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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des I, geboren 1963, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. März 2001, Zl. SD 483/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. März 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 12. August 1990 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe in der Folge einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 1. Oktober 1990 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Er habe danach seinen Wohnsitz von Traiskirchen nach Wien verlegt, wo er sich am 17. Oktober 1990 polizeilich angemeldet habe. Nachdem er sich etwa ein Jahr unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, sei er von der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) wegen Übertretung des Fremdengesetzes bestraft worden. Am 25. Oktober 1991 habe er erstmals einen Wiedereinreisesichtvermerk beantragt, der ihm von der Erstbehörde mit einer Gültigkeitsdauer vom 4. November 1991 bis zum 20. November 1992 erteilt worden sei. In der Folge habe er von der Erstbehörde und vom Landeshauptmann von Wien weitere Aufenthaltstitel erhalten, so zuletzt am 26. Jänner 1999 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck.
Mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. April 1997 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren gemäß § 208 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er am 6. November 1996 in Wien an zwei verschiedenen Tatorten seinen Geschlechtsteil vor einem dreizehnjährigen und einem vierzehnjährigen Mädchen entblößt hatte, um sich dadurch geschlechtlich zu befriedigen. Diese Bestrafung habe den Beschwerdeführer nicht davon abhalten können, binnen kürzester Zeit neuerlich und in noch massiverer Weise einschlägig straffällig zu werden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Oktober 1998 - bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 4. Mai 1999 - sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten - davon acht Monate bedingt - rechtskräftig verurteilt worden. Er habe am 29. November 1997 (somit etwas mehr als sieben Monate nach seiner ersten Bestrafung) eine Frau mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt, wobei er sowohl bei der Wahl des Tatortes als auch bei der Wahl seines Opfers besonders verwerflich, zielgerichtet und mit zuvor gefasster Absicht vorgegangen sei.
Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG sei in zweifacher Hinsicht erfüllt. Der Beschwerdeführer habe nicht nur Straftaten begangen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten, sondern es sei bei der letztgenannten Verurteilung auch das zur Verfügung stehende Strafausmaß beträchtlich überschritten worden. Sein aufgezeigtes Fehlverhalten gefährde in seiner Gesamtheit die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Im Bundesgebiet würden seinen Angaben zufolge sein Vater und zwei Brüder, die österreichische Staatsbürger seien, leben. Einem Sozialversicherungsdatenauszug zufolge sei der Beschwerdeführer von 1997 bis Ende Dezember 2000 insgesamt etwa 20 Monate als Arbeiter beschäftigt gewesen. Seit etwa 28. Februar 2001 sei er als Bauhelfer beschäftigt. Aufgrund seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet und seiner familiären Bindungen sowie im Hinblick auf sein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit und der Sittlichkeit - dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein strafbares Verhalten dokumentiert, dass er nicht gewillt sei, die zum Schutz maßgeblicher Rechtsgüter bestehenden Normen einzuhalten. Eine Zukunftsprognose könne schon angesichts zweier einschlägiger Tatbegehungen nicht positiv ausfallen, zumal der Beschwerdeführer nur ein paar Monate nach seiner ersten Verurteilung erneut in einschlägiger und noch massiverer Weise straffällig geworden sei. Dem Einwand des Beschwerdeführers, die Prognose hätte wegen der von ihm bereits verbüßten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten positiv ausfallen müssen, sei zu entgegnen, dass seit seinem Fehlverhalten noch nicht genügend Zeit verstrichen sei, um eine wesentliche Verringerung der von ihm - für die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen - ausgehenden Gefahr annehmen zu können.
Bei der nach § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessensabwägung sei die sich aus dem rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit November 1991 ableitbare Integration zu beachten gewesen. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers seien jedoch an Gewicht insoweit gemindert worden, als die für das Ausmaß der Integration wesentliche soziale Komponente durch sein wiederholtes kriminelles Verhalten deutlich beeinträchtigt werde. Die familiären Bindungen zu seinen Brüdern und deren Familien sowie zu seinem pflegebedürftigen 72-jährigen Vater würden dadurch relativiert, dass der beinahe 38-jährige Beschwerdeführer nicht einmal behauptet habe, mit diesen Personen in einen gemeinsamen Haushalt zu leben. Zudem sei nicht ersichtlich, weshalb der Vater auf die alleinige Hilfe des Beschwerdeführers angewiesen sein sollte, zumal beide Brüder samt ihren Familien im Bundesgebiet wohnen würden. Auch die berufliche Situation des Beschwerdeführers würde dadurch relativiert, dass er sich in den letzten Jahren nicht für einen längeren Zeitraum in einer bestimmten Berufssparte zu etablieren vermochte.
Diesen - solcherart verminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende, öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seinen Familienangehörigen keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Die aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen des Fremdengesetzes stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, zumal der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes noch keine acht bzw. zehn Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei und ihm auch nicht die Staatsbürgerschaft verliehen hätte werden können.
In Hinblick auf die Art und Schwere der von ihm begangenen Straftaten und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens in Kauf genommen werden.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so sei die vorgenommene Befristung nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt, weil ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes - nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet - nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden könne.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Im Hinblick auf die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen der genannten Straftaten begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und auch die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.
2. Mit seinem gegen die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG gerichteten Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Den seit November 1991 rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine familiären Verhältnisse sowie seine berufliche Situation hat die belangte Behörde berücksichtigt und - zutreffend - einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Ebenso zutreffend ist sie aber zu dem Ergebnis gelangt, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot im Licht des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, liegt doch dem Beschwerdeführer neben dem Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren auch das durch die besagte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung feststehende Verbrechen der Vergewaltigung zur Last, welches eine schwere und besonders verwerfliche strafbare Handlung gegen die Sittlichkeit darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338, mwH) und das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt. Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, zumal die aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm ab 1996 verübten Straftaten eine ganz erhebliche Minderung erfahren hat.
3. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
4. Da sich die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180080.X00Im RIS seit
20.10.2004