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L94309 Hubschrauberdienst Krankenbeförderung Rettung Wien;Norm
RettungsG Wr 1965 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des RR in Wien, vertreten durch Mag. Michael Braun, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 9. September 1999, Zl. MD-VfR - R 12/99, betreffend Gebühr gemäß §§ 5 und 6 Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, für die am 21. Dezember 1997 erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes gemäß §§ 5 und 6 des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/1965 in der geltenden Fassung, und der hiezu ergangenen Gebührenordnung, kundgemacht im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 52/1996, im Zusammenhang mit § 157 Wiener Abgabenordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, eine Gebühr von S 4.040,-- (entsprechend EUR 293,60) zu entrichten.
Begründend gab die belangte Behörde zunächst den Inhalt der §§ 5 und 6 des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes (im Folgenden: Wr RKrBefG) in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 47/1983 wieder. Nach der "für den vorliegenden Fall geltenden Transportgebührenordnung 1985 in der Fassung vom 30. Dezember 1996, Pr. Z. 209/96-GFW, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 52/1996", betrage die Gebühr für jede Inanspruchnahme des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes innerhalb des Gebietes der Stadt Wien S 4.040,--.
Für den Beschwerdeführer sei am 21. Dezember 1997 der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen worden. Er sei von Wien 1, Fleischmarkt 19 (Hauptpost), in die Krankenanstalt R befördert worden. Auf Grund dieses Einsatzes sei der gegenständliche Gebührenbescheid erlassen worden. Nach Wiedergabe des Inhalts der Berufung führte die belangte Behörde aus, der Umstand, dass der Beschwerdeführer am 21. Dezember 1997 im Bereich der Faxstelle der Hauptpost in Wien 1, Fleischmarkt 19, mit geschlossenen Augen auf dem Boden gelegen sei, stelle jedenfalls ein Erscheinungsbild dar, bei dem mit gutem Grund das Vorliegen eines Einsatzgrundes angenommen habe werden können. Entscheidend sei dabei nicht das tatsächliche Vorliegen einer Gesundheitsstörung, sondern die Frage, ob eine solche mit gutem Grunde angenommen werden konnte. Wie der Beschwerdeführer selbst ausführe, seien die Mitarbeiter der Magistratsabteilung 70 zumindest von einem psychischen Verwirrungszustand ausgegangen, wobei sich laut Einsatzprotokoll auch die Frage nach einem epileptischen Anfall gestellt habe.
Die Tatsache, dass eine Person in einem Postamt ohne Bewusstsein auf dem Boden liege, stelle einen Fall dar, der zur Besorgnis hinsichtlich des Gesundheitszustandes Anlass gebe. Im Gegensatz dazu könne bei den vom Beschwerdeführer angesprochenen Unterstandslosen oder Touristen in der Regel auf Grund der Umstände (Schlafsack, ausgestrecktes Liegen auf einer Parkbank in Schlafposition etc.) auf den Willen zum Schlafen geschlossen werden, während beim Beschwerdeführer offenbar zunächst die Absicht bestanden habe, eine Faxnachricht aufzugeben, die aber durch ein unvorhergesehenes Ereignis vereitelt worden sei.
Der öffentliche Rettungsdienst sei somit für den Beschwerdeführer in gesetzmäßiger Weise in Anspruch genommen worden. Ein Dritter habe nach § 6 Abs. 2 zweiter Satz Wr RKrBefG nur dann für die Gebühr einzustehen, wenn ihn ein Verschulden treffe, für das er zufolge gesetzlicher Vorschrift einzustehen habe. Davon könne in keiner Weise die Rede sein.
Die Gebühr sei dem Beschwerdeführer somit zu Recht vorgeschrieben worden und der erstinstanzliche Bescheid daher zu bestätigen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht, gemäß § 1 iVm §§ 5 und 6 Wr RKrBefG keine Gebühr vorgeschrieben zu erhalten, geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes betreffend das Rettungs- und Krankenbeförderungswesen in Wien (Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetz), LGBl. Nr. 22/1965 in der Fassung der Landesgesetze LGBl. Nr. 24/1967, 3/1971, 36/1975 und 47/1983, lauten:
"§ 1
Öffentlicher Rettungs- und Krankenbeförderungsdienst
(1) Der Stadt Wien obliegt es, Einrichtungen zur Ersten Hilfe (öffentlicher Rettungsdienst) für Personen aufrecht zu halten, die in Wien
a) außerhalb ihrer Unterkunft eine erhebliche Verletzung oder eine andere erhebliche Gesundheitsstörung erlitten haben;
b) einen lebensbedrohenden Unfall in ihrer Unterkunft erlitten haben;
c) in ihrer Unterkunft wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortiger ärztlicher Hilfe bedürfen, die anders nicht gewährleistet ist.
Die Erste Hilfe umfaßt, sofern es unbedingt notwendig ist, auch die Beförderung in eine Krankenanstalt oder in die Unterkunft.
(2) ...
§ 5
Gebühr für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes
(1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes oder des öffentlichen Krankenbeförderungsdienstes, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Beförderung), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzwagens kommt.
(2) Der Gemeinderat wird ermächtigt, sofern eine solche Ermächtigung nicht ohnedies bundesgesetzlich eingeräumt ist, die Gebühren in einer Gebührenordnung festzusetzen.
(3) In der Gebührenordnung sind für jede einzelne Art oder eine Mehrheit ähnlicher Arten einer Inanspruchnahme Gebühren vorzusehen. Diese Gebühren sind nach den mit der Inanspruchnahme üblicherweise verbundenen Kosten, insbesondere nach der Anzahl der gefahrenen Kilometer sowie nach der Anzahl und der Art des eingesetzten Personals, abzustufen. Insoweit es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung des Ausmaßes der Gebühren zweckmäßig ist, sind diese für bestimmte Arten der Inanspruchnahme oder Teile davon in Pauschbeträgen festzusetzen.
