TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/14 2004/06/0074

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Veröffentlicht am 14.09.2004
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Index

E1E;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
21/01 Handelsrecht;
23/04 Exekutionsordnung;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
B-VG Art94;
EO §35 Abs2;
GEG §6 Abs1 idF 2001/I/131 ;
GEG §7 Abs1;
GEG §7 Abs5a;
HGB §283;
VVG §3 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde 1. der Bgesellschaft mbH, 2. des N und 3. des W, alle in W, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 22. Oktober 2003, Zl. Jv 3190-33a/2003, betreffend einen Berichtigungsantrag gemäß § 7 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 in Angelegenheit einer Zwangsstrafe nach § 283 HGB, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der (ergänzten) Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer sind Geschäftsführer der Erstbeschwerdeführerin.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Firmenbuchgericht vom 4. August 2003 wurde hinsichtlich des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers die Einhebung von (dem Beschwerdevorbringen zu Folge gemäß § 283 HGB) verhängten Zwangsstrafen von (je) EUR 726,73 (ursprünglich S 10.000,--) angeordnet, worauf das Landesgericht durch seinen Kostenbeamten entsprechende Zahlungsaufträge gegen den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer erließ. Dagegen erhoben alle drei Beschwerdeführer einen Berichtigungsantrag (§ 7 GEG 1962) und beantragten weiters, die Entscheidung über den Berichtigungsantrag wegen anhängiger präjudizieller Verfahren vor dem EuGH auszusetzen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde

1. den Berichtigungsantrag zurückgewiesen und 2. ausgesprochen, dass zu einer Aussetzung der Entscheidung über den gemeinsamen Berichtigungsantrag kein Anlass bestehe. Nach Wiedergabe der Vorgeschichte und des § 7 Abs. 1 und Abs. 5a des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG 1962) wird dies zusammengefasst damit begründet, dass der Kostenbeamte bei der Erlassung der Zahlungsaufträge an die mit Gerichtsbeschlüssen dem Grunde und der Höhe nach rechtskräftig bestimmten Zwangsstrafen gebunden gewesen sei. Im Wege des Berichtigungsverfahrens gegen einen Zahlungsauftrag könne die Rechtmäßigkeit der schon rechtkräftig verhängten Geldstrafen nicht mehr aufgerollt werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2002, Zl. 2002/16/0184). Dem Vorbringen im Berichtigungsantrag, welches sich gegen die Rechtmäßigkeit der verhängten Geldstrafen wende, komme im Beschwerdefall, in welchem Gegenstand des Verfahren nur mehr die Einbringung bereits rechtskräftig verhängter Geldstrafen sei, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Es sei daher dem gemeinsamen Berichtigungsantrag der beiden Geschäftsführer (Zweit- und Drittbeschwerdeführer) ein Erfolg zu versagen gewesen. Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin sei der Berichtigungsantrag zurückzuweisen gewesen, weil nur derjenige die Berichtigung begehren könne, gegen den der Zahlungsauftrag gerichtet sei. Gegen die Erstbeschwerdeführerin sei aber kein Zahlungsauftrag erlassen worden, sodass ihr Berichtigungsantrag zurückzuweisen gewesen sei.

Da die Erlassung der gegenständlichen Zahlungsaufträge auf einer rechtskräftigen Entscheidung der Gerichte beruhe, sei eine Aussetzung der Entscheidung im Sinne des § 7 Abs. 5a GEG 1962 weder zweckmäßig noch notwendig.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. Februar 2004, B 1674/03-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte, und sie mit weiterem Beschluss vom 20. April 2004, B 1674/03-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im Ablehnungsbeschluss heißt es begründend u.a., soweit die Beschwerde insofern verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (§ 7 Abs. 1 und Abs. 5a GEG 1962) behauptet werde, lasse ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (Hinweis auf die Entscheidung VfSlg. 9295/1981 und auf das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2002, Zl. 2002/16/0157) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, zumal die Rechtmäßigkeit des rechtskräftig verhängten Vorlageauftrages im Berichtigungsverfahren gegen den Zahlungsauftrag nicht mehr aufgerollt werden könne und überdies gestützt auf die Vorjudikatur keine Normbedenken bestünden.

In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Dritte Buch des Handelsgesetzbuches (HGB) regelt die "Rechnungslegung". Der Vierte Abschnitt dieses Dritten Buches enthält Vorschriften über die Prüfung, Offenlegung, Veröffentlichung und die Zwangsstrafen. Der Zweite Titel dieses Viertes Abschnittes (§§ 277 - 281 HGB) regelt die "Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung" sowie die "Prüfung durch das Firmenbuchgericht; der Dritte Titel dieses Abschnittes (§§ 282 und 283 HGB) die "Prüfungspflicht und Zwangsstrafen".

