TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/7 2001/05/1159

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Veröffentlicht am 07.09.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Christine Aigner in Zeillern, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Burgfriedstraße 17, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1999, Zl. RU1-V-94203/03, betreffend Kanalanschluss (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Zeillern), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. Juni 1994 trug der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Beschwerdeführerin gemäß § 17 Abs 1 und 3 NÖ Kanalgesetz 1977 für ihr Grundstück Nr 75/1, KG Zeillern, (Pyhrastraße 23, Zeillern), den Anschluss an den in Zeillern, Nebensammler 9, neu gelegten Schmutzwasserkanal auf und forderte die Beschwerdeführerin auf, binnen vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides um die Baubewilligung für die Errichtung des Hauskanals (bis zur Liegenschaftsgrenze) anzusuchen.

Der Verwaltungsgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 16. September 1997, Zl 94/05/0357, den Bescheid der belangten Behörde, mit welchem der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen die im Instanzenzug bestätigte Kanalanschlussverpflichtung keine Folge gegeben worden war, weil weder im erstinstanzlichen Bescheid noch im Berufungsbescheid Feststellungen darüber getroffen worden waren, ob die Anschlussleitung länger als 50 m und die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne Pumpvorgang möglich ist.

Zum jetzt wieder erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführerin traf der Verwaltungsgerichtshof folgende Ausführungen:

"Zum weiteren Beschwerdevorbringen soll nicht unerwähnt bleiben, dass im Verfahren betreffend die Kanalanschlussverpflichtung die wirtschaftliche Zumutbarkeit der verfügten Maßnahmen nicht geprüft werden kann, da das Gesetz auf dieses Kriterium nicht abstellt. Sind die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 und 2 BO iVm § 17 Abs. 1 bis 3 KanalG erfüllt, so kommt es auf die Höhe der Kosten und auf die Zumutbarkeit gegenüber dem Verpflichteten nicht an (siehe das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1985, Zl. 85/05/0066, BauSlg. Nr. 554, betreffend die O.ö. Bauordnung 1976). Das von den Beschwerdeführern zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1993, B 1633/92, betraf die Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages an die Grundeigentümer, die einen konsenslosen Zustand auf ihren Grundstücken nicht selbst herbeigeführt hatten, und somit einen anderen Sachverhalt.

Auch kommt es für das Vorliegen der Anschlussverpflichtung nicht darauf an, ob eine andere Möglichkeit der Abwasserbeseitigung besteht (siehe das ziterte hg. Erkenntnis vom 25. März 1997).

Gemäß § 56 Abs. 1 BO ist für jedes Gebäude Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer zu treffen. Auch § 17 Abs. 1 Satz 1 KanalG normiert Pflichten betreffend (näher bestimmte) Gebäude. Der Gesetzgeber stellt im Zusammenhang mit der Anschlussverpflichtung weder auf die Art noch auf die Zweckbestimmung des Gebäudes ab. Inwieweit die öffentliche Kanalanlage, mit der ein Gebäude in Verbindung gebracht werden soll, den Anforderungen des Umweltschutzes entspricht, ist im Verfahren betreffend die Anschlussverpflichtung nicht zu prüfen.

Die Verpflichtung zum Kanalanschluss kann nicht anders als durch die in § 17 Abs. 1 Satz 2 KanalG genannte Herstellung des Hauskanals mitsamt dem Anschluss an die Anschlussleitung nach den Anordnungen in der baubehördlichen Bewilligung realisiert werden. Die Herstellung des Hauskanals mitsamt dem Anschluss an die Anschlussleitung setzt ein i.S.d. § 17 Abs. 3 Satz 2 KanalG fristgerecht gestelltes Ansuchen um die baubehördliche Bewilligung voraus. Die Verpflichtung zum Kanalanschluss steht daher in engem Zusammenhang mit derjenigen zum Ansuchen um die Baubewilligung. Zweifellos dürfen daher diese beiden Verpflichtungen in einem Bescheid ausgesprochen werden."

In Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Juli 1998 den über die Berufung ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diesen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde hielt am 23. September 1998 eine mündliche Verhandlung ab. Im Protokoll wurde festgehalten, die Liegenschaft der Beschwerdeführerin grenze direkt an das öffentliche Gut, in dem der Kanalstrang verlegt sei. Die Gebäudeecke liege auf Grund des Planmaßes im Ausführungsplan rund 17 m vom Schacht 9 des Nebensammlers 9 entfernt. Augenscheinlich sei auch, dass die Niveauverhältnisse so gelagert seien, dass ein Anschluss auch des Kellers des gegenständlichen Gebäudes im freien Gefälle sicher ohne Pumpvorgang möglich sei. Nach Auskunft der Beschwerdeführerin sei der Wasseranschluss im Keller stillgelegt worden. Die Beschwerdeführerin erklärte, dass aus wirtschaftlichen Gründen ein Anschluss nicht erfolgen solle. Weiters sei das Abwasser zur Verdünnung der Gülle erforderlich. Vermerkt wurde, dass die bei der mündlichen Verhandlung anwesende Beschwerdeführerin sowie deren Tochter die Unterschrift verweigerten.

Zur "Überprüfung betreffend den Abwasserhausanschluss" für die gegenständliche Liegenschaft durch DI. M wurde am 6. Oktober 1998 ein Lokalaugenschein durchgeführt. Nach dessen schriftlichem Bericht sei das Betreten der Liegenschaft nicht versucht worden, weshalb die Höhenkoten des Kellergeschoßfußbodens nicht exakt festgestellt worden seien, "für die Überprüfung jedoch sicherlich ausreichend genau". Folgende Sachlage wurde vorgefunden:

"Für die Anschlussmöglichkeit der Liegenschaft ist durch die Gemeinde bis zur südlichen Grundgrenze in einer Entfernung von rund 39,00 m von der südöstlichen Liegenschaftsecke des Grundstückes Nr 75/1 der Nebensammler 9 auf Kote 296,29 mit einer Sohltiefe von 2,17 m unter Geländeoberkante bereits verlegt.

Unter Annahme des Mindestgefälles gemäß NÖ Bauordnung von 2 % ergibt sich bei einer Länge des Hauskanals von ca 17 m (Gebäudeaussenkante bis zur Anschlussstelle der öffentlichen Kanalanlage) eine Anschlusstiefe von rund 1,75 m unter Kellergeschoßfußbodenoberkante."

Als Ergebnis der Überprüfung führte DI M aus:

"Aufgrund der vorliegenden Sachlage und im Besonderen der Höhenverhältnisse ist eine ordnungsgemäße Ableitung der häuslichen Abwässer aus der gegenständlichen Liegenschaft zum bestehenden Anschlusskanal ohne Pumpvorgang sicher möglich. Weiters ist die Möglichkeit gegeben, dass der Hausanschlusskanal in frostfreier Tiefe bis zum Gebäude verlegt und bei entsprechender Bauführung durch ein befugtes Unternehmen ohne Schaden für das bestehende Gebäude errichtet werden kann.

Durch die Tiefenlage und die Gefälleverhältnisse im Hauptkanalstrang auf öffentlichem Gut ist ein Rückstau in die Hausanschlussleitung der gegenständlichen Liegenschaften sicher auszuschließen."

Dem war ein Lageplan angeschlossen, aus dem sich die folgenden Höhenkoten ergeben: FOK Keller 298,38 m (auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin); GOK 298,46 m, ROHRS 296,29 m (auf der Verkehrsfläche).

Der Inhalt dieser Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, woraufhin sie ausführte, dem Überprüfungsbericht lägen keine exakten und nachvollziehbaren Messungen zu Grunde, insbesondere werde die Tiefe des Kellerfußbodens im konkreten Gebäude nicht angegeben, sodass schon aus diesem Grund kein Schluss zulässig sei, ob eine Ableitung ohne Pumpvorgang möglich sei. Auf Grund der Tiefe des Kellers sei dies ausgeschlossen. Sämtliche von ihr bisher erstatteten Einwendungen blieben vollinhaltlich aufrecht. Sie stellte außerdem den Antrag, DI M nicht mehr dem Verfahren beizuziehen, da dieser als Projektant ein wesentliches Interesse an der Ausführung und Inbetriebnahme des Kanals habe. Der Überprüfungsbericht könne dem Verfahren nicht zugrundegelegt werden, weil von einem Mindestgefälle von 2% ausgegangen werde, während in anderen Verfahren ein Gefälle von weit unter einem Prozent als ausreichend erachtet wurde. DI M sei befangen.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1998 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde der Berufung keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich. Der Ablehnungsantrag, DI M wegen Befangenheit dem Verfahren nicht mehr beizuziehen, wurde abgewiesen. Die Berufungsbehörde stellte fest, dass die Anschlussleitung, sohin das Verbindungsstück zwischen Hauskanal und Straßenrohrstrang, weniger als 50 m betrage. Im Keller des gegenständlichen Gebäudes bestehe kein Wasseranschluss. Die Ableitung in den öffentlichen Kanal sei ohne Pumpvorgang möglich.

