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L34004 Abgabenordnung Oberösterreich;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks in Wien, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. März 1997, Zl. Gem-521130/2-1997-AP, betreffend Feststellung der Anzeigenabgabepflicht (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister, 4010 Linz, Hauptplatz 1, Rathaus), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem Bescheid des Magistrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. September 1995 wurde "auf Grund der eingebrachten Anträge (der beschwerdeführenden Partei) vom 14.3., 21.3., 21.4, 23.5., 21.6., 20.7. und 22.8.1995" festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei der Stadt Linz gegenüber im Sinne der Linzer Anzeigenabgabeordnung anzeigenabgabepflichtig sei.
Offenbar unter Bezugnahme auf nicht in den hier vorgelegten Verwaltungsakten befindliche Anträge auf Rückzahlung von Anzeigenabgabe (vgl. jedoch die im hg. Verfahren Zl. 2000/17/0182 vorgelegten Akten) entschied die Abgabenbehörde erster Instanz spruchgemäß. Begründend führte sie aus, dass die mitbeteiligte Partei eine rechtswirksame Anzeigenabgabeordnung zu vollziehen habe. Eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit sei nicht gegeben.
1.2. In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die beschwerdeführende Partei aus, die belangte Behörde habe mit dem angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid insgesamt 7 Rückerstattungsanträge (gesammelt) dergestalt erledigt, dass die erwähnte spruchgemäße Feststellung über das Bestehen einer Anzeigenabgabepflicht getroffen worden sei; die Rückerstattungsanträge seien deshalb eingebracht worden, damit die Verfassungswidrigkeit bzw. Gesetzwidrigkeit der zu Grunde liegenden Norm angesichts des Vorliegens einer Selbstbemessungsabgabe rechtswirksam geltend gemacht werden könne. Auf den von der beschwerdeführenden Partei (gleichfalls) ins Treffen geführten Art. 33 der 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (77/388/EWG) gehe die erstinstanzliche Entscheidung "mit keinen Worten ein".
1.3. Der Stadtsenat der mitbeteiligten Partei gab mit seinem Bescheid vom 5. September 1996 der erwähnten Berufung keine Folge und sprach (neuerlich) aus, dass die beschwerdeführende Partei der Stadt Linz gegenüber im Sinne der Linzer Anzeigenabgabeordnung anzeigenabgabepflichtig sei.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der nach Ansicht der Behörde anzuwendenden Rechtsnormen führte die Behörde unter anderem aus, Art. 33 der erwähnten 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 hindere die Anwendung der Normen der Linzer Anzeigenabgabeordnung nicht; während die Umsatzsteuer als Objektsteuer den Umsatz eines Unternehmens besteuere, beziehe sich die Anzeigenabgabe auf die entgeltliche Veröffentlichung oder Verbreitung von Anzeigen. Sie unterscheide sich daher von ihrer Zielsetzung ebenso wie andere Verkehrssteuern wesentlich von der Umsatzsteuer. Im Rahmen der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie sollten jedoch nur weitere Steuern, welche mit den Umsatzsteuern "identisch" seien, als "bedenklich" eingestuft werden; dies treffe auf die Anzeigenabgabe nicht zu.
Überdies hielt die Behörde wie folgt fest:
"Es muss daher festgestellt werden, dass der ORF für seine über Rundfunk und Fernsehen betriebene Werbung, d.h. für die entgeltliche Veröffentlichung oder Verbreitung von Anzeigen nach den Bestimmungen des OÖ Anzeigenabgabegesetzes bzw. der Anzeigenabgabeordnung der Stadt Linz anzeigenabgabepflichtig ist. Über die in diesem Zusammenhang gestellten Rückerstattungsanträge wird in einem gesonderten Abgabeverfahren abgesprochen."
1.4. In ihrer dagegen gerichteten Vorstellung brachte die beschwerdeführende Partei vor, sie halte den "Einwand der Verfassungswidrigkeit" aufrecht. Was den "Einwand der Richtlinienwidrigkeit" - der gleichfalls aufrecht erhalten werde - betreffe, so sei auf das für alle Behörden der staatlichen Verwaltung geltende Gebot der richtlinienkonformen Auslegung zu verweisen.
Überdies führte die beschwerdeführende Partei an, dass "teilweise überschneidend" am 15. November 1995 ein Bescheid für den (Rückforderungs)Zeitraum "I bis VIII/1995" ergangen sei.
1.5. Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. März 1997 wies die belangte Behörde die Vorstellung der beschwerdeführenden Partei als unbegründet ab.
In ihrer Begründung hielt die belangte Behörde fest, dass das Betreiben von Werbung über Radio und Fernsehen durch die beschwerdeführende Partei eine entgeltliche Verbreitung von Anzeigen durch den Rundfunk im Sinne der im Einzelnen näher dargestellten Normen sei und die Pflicht zur Leistung einer Anzeigenabgabe nach der Anzeigenabgabeordnung der Stadt Linz vorliege. Weil der Betrieb vom Landesstudio Oberösterreich aus erfolge, sei auch die Stadt Linz zur Einhebung der Abgabe berechtigt.
Eine Rechtswidrigkeit der "Einhebung einer Anzeigenabgabe" im Hinblick auf die erwähnte gemeinschaftsrechtliche Bestimmung des Art. 33 Abs. 1 der 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 (77/388/EWG) sei nicht gegeben; der Ansicht der beschwerdeführenden Partei, die Anzeigenabgabe stelle eine "zweite Umsatzsteuer" dar, welche im Hinblick auf die genannte Richtlinie unzulässig sei, könne nicht gefolgt werden. Im Übrigen verwies die belangte Behörde auf die zutreffenden Ausführungen des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz im erwähnten Bescheid vom 5. September 1996. 1.6. Mit Beschluss vom 25. September 2000, B 737/97-25, lehnte der gegen diesen Bescheid zunächst mit Beschwerde angerufene Verfassungsgerichtshof die Behandlung derselben ab.
