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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über den Antrag des Dr. Franz Müller, Rechtsanwalt in 3470 Kirchberg am Wagram, Georg Ruck Straße 9, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H Gesellschaft m.b.H auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. September 2001, Zl. 99/10/0020, abgeschlossenen Verfahrens, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 28. Juli 1988 war der Helmut O Gesellschaft m.b.H. für 2.300 l Gewürztraminer, Eiswein 1980, gemäß § 31 Abs. 1 WeinG 1985, BGBl. Nr. 441, die staatliche Prüfnummer E 0115888 erteilt worden. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. Jänner 1999 war diese staatliche Prüfnummer entzogen worden. Die gegen diesen Bescheid vom Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Helmut O Gesellschaft m.b.H. erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit dem im Spruch genannten Erkenntnis als unbegründet ab. Begründend wurde dargelegt, es sei nicht rechtswidrig gewesen, dass die belangte Behörde den Wein wegen des Zusatzes von Diethylenglycol (DEG) als nicht verkehrsfähig ansah. Davon ausgehend lägen die im § 31 Abs. 9 Z. 1 WeinG normierten Voraussetzungen der Entziehung der staatlichen Prüfnummer vor. Der angefochtene, die Entziehung der Prüfnummer aussprechende Bescheid verletze den Beschwerdeführer somit nicht im Recht auf Verwendung der Prüfnummer. Ob der angefochtene Bescheid nicht nur in § 31 Abs. 9 Z. 1 WeinG , sondern auch in der - von der belangten Behörde herangezogenen - Vorschrift des § 68 Abs. 3 AVG seine Grundlage finde, könne auf sich beruhen. Des Näheren wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Der Antragsteller begehrt die Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aus den Gründen des § 45 Abs. 4, in eventu Abs. 3 VwGG (gemeint offenbar: § 45 Abs. 1 Z. 3 und 4 VwGG).
Nach § 45 Abs. 1 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn
...
3. nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte, oder
4. im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, dass sonst das Erkenntnis oder der Beschluss anders gelautet hätte.
Der Antragsteller führt zunächst aus, der Verwaltungsgerichtshof sei im Erkenntnis vom 3. September 2001 völlig überraschend und unter Abkehr von seiner bisherigen Judikatur "im Endeffekt" zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Änderung der Rechtslage, nämlich der Methodenverordnung, die Behörde ohne Weiteres zur Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides ermächtige. Nach der bisherigen Rechtsprechung müssten Ausnahmen von der Unabänderlichkeit rechtskräftiger Bescheide streng geprüft werden. Im Erkenntnis vom 24. Jänner 1994, Zl. 93/10/0216, habe der Verwaltungsgerichtshof überdies ausgesprochen, dass die Einführung oder Änderung eines Grenzwertes für Zusatzstoffe nach Erteilung der Prüfnummer keinen Entziehungsgrund darstelle. Wenn auch Diethylenglycol kein Zusatzstoff sei, so sei hiefür doch ein Grenzwert festgesetzt, der nach der ursprünglichen Fassung der Methodenverordnung BGBl. Nr. 495/1989 5,0 mg DEG/l Wein betrage und erst mit der 4 Wochen vor dem gegenständlichen Bescheid erlassenen Verordnung BGBl. II Nr. 466/1998 auf 2,0 mg/l abgeändert worden sei. Dass dieser Wert nicht ausdrücklich als Grenzwert festgesetzt worden sei, sondern die Anweisung an das Weinuntersuchungsorgan gewählt worden sei, dass Werte unter 2 mg/l Wein nicht auf das Vorhandensein von zugesetztem DEG zurückgeführt werden dürften, könne am materiell rechtlichen Gehalt dieser Bestimmung als Festsetzung eines Grenzwertes nichts ändern. Nach herrschender Ansicht setze