Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des O, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 15. Juni 2001, Zl. Fr-92/01, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde vorerst darauf, dass der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland vom Amtsgericht Augsburg am 18. Mai 2000 rechtskräftig wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeln mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden sei. Diese Verurteilung sei gemäß § 36 Abs. 1 (richtig: Abs. 3) FrG als Verurteilung durch ein ausländisches Gericht anzusehen, welche den Voraussetzungen des § 37 (richtig: 73) StGB entspreche. Insofern liege eine maßgebliche Verurteilung nach § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Dieser Tatbestand berechtige zu der in § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Die Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes liege daher grundsätzlich vor. Im Rahmen des § 37 FrG sei berücksichtigt worden, dass sich der Beschwerdeführer zwar seit mehreren Jahren in Österreich aufhalte, aber immer wieder - wie er selbst angebe - außer Landes befinde. Er habe Kontakte zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn in Villach. Insofern bestünden private Bindungen in Österreich. Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität zukomme, sei der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privatleben jedoch dringend geboten und zulässig, zumal er der Verhinderung strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 EMRK) diene. Auch bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich müsse dessen privates Interesse hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sei die schwerwiegende Verurteilung zu einer mehr als zweijährigen unbedingten Haftstrafe. Von dem in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten freien Ermessen im Sinn einer Abstandnahme vom Aufenthaltsverbot könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werden, weil bei einer derart schweren gerichtlichen Verurteilung die Gründe für die negative Ermessenshandhabung klar auf der Hand lägen.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde trat dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 24. September 2001, B 1137/01-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, der nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 FrG ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (die nationale Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) erheblich gefährdet. Daraus folgt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 36 Abs. 1 FrG nur dann in Betracht kommt, wenn ein solches erforderlich ist, um die festgestellte, vom Fremden ausgehende Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0349).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen, meint jedoch, er hätte sich zu dieser Straftat verleiten lassen, mittlerweile jeglichen Kontakt "zu den Personen" abgebrochen und werde mit Sicherheit keine strafbaren Handlungen mehr begehen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers eine Zukunftsprognose zu erstellen.
Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist. Gemäß Abs. 3 leg. cit. liegt eine maßgebliche Verurteilung auch dann vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht. Demnach steht eine ausländische Verurteilung einer inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig spricht, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen ist. Diese Voraussetzungen liegen klar auf der Hand (siehe dazu auch den folgenden Absatz) und werden vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.
Hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG ist der belangten Behörde an sich vorzuwerfen, dass sie die der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende und für die Prognose heranzuziehende Straftat in der Begründung des Bescheides nicht konkret festgestellt hat. Aus der im Akt erliegenden Anzeige der Kriminalpolizeiinspektion Augsburg vom 25. März 2000 ergibt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer an diesem Tag auf der Eisenbahnfahrt von Ulm nach Augsburg im Besitz von 211g Kokain betreten wurde. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er schon öfter in Holland gewesen wäre, um dort Betäubungsmittel zu erwerben, die er dann über Deutschland nach Österreich geschmuggelt hätte. Es hätte sich aber nur um ca. 190g Kokain gehandelt. Einem Aktenvermerk vom selben Tag zufolge habe der Beschwerdeführer dem vernehmenden Beamten mitgeteilt, dass er seit ca. acht Monaten jeweils einmal pro Monat von Österreich in die Niederlande gefahren wäre, sich dort mit jeweils ca. 200g Kokain versorgt hätte und anschließend per Autostopp von Holland nach Köln gefahren wäre, um eventuelle Zugkontrollen an der niederländisch-deutschen Grenze zu umgehen. Der Kaufpreis des geschmuggelten Kokains würde umgerechnet etwa DM 5.000,-- betragen und er würde das Rauschgift in kleinen Portionen im Raum Wien verkaufen, wofür er umgerechnet ca. DM 7.000,-- erhielte. Gemäß der im Rechtshilfeverkehr eingeholten Auskunft des Leitenden Oberstaatsanwalts in Augsburg vom 14. Dezember 2000 wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichtes - Schöffengerichtes - Augsburg vom 18. Mai 2000 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; Tatzeit war der 25. März 2000. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid bestritt der Beschwerdeführer nicht die dort unter Hinweis auf den - oben erwähnten - Bericht der Kriminalpolizeiinspektion Augsburg in Grundzügen festgestellte Tathandlung.
Angesichts der Art des Tatbestandes, wegen dessen Erfüllung der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt wurde, in Verbindung mit der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 99/21/0215) kann die Beurteilung der belangten Behörde im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde und das Aufenthaltsverbot der Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK diene, nicht als rechtswidrig gesehen werden.
Bei ihrer nach § 37 FrG vorgenommenen Beurteilung berücksichtigte die belangte Behörde den langjährigen - nach den Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde reiste der Beschwerdeführer 1991 nach Österreich ein - inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und dessen Kontakte zu seiner in Villach lebenden ehemaligen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn. Trotz der daraus erfließenden privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot als dringend geboten nach § 37 Abs. 1 FrG und als zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG werten, steht doch diesen Interessen das besonders große öffentliche Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Wegen der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte würde grundsätzlich selbst eine ansonsten volle Integration des Fremden ein Aufenthaltsverbot nicht nach § 37 Abs. 2 FrG unzulässig machen (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 99/21/0215). Im Übrigen behauptet der Beschwerdeführer nicht, dass er in Österreich beruflich integriert sei. Er rügt zwar in der Beschwerde, dass die belangte Behörde "diesbezüglich" kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, zeigt aber nicht auf, zu welchen Feststellungen die belangte Behörde auf Grund welcher Ermittlungsschritte hätte gelangen können.
Letztlich wäre unter den gegebenen Umständen eine im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens erfolgte Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes gestanden (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird).
Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 31. August 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001210153.X00Im RIS seit
20.10.2004