§ 7 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG 1962), BGBl. Nr. 288 (dieser Paragraph in der Fassung BGBl. I Nr. 131/2001), lautet:

"§ 7. (1) Der Zahlungspflichtige kann, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen 14 Tagen dessen Berichtigung verlangen. Der Berichtigungsantrag ist bei dem Gericht einzubringen, dessen Kostenbeamter den Zahlungsauftrag erlassen hat. In Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, gilt dies jedoch nur dann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrunde liegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter Berichtigungsantrag hat aufschiebende Wirkung. Wurde ein Berichtigungsantrag offenbar mutwillig erhoben, so kann der darüber entscheidende Präsident des Gerichtshofs gegen den Zahlungspflichtigen eine Mutwillensstrafe bis zu 290 Euro verhängen.

(3) Dem Berichtigungsantrag kann der Kostenbeamte selbst stattgeben, wenn es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt. In allen übrigen Fällen entscheidet der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz, wenn aber der Zahlungsauftrag von einem Oberlandesgericht erlassen wurde, der Präsident dieses Gerichtshofes im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid. Er ist an die gestellten Anträge nicht gebunden, sondern kann den Zahlungsauftrag auch zum Nachteil des Zahlungspflichtigen ändern. In Fragen von grundsätzlicher Bedeutung kann er die Akten dem Bundesministerium für Justiz zur Entscheidung vorlegen. Dieses kann unrichtige Entscheidungen über Gebühren und Kosten innerhalb der Verjährungsfrist (§ 8) auch von Amts wegen aufheben oder abändern.

(4) Eine Berichtigung des Zahlungsauftrages von Amts wegen kann ferner der mit der Überprüfung der Gebührenbestimmung namens des Bundes betraute Beamte (Revisor) innerhalb der Verjährungsfrist (§ 8) vornehmen. Er soll eine Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz oder des Oberlandesgerichtes (Abs. 3) nur herbeiführen, wenn es wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache angezeigt ist. Im übrigen nimmt er selbst die Berichtigung vor. Seine Entscheidung kann im Sinne der Abs. 1 bis 3 berichtigt werden; er kann einem solchen Berichtigungsantrag selbst stattgeben, wenn es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt.

(5) Hängt die Entscheidung über einen Berichtigungsantrag (Abs. 3) oder eine Berichtigung des Zahlungsauftrages von Amts wegen (Abs. 4) von der Richtigkeit der in der Unbedenklichkeitsbescheinigung bekanntgegebenen Bemessungsgrundlage (§ 26 GGG) ab, so ist vor der Entscheidung eine Stellungnahme des Finanzamtes, das die Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hat, über die für die Bemessung der Eintragungsgebühr maßgeblichen Berechnungsgrundlagen einzuholen; ist ein die Grunderwerbsteuer oder die Erbschafts- und Schenkungssteuer betreffendes abgabenbehördliches Verfahren anhängig, so kann die Entscheidung bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Verfahrens ausgesetzt werden.

(5a) Die Entscheidung über einen Berichtigungsantrag kann auch ausgesetzt werden, wenn wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage vor einem Gericht ein Verfahren anhängig ist, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über den Antrag ist, und der Aussetzung nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen. Die Aussetzung hat der Präsident des Gerichtshofs erster Instanz, wenn aber der Zahlungsauftrag von einem Oberlandesgericht erlassen wurde, der Präsident dieses Gerichtshofs auszusprechen. Nach rechtskräftiger Beendigung des Gerichtsverfahrens, das Anlaß zur Aussetzung gegeben hat, ist das Verfahren von Amts wegen fortzusetzen.

(6) Das Verfahren ist gebührenfrei.

(7) Gegen den Berichtigungsbescheid oder die Verhängung einer Mutwillensstrafe nach Abs. 2 ist kein Rechtsmittel zulässig."