Der Gutachter sei irrtümlich davon ausgegangen, dass der Hauskanal von der Gebäudeaußenkante bis zur Anschlussstelle der öffentlichen Kanalanlage, und nicht nur bis zur Liegenschaftsgrenze reiche. Aus rechtlicher Sicht habe der Gutachter daher nicht die Länge des Hauskanals, sondern vielmehr die Länge des Hauskanals samt Anschlussleitung mit 17 m festgestellt. Dass im Keller kein Wasseranschluss existiere, gründe sich auf die glaubwürdige Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 23. September 1998. Die Ableitung in den öffentlichen Kanal sämtlicher über dem Keller liegenden Geschosse sei ohne Pumpvorgang möglich, dies ergebe sich aus dem Gutachten des DI M, da die mögliche Anschlusstiefe des Hauskanals beim Gebäude unter Einhaltung des Mindestgefälles von 2 % gemäß NÖ Bauordnung 1,75 m unter der Kellergeschoßfußbodenoberkante liege. Es liege auch keine diesbezügliche Einwendung der Beschwerdeführerin vor.

Ein Grund für die Befangenheit des DI M liege nicht vor. DI M sei auf Grund seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Kanalprojekt für eine gutachterliche Stellungnahme besonders geeignet. Gegen die Angaben in dem dem Gutachten beigefügten Lageplan, insbesondere die Länge von 17 m, gemessen von der Gebäudeaußenkante bis zur Anschlussstelle der öffentlichen Kanalanlage, habe die Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Vorstellung der Beschwerdeführerin. Die Berufungsbehörde sei den Vorgaben des Verwaltungsgerichthofes in keiner Weise nachgekommen. Der Überprüfungsbericht von DI M könne nicht als Gutachten im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze gewertet werden, insbesondere sei dem Überprüfungsbericht keinerlei Differenzierung in Befund und Gutachten zu entnehmen. Der Überprüfungsbericht enthalte keinerlei exakte und nachvollziehbare Messungen. Auf Grund der Tiefe des Kellers sei eine Ableitung ohne Pumpvorgang (vom Wasseranschluss im Keller) ausgeschlossen. Der Beschwerdeführerin sei nie vorgehalten worden, dass der Gemeinderat davon ausgehe, dass in ihrem Kellergeschoß kein Wasseranschluss existiere. Wenn im Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23. September 1998 festgehalten sei, dass "nach Auskunft der Liegenschaftsbesitzerin im Keller der Wasseranschluss stillgelegt" worden sei, sei dem entgegenzuhalten, dass diese Formulierung nicht ihren damals gemachten Angaben entspreche, weshalb sie das Protokoll auch nicht unterfertigt habe. Aus dieser Formulierung könne in keiner Weise geschlossen werden, dass sich kein Wasseranschluss in ihrem Keller befinde. Auch die im bekämpften Bescheid enthaltenen Angaben zur Länge der "Anschlussleitung" seien nicht haltbar. Der von DI M in dessen Planbeilage dargestellte Nebensammler entspreche in keiner Weise den genehmigten Bauplänen. Insbesondere entsprächen auch die Schächte nicht dem von den Gemeindebehörden konsentierten Bauprojekt. Gemäß herrschender Rechtslage seien lediglich Abweichungen bis 1,5 cm zulässig. Der vorgelegte Plan könne daher dem Verfahren nicht zugrundegelegt werden, wobei die Gemeindebehörden jegliche Feststellung unterlassen hätten, in welcher Höhe die Kanaleinmündungsschächte liegen. Die Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen hinsichtlich DI M nicht auseinander gesetzt. Der Gemeinderat hätte sich zweckmäßigerweise eines Amtsachverständigen zu bedienen gehabt, der die anstehenden technischen Fragen in nachvollziehbarer und schlüssiger Gutachtensform zu klären gehabt hätte.