(4) Die Höhe der Gebühren ist unter Zugrundelegung der sich in einem Kalenderjahr voraussichtlich ergebenden Zahl von Einsätzen und des auf ein Kalenderjahr entfallenden Gesamtaufwandes derart festzusetzen, daß die Summe der zur Einhebung gelangenden Gebühren den Aufwand für die Erhaltung und den Betrieb des öffentlichen Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes sowie für die Verzinsung und Tilgung der Anlagekosten nicht übersteigt.
(5) Für Einsätze außerhalb Wiens können unter Berücksichtigung des sich daraus ergebenden Mehraufwandes Zuschläge pro gefahrenen Kilometer festgesetzt werden.
(6) Die Gebührenordnung wird im Publikationsorgan der Stadt Wien kundgemacht und tritt, sofern § 10 Abs. 2 dieses Gesetzes nicht anderes bestimmt, mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.
§ 6
Zahlungspflicht
(1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst oder der öffentliche Krankenbeförderungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder Beförderung wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne daß die im § 1 Abs. 1 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
(2) Bei Zahlungsunfähigkeit des Gebührenschuldners ..."
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. September 1994, Zl. 91/17/0174, aus dem sprachlichen Zusammenhang und den Erläuterungen zur Änderung des Wiener Rettungs- und Krankenbeförderungsgesetzes abgeleitet, das Tatbestandsmerkmal, dass mit gutem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 des Gesetzes angenommen werden konnte, sei nicht auf jene Person zu beziehen, die den öffentlichen Rettungsdienst angerufen habe, sondern auf jene, die auf Seiten des öffentlichen Rettungsdienstes die Anrufung desselben entgegengenommen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters zu § 6 Abs. 1 Wr RKrBefG festgestellt, dass die Gebührenpflicht für die Person, für die der Rettungsdienst gerufen wurde, auch dann entstehe, wenn die Voraussetzungen für den Einsatz zwar ursprünglich, also im Zeitpunkt der Herbeirufung nicht vorgelegen seien, jedoch auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde habe angenommen werden können, dass sie vorgelegen seien (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 90/17/0421). Im Zusammenhalt mit dem Erkenntnis vom 23. September 1994 ergibt sich somit, dass es nicht allein darauf ankommt, ob der Einsatz ursprünglich medizinisch erforderlich war, sondern ob das Vorliegen der Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes des Beschwerdeführers mit gutem Grund angenommen werden konnte, wobei diese Annahme bei jenem Mitarbeiter des Rettungsdienstes bestanden haben musste, der die Anforderung entgegen nahm.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass für den Beschwerdeführer am 21. Dezember 1997 der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen worden sei. Der Beschwerdeführer sei von Wien 1, Fleischmarkt 19, Hauptpost, in die Krankenanstalt R befördert worden. Auf Grund dieses Einsatzes sei der mit Berufung bekämpfte Gebührenbescheid erlassen worden. In der weiteren Folge ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nur, dass die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Wr RKrBefG bei diesem Einsatz vorgelegen seien. Auf Grund welcher Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde zu diesem Ergebnis gekommen ist, ist dem angefochtenen Bescheid nicht eindeutig zu entnehmen. Einerseits scheint sich die belangte Behörde darauf zu stützen, dass jene Person(en), die den Einsatz des Rettungsdienstes veranlasste(n), im Sinne des § 6 Abs. 1 Wr RKrBefG das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 mit gutem Grunde annehmen konnten, andererseits beruft sie sich auf den Eindruck, den die Mitarbeiter des Rettungsdienstes vor Ort vom Beschwerdeführer hatten.
Der angefochtene Bescheid ist insofern unklar, als er offen lässt, ob bei der Anforderung des Rettungsdienstes davon ausgegangen wurde, der Beschwerdeführer habe auf dem Postamt geschlafen oder er sei ohne Bewusstsein gewesen. Es wird aber - worauf es nach der vordargestellten Rechtsprechung entscheidend ankommt - insbesondere nicht dargestellt, woraus für jene Person, die die Herbeirufung entgegen nahm, zu schließen war, dass die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes gegeben gewesen seien.
Nach den Angaben des Beschwerdeführers hatte sich dieser in der Faxstelle der Hauptpost wegen der vor ihm die Faxstelle frequentierenden Kunden auf den Boden gesetzt und war eingeschlafen. Beim Eintreffen des Rettungsdienstes habe er sich gegen eine Verbringung in eine Krankenanstalt ausgesprochen. Erst dem Arzt in der Krankenanstalt habe er den Sachverhalt erläutern können und sei daher aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, dass Mitarbeiter der Magistratsabteilung 70 "zumindest von einem psychischen Verwirrungszustand ausgegangen" seien, so sind diese Feststellungen nach dem oben genannten hg. Erkenntnis nicht relevant, weil es nur darauf ankommt, welchen Eindruck die den Anruf entgegen nehmende Person haben musste. Es ist auch unerheblich, ob die Mitarbeiter des Rettungsdienstes auf Grund der Umstände, die sich beim Eintreffen ergaben, eine Einlieferung in ein Krankenhaus als geboten erachteten oder nicht.
Zu dem Eindruck, den jener Mitarbeiter des Rettungsdienstes haben musste, der die Anforderung des Rettungsdienstes entgegen nahm, enthält der angefochtene Bescheid jedoch keine Feststellungen. Die von der Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen decken somit ihre rechtliche Beurteilung nicht. Der Sachverhalt blieb vielmehr insofern ergänzungsbedürftig.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 13. September 2004
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000170012.X00Im RIS seit
02.11.2004Zuletzt aktualisiert am
29.06.2009