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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des FH in K, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 22. August 2003, Zl. 1-0335/03/E4, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. August 2003 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Fahrzeuges (zulässiges Gesamtgewicht über 3,5 t) am 6. Jänner 2003 um 15.00 Uhr in R einem Organ der Straßenaufsicht das Schaublatt des letzten Tages der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren sei, nicht vorgelegt.
Er habe eine Übertretung gemäß § 134 Abs. 1 KFG iVm Art. 15 Abs. 7 EG-VO 3821/85 begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 50,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 25 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt unter Bezugnahme auf einen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich, ginge man von der Verwirklichung des Tatbestandes aus, könne diese Übertretung dennoch nicht unter Strafe gestellt werden, weil § 134 Abs. 1 KFG nur Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung (in der Folge VO) (EWG) Nr. 3821/85 "in der Fassung" der VO (EG) Nr. 3572/90 als Verwaltungsübertretung ausweise, nicht aber die mittlerweile ergangene Novelle der VO (EG) Nr. 2135/98 umfasse.
Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass § 134 Abs. 1 erster Satz KFG nicht die Wortfolge "in der Fassung" enthält, sondern wie folgt lautet (Hervorhebung durch Unterstreichen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 1, sowie der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S 8, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 3572/90, ABl. Nr. L 353 vom 17. Dezember 1990, S 12, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen."
Es handelt sich sohin um eine "dynamische Verweisung" auf die jeweils gültige Fassung der VO (EWG) Nr. 3821/85. Dies ist im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes, der im Übrigen zB. in Art. 4 der VO (EG) Nr. 2135/98 auch zum Ausdruck
kommt ("Diese Verordnung ist in allen ... Teilen" (der
Europäischen Gemeinschaften) "verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat") auch verfassungsrechtlich nicht bedenklich.
Des Weiteren rügt der Beschwerdeführer ua. unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997, Zl. 97/03/0018, es sei ihm innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht zur Last gelegt worden, dass der von ihm gelenkte LKW zur Güterbeförderung diene und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteige. Erst die belangte Behörde habe das "Tatbestandsmerkmal zulässiges Gesamtgewicht über 3,5 t in den Spruch aufgenommen".
Nach Art. 3 der VO (EWG) Nr. 3821/85 muss das Kontrollgerät bei Fahrzeugen eingebaut und benutzt werden, die der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und in einem Mitgliedstaat zugelassen sind; ausgenommen sind die in Art. 4 und Art. 14 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3820/85 genannten Fahrzeuge.
Nach Art. 4 der VO (EWG) Nr. 3820/85 gilt diese ua. nicht für "Beförderungen mit
1. Fahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5 t nicht übersteigt".
Die Ziffern 2 bis 13 sowie Art. 14 Abs. 1 leg. cit. enthalten weitere Ausnahmen.
Damit handelt es sich - anders als bei dem dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1997 zu Grunde liegenden § 102 Abs. 10a KFG - bei den vom Beschwerdeführer vermissten Wortfolgen um Ausnahmetatbestände bzw. "negative Tatbestandsmerkmale". Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits erkannt, dass es nicht notwendig ist, dass eine Verfolgungshandlung auch das Nichtvorliegen von Ausnahmetatbeständen umfassen muss (vgl. zB. das Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/03/0292) bzw. dass "negative Tatbestandsmerkmale" in den Spruch aufgenommen werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2004, Zl. 2001/02/0042). Es liegt demnach weder Verfolgungsverjährung vor noch war die Aufnahme der - an sich überflüssigen - Wortfolge "zulässiges Gesamtgewicht über 3,5 t" in den Spruch des angefochtenen Bescheides (laut Gegenschrift der belangten Behörde lediglich "aus Gründen der Klarstellung") unzulässig.
Auch das weitere Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg:
Die VO (EWG) Nr. 3821/85 wurde - wie aufgezeigt - in den hier interessierenden Stellen durch die VO (EG) Nr. 2135/98 vom 24. September 1998 geändert:
Art. 15 Abs. 7 lautet:
"Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I ausgerüstet ist, muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:
-
die Schaublätter für die laufende Woche sowie in jedem Fall das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist,
-
die Fahrerkarte, falls er Inhaber einer solchen Karte ist, und
-
die Ausdrucke aus dem Kontrollgerät gemäß Anhang I B mit den in Absatz 3 zweiter Gedankenstrich Buchstaben a), b), c) und d) genannten Zeiten, falls der Fahrer in dem im ersten Gedankenstrich genannten Zeitraum ein Fahrzeug gelenkt hat, das mit einem solchen Gerät ausgerüstet ist.
Lenkt der Fahrer ein Fahrzeug, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I B ausgerüstet ist, muss er den Kontrollbeamten auf Verlangen jederzeit Folgendes vorlegen können:
-
die Fahrerkarte, deren Inhaber er ist, und
-
die Schaublätter für den Zeitraum gemäß Unterabsatz 1 erster Gedankenstrich, falls er in dieser Zeit ein Fahrzeug gelenkt hat, das mit einem Kontrollgerät gemäß Anhang I ausgerüstet ist.
Ein ermächtigter Kontrollbeamter kann die Einhaltung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 überprüfen, indem er die Schaublätter, die im Kontrollgerät oder auf der Fahrerkarte gespeicherten Daten (mittels Anzeige oder Ausdruck) oder anderenfalls jedes andere beweiskräftige Dokument, das die Nichteinhaltung einer Bestimmung (beispielsweise der Bestimmungen des Artikels 16 Absätze 2 und 3) rechtfertigt, analysiert."
