TE Vfgh Erkenntnis 2000/12/14 B730/00

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Veröffentlicht am 14.12.2000
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlassfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §70a bzw der Aufhebung des §75 Abs9 der Wr BauO 1930 idF LGBl 40/1997 mit E v 12.12.00, G97/00.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Stadt Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 29.500,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Magistrat der Stadt Wien erteilte mit Bescheid vom 23. September 1999 gemäß §70 iVm §75 Abs9 der Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes auf der Liegenschaft Wien 19, Kosachatgasse 40, die Bewilligung für die Errichtung eines einstöckigen Wohnhauses mit zwei ausgebauten Dachgeschossen, 6 Wohnungen und 6 Pflichtstellplätzen. Die Einwendungen der Anrainer wurden teilweise als unzulässig zurückgewiesen teilweise als unbegründet abgewiesen.

Der nun beschwerdeführende Anrainer erhob gegen den Bescheid ua. mit der Begründung einer unzulässigen Gebäudehöhe Berufung. Die belangte Behörde wies mit bekämpftem Bescheid vom 22. Februar 2000 die Berufung ua. mit der Begründung ab, dass unter Anwendung der Ausnahmebestimmung des §75 Abs9 der Bauordnung für Wien im vorliegenden Fall die zulässige Gebäudehöhe nicht überschritten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde eines Anrainers, in der die Verletzung nicht näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§75 Abs9 der Bauordnung für Wien) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Bauoberbehörde für Wien als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurück- oder abzuweisen.

5. Mit amtswegigem Beschluss vom 28. Juni 2000, B2284/98, leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §70a und des §75 Abs9 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, idF LGBl. Nr. 40/1997, ein. Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, G97/00, hat der Verfassungsgerichtshof §75 Abs9 der Bauordnung für Wien als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass §70a der Bauordnung für Wien verfassungswidrig war.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G97/00 begann am 2. Dezember 2000. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 13. April 2000 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G97/00 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung des §75 Abs9 der Bauordnung für Wien an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-

und eine Eingabegebühr in der Höhe von S 2.500,- enthalten. Der mitbeteiligten Partei war der Ersatz der Kosten für die Erstattung ihrer Äußerung nicht zuzusprechen, da sie zur Rechtsfindung keinen Beitrag leisten konnte (vgl. VfSlg. 10.228/1984).

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B730.2000

Dokumentnummer

JFT_09998786_00B00730_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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