Aus einem Aktenvermerk vom 21. Juli 1999 ergibt sich, dass DI M in einem Telefonat mit der Vorstellungsbehörde ausführte, dass beim Nivellieren der untere Rand der sichtbaren Kellertür im Gelände der Beschwerdeführerin anvisiert worden sei, sodass sich daraus die Fußbodenoberkante ergebe. Wenn die Kellergeschoßfußbodenoberkante auf 298,38 m und die Rohrsohle auf 296,29 m liege, ergebe sich auf einer Länge von 17 m und einer Differenz von 2,09 Höhenmetern ein Gefälle von 12,29 %.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Der Berufungsbehörde sei zuzustimmen, dass gerade der Projektant für eine gutachtliche Stellungnahme besonders geeignet sei. Die bloße Behauptung, DI M habe ein Interesse an der Realisierung seines Projektes, vermag dessen Unbefangenheit nicht in Zweifel zu ziehen. Die Beschwerdeführerin sei auf den Lageplan zu verweisen, in dem die Fußbodenoberkante des Kellers mit 298,38 m (auf Grund der Nivellierung anhand einer sichtbaren Kellertür), die Rohrsohle des Nebensammlers mit 296,29 m eingezeichnet sei. Daraus ergebe sich auf einer Länge von 17 m und einer Differenz von 2,09 Höhenmetern ein Gefälle von rund 12,29 %, also das Sechsfache des in der Ö-Norm B 2501 vorgesehenen Mindestgefälles von 2 % bis zu einer lichten Weite von 115 mm. Daraus folge, dass das in der ÖNorm vorgesehene Mindestgefälle von 2 % sogar auch dann erreicht wäre, wenn - etwa wegen einer im Gebäudeinneren von der Kellertür noch weiter in die Tiefe führenden Stiege - der Anschluss noch 1,75 m tiefer als die Kellergeschoß-Fußbodenoberkante läge, sodass die Anschlusstiefe daher sogar nur auf einer Höhe von 296,63 m liegen müsse. Es sei das Kellergeschoß auch im freien Gefälle ohne Pumpvorgang anschließbar, sodass Spekulationen darüber, was die Vorstellungswerberin in der Verhandlung hinsichtlich der Existenz eines Wasseranschlusses im Keller gesagt haben könnte, obsolet seien. Die Behauptung, die Planunterlagen und Schächte entsprächen nicht dem von den Gemeindebehörden konsentierten Bauprojekt, vermögen nicht die Unzulässigkeit des baupolizeilichen Anschlussauftrages darzutun. Auch der Vorwurf, dass die Berufungsbehörde DI M dahingehend korrigiere, dass der Hauskanal von der Gebäudeaußenkante nur bis zur Liegenschaftsgrenze und nicht, wie von ihm angenommen, bis zur Anschlussstelle der öffentlichen Kanalanlage reiche, sei nicht geeignet, dessen nachvollziehbare Tatsachenfeststellungen über das Vorliegen der Anschlusspflicht zu erschüttern. Dies habe nur zur Folge, dass die auf öffentlichem Gut befindliche Anschlussleitung die Länge der Hausleitung um einige Meter verkürze.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 10. Oktober 2001, B 1499/99, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Aufhebung der ihr gegenüber verfügten Verpflichtung, ihr Grundstück an den neugelegten Schmutzwasserkanal anzuschließen und um eine Baubewilligung für die Errichtung eines Hauskanals zum Anschluss an den Schmutzwasserkanal anzusuchen, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 77 Abs 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Niederösterreichischen Bauordnung 1996 sind die am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes (siehe § 78 Abs 1 dieses Gesetzes) anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Anschluss des ihr gehörenden Grundstückes an den öffentlichen Kanal. Dieses Verfahren wurde vor Inkrafttreten der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 eingeleitet, weshalb die ausgesprochene Verpflichtung anhand der Rechtslage der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 zu prüfen war.

Die Absätze 1 und 2 des § 56 Niederösterreichische Bauordnung 1976, LGBl 8200-0 idF der Nov LGBl 8200-6 (NÖ BO) lauten:

Abwässerbeseitigung

(1) Für jedes Gebäude ist Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer (Niederschlags- und Schmutzwässer) zu treffen.