Dass in den bekämpften Zahlungsaufträgen im Sinne des § 7 Abs. 1 dritter Satz GEG 1962 die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt worden wäre oder sie der zu Grunde liegenden gerichtlichen Entscheidung nicht entsprächen, wird nicht geltend gemacht. Vielmehr bringen die Beschwerdeführer zusammengefasst zunächst vor, es gehe im Beschwerdefall um die Durchsetzung von Zwangsstrafen wegen Nichtvorlage des Jahresabschlusses zum 28. Februar 1998. Wie sich aus dem (beizuschaffenden) Firmenbuchakt fraglos ergebe, sei die "mit der bekämpften Vorschreibung präsumtiv durchzusetzende Bilanzoffenlegung inzwischen längst erfolgt". Die Jahresabschlüsse der Erstbeschwerdeführerin seien also "längst vorgelegt worden". Es sei somit offenkundig, dass die Beschwerdeführer ihrer Vorlagepflicht entsprochen hätten und daher kein Grund mehr bestehen könne, sie weiter mit Beugemaßnahmen zu verfolgen. Wie nämlich der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 5. Oktober 1999, VfSlg. 15589, klargestellt habe, handle es sich bei einer solchen Zwangsstrafe (nach § 283 HGB) um eine Beugestrafe (und nicht um eine repressive Strafe, also um keine Strafe im engeren Sinn).

Weiters führen die Beschwerdeführer ins Treffen, dass die Richtlinien, welche den österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften zu Grunde lägen, gegen EU-Primär-Recht verstießen (wird näher ausgeführt; siehe dazu im Übrigen die ausführliche Darstellung der angesprochenen Problematik im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2003, A 2/01, u.a. Zlen.).

Schließlich bringen die Beschwerdeführer, wie schon im verfassungsgerichtlichen Verfahren, vor, dass § 7 Abs. 1 dritter Satz GEG 1962 verfassungswidrig sei.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Die Einschränkung, die die Zulässigkeit des Berichtigungsantrages gemäß § 7 Abs. 1 dritter Satz GEG 1962 in Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, dadurch erfährt, dass der Berichtigungsantrag in diesen Fällen nur gegen eine unrichtige Bestimmung der Zahlungsfrist oder dagegen zulässig ist, dass der Zahlungsauftrag der ihm zu Grunde liegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht, bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass die Gesetzmäßigkeit der durch die gerichtliche Entscheidung dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht nicht mehr auf dem Wege des Verwaltungsverfahrens zur Einbringung der Forderung aufgerollt werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 28. April 2003, Zl. 99/17/0025, mwN, oder auch das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 89/17/0270, mwN).

Die Beschwerdeführer haben ihre Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bereits erfolglos an den Verfassungsgerichtshof herangetragen; neue Argumente bringen sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich zur angeregten Anfechtung dieser Bestimmung beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst, weil er die fragliche Bestimmung für verfassungsrechtlich unbedenklich hält, entspricht es doch auch dem in Art. 94 B-VG normierten Grundsatz, dass im Verwaltungsverfahren nach § 7 GEG 1962 die Verwaltungsbehörden nicht berechtigt sein sollen, die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen zu hinterfragen.

Mit dem Vorbringen, die aufgetragene Bilanzoffenlegung sei bereits "längst erfolgt", weshalb die Zwangsstrafen (welche, wie der Verfassungsgerichtshof klargestellt habe, Beugestrafen und keine Strafen im engeren Sinne seien) nicht mehr eingebracht werden dürften, machen die Beschwerdeführer der Sache nach Oppositionsansprüche (Einwendungen gegen den Anspruch) geltend.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass, was die Einbringung einer gerichtlich verhängten Zwangsstrafe anlangt, Exekutionstitel nicht die gerichtliche Entscheidung selbst, sondern der Zahlungsauftrag ist (§ 6 Abs. 1 GEG 1962). Zwar liegt es im Wesen des Oppositionsanspruches, dass er (grundsätzlich) erst nach Schaffung des Exekutionstitels entsteht. Umstände, die vor diesem Zeitpunkt entstanden sind, können im Oppositionsweg nicht mehr geltend gemacht werden. Im vorliegenden Fall entsteht der Exekutionstitel aber in zwei Schritten: In einem ersten Schritt wird zunächst im gerichtlichen Verfahren die Leistungsverpflichtung festgelegt, deren Vollstreckbarkeit nach den Vorschriften des GEG 1962 einen weiteren Schritt, nämlich die Erlassung des darauf aufbauenden Zahlungsauftrages im Verwaltungsverfahren erfordert. Wie sich aus § 7 Abs. 1 GEG 1962 ergibt, ist in diesem zweiten Schritt der Bestand der Leistungsverpflichtung nicht mehr - und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines mittlerweile geänderten Sachverhaltes - zu überprüfen. Bei Beurteilung der Frage, ob ein Sachverhalt nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten ist und damit im Wege eines Oppositionsverfahrens geltend gemacht werden kann, ist daher im vorliegenden Verfahren zu differenzieren: Betrifft der fragliche Sachverhalt eine Rechtsfrage, die im gerichtlichen Verfahren zu prüfen war, so ist für seine Eignung als Oppositionsgrund entscheidend, dass er nach Entstehung der gerichtlichen Entscheidung eingetreten ist. Betrifft er hingegen eine Frage, die im Verfahren zur Erlassung des Zahlungsauftrages zu prüfen war, ist der Zeitpunkt dessen Schaffung entscheidend.

