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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des S, geboren 1976, vertreten durch Dr. Christian Rumplmayr, Dr. Andreas Haberl und Mag. Franz Hofmann, Rechtsanwälte in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 36, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. April 2001, Zl. St 51/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. April 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 14. April 1999 nach seinen Angaben unter Umgehung der Grenzkontrolle auf unbekanntem Weg mit Hilfe eines Schleppers gegen Bezahlung von DM 2.500,-- versteckt in einem LKW nach Österreich eingereist. Der nach der Einreise eingebrachte Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Mai 1999 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien für nicht zulässig erklärt worden. Der Beschwerdeführer habe eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 15 AsylG, zuletzt mit Gültigkeit bis zum 6. Mai 2001, erhalten. Vor der Asylbehörde habe der Beschwerdeführer angegeben, lediglich über einen jugoslawischen Personalausweis zu verfügen. Am 30. November 1999 habe sich der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck nach den Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erkundigt und dabei seinen jugoslawischen Reisepass, gültig vom 19. Juni 1995 bis zum 19. Juni 2000, vorgelegt, in welchem sich ein Durchreisevisum (Visum B) für Österreich, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Budapest am 6. April 1999, gültig vom 12. April bis zum 15. April 1999, befunden habe. Der Beschwerdeführer habe bei der österreichischen Vertretungsbehörde angegeben, nach Norwegen reisen zu wollen. Für diesen Staat hätte er ein bis zum 1. September 1999 gültiges Visum. Dieses Visum für Norwegen habe der Beschwerdeführer in der Folge (nach Erteilung des Durchreisevisums) aus seinem Reisepass entfernt. Mit diesem Sachverhalt konfrontiert habe der Beschwerdeführer angegeben, dass das Visum von dem Schlepper, dessen er sich bedient habe, aus seinem Reisepass entfernt worden sei.
Der Beschwerdeführer habe somit vor der österreichischen Botschaft in Budapest falsche Angaben über den Zweck und die Dauer seines Aufenthaltes gemacht und sich so einen Aufenthalts- bzw. Einreisetitel verschafft. Er habe seinen Heimatstaat aus wirtschaftlichen Gründen verlassen und sei nach Österreich mit Hilfe einer Schlepperorganisation eingereist, um sich hier während der Durchführung des von ihm angestrengten - jeglicher Begründung entbehrenden - Asylverfahrens Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt und einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.
Ein Onkel des Beschwerdeführers halte sich in Wien auf; seine Eltern und Geschwister lebten in seinem Heimatland. Er sei im Besitz einer vom 23. November 2000 bis zum 22. November 2002 gültigen Arbeitserlaubnis für das Bundesland Oberösterreich und gehe einer Beschäftigung nach.
In seinem Schreiben vom 5. Mai 2000 bzw. in der Berufungsschrift vom 19. März 2001 habe der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, dass er das österreichische Konsulat in Budapest mit seinem Schlepper aufgesucht hätte. Dieser hätte ihm gesagt, er müsste dort etwas unterschreiben, damit er nach Deutschland gelangen könnte. Der Schlepper hätte den Antrag ausgefüllt, er selbst hätte ihn dann nur unterschrieben, ohne ihn vorher durchzulesen. Er hätte nicht gewusst, dass es sich um einen Visumantrag gehandelt hätte. Es wäre nie die Rede davon gewesen, dass für Norwegen ein Visum und ein Transitvisum für Österreich beantragt werden sollte. Er selbst hätte vorgehabt, in Deutschland um Asyl anzusuchen.
Dazu führte die belangte Behörde aus, dass der vom Beschwerdeführer selbst unterfertigte, mit 6. April 1999 datierte Visumantrag vor seiner illegalen Einreise nach Österreich gestellt worden sei. Aus dem Antrag gehe hervor, dass er vor der österreichischen Vertretungsbehörde als Zielland Norwegen angegeben habe. Dies habe nicht der Richtigkeit entsprochen, zumal der Beschwerdeführer in der genannten Stellungnahme angegeben habe, er hätte eigentlich nach Deutschland reisen wollen, um dort einen Asylantrag zu stellen. Schon aus der Tatsache, dass er gar nicht versucht habe, von Österreich nach Deutschland zu gelangen und bereits in Österreich um Asyl ansuchte, ergebe sich, dass er gar nicht vorgehabt habe, durch Österreich durchzureisen. Seine Angaben, er hätte nicht gelesen, was er unterschrieben hätte, seien nicht glaubwürdig. Der Beschwerdeführer sei als volljähriger Mensch für das verantwortlich, was er unterschreibe, und er müsse sich dessen auch bewusst sein. Die von ihm gewählte Form seiner Einreise nach Österreich (unter Zuhilfenahme eines Schleppers und versteckt in einem Kraftwagen) mache deutlich, dass er erst gar nicht versucht habe, auf legalem Weg nach Österreich zu gelangen. Zu diesem Zweck habe er auch einen Schlepper bezahlt.
Daher sei nicht nur der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt, sondern auch die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Es sei für das Funktionieren eines Gemeinwesens bzw. des Fremdenwesens unerlässlich, dass Personen der Wahrheit entsprechende Angaben machten. Würden Behörden durch unrichtige Angaben zu Entscheidungen veranlasst, die sie bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes nicht getroffen hätten, so werde ein eminentes Ungleichgewicht (nicht zuletzt auch zwischen Fremden untereinander) geschaffen. Falsche Angaben gegenüber Behörden könnten nicht als "Kavaliersdelikt" gewertet werden. Den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sei großes Gewicht beizumessen. Dies gebe letztlich den Ausschlag dafür, dass von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht worden sei.