(2) In Gemeinden mit öffentlichen Kanälen zur Beseitigung der Abwässer sind die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn jeweils

1. die Anschlussleitung (§ 17 Abs. 2 des NÖ Kanalgesetzes 1977, LGBl. 8230-2) nicht länger als 50 m und

2. die Ableitung in den öffentlichen Kanal ohne Pumpvorgang möglich ist. Fehlen solche öffentlichen Kanäle, sind die Abwässer in Senkgruben zu leiten oder gemäß anderen gesetzlichen Vorschriften in unschädlicher Weise zu beseitigen. Die Jauche aus Stallgebäuden ist durch flüssigkeitsdichte Rohre in Jauchegruben zu leiten.

Die Absätze 1 bis 3 des § 17 NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230- 0 idF LGBl. 8230-2 (KanalG), lauten:

"Hauskanäle, Anschlussleitungen

(1) Die Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber, die zum Anschluss an die öffentliche Kanalanlage verpflichtet sind, haben Gebäude gemäß § 3 Abs. 2 erster Satz mit der öffentlichen Kanalanlage in Verbindung zu bringen. Der Hauskanal mitsamt dem Anschluss an die Anschlussleitung (Absatz 2) ist auf Kosten des Liegenschaftseigentümers (Bauwerbers) nach den näheren Bestimmungen der NÖ Bauordnung und den Anordnungen in der baubehördlichen Bewilligung und innerhalb der in demselben vorgeschriebenen Frist herzustellen. Die Liegenschaftseigentümer der im Zeitpunkt des Eintrittes der Anschlussverpflichtung bereits bestehenden Gebäude sind verpflichtet, die Aborte und sonstigen Abwasseranlagen einschließlich der Regenwasserableitungen auf ihre Kosten nötigenfalls derart umzubauen, dass ein Anschluss an die Hausentwässerungsanlage (Hauskanal) möglich ist. Bei Neubauten ist im Vorhinein auf die Anschlussmöglichkeit Bedacht zu nehmen.

(2) Der Hauskanal umfasst die Hausleitung bis zur Grenze der anschlusspflichtigen Liegenschaft, im Falle des § 18 Abs. 1 jedoch bis zur Einmündung in den öffentlichen Grund. Die Anschlussleitung umfasst das Verbindungsstück zwischen dem Hauskanal und dem Straßenrohrstrang.

(3) Bei Neulegung eines Hauptkanals der Gemeinde hat der Bürgermeister (Magistrat) den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlusspflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluss aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen 4 Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluss der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muss spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein. Diese Fristen können in Einzelfällen vom Bürgermeister (Magistrat) auf begründetes schriftliches Ansuchen verlängert werden."

Voraussetzung für die Feststellung einer Anschlussverpflichtung ist somit u.a., dass die Anschlussleitung nicht länger als 50 m und kein Pumpvorgang erforderlich ist.

Die Beschwerdeführerin macht in ihrem die Verfassungsgerichtshofbeschwerde ergänzenden Schriftsatz geltend, die getroffenen Feststellungen könnten keinesfalls auf das "Gutachten" samt Lageplan des DI M gestützt werden, da dieses mangelhaft sei. Dem vorgelegten Lageplan sei in keiner Weise zu entnehmen, woraus die Höhenangabe zur Fußbodenoberkante des Kellers (268,38 m) abgeleitet werde. DI M habe keine Baupläne beigeschafft. Auf Grund der Tiefe des Kellers sei eine Ableitung ohne Pumpvorgang (vom Wasseranschluss im Keller weg) ausgeschlossen. DI M habe den Keller nicht betreten und den Wasseranschluss, die vorhandene Wasserableitung sowie die dazugehörigen Vorrichtungen nicht besichtigt und auch nicht vermessen. Dem Überprüfungsbericht sei keinerlei Differenzierung in Befund und Gutachten zu entnehmen, ein konkretes Gefälle werde nicht angegeben.

