintritt eines nach dem Wortlaut des Dubliner Übereinkommens unzuständigen Mitgliedstaates (Österreich) in die Prüfung des Asylantrages zustehe, nicht fest, sondern schließe sich der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes an; gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird im Übrigen auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auf Punkt 5. der Entscheidungsgründe, verwiesen.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen darüber getroffen, ob in Italien ein effektiver Schutz gegen Refoulement unter Bedachtnahme (insbesondere) auf Art. 3 EMRK besteht. Der in der Berufung gestellte Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz sei - so führt die belangte Behörde in der Bescheidbegründung aus - an die "zuständige Behörde" (gemeint: die nach dem FrG zuständige Fremdenbehörde) weitergeleitet worden.
Insbesondere aus dem zuletzt genannten Hinweis, wonach der Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz an die "zuständige" (Fremden-)Behörde abgetreten worden sei, ist ersichtlich, dass die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat.
Die belangte Behörde wäre zur Prüfung verpflichtet gewesen, ob sie mit der durch § 5 Abs. 3 AsylG angeordneten Wirkung ihrer Entscheidung den Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Kettenabschiebung in seinen gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. August 2004
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001010288.X00Im RIS seit
21.09.2004