Das Aufenthaltsverbot sei auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltesverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der kurze Zeitraum seines Aufenthaltes im Bundesgebiet seit 1999 (ca. zwei Jahre) mache deutlich, dass er im Bundesgebiet nicht als integriert anzusehen sei, auch wenn er einer Beschäftigung nachgehe. Lediglich ein Onkel halte sich in Österreich auf. Seine Eltern und Geschwister würden nach wie vor in seinem Heimatstaat leben.
Auch die Dauer des Aufenthaltsverbotes sei nicht rechtswidrig, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift "wegen Arbeitsüberlastung durch Berufungs- und Beschwerdefälle" Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer hat vor seiner illegalen Einreise nach Österreich bei der österreichischen Botschaft in Budapest einen eigenhändig unterschriebenen Antrag auf Erteilung eines Durchreisevisums (Visum B) für Österreich gestellt und dabei angegeben, nach Norwegen reisen zu wollen, für welchen Staat er in seinem Reisepass ein bis zum 1. September 1999 gültiges - später eigenmächtig entferntes - Visum eingetragen hatte. Er hatte nicht die Absicht, nach Norwegen weiterzureisen, sondern wollte sich auf diese Weise einen Einreisetitel verschaffen, den er im Bedarfsfall - tatsächlich ist er unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt - verwenden wollte. Darüber hinaus gab er vor der Asylbehörde an, lediglich über einen jugoslawischen Personalausweis zu verfügen, obwohl er (auch) einen jugoslawischen Reisepass (der ursprünglich das norwegische Visum enthielt) besaß, den er am 30. November 1999 bei der Bezirkshauptmannschaft vorlegen konnte.
Damit erfüllte der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG, wonach es als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 leg. cit. gilt, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen. Gemäß § 31 Abs. 1 leg. cit. halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1) oder wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29 FrG) zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2) oder wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3) oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt (Z. 4). Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet richtet sich gemäß § 31 Abs. 3 leg. cit. nach der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung (Z. 1) oder der Befristung des Einreise- oder Aufenthaltstitels (Z. 2).
Nicht rechtserheblich ist im Zusammenhang mit der Erfüllung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG (vgl. aber unten II.2.), ob ein Fremder mit seinen unrichtigen Angaben (auch) die Absicht verfolgte, sich als Flüchtling unter den Schutz der Republik Österreich stellen zu lassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0079, und vom 9. Mai 2003, Zl. 98/18/0318), und ob dem Fremden ohnehin (voraussichtlich) eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 im Sinn des § 31 Abs. 1 Z. 4 FrG zugekommen wäre (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2002/18/0079, mwN).
2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich auf Grund der - jedem in Österreich bekannten - Umstände in seinem Heimatland auch in einer gewissen Zwangslage befunden, weshalb ein allfälliges Fehlverhalten zu entschuldigen sei.
2.2. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Nach § 36 Abs. 1 leg. cit. ist somit Vorrausetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die auf bestimmte Tatsachen gestützte Prognose, dass der Aufenthalt eines Fremden die in Z. 1 oder Z. 2 genannten öffentlichen Interessen gefährdet.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist sohin zu prüfen, ob sich aus dem (gesamten) Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen gefährdet. Wenngleich eine solche Annahme gerade in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG auch bei einem einmaligen Fehlverhalten gerechtfertigt sein kann, könnte eine künftig vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr im vorliegenden Fall deswegen zu relativieren sein, weil er die besagten unrichtigen Angaben vor der österreichischen Botschaft in Budapest und vor der österreichischen Asylbehörde nur im Hinblick auf die Annahme gemacht haben könnte, in seinem Heimatland, das er bereits verlassen hatte, i.S. des Art. 3 EMRK gefährdet zu sein (§ 57 Abs. 1 FrG).
Im Unterschied zu Fällen, in denen anlässlich der Abweisung eines Asylantrags auch eine für den Fremden negative Refoulmement-Entscheidung getroffen worden ist, steht im vorliegenden Fall fest, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland i.S. des Art. 3 EMRK gefährdet war, weil seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in sein Heimatland gemäß § 8 AsylG als unzulässig erachtet und ihm gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden war. In einem solchen Fall hätte die belangte Behörde prüfen müssen, inwieweit der Entschluss des Beschwerdeführers, vor der österreichischen Botschaft in Budapest und vor der österreichischen Asylbehörde unrichtige Angaben i.S. des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG zu machen, aus dem Motiv heraus erfolgt sein könnte, eine Gefährdung von sich abzuwenden. Erst unter Berücksichtigung dieses Umstandes kann im vorliegenden Fall beurteilt werden, ob die in § 36 Abs. 1 FrG erwähnte Annahme im Hinblick darauf, dass mit derart motivierten unrichtigen Angaben in Zukunft nicht mehr gerechnet werden müsste, gerechtfertigt ist.
3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer (vgl. Mayer, B-VG, § 48 VwGG I.4.), sodass das auf dessen Ersatz gerichtete Begehren abzuweisen war. Wien, am 7. September 2004
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001180093.X00Im RIS seit
20.10.2004