Der Beschwerdeführerin ist zunächst entgegenzuhalten, dass allein das Fehlen einer förmlichen Gliederung in Befund und Gutachten im engeren Sinn nicht bedeutet, dass eine derartige Äußerung eines Sachverständigen schon allein deshalb nicht als taugliches Beweismittel in Betracht kommt und daher einer Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden darf (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 52 AVG, E 159). § 52 AVG normiert für die Abgabe eines Gutachtens keine besondere Formvorschrift (Walter/Thienel, aaO, § 52 AVG, E 205). In der Gliederung der Überprüfung in die Punkte "Folgende Sachlage wurde vorgefunden" und "Ergebnis der Überprüfung" kann auch durchaus eine solche Gliederung erblickt werden.

Was die fehlende Notwendigkeit eines Pumpvorganges betrifft, ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf die Frage des Wasseranschlusses im Keller nicht mehr ein, sondern berücksichtigte die vom Sachverständigen festgestellte Fußbodenoberkante des Kellergeschosses. Unter Bedachtnahme auf das in der Ö-Norm vorgesehene Mindestgefälle von 2 %, könne der Anschluss noch 1,75 Meter tiefer als die Oberkante des Kellergeschossbodens liegen.

Die Beschwerdeführerin ist den Maßangaben des Sachverständigen nicht nur nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sie hat jegliche Angaben über allfällige örtliche Verhältnisse (die belangte Behörde hat beispielsweise eine tiefer führende Stiege nach der Kellertüre als Möglichkeit angenommen) unterlassen; wenn die Beschwerdeführerin dem vorgehaltenen Gutachten lediglich die Behauptung entgegensetzte, dass auf Grund der Tiefe des Kellers eine Ableitung ohne Pumpvorgang ausgeschlossen sei, so bestand für die Behörden beim gegebenen Spielraum von 1,75 m keine Veranlassung zu einer weiteren Beweisaufnahme.

Auch bezüglich der Länge der Anschlussleitung hat es die Beschwerdeführerin mangels jeglichen Vorbringens über die tatsächlichen Verhältnisse unterlassen, die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels darzutun (§ 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG).

Die Beschwerdeführerin brachte vor, DI M sei Projektant der Kanalisation Zeillern und habe ein massives persönliches und wirtschaftliches Interesse an der Ausführung des Kanalbaus und der Verfügung des Anschlusszwanges. Er könne daher nicht als objektiver, unabhängiger und unbefangener Sachverständiger gewertet werden.

Aus diesem Vorbringen ist nicht erkennbar, inwieweit ein persönliches, wirtschaftliches Interesse des Projektanten an der Anschlussverpflichtung der Beschwerdeführerin vorliegt.

Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, eine Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der ihr auferlegten Verpflichtung sei unterlassen worden. Aus § 56 Abs 1 NÖ BO könne gefolgert werden, dass die nachfolgenden Bestimmungen ausschließlich für Sachverhalte zur Anwendung kommen, in welchen noch keine Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer getroffen worden sei. Der Beschwerdeführerin stehe aber eine Senkgrube zur Verfügung.

Zu diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist auf die oben wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis zu verweisen. Auch kommt es für das Vorliegen der Anschlussverpflichtung nicht darauf an, ob eine andere Möglichkeit der Abwasserbeseitigung besteht.

Die Beschwerdeführerin bringt abschließend vor, unterirdische Wasserver-und Wasserentsorgungsanlagen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wird oder erteilt gilt, seien gemäß § 1 Abs 3 Z 3 NÖ BauO 1996 von ihrem Geltungsbereich ausgenommen. Für den Fall, dass eine wasserrechtliche Bewilligung nicht erforderlich sei, komme nach den Bestimmungen der nunmehr geltenden Bauordnung aber bezüglich des Hauskanals nur eine Bauanzeige in Betracht.

Wie eingangs dargelegt, findet auf das vorliegende Verfahren die NÖ BauO 1976 Anwendung. Es bedarf daher weder einer Auseinandersetzung mit dem durch die NÖ BauO 1996 neu geschaffenen Abs. 3 des § 1 noch mit der im § 15 neu geschaffenen Anzeigepflicht.

Die Beschwerde erwies sich somit insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs 2.

Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die hier in Rede stehende Verpflichtung "civil rights" im Sinne der EMRK betrifft, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des damaligen Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2003/08/0049). Dieser Umstand liegt im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden. Wien, am 7. September 2004

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001051159.X00

Im RIS seit

12.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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