In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus:
"Die Beschwerde rügt überdies die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen. Da sie die Rechtswidrigkeit der bescheidmäßigen Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei der Landeshauptstadt Linz gegenüber iSd Anzeigenabgabeordnung der Landeshauptstadt Linz vom 18. Juli 1952 anzeigenabgabepflichtig ist, ausschließlich mit der Rechtswidrigkeit der dem (Vorstellungs)Bescheid zu Grunde liegenden Normen des Oberösterreichischen Anzeigenabgabegesetzes 1952 sowie der Anzeigenabgabeordnung der Landeshauptstadt Linz vom 18. Juli 1952 begründet, ist die beschwerdeführende Partei auf den hg. Beschluss vom 30. Juni 2000, B 1798/97, B 2294/97, zu verweisen. Die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm erscheint danach als so wenig wahrscheinlich, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."
In der Folge trat der Verfassungsgerichtshof über Antrag der beschwerdeführenden Partei mit Beschluss vom 24. November 2000, B 737/97-27, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.
1.7. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die beschwerdeführende Partei in ihrer - ergänzten - Beschwerde in ihrem Recht, dass ein erlassener Feststellungsbescheid den Inhalt habe, dass für sie eine Anzeigenabgabepflicht für Rundfunksendungen nicht gegeben sei, in eventu im Recht auf Feststellung, dass sie nicht uneingeschränkt, sondern nur hinsichtlich des lokalen Reklamewertes der in Linz produzierten Rundfunksendungen anzeigenabgabepflichtig sei, im Recht auf Nichterlassung eines Feststellungsbescheides mangels Vorliegens gesetzlicher Voraussetzungen und im Recht auf Aufhebung des Vorstellungsbescheides verletzt, weil der Berufungsbescheid "obige Rechte - zumindest eines von ihnen -" verletze. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides, hilfsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
1.8. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. November 1992, Zl. 86/17/0162, Slg. Nr. 13.732/A, unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung ausgesprochen hat, sind die Verwaltungsbehörden befugt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide zu erlassen, wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung oder ein im privaten oder öffentlichen Interesse begründeter Anlass vorliegt und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen.
Eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung ist im Beschwerdefall nicht erkennbar und wird auch von den Behörden nicht genannt.
Ein im öffentlichen Interesse (oder im rechtlichen Interesse einer Partei) gegründeter Anlass zur Erlassung eines Feststellungsbescheides liegt dann nicht vor, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden ist (vgl. unter Bezugnahme auf die Oberösterreichische Landesabgabenordnung das hg. Erkenntnis vom 26. April 1999, Zl. 98/17/0229, mwN). Somit ist kein Feststellungsbescheid zu erlassen, wenn die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich ist; ist die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich, so ist die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides infolge des Grundsatzes der Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden überhaupt zu verneinen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2000, Zl. 96/17/0242, mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt die Einreichung der Erklärung betreffend eine Selbstbemessungsabgabe - wie sie hier nach der Linzer Anzeigenabgabeordnung unstrittig (vgl. zu Anträgen auf Rückzahlung von Anzeigenabgabe und zu den auch hier heranzuziehenden Normen der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 2003, Zl. 2002/17/0262) vorliegt - kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung die Festsetzung der Abgabe. Damit verbinden sich die selben Rechtswirkungen wie mit einer bescheidmäßigen Festsetzung. Die "Quasi-Rechtskraft" einer solchen Festsetzung durch Erklärung wird allerdings durch die bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe wieder durchbrochen. Stellt der Abgabepflichtige nach der durch Selbstbemessung erfolgten Festsetzung der Abgabe einen Antrag auf Rückerstattung - wie dies im Beschwerdefall erfolgt ist - und setzt die Entscheidung über einen solchen Antrag - wie hier - voraus, dass die Behörde die Rechtsfrage der Abgabenschuldigkeit beantwortet, dann ist der Antrag auch als Begehren auf bescheidmäßige Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe zu werten. In einem solchen Fall hat die Abgabenbehörde zuerst über die Frage der Abgabenfestsetzung und danach über das Rückerstattungsbegehren zu entscheiden (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 2003, Zl. 99/17/0116, mwN).
Da somit über die Rückerstattungsanträge (und die damit verbundenen Anträge auf Abgabenfestsetzung) mittels Abgabenbescheides zu entscheiden ist, erweist sich insoweit ein Feststellungsbescheid als unzulässig. Sollte hingegen der Spruch der Berufungsbehörde im Zusammenhang mit der Begründung dahin zu verstehen sein, dass auch von den Rückerstattungsanträgen nicht erfasste Zeiträume in den Ausspruch über die Feststellung der Abgabenpflicht der beschwerdeführenden Partei mit einbezogen werden sollten, so wäre insoweit die Berufungsbehörde nicht zuständig gewesen, weil dies nicht Sache des Verfahrens in erster Instanz war.
Dadurch, dass die belangte Behörde diese Rechtswidrigkeit des vor ihr angefochtenen Bescheides nicht aufgegriffen hat, belastete sie ihren vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes; auf das weitere Beschwerdevorbringen war daher schon deshalb nicht weiter einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
2.2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren war abzuweisen, weil die beschwerdeführende Partei infolge der Gebührenbefreiung nach § 2 Z 3 Gebührengesetz von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2001/17/0152).
2.3. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 13. September 2004
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2000170245.X00Im RIS seit
20.10.2004