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L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;Norm
DPL NÖ 1972 §76 Abs10 idF 2200-47;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des W in B, vertreten durch Dr. Susanne Schuh, Rechtsanwältin in 2380 Perchtoldsdorf, Wienergasse 7, als seine Sachwalterin, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Februar 2004, Zl. LAD2-P-158.9507/71, betreffend Waisenversorgungsgenuss, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde im Jahre 1957 geboren. Sein Vater, Adolf W.-Sch., stand seit seiner Versetzung in den Ruhestand mit 1. Jänner 1986 bis zu seinem Tod am 25. April 1995 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Land Niederösterreich. Die Mutter des Beschwerdeführers verstarb am 8. Juni 1999.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 3. September 1999 die Einschreiterin als Sachwalterin - u.a. zur Vertretung des Beschwerdeführers vor Gericht, Ämtern und Behörden - beigegeben. Laut einem vom Bezirksgericht Mödling hiezu eingeholten Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Kö. vom 28. Juli 1999 habe beim Beschwerdeführer eine chronische Verlaufsform einer paranoid halluzinatorischen Schizophrenie, damals im Stadium eines schizophrenen Residuums, bestanden. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, sich ausreichend vor Ämtern, Behörden, Gerichten oder Sozialversicherungen zu vertreten.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom 23. April 2001 wurde der Wirkungskreis der Sachwalterin des Beschwerdeführers auf alle Angelegenheiten erweitert.
Mit Eingabe vom 30. Oktober 2001 beantragte die Einschreiterin für den Beschwerdeführer die Gewährung einer Waisenpension. Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge holte die belangte Behörde von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Aufstellung von Versicherungszeiten des Beschwerdeführers folgenden Inhaltes ein:
"Zeitraum
von bis
Anzahl
Monate
Art der Versicherungszeit
08.1974
02.1975
7
Pflichtversicherung nach dem ASVG - Angestellter Beitragszeit
03.1975
07.1975
5
Krankengeldbezug - ASVG Dienstverhältnis Ersatzzeit
08.1975
09.1975
2
Pflichtversicherung nach dem ASVG - Angestellter Beitragszeit
10.1975
12.1975
3
Pflichtversicherung nach dem ASVG - Arbeiter Beitragszeit
01.1976
03.1976
3
Pflichtversicherung als Lehrling - Arbeiter Beitragszeit
04.1976
04.1976
1
Krankengeldbezug - ASVG Dienstverhältnis Ersatzzeit
05.1976
05.1976
1
Krankengeldbezug - ASVG Dienstverhältnis Ersatzzeit, Resttagemonat
06.1976
12.1981
-
keine Versicherungszeit
01.1982
06.1997
186
Pflichtversicherung als Selbständiger nach dem GSVG Beitragszeit
07.1997
12.2001
(54)
Bezug einer Erwerbsunfähigkeitspension
Neutrale Zeit
Gesamtanzahl der nachgewiesenen Versicherungsmonate
Bereich
für die
Wartezeit
für die
Leistung
Art der Versicherungsmonate
ASVG
15
15
Beitragsmonat(e) der
Pflichtversicherung
7
7
Monat(e) einer Ersatzzeit
GSVG
186
186
Beitragsmonat(e) der
Pflichtversicherung
208
208
Gesamtanzahl
Außerdem wurden 54 neutrale Monate nachgewiesen."