der Entzug einer bestimmten staatlichen Prüfnummer ein Fehlverhalten mit oder in Bezug auf diese konkrete Nummer voraus. Ein solches liege nicht vor, da der Wein unbestrittener Maßen nicht verändert worden sei und sich lediglich die Rechtslage geändert habe. Es verbiete sich daher ein Eingriff in die Rechtskraft eines Bescheides nach § 31 Abs. 9 WeinG. Die Vorschrift biete keine Handhabe, eine Verordnung bzw. ein Gesetz rückwirkend anzuwenden. Es spiele daher sehr wohl eine Rolle, dass der DEG-Gehalt des Weines bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Prüfnummer bekannt war und nicht etwa erst nachträglich entdeckt wurde. Auch im Erkenntnis vom 5. Juli 1993, Zl. 90/10/0142 habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Entzug (gemeint: die Entziehung) nur dann gerechtfertigt sei, wenn nachträglich neue Sachverhaltselemente aufgetaucht seien, die bei der ursprünglichen Untersuchung für die Erteilung der Prüfnummer nicht berücksichtigt worden seien. Davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die belangte Behörde habe daher auch mit gutem Grund die Entscheidung nicht auf § 31 Abs. 9 WeinG gestützt. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei daher schon aus diesen Gründen verfehlt. Der Beschwerdeführer hätte, wäre er vom Gerichtshof auf diese völlig unzutreffende Rechtsansicht aufmerksam gemacht worden, seine Bedenken entsprechend darlegen können.
Mit diesen Darlegungen wird ein Verkennen der Rechtslage durch den Verwaltungsgerichtshof behauptet. Dies würde aber - selbst wenn die Behauptung zuträfe - keinen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des Gesetzes darstellen (vgl. z.B. den Beschluss vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/04/0224). Es erübrigt sich daher, den Rechtsausführungen des Antrages im Einzelnen entgegen zu treten.
Der Antragsteller macht weiters geltend, mangels Kenntnis der überraschenden Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes habe er nicht darlegen können, dass der Entziehung der staatlichen Prüfnummer auch die Einstellung eines auf § 31 Abs. 9 WeinG gestützten Entziehungsverfahrens entgegenstehe. Hätte der Gerichtshof entsprechend der Bestimmung des § 41 Abs. 1 VwGG das Parteiengehör gewahrt, hätte der Beschwerdeführer die Mitteilung des Bundesamtes für Weinbau in Eisenstadt vom 29. Juni 1998 sowie die als Bescheid zu wertende Erledigung der selben Behörde vom 17. Juli 1998 vorlegen können. Aus diesen Unterlagen ergebe sich, dass das Bundesamt für Weinbau ein Entziehungsverfahren gemäß § 31 Abs. 9 Z. 1 WeinG eingeleitet, dieses Verfahren jedoch in der Folge mangels Vorliegens der Voraussetzungen eingestellt habe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes habe sich die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr auf die Bestimmung des § 31 Abs. 9 WeinG stützen dürfen, weil ein unter Bezugnahme auf diese Gesetzesbestimmung eingeleitetes Verfahren bereits eingestellt gewesen sei und daher nicht nochmals unter Bezugnahme auf diese Gesetzesbestimmung ein weiteres Verfahren eingeleitet hätte werden dürfen. Aus der als Bescheid zu wertenden Erledigung des Bundesamtes für Weinbau vom 17. Juli 1988 ergebe sich jedenfalls in analoger Anwendung von § 45 Abs. 1 Z. 3 VwGG, dass eine entschiedene Sache vorliege, die der Beschwerdeführer jedenfalls im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hätte einwenden können. Auch diesbezüglich hätte der Gerichtshof zum Ergebnis kommen müssen, dass die belangte Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr berechtigt gewesen wäre, die Entziehung der staatlichen Prüfnummer auf die Bestimmung des § 31 Abs. 9 WeinG zu gründen.