Da das in Rede stehende Vorbringen Behauptungen enthält, die, wären sie bereits vor der Schaffung der gerichtlichen Entscheidung erhoben worden, im gerichtlichen Verfahren zu prüfen gewesen wären, steht es der Qualifikation dieses Vorbringens als Oppositionsgrund nicht entgegen, dass der behauptete Sachverhalt noch vor Schaffung des Zahlungsauftrages eingetreten sein soll. Die Regel des § 35 Abs. 2 EO bzw. des § 3 Abs. 2 letzter Satz VVG sieht vor, dass über solche Einwendungen jener Behördentyp zu entscheiden hat, in dessen Ingerenz nach der Zuständigkeitsverteilung der Rechtsordnung diese Frage fällt. Das ist in der Regel der Behördentyp, von dem der Titel stammt.

Hier liegt aber insofern ein Sonderfall vor, als nach § 7 Abs. 1 dritter Satz GEG 1962 - wie bereits erwähnt - (unter den dort genannten Voraussetzungen) der Verwaltungsbehörde bei Entscheidung über den Berichtigungsantrag die Ingerenz genommen ist, andere Fragen als die dort genannten zu berücksichtigen, sodass sie insofern an die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung gebunden ist, weshalb im Ergebnis die Zuständigkeit zur Entscheidung über solche Fragen dem Gericht zukommt. Das hat im Beschwerdefall (auch vor dem Hintergrund des § 94 B-VG) dazu zu führen, dass auch über Oppositionsansprüche (Einwendungen gegen den Anspruch) der in Rede stehenden Art die Gerichte zu entscheiden haben, und daher solche Einwendungen (die sich letztlich gegen die gerichtliche Entscheidung richten) nicht im Verwaltungsverfahren gemäß § 7 GEG 1962 geltend zu machen sind.

Sind aber im Beschwerdefall die Verwaltungsbehörden nicht dazu berufen, über diese Einwendungen gegen den Titel zu entscheiden (Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges), hatten sie auch nicht die Frage zu lösen, ob eine Zwangsstrafe nach § 283 HGB (bloß) eine Beugestrafe ist oder (auch) repressiven Charakter hat.

Da es somit dem gemäß § 283 HGB Bestraften offen steht, das Erlöschen der Zahlungspflicht aus einem der in Rede stehenden Gründe im Wege der Oppositionsklage gegen ein allfällig eingeleitetes Exekutionsverfahren geltend zu machen, werden Rechte des Bestraften nicht dadurch verletzt, dass der Prüfungsumfang im Verfahren zur Erlassung des Zahlungsauftrages auf die in § 7 Abs. 1 GEG 1962 genannten Umstände beschränkt ist. Das von den Beschwerdeführern behauptete untragbare Rechtsschutzdefizit besteht also keinesfalls.

Es kann jedenfalls nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Entscheidung über den Berichtigungsantrag nicht, wie von den Beschwerdeführern gewünscht, bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über die verschiedenen in der Beschwerde genannten Verfahren, die bei ihm anhängig sein sollen, ausgesetzt hat. Demzufolge besteht auch für den Verwaltungsgerichtshof kein Anlass zu einer entsprechenden Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (zur angesprochenen Problematik siehe abermals die Darstellung im bereits genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2003, A 2/01, u.a. Zlen.).

Da sich bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen (ohne, dass eigens die Rechtsstellung der Erstbeschwerdeführerin im Berichtigungsverfahren zu prüfen gewesen wäre). Damit war auch von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof Abstand zu nehmen, zumal der Antrag im Sinne des § 39 Abs. 1 Z 1 VwGG verspätet, nämlich erst im Mängelbehebungsschriftsatz gestellt wurde (siehe die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 540 angeführte hg. Judikatur), und es hier nicht um die inhaltliche Berechtigung von Rechtsschutzansprüchen ging sondern vielmehr um die Frage, ob die Behörden des Verwaltungsverfahrens überhaupt dazu berufen waren, über diese Rechtsschutzansprüche, mögen sie nun berechtigt oder unberechtigt sein, zu erkennen.

Wien, am 14. September 2004

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004060074.X00

Im RIS seit

12.10.2004

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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