Mit Erledigung vom 6. März 2002 teilte die belangte Behörde der Einschreiterin mit, mit Erhebungsblatt vom 26. Jänner 1982 hätte der Vater des Beschwerdeführers die Mitteilung erstattet, dass der Beschwerdeführer am 15. Jänner 1982 die Schulausbildung beendet hätte und ab 18. Jänner 1982 in einem Dienstverhältnis stünde, woraufhin die Haushaltszulage mit 31. Jänner 1982 eingestellt worden sei. Im Hinblick auf die Aufstellung der Versicherungszeiten habe der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - bis zum Juni 1997 insgesamt 208 Versicherungsmonate (201 Beitragsmonate der Pflichtversicherung und 7 Monate einer Ersatzzeit) und für die Zeit von Juli 1997 bis Dezember 2001 54 neutrale Monate für den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitspension nachweisen können. Da der Beschwerdeführer aber seit der Vollendung seines 18. Lebensjahres insgesamt 194 Monate Pflichtversicherung (teils als Arbeiter, teils als Angestellter, teils als Selbständiger) nachweisen könne, seien die Voraussetzungen für die Gewährung eines Waisenversorgungsgenusses nicht gegeben.
Hiezu nahm die Einschreiterin zusammengefasst dahingehend Stellung, die "herrschende Judikatur der Arbeits- und Sozialgerichte" gehe von einer Erwerbsunfähigkeit ungeachtet einer zeitweisen Beschäftigung dann aus, wenn der Betreffende "am Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen konnte". Wie aus dem Versicherungsdatenauszug hervorgehe, seien die Beschäftigungsverhältnisse nur sehr kurz gewesen. Nach Information der Einschreiterin habe der Beschwerdeführer in der Zeit seiner Tätigkeit als Selbständiger nach dem GSVG (Jänner 1982 bis Juni 1997) aus seiner Erwerbstätigkeit tatsächlich kein Einkommen schöpfen können. Er habe - so müsse sie annehmen - vom Einkommen seiner Eltern gelebt. Das zuständige Finanzamt habe mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer während der Zeit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hätte. Ihre Annahme habe sich daher bestätigt, dass er in dieser Zeit kein Einkommen erzielt hätte.
Am 7. Jänner 2003 legte die Einschreiterin vorerst ein nervenärztliches Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ko. vom 18. Dezember 2002 vor, welches zusammenfassend zu folgenden Schlussfolgerungen gelangte:
"Beim Beschwerdeführer liegt eine paranoide Schizophrenie vor mit den entsprechenden affektiven und kognitiven Störungen. Eine wesentliche Änderung gegenüber früheren Untersuchungen, wie sie vom Vorgutachter festgehalten wurden, ist nicht feststellbar. Der Beschwerdeführer ist in seinem Realitätsbezug durch diese Erkrankung hochgradig beeinträchtigt.
Aus diesem Grund ist für den Beschwerdeführer weiterhin ein Sachwalter erforderlich, der sowohl für seine finanziellen Angelegenheiten Sorge trägt, als auch eine Vertretung vor Behörden, Ämtern, Gerichten etc. vornimmt. Weiters ist der Beschwerdeführer nicht in der Lage für sich selbst zu sorgen, es muss insbesondere die Einnahme der Medikamente, die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern, Nahrungsmittel, Kleidung etc., wie die Pflege der Wohnung durch geeignete Personen sichergestellt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit von neuerlicher Exacerbationen der Krankheit, die eine stationäre Aufnahme erforderlich machen.
Eine solche stationäre Aufnahme ist derzeit nicht unbedingt erforderlich, sofern der Beschwerdeführer (siehe oben) daheim betreut werden kann.
Eine akute Selbst- oder Fremdgefährlichkeit ist auf Grund der derzeitigen Untersuchung nicht festzustellen und daher eine Einweisung nach dem Unterbringungsgesetz zur Zeit nicht erforderlich."
Schließlich legte die Einschreiterin am 22. Jänner 2003 einen "nervenärztlichen Befund" dieses Arztes, datiert mit 17. Jänner 2003, vor, dem zufolge in Ergänzung zum Gutachten vom 18. Dezember 2002 hinzugefügt werde, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Psychose im gesamten Zeitraum von Juli 1975 bis Juli 1983 nicht erwerbsfähig gewesen sei.
