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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der TIWAG Tiroler Wasserkraft AG in Innsbruck, vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Bescheid der Energie-Control Kommission vom 22. Juli 2003, Zl. K NZV 01/02-45, betreffend Parteistellung in einem Verfahren wegen Verweigerung des Netzzuganges, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Zl. 2003/05/0094, betraf den Bescheid der belangten Behörde vom 6. Mai 2003, Zl. K NZV 01/02-38, mit welchem festgestellt worden war, dass die dortige Mitbeteiligte, die Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg Austria GmbH (EGL), durch die Verweigerung des Netzzuganges seitens der dortigen Beschwerdeführerin TIRAG in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Netzzugang verletzt worden sei. Der Netzzugang war von der TIRAG verweigert worden, weil sie die gesamte Kapazität an die nunmehrige Beschwerdeführerin vergeben hat, sodass keine Kapazität (§ 20 Abs. 1 Z. 2 ElWOG) mehr vorhanden war.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2003, gerichtet an die belangte Behörde, beantragte die Beschwerdeführerin die Zustellung dieses Bescheides vom 6. Mai 2003. Sie verwies dabei auf den in jenem Bescheid festgestellten Sachverhalt und brachte vor, sie hätte im Verfahren Parteistellung haben müssen. Eine bestimmte "Betroffenheitsdichte" liege nämlich vor, wenn der Rechtsanspruch einer Person als Ergebnis der Anerkennung des Rechtsanspruches einer anderen Person wegfalle. Die Betroffenheitsdichte sei im Hinblick auf die Beschwerdeführerin und ihr Recht auf Netzzugang gegeben. Auch sie habe ein subjektiv-öffentliches Recht auf Netzzugang ebenso wie die seinerzeitige Mitbeteiligte, beide Rechte seien grundsätzlich gleichrangig und konkurrierten miteinander. Die Beschwerdeführerin habe am 7. Juni 2002 den zeitlich früheren Antrag auf Reservierung von Kapazitäten auf der so genannten Brennerleitung gestellt, auf Grund dieses Antrages sei zwischen ihr und der TIRAG am 31. Oktober 2002 ein Reservierungsvertrag abgeschlossen worden. Der zeitlich nachfolgende Antrag der EGL sei abgelehnt worden, weil durch die angemeldete Durchleitung die Kapazitäten der betreffenden Leitung physikalisch erschöpft waren. Diese Verzahnung der beiden Rechtsansprüche sei auch durch die Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 6. Mai 2003 verdeutlicht worden. Die belangte Behörde habe in jenem Bescheid zunächst die Frage beurteilt, ob der bestehende Reservierungsvertrag zwischen der Beschwerdeführerin und der TIRAG rechtmäßig zu Stande gekommen sei. Erst nachdem die belangte Behörde zu dem - nach Ansicht der Beschwerdeführerin unrichtigen - Ergebnis gekommen war, dass dieser Vertrag nichtig sei, konnte die belangte Behörde die angebliche Rechtswidrigkeit der Zugangsverweigerung hinsichtlich der EGL feststellen. Der Bescheid der belangten Behörde bedeute im Ergebnis nichts anderes, als dass die Beschwerdeführerin auf Grund des gegenständlichen Bescheides ihren gesetzlich zustehenden Netzzugang verliere. Damit sei die für die Parteistellung gemäß § 8 AVG geforderte Betroffenheitsdichte eindeutig gegeben. Die belangte Behörde hätte somit die Beschwerdeführerin zum Verfahren laden und ihr die Möglichkeit einräumen müssen, ihre Parteienrechte wahrzunehmen. Insbesondere hätte sie den Bescheid an die Beschwerdeführerin zustellen müssen.
Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem hier angefochtenen Bescheid ab. Sie verwies in ihrer Begründung auf die im Bescheid vom 6. Mai 2003 erfolgte Vorfragenbeurteilung, wonach die zwischen der TIRAG und der TIWAG geschlossene Reservierungsvereinbarung als nichtig im Sinne des Art. 81 Abs. 1 bzw. Art. 82 EGV anzusehen und die Verweigerung des Netzzuganges gegenüber der EGL aus dem Titel mangelnder Leitungskapazitäten daher zu Unrecht erfolgt sei. Eine Entscheidung über die Vorfrage habe die belangte Behörde nicht getroffen, weil sie sich im Rahmen des § 38 AVG auf eine vorläufige Beurteilung der Rechtsfrage zu beschränken hatte. Eine Entscheidung über die Gültigkeit der zwischen der TIRAG und der TIWAG geschlossene Reservierungsvereinbarung falle vielmehr in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Damit sei aber die behauptete Verzahnung der Rechtsansprüche der TIWAG und der EGL nicht gegeben, die Entscheidung der belangte Behörde vom 6. Mai 2003 beschränke sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Netzzuganges gegenüber der EGL durch die TIRAG. Es bestehe keine ausreichende Betroffenheitsdichte, die die Einräumung der Parteistellung für die Beschwerdeführerin rechtfertigen würde.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 23. Februar 2004, B 1187/03-8, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Zustellung eines Bescheides, in ihrem Recht auf Parteistellung, auf rechtliches Gehör sowie in ihrem Recht auf Netzzugang verletzt. Es wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und verwies auf den zur eingangs genannten Beschwerde vorgelegten Verwaltungsakt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 6. Mai 2003 ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig war; der vorliegende Antrag in diesem vor der Verwaltungsbehörde abgeschlossenen Verfahren hat somit einzig und allein den Zweck, der Beschwerdeführerin die Erhebung einer Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu ermöglichen. Zu einer solchen Antragstellung war die Beschwerdeführerin legitimiert, weil sie - soweit eine allfällige Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde betreffend - nicht auf § 26 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dazu ausgeführt hat, ist die Frage des Mitspracherechtes zunächst durch die in Betracht kommende Behörde zu entscheiden, sei es durch Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung, sei es durch Anerkennung der Parteistellung in Form der Bescheidzustellung (hg. Beschluss vom 26. April 1999, Zl. 98/10/0419, m.w.N.).
Da der Übertragungsnetzbetreiber TIRAG wegen der von ihm erfolgten Kapazitätsvergabe an die Beschwerdeführerin den von der EGL begehrten Netzzugang verweigerte, leitete die EGL mit Antrag vom 27. November 2002 bei der belangten Behörde ein Feststellungsverfahren nach § 20 Abs. 2 ElWOG (i.d.F. BGBl. I Nr. 149/2002) ein. Diese Verfassungsbestimmung lautet:
"Die Energie-Control Kommission hat über Antrag desjenigen, der behauptet, durch die Verweigerung des Netzzugangs in seinem gesetzlich eingeräumten Recht auf Gewährung des Netzzugangs verletzt worden zu sein, innerhalb eines Monats festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Verweigerung eines Netzzugangs gemäß Abs. 1 vorliegen. Der Netzbetreiber hat das Vorliegen der Verweigerungstatbestände (Abs. 1) nachzuweisen. Die Energie-Control Kommission hat in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung zwischen Netzzugangsberechtigtem und Netzbetreiber hinzuwirken."
Am dem dem Antrag folgenden Verwaltungsverfahren waren die TIRAG und die EGL, nicht aber die Beschwerdeführerin (und auch nicht ein dritter Reservierungsbewerber) beteiligt. Der Feststellungsbescheid, betreffend "Verweigerung des Netzzuganges gegenüber der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg Austria GmbH (EGL Austria GmbH) durch die Tiroler Regelzone AG (TIRAG)", bildete den Abschluss dieses Verfahrens.
Nach § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Wer Partei in einem Verwaltungsverfahren ist, kann aber nicht allein anhand des § 8 AVG geklärt werden, sondern es muss die Parteistellung aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden (siehe die umfangreichen Nachweise bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren I2, 194 f).
Ob überhaupt eine Berechtigung gegeben ist, ist somit den Verwaltungsvorschriften zu entnehmen; da die Gesetze dies keineswegs immer ausdrücklich sagen, muss durch Auslegung festgestellt werden, ob jemand einen "Rechtsanspruch" oder ein "rechtliches Interesse "und damit Parteistellung hat. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 291 verweisen auf die in der Lehre und Rechtsprechung entwickelte Formel: "Parteien sind alle Personen, deren rechtliche Stellung durch das Ergebnis eines von der Verwaltungsbehörde abzuführenden Verfahrens tangiert werden kann, deren Rechtsstellung also von diesem Verfahren abhängig ist". Abzustellen ist auf die Möglichkeit der Rechtsverletzung, auf die mögliche unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtssphäre der Person (hg. Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 92/03/0259).