In dem dem Antrag beiliegenden Schreiben des Bundesamtes für Weinbau vom 29. Juni 1998 wird dargelegt, bei der Erstüberprüfung des Weines sei ein Gehalt von 3 mg/l Diethylenglycol festgestellt worden. "Auf Grund eines Gegengutachtens" sei die vorläufige Beschlagnahme des Weines aufgehoben und die Prüfnummer erteilt worden. Damals sei die Bestimmungsgrenze für Diethylenglycol noch nicht in jener niedrigen Ebene angesiedelt gewesen, wie sie nunmehr zum Standard jeder Untersuchung gehöre. Am 21. August 1997 sei der Wein neuerlich zur Untersuchung eingereicht worden. Diese habe (neuerlich) einen Gehalt von 3 mg/l DEG ergeben. Das Produkt sei somit nach heutigen Erkenntnissen verfälscht und verkehrsunfähig. Gemäß § 31 Abs. 9 Z. 1 WeinG habe das Bundesamt dem Verfügungsberechtigten das Recht zur Verwendung der staatlichen Prüfnummer zu entziehen, wenn sich nachträglich herausstelle, dass der Wein den Voraussetzungen für die Erteilung der staatlichen Prüfnummer nicht entspreche. Da diese Voraussetzungen vorlägen, wäre demnach vom zwischenzeitlich beschlagnahmten noch vorhandenen Vorrat die staatliche Prüfnummer zu entziehen. Der Masseverwalter werde zur Stellungnahme binnen 14 Tagen aufgefordert.
Mit Schreiben vom 17. Juli 1998 teilte das Bundesamt für Weinbau dem Masseverwalter Folgendes mit:
"Gegenstand: Einstellung des Verfahrens auf Entziehung der staatlichen Prüfnummer E 1158/88.
Das für Entziehungen von staatlichen Prüfnummern zuständige Bundesamt für Weinbau teilt dem Herrn Masseverwalter mit, dass das Entzugsverfahren GZ. ... Antragsnummer E 1158/88, Helmut O. GesmbH eingestellt wird. Nach weiter durchgeführten Ermittlungen durch die Behörde steht nunmehr fest, dass die Bestimmungsgrenze, ab welcher der festgestellte Wert an DEG abgesichert ausgewiesen werden kann, bei 5,0 mg/l liegt. Die Toleranzgrenze beträgt demnach 5,0 mg DEG pro Liter Wein. Da ein Entzugsverfahren betreffend der staatlichen Prüfnummer im vorliegenden Fall somit nicht vertretbar ist, war dieses einzustellen."
Die Erledigung ist "Für das Bundesamt Mag. P." gefertigt.
Auch damit zeigt der Antragsteller keinen Wiederaufnahmsgrund auf. Dem geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund des § 45 Abs. 1 Z. 3 VwGG ist der vorgetragene Sachverhalt schon deshalb nicht zu subsumieren, weil keine (der Rechtskraft zugängliche) "Entscheidung" im Sinne der zitierten Vorschrift vorliegt. Weder die Vorschriften des WeinG noch die Verwaltungsverfahrensvorschriften ermächtigen das Bundesamt für Weinbau, ein "Verfahren zur Entziehung einer staatlichen Prüfnummer" mit der Wirkung "einzustellen", dass in Zukunft die Entziehung der Prüfnummer ausgeschlossen sei. Im Schreiben vom 17. Juli 1998 kommt auch nicht zum Ausdruck, dass damit - im Sinne der Rechtsprechung zum Bescheidbegriff (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 56 AVG, E 7 ff) - eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ geregelt würde. Vielmehr handelt es sich um eine Mitteilung einer Rechtsauffassung; dem Schreiben kommt daher keinesfalls die Wirkung eines bindenden Abspruches in Richtung des Ausschlusses eines Entziehungsverfahrens nach § 31 Abs. 9 WeinG zu.
Daraus folgt, dass der vorgetragene Sachverhalt auch dem in § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG normierten Wiederaufnahmsgrund nicht subsumiert werden kann; dies schon deshalb, weil auszuschließen ist, dass das Erkenntnis im Sinne der zitierten Vorschrift anders gelautet hätte, wenn der Antragsteller die Schreiben der Bundesanstalt für Weinbau bereits im Beschwerdeverfahren vorgelegt hätte.
Es liegt daher kein Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens vor.
Wien, am 14. September 2004
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen MitteilungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2004:2001100205.X00Im RIS seit
23.12.2004