In ihrer Eingabe vom 1. Juli 2003 brachte die Einschreiterin ergänzend vor, ihr sei bekannt, dass der Beschwerdeführer vor Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension mehrere Jahre hindurch Pflichtversicherungszeiten nach ASVG und GSVG erworben habe und - seinen Angaben zufolge - vor der Gewährung der Pension als "freiberuflicher Grafiker" tätig gewesen wäre. Sie habe jedoch von engen Bekannten des Beschwerdeführers erfahren, dass dessen Anstellung als Grafiker lediglich auf Wunsch der Mutter des Beschwerdeführers und lediglich "zum Erwerb von Versicherungszeiten" erfolgt sei. Tatsächlich habe er über Jahre hinweg aus seiner Tätigkeit nie ein Einkommen bezogen. Beim Finanzamt Mödling habe die Einschreiterin in Erfahrung gebracht, dass bis zur Sachwalterbestellung nie Einkommensteuererklärungen abgegeben worden seien - was ja erfolgt wäre, hätte der Beschwerdeführer tatsächlich Einnahmen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bezogen. Ungeachtet des Erwerbs von Versicherungsmonaten bestehe daher der Anspruch auf "Waisenpension".
Nach Übermittlung der Auflistung der Versicherungszeiten durch die belangte Behörde nahm die Einschreiterin hiezu dahingehend Stellung, aus dieser Auflistung sei deutlich das Vorliegen der Erwerbsunfähigkeit - zusammengefasst im Hinblick auf die kurze Dauer der Beschäftigungsverhältnisse - erkennbar. Dem Auszug entnehme sie einen dreimaligen Krankengeldbezug in den Jahren 1975 und 1976. Sie verweise auf die im Sachwalterbestellungsverfahren eingeholten Gutachten und zahlreichen ärztlichen Atteste, die eine Psychose des Beschwerdeführers seit seiner Kindheit bestätigten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Gewährung eines Waisenversorgungsbezuges - auf der Rechtsgrundlage des § 83 Abs. 4 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 - DPL 1972, LGBl. 2200 - ab. Begründend führte sie nach Darstellung des Verfahrensganges und der Ermittlungsergebnisse aus, da der Beschwerdeführer nach Vollendung seines 18. Lebensjahres im Jahr 1975 insgesamt fünf Monate der Pflichtversicherung, im Jahr 1976 drei Monate der Pflichtversicherung sowie in den Jahren 1982 bis 1997 insgesamt 186 Monate der Pflichtversicherung aufweise und er auf Grund dieser Versicherungszeiten seit 1. Juli 1997 von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Erwerbsunfähigkeitspension beziehe, werde als erwiesen angesehen, dass seine Erwerbunfähigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten sei. Auch aus dem Einwand, dass er während der Zeit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hätte, lasse sich nicht ableiten, dass in dieser Zeit seine Erwerbsunfähigkeit bestanden habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Gewährung des beantragten Waisenversorgungsbezuges verletzt.
Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt er darin, aus dem Vorliegen einer Pflichtversicherung und dem Bezug einer Erwerbsunfähigkeitspension könne nicht darauf geschlossen werden, dass seine Erwerbsunfähigkeit erst nach Vollendung seines 18. Lebensjahres eingetreten sei. Selbst Erwerbstätigkeit bedeute nämlich keine Erwerbsfähigkeit, umso weniger das formelle Bestehen eines Dienstverhältnisses nach dem ASVG und das "Erwerben" von Versicherungszeiten nach dem GSVG (durch bloße Beitragsleistung). Aus dem vorgelegten Sachverständigengutachten sowie insbesondere dem nervenärztlichen Attest ergebe sich, dass ihm bereits zu seinem 18. Lebensjahr keine geregelte Beschäftigung zugemutet werden könne. Die belangte Behörde habe dies und das Vorbringen, wonach seine Anstellung lediglich "zum Erwerb von Versicherungszeiten" erfolgt wäre, nicht gewürdigt.