§ 20 Abs. 2 ElWOG gibt dem nicht zum Zuge gekommenen Netzbewerber einen Anspruch auf Feststellung; an seiner Parteistellung kann daher kein Zweifel bestehen. Im Verfahren geht es allein um die Rechtmäßigkeit der vom Netzbetreiber pflichtgemäß vorgenommenen Zuteilung, woraus ebenso unzweifelhaft erhellt, dass der Netzbetreiber Partei des Verfahrens sein muss. Seine rechtliche Stellung wird durch das Ergebnis des Verfahrens - unmittelbar - tangiert. Er muss außerdem im Verfahren mitwirken und das Vorliegen der Verweigerungstatbestände nachweisen.
Dabei geht es ausschließlich um die Feststellung, ob der Antragsgegner (Netzbetreiber) anlässlich seiner Entscheidung dem Gesetz gemäß vorgegangen ist; in diesem Verfahren werden aber keineswegs Berechtigungen (Konzessionen) zuerkannt oder verweigert. Daher ist eine Entscheidung in diesem Verfahren auch nicht geeignet, unmittelbar Rechte Dritter zu berühren.
Somit unterscheidet sich die vorliegende Rechtslage wesentlich von jener, die der Verwaltungsgerichtshof anlässlich des von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnisses vom 19. Dezember 1989, GZ 87/08/0259, zu beurteilen hatte: Es ging um eine Regelung im § 29 Apothekengesetz (in der Fassung der ApG Nov 1984), wonach die Hausapothekenbewilligung bei Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke auf Antrag, also kraft Rechtsanspruches des Konzessionsinhabers, zurückzunehmen war, wenn die Wegstrecke zwischen Berufssitz des Arztes und Betriebsstätte der neu errichteten öffentlichen Apotheke 4 Straßenkilometer nicht überschreitet. Die Rechtswirksamkeit der Konzessionserteilung war also eine Voraussetzung für die Zurücknahme der ärztlichen Hausapotheke. Wörtlich wurde ausgeführt: "Im Hinblick auf die mit dieser Verzahnung gegebene Betroffenheitsdichte hat derjenige, dessen Rechtsbefugnis zurückgenommen werden soll, ein Recht darauf, dass der Eintritt dieser Bedingungen, die zum Rechtsverlust führen - und dazu zählt im Beschwerdefall auch die Rechtmäßigkeit des präjudiziellen, eine andere Person begünstigenden Verwaltungsaktes - in einem gesetzmäßigen Verfahren unter seiner Mitwirkung festgestellt wird."
Eine derartige unmittelbare Wirkung entfaltet der Bescheid in einem Feststellungsverfahren nach § 20 Abs. 2 ElWOG jedoch keineswegs. Es ist vielmehr Sache des Netzbetreibers, eine neuerliche Entscheidung über die Vergabe zu treffen; sollte die Beschwerdeführerin dann in ihren Rechten verletzt sein, ist sie ihrerseits zu einer Antragstellung nach § 20 Abs. 2 ElWOG legitimiert. Einem solchen Antrag kann nicht die Rechtskraft des gegenüber einem anderen Netzzugangswerber ergangenen Bescheides entgegen gehalten werden.
Auch eine so genannte Verwaltungsverfahrensgemeinschaft (siehe Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz. 123:
Da die Vergabe der Rechtspositionen an einen Bewerber die Abweisung aller anderen nach sich ziehen muss, ist über alle Ansuchen in einem Gesamtverfahren abzusprechen und der die Sache erledigende Bescheid allen Parteien zuzustellen) kommt nicht in Betracht, weil hier keine Rechtsposition vergeben oder abgewiesen wird.
Da somit der Beschwerdeführerin eine Parteistellung im Verfahren K NZV 01/02 nicht zukam, hat die belangte Behörde zu Recht die Zustellung des dort ergangenen Bescheides verweigert. Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2004
Schlagworte
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004050094.X00Im RIS seit
12.10.2004Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008