Da gemäß Art. 15 Abs. 7 der VO 3821/85 in der obzitierten Fassung der Lenker "das Schaublatt für den letzten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er gefahren ist," vorzulegen hat, ist der Beschwerdeführer durch die auf dem genannten Text basierende Tatanlastung einerseits vor einer Doppelbestrafung für diesen Zeitraum geschützt und andererseits in die Lage versetzt, auf diese ganze Woche bezogen Beweise anzubieten, dass er nicht gelenkt habe. Es ist deshalb nicht erforderlich, den konkreten Tag der vorangegangenen Woche, an dem er zuletzt gelenkt hat, in eine Verfolgungshandlung oder in den Spruch des Strafbescheides aufzunehmen.
Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer gehen sachverhaltsmäßig übereinstimmend davon aus, dass der Beschwerdeführer vor dem Tag der Kontrolle (Montag, 6. Jänner 2003) am 3., 4. und 5. Jänner 2003 kein Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t gelenkt hat.
In der Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er habe sich am 3. Jänner 2003 auf Urlaub befunden, am Samstag, dem 4. Jänner 2003 kein Fahrzeug gelenkt und erst am Montag, dem "6. Jänner im Jahr 2003 erstmalig" gearbeitet. Es sei überdies Betriebsurlaub gewesen. Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2003 legte der Beschwerdeführer eine "Bescheinigung" seines Arbeitgebers vor, in der bestätigt wird, der Beschwerdeführer könne die Schaublätter vom "01.01.03, 00.00 Uhr bis 05.01.03, 00.00 Uhr" wegen "Urlaubs" nicht vorlegen.
Die belangte Behörde ging ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der Beweiswürdigung folgend den Angaben des in einer "Abklärung" einvernommenen Meldungslegers als Zeugen in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, der Beschwerdeführer hätte das Schaublatt für den 2. Jänner 2003 vorlegen müssen, weil er an diesem Tag letztmalig gefahren sei.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-158/90, Sammlung der Rechtsprechung 1991, Seite I-06035, zur Regelung des Art. 15 Abs. 7 der Verordnung Nr. 3821/85 wie folgt ausgeführt (Randnummer 13):
"Aus dem Zusammenhang der fraglichen Bestimmung und dem Zweck der Regelung, zu der sie gehört, ergibt sich somit als Voraussetzung einer wirksamen Kontrolle, dass der Fahrer ein Schaublatt für den letzten Lenktag der letzten Woche vor der Kontrolle, an dem er gefahren ist, vorlegt, um insbesondere eine Kontrolle der Einhaltung der vorgeschriebenen wöchentlichen Ruhezeiten zu ermöglichen. Ist der Fahrer während einer Woche vor der Woche, in der die Kontrolle stattfand, oder am letzten Kalender- oder am letzten Werktag der letzten Woche, in der er gefahren ist, nicht gefahren, so ist es nach dem Zweck der Regelung nicht erforderlich, dass er ein Schaublatt für diese Zeiträume vorlegt."
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung könnte daher die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei zur Vorlage eines entsprechenden Schaublattes für den letzten Tag der der Kontrolle vorangegangenen Woche verpflichtet, dann unrichtig sein, wenn er während einer (gesamten) Woche vor der Woche, in der die Kontrolle stattfand, nicht gefahren sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2004, Zl. 2003/02/0269).
Der Beschwerdeführer hat aber nie behauptet, dass er am 30. Dezember 2002 oder am 31. Dezember 2002 (Montag bzw. Dienstag der Vorwoche) nicht gelenkt habe. Damit gehen die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers betreffend den 2. Jänner 2003 ins Leere. Selbst dann, wenn man zur Gänze seinen Angaben folgend davon ausginge, er habe von 1. Jänner 2003 bis zum 5. Jänner 2003 nicht gelenkt, wäre er verpflichtet gewesen, das Schaublatt des letzten Tages der vorangegangenen Woche, an dem er gelenkt hat, also für den 31. Dezember 2002, vorzulegen, sodass die Bestrafung im Ergebnis zu Recht erfolgte.
Der Beschwerdeführer rügt auch die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
§ 51e Abs. 1 bis 5 VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2002 lautet (auszugsweise):
"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
..."
Es wurde lediglich eine Geldstrafe von EUR 50,-- verhängt. Der durch einen Anwalt vertretene Beschwerdeführer - dadurch unterscheidet sich der vorliegende Beschwerdefall von dem, der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 2003, B 1312/02, zu Grunde lag - hat in der Berufung nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Er hat betreffend den 30. und den 31. Dezember 2002 (beide Tage liegen - wie oben ausgeführt - innerhalb des nach Art. 15 Abs. 7 VO Nr. 3821/85 relevanten Tatzeitraumes) gar nicht behauptet, nicht gelenkt zu haben, er hat den Sachverhalt also nur in einem die Bestrafung nicht verhindernden Umfang bestritten. Die belangte Behörde durfte daher zu Recht, gestützt auf § 51e Abs. 3 Z. 3 VStG, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 10. September 2004
Gerichtsentscheidung
EuGH 61990J0158 Nijs und Transport Vanschoonbeek-Matterne VORABSchlagworte
Besondere Rechtsgebiete"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2004020130.X00Im RIS seit
12.10.2004Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011