§ 83 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 - DPL 1972, LGBl. (für Niederösterreich) 2200, lautet, soweit im Beschwerdefall von Relevanz, in der Fassung der DPL-Novelle 1977, LGBl. Nr. 2200-7 (mit der § 83 Abs. 1 erster Satz neu gefasst wurde), der DPL-Novelle 1985, LGBl. Nr. 2200-21 (mit der § 83 Abs. 1 letzter Satz neu gefasst wurde), der 2. DPL-Novelle 1993, LGBl. 2200-36 (mit der in § 83 Abs. 2 jeweils an die Stelle der Zahl "26" die Zahl "27" trat und u.a. die bisherigen Abs. 3 und 4 die Absatzbezeichnungen "4" und "5" erhielten) sowie der 3. DPL-Novelle 1995, LGBl. Nr. 2200-41 (mit der in § 83 Abs. 1 das Wort "Haushaltszulage" durch das Wort "Kinderzulage" ersetzt wurde):
"§ 83
Waisenversorgungsgenuss
(1) Dem Kind eines verstorbenen Beamten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gebührt ein monatlicher Waisenversorgungsgenuss, wenn der Beamte am Sterbetag Anspruch auf Ruhegenuss gehabt hat oder im Falle der mit Ablauf dieses Tages erfolgten Versetzung in den Ruhestand gehabt hätte. Ein Stiefkind hat nur dann Anspruch auf Waisenversorgungsgenuss, wenn es am Sterbetag des Beamten bei der Bemessung der Kinderzulage zu berücksichtigen gewesen ist.
(2) Dem älteren Kind eines verstorbenen Beamten, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gebührt auf Antrag ein monatlicher Versorgungsgenuss, solange es sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Zur Schul- oder Berufsausbildung zählt auch ein angemessener Zeitraum für die Vorbereitung auf die Ablegung der entsprechenden Abschlussprüfungen und auf die Erwerbung eines akademischen Grades. Ist die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung der Wehrpflicht, durch Krankheit oder ein unüberwindbares Hindernis verzögert worden, so gebührt der Waisenversorgungsgenuss über das 27. Lebensjahr hinaus für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum.
...
(4) Dem Kind eines verstorbenen Beamten, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, gebührt auf Antrag ein monatlicher Waisenversorgungsgenuss, wenn es seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des im Abs. 2 genannten Zeitraumes infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig ist.
(5) Der Waisenversorgungsgenuss nach Abs. 2 bis 4 ruht, wenn das Kind
a) Einkünfte bezieht, die zur Bestreitung seines angemessenen Lebensunterhaltes ausreichen,
..."
Die belangte Behörde wies das Begehren auf Waisenversorgungsgenuss im Grunde des § 83 Abs. 4 DPL 1972 ab; sie sieht eine Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers seit Vollendung seines 18. Lebensjahres deshalb als gegeben an, weil er die eingangs wiedergegebenen Versicherungszeiten aufweise. Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, aus den Versicherungszeiten sei ein Rückschluss auf seine Erwerbsfähigkeit nicht zulässig.
Obzwar die DPL 1972 eine nähere Bestimmung des Begriffes "erwerbsunfähig" im Sinn des § 83 Abs. 4 leg. cit. nicht vornimmt, verwendet sie diesen Begriff in anderem Zusammenhang in § 76 Abs. 10 in der Fassung der DPL-Novelle 1999, LGBl. 2200-47, wonach als dauernd erwerbsunfähig im Sinn des Abs. 9 Z. 3 ein Beamter nur dann gilt, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.
Nach § 17 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, gebührt dem Kind eines verstorbenen Beamten, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, auf Antrag ein monatlicher Waisenversorgungsgenuss, wenn es seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des im Abs. 2 dieser Bestimmung näher genannten Zeitraumes infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig ist.
Der Begriff "(dauernd) erwerbsunfähig" war im Pensionsgesetzes 1965 zuletzt (für die Zeit vom 1. Jänner 1998 bis zum 31. Dezember 2002) in dessen § 4 Abs. 7 in der Fassung des Art 4 Z. 1a des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, dieser wiederum in der Fassung der Z. 13 der Kundmachung BGBl. I Nr. 35/1998, gleichlautend wie nunmehr in § 76 Abs. 10 DPL 1972 definiert.
Der Verwaltungsgerichtshof geht vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit der Bestimmungen des § 83 Abs. 4 DPL 1972 mit jener des § 17 Abs. 3 PG 1965 (sowie jener des § 76 Abs. 10 DPL 1972 mit jener des § 4 Abs. 7 PG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 138/1997) davon aus, dass die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Erwerbsunfähigkeit entwickelten, im Folgenden näher dargestellten Grundsätze auf die Beantwortung der Frage der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 83 Abs. 4 DPL 1972 anwendbar sind.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet die Erwerbsfähigkeit im Sinn des Pensionsgesetzes 1965, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist abstrakt zu beurteilen (d.h., es ist nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht, es muss sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist); es kommt aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 99/12/0236, mwN, betreffend § 4 Abs. 4 Z. 3 iVm Abs. 7 PG 1965 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/1997).
Auf den vorliegenden Fall bezogen folgt daraus, dass die einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugängliche Beantwortung der Frage des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit zunächst der widerspruchsfreien Klärung der Frage des physischen und psychischen Leistungskalküls des Anspruchswerbers bedarf und sodann - sofern eine Restarbeitsfähigkeit gegeben ist - erforderlichenfalls die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens, in dem auf dem (den) medizinischen Gutachten aufbauend darzulegen ist, ob innerhalb des physischen und psychischen (Rest-)Leistungsvermögens eine Einsatzfähigkeit in bestimmten Tätigkeiten (Berufen) in Betracht kommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2001/12/0236, mwN).
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Anspruch auf Waisenversorgungsgenuss unmittelbar auf Grund des Gesetzes gebührt und die Behörde von Amts wegen festzustellen hat, ob die Voraussetzungen hiefür vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1973, Zl. 1261/72 = Slg. 8.345/A - nur Leitsatz). Soweit die von der Einschreiterin (Sachwalterin des Beschwerdeführers) vorgelegten, im Rahmen des Sachwalterschaftsverfahrens eingeholten Gutachten keine eindeutige Schlussfolgerung auf die Tatsachenfrage der durchgängigen Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers seit Vollendung seines 18. Lebensjahres zuließen, war daher die belangte Behörde gehalten, diese Lücken durch eigenständige Ermittlungen zu schließen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum "Versicherungszeiten" aufwies, spricht wohl prima facie dafür, dass der Beschwerdeführer in dieser Zeit auf Grund eigener Erwerbstätigkeit sozialversichert war. Im Hinblick auf das gegenteilige Vorbringen der Einschreiterin, wonach der Beschwerdeführer lediglich zur Erlangung eines sozialversicherungsrechtlichen Schutzes angemeldet worden sei, ohne erwerbstätig geschweige denn jemals erwerbsfähig gewesen zu sein, wäre jedoch die belangte Behörde im Sinne des zitierten hg. Erkenntnisses vom 25. Jänner 1973 gehalten gewesen, von Amts wegen die Tatsachengrundlagen zur Beantwortung der Frage der durchgängigen Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers seit Vollendung seines 18. Lebensjahres vorerst durch Einholung eines Gutachtens aus dem Gebiete der Neurologie und Psychiatrie aufzubereiten und, sofern eine (Rest-)Erwerbsfähigfähigkeit des Beschwerdeführers konstatiert worden wäre, anhand dessen allenfalls seine Einsatzfähigkeit in bestimmten Berufen unter Bedachtnahme auf die genannten Kriterien (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) zu überprüfen.
Da die belangte Behörde dem entgegen den Begriff der Erwerbsfähigkeit mit jenem der Erwerbstätigkeit gleichsetzte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon insofern mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er von einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 7. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004120056.X00Im RIS seit
12.10.2004